Protokoll der Sitzung vom 29.11.2005

Bei einem großen Teil der Änderungen, die vorgenommen werden, handelt es sich um Anpassungen, die zum Beispiel durch Zuständigkeitsänderungen in den Ministerien, durch Umbenennungen von Fachausdrücken, zum Beispiel durch die Umbenennung des Leichenschauscheines in Todesbescheinigung, bedingt sind. An dieser Stelle sei

auch der zarte Hinweis erlaubt, dass man auch in diesem Bereich eine Verwaltungsvereinfachung erreichen könnte, wenn man nicht unaufhörlich umressortieren oder solche Begriffl ichkeiten ändern würde, die einen ganzen Rattenschwanz von Maßnahmen in der Gesetzgebung nach sich ziehen.

Andere Änderungen sind für uns a priori nicht nachvollziehbar oder unter Umständen sogar problematisch. Das Erste ist, dass noch im Jahr 2000 in der Begründung zu dem Gesetz explizit als positives Kriterium erwähnt wurde, dass es die Direktmeldung vom Arzt zur Vertrauensstelle gibt. Sie soll jetzt zugunsten der Meldung des Arztes an die Klinikregister abgeschafft werden. Wir brauchen Aufklärung, welche Überlegungen sich dahinter verbergen.

Auch die datenschutzrechtlichen Änderungen in Artikel 10 sind ohne nähere Befassung nicht so einfach zustimmungsfähig. Deswegen müssten wir im Ausschuss auch darüber reden. Bisher war festgelegt, dass nur die Vertrauensstellen die entsprechenden Computerprogramme oder die Chiffriercodes verwenden dürfen. Jetzt wird das sinnvollerweise auf die zentrale Stelle für das Mammografi escreening ausgedehnt. Die Frage ist allerdings, warum man diese Stelle im Gesetz nicht auflistet, statt einfach auch die Vertrauensstelle zu streichen und somit nicht mehr genau zu defi nieren, wer Zugriff haben darf.

Eine weitere Frage ist, welche Werbemaßnahmen – wie angekündigt – im Jahre 2000 ergriffen worden sind, nachdem dies ein freiwilliges Melderegister war, um die Akzeptanz und den Gebrauch zu steigern. Dies hätte ursprünglich vom Sozialministerium – jetzt Gesundheitsministerium – in Kooperation mit der Kassenärztlichen Vereinigung durchgeführt werden sollen.

Was wir mit Freude gesehen haben, ist, dass die 0,2 Millionen Euro im Nachtragshaushalt dafür vorgesehen sind. Wir sehen großzügig darüber hinweg, dass die Zusicherung der Staatsregierung eigentlich nicht genügt, weil das Parlament darüber abstimmen muss. Aber wenn es der Sache dient, freut es uns, dass das Geld dafür zur Verfügung gestellt wird. Wir kündigen aber bereits jetzt an, dass wir bei den Beratungen des Nachtragshaushalts auch noch andere fi nanzielle Forderungen für Dinge stellen werden, die wir ebenfalls für notwendig halten.

Die ausführliche Diskussion – auch das hat Herr Kollege Zimmermann gesagt – werden wir übermorgen im zuständigen Sozialausschuss führen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Ackermann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir begrüßen es, dass dieses Gesetz jetzt unbefristet gelten soll, nachdem es vorher auf fünf Jahre befristet war. Darüber hinaus war es unzureichend, weil es nicht ganz Bayern abgedeckt hat. Es haben einige Bezirke gefehlt. Jetzt sind alle Bezirke aufgenommen. Wir erhoffen uns damit einen einigermaßen vollständigen

Überblick über ganz Bayern. Wenn die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass einige Bezirke nur ganz unvollständige Meldedaten gesammelt haben, kann das zum einen an der mangelnden Aufklärung und Werbung liegen, zum anderen aber auch daran, dass die Ärzte damit komplett überfordert waren und nicht die Zeit dafür hatten, diesen Verwaltungsaufwand, der dazu notwendig ist, zu leisten, weil ihnen nur ein begrenztes Zeitbudget zur Verfügung steht.

Wir sind gespannt darauf, welche Gebiete besonders hervorstechen werden, wenn das Krebsregister eines Tages vollständig vorliegt, und wir interessieren uns auch ganz besonders dafür, in welchen Gebieten Umweltgifte eine besondere Rolle spielen und welche Auswirkungen es im Umkreis von AKWs gibt. Das ist im Augenblick auch ziemlich schwierig zu erkennen, weil die Meldungen der Ärzte zum Teil noch unvollständig sind bzw. in eine falsche Richtung gelenkt werden. Wenn die Evaluation da sein wird, werden wir auf jeden Fall darauf pochen, deren Ergebnisse in gesundheitspolitische und umweltpolitische Entscheidungen umzusetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Aussprache ist damit geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Kirchensteuergesetzes (Drs. 15/3311) – Zweite Lesung –

hierzu:

Änderungsantrag der Abg. Peter Welnhofer u. a. CSU (Drs. 15/4057)

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Im Ältestenrat wurden zehn Minuten Redezeit pro Fraktion vereinbart. Ich erteile Herrn Kollegen Weidenbusch das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Folge des Untersuchungsausschusses „Deutscher Orden“ hat sich Handlungsbedarf im Hinblick auf die Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an Kirchen und religions- und weltanschauliche Gemeinschaften ergeben. Das Problem besteht im Wesentlichen darin, dass ein staatliches Eingreifen im Wege der Aufsicht aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen ist, sodass Handlungsmöglichkeiten des Staates ausschließlich im Entzug der Körperschaftsrechte bestehen.

Die Lösung, die der Gesetzentwurf wählt, besteht darin, dass Regelungen über Verleihung und Verlust von Körperschaftsrechten im Rahmen der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten aufgenommen werden und Entspre

chendes für Orden und ähnliche kirchliche Vereinigungen gelten soll.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die rechtswidrige Verleihung von Körperschaftsrechten auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden kann. Dies kann erhebliche Rückabwicklungsschwierigkeiten nach sich ziehen, soweit Dritte im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Verleihungsaktes bereits geschäftliche Beziehungen mit der Körperschaft aufgenommen haben.

Der Änderungsantrag der CSU-Fraktion sieht daher vor, dass eine Rücknahme mit Rückwirkung nur dann in Betracht kommt, wenn eine Gemeinschaft den Körperschaftsstatus durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat. Das heißt, der Änderungsantrag der CSU-Fraktion schränkt insoweit die Widerrufsmöglichkeiten mit Rückwirkung ein.

Dies wird tatsächlich erreicht durch eine Verweisung auf die entsprechende Regelung im Bayerischen Verwaltungs- und Verfahrensgesetz Artikel 48 Absatz 2 Nummer 2. Ich bitte um Zustimmung.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Vielen Dank, Kollege Weidenbusch, und auch vielen Dank für diesen Beifall. Ich fi nde das ganz gut. Jeder hat verdient, dass er ein bisschen Beifall bekommt, wenn er auf seinen Platz zurückkehrt.

(Allgemeine Heiterkeit und Beifall)

Nun hat Herr Kollege Dr. Kaiser das Wort.

(Beifall bei der SPD)

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie Kollege Weidenbusch schon ausgeführt hat, geht es bei diesem Gesetzentwurf nicht um eine Änderung der Kirchensteuer, wie man es vielleicht aufgrund des Titels annehmen könnte, sondern es geht um die Verleihung von Körperschaftsrechten für Religionsgemeinschaften und Orden. Es geht um das Verfahren bei der Verleihung von Körperschaftsrechten bzw. um die Aberkennung der Körperschaftsrechte und es geht vor allem um die Anerkennung und Aberkennung der Körperschaftsrechte im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Betätigung von Religionsgemeinschaften und Orden.

In der Tat – dies hat auch Kollege Weidenbusch schon gesagt – ist dieser Gesetzentwurf das Ergebnis des Untersuchungsausschusses „Deutscher Orden“, der von der SPD-Fraktion und den GRÜNEN im Bayerischen Landtag eingesetzt wurde.

Anlass für diesen Untersuchungsausschuss und infolge auch jetzt für diesen Gesetzentwurf war die Zahlungsunfähigkeit eines päpstlichen Ordens, des Deutschen Ordens im Dezember 2000, also vor nunmehr fünf Jahren. Diese Zahlungsunfähigkeit des Deutschen Ordens hatte gravierende Auswirkungen auf die rund 5000 Mitarbeiter des Ordens, auf die Banken, die Darlehen gegeben hatten und natürlich auch auf die Geschäftspartner, die mit den

Einrichtungen des Deutschen Ordens Vertragsvereinbarungen getroffen hatten.

Das Problem war damals, dass Körperschaften des öffentlichen Rechts – auch eine kirchliche Körperschaft ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts – insolvenzunfähig waren. Das heißt, es konnte kein geordnetes Konkursverfahren eingeleitet werden, auch bei Zahlungsunfähigkeit nicht, und deshalb haben auch die Sanierungsmaßnahmen für den Deutschen Orden so lange gedauert.

Mit diesem Gesetzentwurf soll jetzt die Möglichkeit geschaffen werden, dass für einen Orden – einen Orden als Körperschaft des öffentlichen Rechts gibt es aufgrund des Konkordats nur in Bayern – auch dann, wenn Zahlungsunfähigkeit eintritt – so steht es nun im Gesetzentwurf – die Aberkennung der Körperschaftsrechte erfolgen kann und dass dann ein ordnungsgemäßes Insolvenzverfahren eingeleitet werden kann, bei dem zum Beispiel auch die Mitarbeiter Konkursausfallgeld oder Insolvenzausfallgeld bekommen können. Das wäre beim Deutschen Orden damals nicht möglich gewesen, wobei es allerdings gelungen ist, eine Sanierung durchzuführen.

Die Begründung dieses Gesetzentwurfs liest sich eigentlich, wenn man sie sorgfältig und genau durchliest, wie die Begründung im Ergebnis des Untersuchungsausschusses aus unserer Sicht. Ich darf zitieren:

Satz 2 stellt im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes klar, dass die Gewähr der Dauer nur bejaht werden kann, wenn die Gemeinschaft auch in der Lage ist, ihren fi nanziellen Verpfl ichtungen auf Dauer nachzukommen. Die Verleihung der Körperschaftsrechte setzt daher eine Prognose über die wirtschaftliche Stabilität der Gemeinschaft voraus. Sie wird in der Regel auf der Grundlage eines von Wirtschaftsprüfern erstellten Gutachtens zu treffen sein.

Genau dies, nämlich eine Überprüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auf Dauer, ist damals nicht geschehen. Ministerpräsident Dr. Stoiber hat damals Kultusminister Hans Zehetmair gebeten, die Verleihung der Körperschaftsrechte auszusprechen. Aus diesem Grund ist eine genauere Prüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des sehr schnell gewachsenen Ordens unterblieben. Das war die Ursache dafür, dass dann wenige Jahre später die Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist. Ministerpräsident Dr. Stoiber wollte damals den Orden unbedingt nach Bayern bringen, und das ist der zweite Grund. Die Begründung ist auch hierin enthalten: Der Orden muss, wenn er die Körperschaftsrechte bekommt, in Zukunft seinen Sitz in Bayern haben. Das war damals nicht der Fall, sondern der Sitz des Deutschen Ordens war Frankfurt. Die Verlegung des Sitzes nach Bayern wurde vom Orden von der Verleihung der Körperschaftsrechte abhängig gemacht. Herr Kollege Weidenbusch, auch dies ist in Zukunft ausgeschlossen.

Dritter Aspekt, der danach im Untersuchungsausschuss eine große Rolle gespielt hat:

Die Bestimmung ist als Ermessensvorschrift ausgestaltet, die auch die Erteilung von Aufl agen erlaubt. Insbesondere soll das Gesetz ermöglichen, Aufl agen hinsichtlich der wirtschaftlichen Betätigung der betroffenen Orden und kirchlichen Vereinigungen zu erteilen. Die Führung von risikobehafteten Unternehmungen – auch von solchen, die gemeinnützig sind – soll möglichst nicht im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Körperschaft erfolgen.

Beim Deutschen Orden ist die wirtschaftliche Betätigung im Rahmen der Körperschaft vollzogen worden. Damals hatte man sogar bestehende Tochtergesellschaften, die sich wirtschaftlich betätigt haben, aufgelöst und in die Körperschaft aufgenommen. Das war der Grund dafür, dass man geglaubt hat, man könne nicht zahlungsunfähig werden, weil man damit die Insolvenzunfähigkeit erreicht habe. Auch dies wird also in Zukunft ausgeschlossen. Das heißt, bereits bei der Verleihung der Körperschaftsrechte kann die Aufl age gemacht werden – und ich appelliere, dass es geschieht, wenn nochmals ein solcher Fall eintreten sollte –, dass eine GmbH oder eine AG gebildet wird, um dann ein ordnungsgemäßes Insolvenzverfahren durchführen und dann vor allem die Wirtschaftsgesetze, etwa das HGB und so weiter, anwenden zu können.

Ich komme zur Quintessenz: Der Gesetzentwurf ist eigentlich ein Eingeständnis dafür, dass damals beim Deutschen Orden eine Fehlhandlung, insbesondere vom Ministerpräsidenten, erfolgt ist. Wir begrüßen es, dass in Zukunft durch diese gesetzlichen Maßnahmen solche Fehlleistungen der Staatsregierung zumindest sehr stark erschwert werden. Das ist ein gutes Ergebnis des Untersuchungsausschusses.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Noch eine kurze Anmerkung zur Kritik der GRÜNEN am Beginn des Gesetzentwurfs für Orden und Religionsgemeinschaften: Dieses Gesetz gilt für alle Orden und Religionsgemeinschaften, die bei Inkrafttreten des Reichskonkordates und des Bayerischen Konkordates noch nicht bestanden haben. Hätte man die Regelung weiter rückwirkend einführen wollen, hätte man eine Änderung des Konkordates und Verhandlungen mit dem Vatikan anstreben müssen, aber dazu fehlten Mut und Bereitschaft. Aber immerhin ist die Regelung ein großer Fortschritt zumindest für die Religionsgemeinschaften und Orden, die nach 1924 entstanden sind, und vor allem für diejenigen, die in Bayern die Eigenschaft einer Körperschaft neu erhalten wollen. Insofern ist es aus der Sicht der SPD-Fraktion nur folgerichtig, dass wir den Gesetzentwurf begrüßen und ihm in Zweiter Lesung selbstverständlich zustimmen werden.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Stahl. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, meine Herren und Damen! Mit dem Gesetzentwurf behandeln wir die Nachwehen Stoiberscher Spezlwirtschaft. Ob nun die neuen alten Ministerinnen und Minister gegenüber dem

Ministerpräsidenten auf Abruf soviel Rückgrat haben, wie sie damals vor 2001 hätten haben sollen, werden wir sehen. Der Ministerpräsident hat sich gegen alle Vernunft damals dazu hinreißen lassen, auch gegenüber seinen Ministerinnen und Ministern die Anerkennung des Deutschen Ordens durchzudrücken.

Wir sind der Meinung, dass es im Kirchensteuergesetz Gesetzesänderungen braucht, weil wir in Zukunft auf das Rückgrat der Ministerinnen und Ministern nicht vertrauen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)