Protokoll der Sitzung vom 30.11.2005

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Um bei dem Beispiel vom Kollegen Stöttner zu bleiben: So wie ihn Kollege Wörner einschätzte, der sagte, du kannst mit deinen 10 Kilo ruhig voraus laufen, ich pack dich leicht,

(Heiterkeit )

so sind auch die Verhältnisse in Bayern. Bayern würde die Übernahme des Tarifvertrages im öffentlichen Dienst durchaus packen; das wäre überhaupt kein Thema.

(Unruhe und Zurufe)

Ich komme nun zum Thema selbst. Sie haben sehr lange und ausführlich erklärt, dass es Ihnen in erster Linie um die Verlängerung der Arbeitszeit geht, wenn Sie gegen die Übernahme des Tarifvertrags in den öffentlichen Dienst sind.

Meines Erachtens kann es nicht angehen, dass Sie den Beamten die 42-Stunden-Woche vorgeben – die Beamten können sich dagegen nicht wehren – und dann unter dem Deckmäntelchen des Gleichklangs sagen, jetzt müsse das bei den Tarifbeschäftigten auch geschehen. Wenn Sie sich trauten, das umgekehrt zu machen, dann hätten Sie eine Schneid, so aber nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben bei den großartigen Schilderungen über die Auswirkungen der Arbeitszeit Folgendes vergessen. Seit wir bei den Beamten die 42-Stunden-Woche haben, sind die Einstellungszahlen für Anwärter, Referendare und Auszubildende um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Das sind die Auswirkungen. Sie stellen sich einerseits scheinheilig hin und fordern, die Wirtschaft solle über Bedarf hinaus ausbilden, und andererseits reduzieren Sie dann die Zahl der Ausbildungsstellen um mehr als die Hälfte. Das kann nicht sein. Das ist unredlich. Aus diesem Grunde sind wir der Meinung, dass diesem Antrag zugestimmt werden sollte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kollege Wörner hat sich noch einmal zu Wort gemeldet.

(Anhaltende Unruhe)

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Sie müssen in Kauf nehmen, dass man etwas korrigiert, wenn sich der Kollege Stöttner in Unkenntnis der Tarifverträge und des gesamten Regelwerks des öffentlichen Dienstes hier hinstellt und etwas verzapft. Herr Kollege Stöttner, Sie leiden einfach darunter, dass man Ihnen das Falsche aufgeschrieben hat und Sie es nicht besser wissen.

Deshalb muss ich Ihnen etwas sagen, Herr Kollege. Wenn Sie sich hier hinstellen und behaupten, dass die Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst noch keinen Sparbeitrag geleistet hätten, dann frage ich Sie, wo Sie sich in den letzten Jahren im politischen Raum aufgehalten haben.

(Beifall bei der SPD)

Im Niemandsland? Oder wo? Ich darf Sie daran erinnern: Ballungsraumzulage, Absenkung der Sonderzahlungen – früher hat man Weihnachtsgeld dazu gesagt. Waren das keine Beiträge der Arbeiter und Angestellten?

(Zurufe und Unruhe)

Ich wollte nur kurz an diesen Beispielen deutlich machen, dass man Ihnen etwas Falsches aufgeschrieben hat.

(Zurufe und Unruhe)

Das tut mir Leid für Sie, aber man muss das auch einmal darstellen.

Und ich darf Ihnen noch was sagen, Herr Kollege. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass zwischen den tarifl ich geregelten Arbeitszeiten und den tatsächlich geleisteten Stunden inzwischen eine erhebliche Diskrepanz herrscht. Schauen Sie sich doch einmal, wenn es demnächst wieder eine solche Statistik gibt, die Zahl der Überstunden der Beschäftigen des Freistaates Bayern an. Dann werden Sie dahinter kommen, dass die 38,5-Stunden-Woche längst außerhalb der Realität ist. Diese Überstunden werden in der Regel nicht einmal gezahlt, geschweige denn zurück vergütet.

(Zurufe und Unruhe – Glocke des Präsidenten)

So also sollten Sie Ihre Ablehnung nicht begründen, Herr Kollege, denn Ihre Aussagen sind inhaltlich falsch.

Wenn Sie mir einen guten Grund liefern, kann man darüber diskutieren, aber wenn die Gründe falsch sind, dann ist das schlecht.

Und ich darf Ihnen noch etwas sagen. Es wäre schon interessant zu erfahren – der Herr Staatssekretär Huber wird uns das bestimmt sagen können, weil er ja auf dem Laufenden ist – –

(Zurufe: Meyer!)

Entschuldigung, der Herr Meyer –, was der Tarifvertrag so, wie er heute auf dem Tisch liegt, an Einsparpotenzialen für den Freistaat Bayern bereits ohne die Arbeitszeitverlängerung beinhaltet. Vielleicht käme er dann auch darauf, dass man möglicherweise seit längerer Zeit Geld sparen könnte, wenn er diesen Vertrag unterschrieben hätte. So aber spart er das Geld im Moment nicht. Ich würde da also schon einmal die Frage stellen wollen, ob nicht das ausreichte, was da an Leistungen im Rahmen des Tarifvertrags erbracht würde.

Lassen Sie mich noch ein Letztes sagen. Wenn die CSU sich heute ehrlicherweise hier hinstellte und sagte, wir wollen eine Verschlechterung der Lebensverhältnisse für Arbeiter und Angestellte – das sind ja nicht die Spitzenverdiener, die Sie kennen, sondern es sind die Leute mit 1300 bis 1800 Euro Einkommen, denen Sie jetzt auch noch etwas wegnehmen wollen – dann bitte sagen Sie das auch öffentlich draußen vor Ort, wo Sie auftreten und erzählen Sie dort nicht irgendetwas anderes.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Als Letzter hat Herr Staatssekretär Meyer das Wort.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Ach nein! – Karin Radermacher (SPD): Aber höchstens noch vier Minuten! – Weitere Zurufe und Unruhe)

Staatssekretär Franz Meyer (Finanzministerium) : Zunächst möchte ich dem Kollegen Klaus Stöttner herzlich dafür danken, dass er hier treffende Argumente eingebracht hat.

(Lachen bei der SPD und Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Wörner, eine Eins-zu-eins-Übernahme dieses Tarifabschlusses kommt für die Länder nicht in Betracht. Kollege Stöttner hat bereits die einzelnen Argumente dargestellt. Ich brauche sie nicht zu wiederholen. Tatsache ist, dass die Länder mit den Gewerkschaften eigene Tarifverhandlungen geführt haben. Diese Tarifverhandlungen haben die Gewerkschaften – wie Sie sicherlich wissen – Ende April 2005 für gescheitert erklärt. Im September dieses Jahres haben sich die Gewerkschaften und die TDL in einem Spitzengespräch auf eine Fortsetzung der Gespräche verständigt. Die Gespräche werden in Arbeitsgruppen geführt, die zum Teil bis Ende Januar 2006 terminiert sind. Das Ergebnis dieser Tarifverhandlungen bleibt abzuwarten. Ein Tarifabschluss kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn dieser auch die länderspezifi schen Belange berücksichtigt, insbesondere was die Arbeitszeit und die Sonderzahlungen angeht.

Werter Kollege Wörner, im Gegensatz zu Ihnen stehen wir für eine verantwortungsvolle Haushalts- und Finanzpolitik in unserem Lande.

(Beifall bei der CSU)

Bitte, nehmen Sie zur Kenntnis: Die TDL ist mit den Gewerkschaften im Gespräch. Von Blockade kann hier keine Rede sein. Ihr Antrag geht insoweit also ins Leere. Die Forderung, den Tarifvertrag inhaltsgleich zu übernehmen, wird den Länderinteressen nicht gerecht. Ich gehe davon aus, dass die Mehrheit dieses Hohen Hauses den vorliegenden Antrag ablehnt.

(Bravo-Rufe und Beifall bei der CSU)

Die Aussprache ist damit geschlossen. Ich komme zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes empfi ehlt die Ablehnung des Antrages. Wer dagegen dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag abgelehnt mit den Stimmen der CSU-Fraktion gegen die Stimmen der beiden anderen Fraktionen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Anbetracht der fortgeschrittenen Uhrzeit wird der Tagesordnungspunkt 15 nicht mehr aufgerufen.

(Zurufe von der CSU: Schade, warum nicht?)

Es ist damit sozusagen nicht nur der Schluss der heutigen Sitzung, sondern auch der Schluss der Sitzungen in diesem alten Senatssaal.

(Bravo-Rufe und Beifall)

Ich kann diesen Beifall nachvollziehen. Wir haben hier über ein Jahr in einem wirklichen Provisorium getagt. Die Sitzgelegenheiten waren nicht angemessen.

Wir hatten kaum Besucher, und haben, man kann sagen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit debattiert. Man konnte die Laptops nicht anschließen. Es war für uns ebenso schwierig wie für alle Beschäftigten des Landtags, an der Spitze unsere „Ordonanz-Offi ziere“, wenn ich sie so nennen darf. Ich möchte mich bei allen bedanken, die das mit uns getragen haben.

(Allgemeiner Beifall)

Bevor ich die Sitzung schließe, gebe ich noch das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/4342 der Abgeordneten Maget, Weikert, Schindler und anderer und Fraktion (SPD) betreffend Bleiberecht bekannt: Mit Ja habe 29, mit Nein 90 Abgeordnete gestimmt; Stimmenthaltungen: 15. Der Dringlichkeitsantrag ist damit abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 4)

Damit sage ich nur noch einen Satz: Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sind herzlich eingeladen, in 14 Tagen nicht nur den neuen Plenarsaal, sondern alle technischen Neuheiten einzuweihen. Ich kann versprechen: Es beginnt eine neue Ära, die dem Beginn dieses Jahrtausends angemessen ist. In diesem Sinne einen schönen Nachhauseweg.

(Schluss: 18.01 Uhr)