Protokoll der Sitzung vom 30.11.2005

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Einen Moment. Ich habe den Grund der Aufregung nicht mitbekommen, ich war gerade abgelenkt.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Das war nicht wichtig!)

Das war nicht wichtig, wie auch immer. Es hat jedenfalls zur Aufregung geführt. Aber nun hat Herr Minister Huber wieder das Wort.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Unverschämtheit!)

Es ist halt so, die Wahrheit bringt immer eine große Aufregung.

(Beifall bei der CSU)

Die Wahrheit ist, dass diese große Koalition ein fi nanzpolitisch außerordentlich schwieriges, ja dramatisches Erbe angetreten hat.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Dr. Kronawitter?

Ich muss erst einmal etwas sagen, ich habe noch gar nicht angefangen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Zuruf von der SPD)

Frau Kronawitter, als ausgebildete Volkswirtin können Sie doch Zahlen lesen. Dann sollte sich die SPD im ganzen Land ebenso wie in Bayern zu dieser Verantwortung bekennen. Vor der Wahl haben Sie die Zahlen verschleiert, jetzt haben wir das Schlamassel.

(Beifall bei der CSU – Dr. Thomas Beyer (SPD): Sie sind Minister!)

Finanzminister Eichel hat bis Mitte Oktober, bis drei Wochen nach der Wahl, von einem Defi zit in Höhe von 25 Milliarden Euro geredet – dann ist uns ein strukturelles Defi zit von mehr als 60 Milliarden Euro dargestellt worden mit dem genannten Konsolidierungsbedarf von 35 Milliarden Euro. Sowohl der Bundesfi nanzminister und der Bundesverkehrsminister als auch alle anderen, die in Berlin Verantwortung tragen, werden um der Zukunft des Landes willen auch unbequeme, schwierige und schmerzliche Entscheidungen zu treffen haben, weil wir sonst die Zukunft verlieren. Ich verstehe da die GRÜNEN – wer in der Opposition ist, kann diese billigen, populistischen Anträge stellen-,

(Beifall bei der CSU)

obwohl sie für die Ursachen mitverantwortlich sind.

Verehrte Kollegen von der SPD, ich frage mich eigentlich, wie Sie denn eigentlich politische Verantwortung ver

stehen. Ihr Parteivorsitzender hat, wie Kollege Rotter gerade gesagt hat, diesen Koalitionsvertrag unterschrieben. Im Koalitionsvertrag ist verankert, dass es bei einer Vielzahl von Maßnahmen – nicht nur hier – mit einem Konsolidierungsbedarf in der genannten Höhe zu hohen Sparmaßnahmen und – leider – auch zu Mehrwertsteuererhöhungen kommen wird, weil sonst eine Leistungsfähigkeit und eine Stabilität der Bundesfi nanzen nicht mehr herzustellen wäre. Es vergehen gerade einmal elf Tage, da treten Sie hier im Bayerischen Landtag an, blenden die Ursachen aus und stellen sich hier als Verteiler von Geld dar, das nicht da ist.

(Beifall bei der CSU)

Ich sage, an die Fraktionsführung der SPD hier im Landtag gerichtet: Sie werden doch nicht glauben, dass dieses Spiel in den nächsten vier Jahren so gehen wird:

(Zurufe der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD) und Karin Radermacher (SPD))

dass Sie oben gemeinsam mit der Union etwas – vielleicht Schwieriges – beschließen und sich dann im Landtag hierher stellen,

(Zuruf von der SPD: Das haben doch Sie bis zur Perfektion getrieben! – Weitere Zurufe von der SPD)

uns allein für die Schwierigkeiten verantwortlich machen und sich aus der Verantwortung stehlen.

(Beifall bei der CSU – Dr. Thomas Beyer (SPD): Wer denn?)

Das hat für mich mit politischer Glaubwürdigkeit nicht mehr das Geringste zu tun.

(Beifall bei der CSU)

Sie sind für ihr eigenes politisches Schicksal selber verantwortlich. Aber Sie werden doch nicht glauben, dass Ihnen davon ein einziger im ganzen Land etwas abnimmt. Wenn man in Berlin Hü und in Bayern Hott sagt und dazwischen luftleerer Raum ist, wird man bei der Bevölkerung weder eine Zustimmung für die eigene Partei noch für eine staatspolitisch notwendige Art von Politik in den nächsten Jahren erlangen. Sie sind auf dem Holzweg, und deshalb rate ich der SPD, umzukehren und nicht weiter diesen verhängnisvollen Weg zu gehen.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

Zur Frage der Regionalisierungsmittel im engeren Sinne: Bisher liegt ein Gesetzentwurf des Bundes nicht vor. Es gibt eine Ankündigung des Bundesfi nanzministers, in der Tat die Mittel für den Schienenpersonennahverkehr stufenweise, beginnend ab 2006 bis 2009, einzuschränken. Wir gehen dabei davon aus, dass es nicht bei einer Ankündigung, bei einem Abnicken bleibt, sondern dass der Bund mit den Ländern zumindest zunächst auch dar

über verhandelt, wie das im Jahr 2006 überhaupt vollzogen werden kann. Denn für das Jahr 2006 gibt es Verträge, aus denen man nicht einfach aussteigen kann.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

Da wird der Bund ebenso wie bei anderen Maßnahmen einmal sehen, was realistisch ist und umgesetzt werden kann. Man wird dabei auch davon ausgehen müssen, was auf diesem Gebiet oder möglicherweise in anderen Bereichen alternativ gespart werden kann. Ich sage da, an SPD und GRÜNE gewandt: Sie sagen einfach, die Kürzung solle abgelehnt werden. Aber niemand von Ihnen macht sich beispielsweise über Alternativen Gedanken. Das wäre doch sachgerecht.

Herr Beyer, wenn Sie da wirklich heldenhaft dastehen wollen, müssen Sie doch sagen: Gut, da keine Regionalisierung, aber an anderer Stelle sind wir dazu bereit. Aber auch das bleiben Sie schuldig. Deshalb sage ich: unehrlich, populistisch und unglaubwürdig!

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

Der Bayerische Ministerpräsident hat die Tatsache genannt, dass wir vertragstreu sind. Es kann doch nicht sein, dass man am 18. November unterschreibt und das ein paar Tage später wieder vergessen hat. Natürlich muss über die einzelnen Zahlen verhandelt werden; das bestreitet kein Mensch. Aber zu sagen, da darf überhaupt nichts passieren, obwohl man vor kurzem – noch dazu in einem Vertrag – eine völlig andere Position vertreten hat, das geht so nicht.

Deshalb wird natürlich die Bayerische Staatsregierung entweder im Bundesrat oder an anderer Stelle mit der Bundesregierung natürlich darüber verhandeln. Wir wissen aber auch, dass wir zur Sanierung des Landes hier und in anderen Bereichen mit Kürzungen leben müssen. Wir werden dazu keine Fundamentalopposition betreiben, aber wir versuchen, dies auf eine Art und Weise hinzubringen, damit erstens – ich wiederhole das – in Stadt und Land ein verlässlicher Schienenpersonennahverkehr auch in der Zukunft gewährleistet ist. Zweitens müssen natürlich die Ausbaumaßnahmen fortgesetzt werden. Es geht in München darum, dass die zweite S-Bahn-Röhre gebaut wird. Dafür brauchen wir Mittel aus dem Regionalisierungsgesetz. Wir wollen selbstverständlich auch im Raum Nürnberg die U-Bahn weiter ausbauen. Ich bekenne mich ausdrücklich dazu, auch unter den gegebenen energiepolitischen Bedingungen von hohen Öl- und Benzinpreisen, dass wir einen attraktiven Nahverkehr brauchen. Deshalb brauchen wir weitere Ausbaumaßnahmen.

Ich fi nde es aber sehr positiv, dass Herr Kollege Rotter sagt: „Lassen Sie uns auch einmal sehen, ob man über Ausschreibungen nicht beispielsweise noch Effi zienzkriterien schöpfen kann.“ Denn man kann nicht sagen, die Bedingungen sind so, und so müssen sie bleiben.

Man muss sich überlegen, ob man beim Ausbau mit Standards oder Streckungen über die Runden kommt. Des

halb bitte ich Sie, dem Dringlichkeitsantrag der CSU zuzustimmen. Ich empfehle Ihnen dies, weil der Antrag sachgerecht ist, nicht an der Realität vorbeigeht, uns einen entsprechenden Verhandlungsauftrag gibt und deutlich macht, dass wir auch in der Zukunft diese hohe Qualität und dieses hohe Niveau des öffentlichen Personennahverkehrs in Bayern auch unter erschwerten Bedingungen gewährleisten wollen. Ich bin dieser Auffassung und werde mich mit Nachdruck dafür einsetzen, diese Qualität aufrechtzuerhalten, uns aber auch zu den Notwendigkeiten zu bekennen. Ich bitte Sie – die Mehrheit des Hauses –, die Anträge von SPD und Grünen abzulehnen, weil sie nicht glaubwürdig und ehrlich sind.

(Beifall bei der CSU)

Ich habe eine weitere Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Runge.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Der neue Verkehrsminister Erwin Huber hat gesagt, er erzählt uns die Wahrheit. Das war Erwins Wahrheit; das war vielleicht die Wahrheit der CSU und der Staatsregierung. Die Fakten sehen anders aus. Herr Huber, die Wahrheit ist: Der Schuldenberg ist unter der Regierung Kohl/Waigel weitaus stärker angestiegen als unter Rot-Grün. Sie waren früher einmal Finanzminister und Sie kennen den Schuldenweltmeister in Deutschland; das war Theo Waigel. Selbst Eichel konnte ihn nicht toppen, was die Neuverschuldung anbelangt hat.

Jetzt zu weiteren Fakten: Ein weiterer Fakt ist, dass unter Rot-Grün die Regionalisierungsmittel um 227 Millionen Mark, also 115 Millionen Euro je Jahr, aufgestockt worden sind. Das war gut so. Wir können uns doch wunderbar daran erinnern, wie Sie in diesem Hause „aufgejault“ haben, als Herr Eichel um einige wenige Prozentpunkte kürzen wollte. Er war im Recht und dies hat den Verträgen entsprochen, weil der Vertrag damals so gestaltet war, dass eine Kopplung an die Umsatzsteuererlöse vorgesehen war. Nachdem die Umsatzsteuer nicht so sprudelte, war die Forderung von Herrn Eichel dem Papier nach berechtigt.

Jetzt stellen Sie sich her und wollen uns erklären, dass gewaltige Kürzungen als gottgegeben und bundesregierungsgegeben hingenommen werden müssen. Wir machen dieses Spiel nicht mit; wir werden Sie in aller Öffentlichkeit mit den Fakten konfrontieren und werden die Bahnfahrer mit ihren Schandtaten konfrontieren.

Wenn Sie, Herr Huber, von Wettbewerb reden, dann frage ich Sie: Wer hat denn die Ineffi zienzen im Bahnverkehr in Bayern zu verantworten? Wir haben reihenweise Anträge gestellt, um für mehr Wettbewerb zu sorgen. Sie haben das immer wieder blockiert. Und warum? Weil Ihr Vorgänger es der Bahn AG immer wieder reingeschoben hat. Mein alter Spruch „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“ passt hier wunderbar. Wer hat den Missbrauch der Regionalisierungsmittel zu verantworten? Wer hat zu verantworten, dass man vom Bund aus der Mineralölsteuer die Regionalisierungsmittel bekommt und dafür dem Bund ein Darlehen gibt, damit dieser Fernverkehrsprojekte vorfi nanzieren kann? Wer hat die Gelder in den Transrapid

oder in den Fernverkehr gesteckt? Wer hat versucht, damit originäre Landesaufgaben zu fl icken? Ich erinnere an den Schülerverkehr, an die Schülerbeförderung.

Unsere Forderung ist, zumindest mit den gleichen Mitteln einen besseren öffentlichen Personennahverkehr, einen besseren Schienenpersonennahverkehr zu gewährleisten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen nicht das, was Sie vorhaben, nämlich mit weniger Mitteln, mit weniger Geld für einen schlechteren Personennahverkehr zu sorgen. Deswegen meine dringende Bitte: Folgen Sie unserem Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN)