Protokoll der Sitzung vom 30.11.2005

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, worum geht es eigentlich? Aufgrund des Regionalisierungsgesetzes vom 27. Dezember 1993 erhielten die Länder erstmals für den ÖPNV infolge der Übernahme der Aufgabenverantwortung für den Schienenpersonennahverkehr der Eisenbahn vom Bund einen Anteil aus dem Mineralölsteueraufkommen des Bundes, der sich ab 1998 entsprechend dem Wachstum der Steuern vom Umsatz veränderte.

Die Länder erhielten ab dem Jahr 2002 – das war der Zeitpunkt, zu dem das Regionalisierungsgesetz novelliert wurde und die Übernahme der Revision erfolgte – Regionalisierungsmittel in Höhe von jährlich 6,745 Milliarden Euro aus dem Mineralölsteueraufkommen des Bundes. Seit dem Jahr 2003 steigt dieser Betrag jährlich um 1,5 vom Hundert. Im Jahr 2004 wurde der gesetzlich festgeschriebene Betrag einmalig um 2 % reduziert. Dass das nur einmal erfolgt ist, daran hat unser früherer Verkehrsminister einen ganz, ganz wesentlichen Anteil. Ursprünglich war in dieser Koch-Steinbrück-Liste ja geplant – es war nicht nur Herr Koch dabei –, eine Senkung um 4 % für drei Jahre lang durchzuführen. Daran sei bei dieser Gelegenheit auch erinnert.

(Zuruf von der CSU: Hört, hört!)

Im Jahre 2007 ist nach dem Gesetz eine erneute Revision mit Wirkung ab 2008 vorgesehen.

Der Freistaat Bayern fi nanziert die Schienenpersonennahverkehrsbestellungen aus den Regionalisierungsmitteln sowie weitere umfangreiche Investitionen in die ÖPNVInfrastruktur, zum Beispiel barrierefreie Stationen bei der S-Bahn, Park-and-ride-Plätze, Busse, Busbetriebshöfe, Trambeschleunigungen, Wirtschaftlichkeitsausgleich bei

Maßnahmen des DB-Netzes, sowie die Kofi nanzierung großer Projekte neben dem GVFG-Bundesprogramm zum Beispiel im Bereich Straßenbahnen und U-Bahnen.

Als bedeutendstes Projekt einer Kofi nanzierung neben dem GVFG-Bundesprogramm ist die zweite Stammstrecke der Münchner S-Bahn zu nennen, bei der sich der bayerische Anteil alleine einschließlich FAG-Mitteln auf über 600 Millionen Euro beläuft.

Im Jahre 1997 wurde ein erheblicher Teil der früheren GVFG-Mittel – Mittel nach dem Gemeindeverkehrsfi nanzierungsgesetz; es handelte sich hier um rund 3 Milliarden Euro – zu den Regionalisierungsmitteln umgeschichtet, um den Ländern mehr Flexibilität bei der Verwendung zu geben. Dieser Anteil der Regionalisierungsmittel war für ÖPNV-Investitionen bestimmt und wird von der Staatsregierung derzeit wie auch in der Vergangenheit entsprechend ausgegeben. Von daher ist die Aufregung über eine angeblich nicht zweckentsprechende Verwendung der Mittel völlig unverständlich und unbegründet.

Die Mittel sind vollkommen zu Recht verwendet worden unter anderem für Bauinvestitionen im Bereich Schienenpersonennahverkehr, für Bauinvestitionen beim allgemeinen ÖPNV, für Fahrzeugbeschaffungen im Schienenpersonennahverkehr, für Fahrzeuge für den allgemeinen ÖPNV, also Busse, dann Regiekosten Bayerische Eisenbahngesellschaft, MVV und schließlich auch für Gutachten, Planungen usw., Leistungen an nicht bundeseigene Eisenbahnen zum Ausgleich gemeinwirtschaftlicher bzw. betriebsfremder Leistungen.

Im Übrigen wird das Geld – das ist die große Masse und das soll auch in Zukunft so bleiben – für die ZugkilometerBestellungen ausgegeben. Dafür wird und muss auch weiterhin ausreichend Geld da sein.

Ich darf auf unseren Antrag zu sprechen kommen, mit dem wir die Staatsregierung auffordern, beim Bund darauf hinzuwirken, dass der öffentliche Personennahverkehr weiterhin mit einem ausreichenden Finanzierungsbeitrag auf hohem Niveau gefördert wird. Wir stellen hier als CSUFraktion und auch zur Beschlussfassung durch den Landtag fest, dass sichergestellt sein muss, dass die notwendigen Bestellungen von Verkehrsleistungen und Investitionen im öffentlichen Personennahverkehr auch künftig sowohl in den Ballungsräumen als auch in den ländlichen Räumen des Freistaats gewährleistet werden können. Bei der Kompensation einer zwischen den Partnern der Großen Koalition vereinbarten Einsparung sind Instrumente wie die Ausschreibung von Bahnleistungen zu nutzen.

Damit endet unser Antrag entgegen der schriftlichen Fassung, in der es noch den Halbsatz gibt: „wie die im Koalitionsvertrag festgelegten Spielräume zur Entlastung der Länder“. Auf diesen Halbsatz verzichten wir hier bei der Abstimmung über diesen Antrag, denn da wäre sonst womöglich eine Interpretation gegeben, dass Spielräume nur für ÖPNV-Leistungen genutzt werden können, und das wäre so nicht richtig. Wir meinen, dass Spielräume für die Länder, sofern sie denn entstehen, auch für andere berechtigte Anliegen genutzt werden, selbstverständlich

auch für den ÖPNV, aber wir tragen eine Gesamtverantwortung und von daher wollen wir hier keine Vorfestlegung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weniger Geld muss nicht zwangsläufi g höhere Preise oder weniger Verkehrsleistung bedeuten. Da gibt es einige ganz interessante Zeitungskommentare zu den bekannt gewordenen Kürzungen. Ich könnte mir vorstellen, dass man bei Baumaßnahmen durchaus auch mit etwas niedrigen Standards auskommen könnte.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Sie wissen alle, dass wenn es endlich einmal gelungen ist, einen früheren Bahnhof als neuen Haltepunkt wieder zu eröffnen oder generell neue Haltepunkte auch an Nebenstrecken einzurichten, mit Recht kritisiert wird, dass die Bahn teilweise Paläste baut, dass die Bahnsteige viel zu lang sind und viel zu wenig auf die Kosten geachtet wird. Darauf müssen wir künftig ein stärkeres Augenmerk richten. Warum müssen eigentlich bei jeder Ausschreibung unbedingt neue Fahrzeuge verlangt werden? – Das ist natürlich gut und es ist erfreulich, wenn man das so umsetzen kann. Aber ich meine, auch Fahrzeuge, die seit fünf oder zehn Jahren in Betrieb sind, können durchaus bei Ausschreibungen noch zugrunde gelegt werden. Hier sehe ich durchaus Einsparmöglichkeiten. Ich erinnere daran, dass ehemalige Interregio-Fahrzeuge nach wie vor von der Bahn nicht genutzt werden, sondern einfach auf dem Abstellgleis stehen, obwohl deren Modernisierung erst in den Neunzigerjahren erfolgt ist.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Kamm?

(Eberhard Rotter (CSU): Aber ja!)

Herr Kollege, bevor Sie mit dem weiterfahren, was alles zu teuer ist, würde ich gerne von Ihnen ein Beispiel für einen zu langen Bahnsteig gezeigt bekommen. Mir ist keiner bekannt.

Herr Kollege Rotter, bitte.

Das Minimum, das die Bahn bei der Länge für die Bahnsteige anwendet, beträgt 120 Meter. Wenn Sie nun an einer Strecke wie beispielsweise Kempten – Lindau einen neuen Bahnsteig errichten, könnte man durchaus mit 50 oder 60 Metern auskommen. Wir kämpfen schon seit geraumer Zeit dafür, dass das so gehandhabt wird.

So, liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt möchte ich noch an Folgendes erinnern. Geld aus Regionalisierungsmitteln musste der Freistaat immer wieder dafür in die Hand nehmen, um für den Bund bei Ausgaben für die Schieneninfrastruktur einzuspringen, die in den vergangenen sieben Jahren häufi g sehr stiefmütterlich behandelt wurde.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Das ist scheinheilig!)

Der Koalitionsvertrag enthält nun durchaus sehr viel Positives, was die Verkehrsinfrastruktur anbelangt. Es wird im Vertrag ausgeführt, dass die Verkehrsinvestitionen erhöht und verstetigt werden sollen, gerade auch für die Schiene. Wenn dies eintritt, wird die helfende Hand des Freistaates Bayern beim Netzausbau künftig nicht mehr im bisherigen Umfang erforderlich sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, niemand will Abbestellungen; alle Proteste gehen aber davon aus, dass eine Reduzierung der Mittel, über deren Höhe im Übrigen noch gar nicht entschieden ist, zu Abbestellungen führen muss. Wir haben die Leistungen im Schienenpersonennahverkehr von gut 80 Millionen Zugkilometern auf 102 Millionen Zugkilometer in Bayern erhöht. Wir wollen dieses hohe Niveau natürlich beibehalten. Ich würde mir sogar wünschen, dass wir es noch ausweiten können.

Dass die GRÜNEN diesen Antrag nun stellen, dafür habe ich absolutes Verständnis, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das hätte ich an ihrer Stelle auch getan. Dass die Fahrgastverbände protestieren, auch dafür habe ich Verständnis. Das sind Interessenvertreter, und selbst wenn es nur geringfügige Fahrpreiserhöhungen dafür geben musste, dass die Regionalisierungsmittel zurückgeführt werden, ist das natürlich nicht im Interesse der Fahrgäste. Dass die Deutsche Bahn und die übrigen Verkehrsunternehmen hiervor warnen, auch dafür habe ich volles Verständnis. Auch dafür, dass die Gewerkschaft Sturm läuft. Aber für das, was die SPD hier macht, fehlt mir jegliches Verständnis.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Nochmal Herr Kollege Dr. Beyer.

Nur noch ein kurzes Wort dazu. Ich glaube, es ist deutlich geworden, dass Ihre Vorwürfe ins Leere gehen, Herr Kollege Rotter. Sie haben getreulich aufgezählt, wofür die Mittel benötigt werden, und da frage ich mich natürlich, warum Sie dann keinen Widerstand gegen die Kürzungen leisten.

Ich sage jetzt nur noch eines, und das soll eine grundsätzliche Bemerkung sein. Es wird sehr interessant, wenn Sie sich in Zukunft hier hinstellen und sagen, wir können nicht anders. Wir sind als Sozialdemokraten zwar loyal gegenüber der Großen Koalition,

(Beifall der Abgeordneten Karin Radermacher (SPD))

aber wir sind Sozialdemokraten in Bayern und wir verfolgen weiterhin die Interessen der Menschen in Bayern.

(Beifall bei der SPD)

Selbst wenn Sie das nicht mehr tun, wir werden uns weiter gern dazu bereit fi nden.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Staatsminister Huber.

Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Ich bin noch keine 24 Stunden Minister für Wirtschaft und Verkehr

(Dr. Heinz Kaiser (SPD): Und weiß, wie die Probleme zu lösen sind!)

und darf gleich vor diesem Hohen Haus zu einer so bedeutenden Frage sprechen.

Das freut mich natürlich sehr. Deshalb gleich mein Bekenntnis: Der Freistaat Bayern und die Staatsregierung werden mit allem Nachdruck dafür eintreten, dass der Schienenpersonennahverkehr auch in Zukunft in ganz Bayern mit dem Bayerntakt eine gute Versorgung zu gewährleisten hat.

(Beifall bei CSU)

Man darf jetzt aber doch fragen, was die Ursache dafür ist, dass der Bund diese Mittel kürzt. Das ist doch nicht auf den Übermut von Herrn Steinbrück oder auf die Tatsache zurückzuführen, dass Herr Tiefensee neu im Amt ist; das sind zwei Sozialdemokraten. Die Ursache ist doch, dass nach sieben Jahren Rot-Grün Deutschlands Haushalt ein fi nanzpolitisches Desaster ist.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD)

Was Sie in Berlin nach sieben Jahren angerichtet haben, sind der größte Schuldenberg der Geschichte und die Tatsache, dass wir im Jahr 2006 mutmaßlich keinen verfassungsgemäßen Haushalt hinbringen und dass ein Konsolidierungsprogramm in der Größenordnung von 35 Milliarden Euro gemacht werden muss, um die MaasrichtKriterien wieder einzuhalten.

(Zurufe von der SPD)

Herr Beyer, wer hier redet, darf sich nicht einfach aus der Gesamtverantwortung im Bund herausnehmen.

(Beifall bei der CSU – Dr. Thomas Beyer (SPD): Ganz genau, für Bayern! – Zuruf der Abgeordneten Johanna Werner-Muggendorfer (SPD))

Sie, Frau Werner-Muggendorfer, haben von Finanzen wirklich nicht die geringste Ahnung, um das einmal deutlich zu sagen.

(Unruhe bei der SPD – Glocke des Präsidenten)

Um eines klar zu sagen: Der Koalitionsvertrag –

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)