Protokoll der Sitzung vom 14.12.2005

Ich kenne ihn erst zwei Jahre, Sie kennen ihn vielleicht besser. Ich glaube aber den verbalen Bekundungen nicht. Mir wäre ein schriftlicher Nachweis dafür recht, dass Sie sich damit beschäftigt haben.

Ich komme jetzt, da es um Fakten geht, zu den Berichten aus einigen Kommunen, Herr Kollege Waschler. Ich kann nicht verstehen, dass Sie nicht die Mitglieder der Gemeinderäte fragen. Fangen wir einmal mit Passau an. Passau hat, wenn ich den Pressespiegel lese, Herr Kollege Waschler, eine Resolution gegen das Büchergeld verfasst. Sie haben nicht gegen das Büchergeld, sondern gegen diese Resolution gestimmt, aber sehr viele Ihrer CSU-Kollegen im Passauer Stadtrat haben sehr wohl für diese Resolution gestimmt. Es gibt also auch in Ihrer Partei Stimmen, auf die Sie vielleicht einmal hören sollten.

Wir kommen zu Nürnberg. Auch Nürnberg fordert den Landtag auf, die Lernmittelfreiheit wiedeherzustellen. Es widerspreche familien- und bildungspolitischen Leitzielen und führe, so schreibt die Stadt, zu erheblichem Verwaltungs-, Finanz- und Personalaufwand bei den Schulen. Der Haushaltsreferent hat für 2006 drei Stellen beantragt, um den Verwaltungsaufwand bewältigen zu können. Auch Nürnberg schreibt, es gebe keinen Ausgleich für die Schulen, die einen hohen Anteil von Kindern aus fi nanziell schlechter gestellten Familien hätten.

Ich komme zu Augsburg: Augsburg hat in einem Bericht an den Stadtrat festgestellt, dass sich erhebliche Mindersummen ergeben, bedingt durch die gesetzlich festgelegten Befreiungs- und Ermäßigungstatbestände. Im Moment sind 45 von 70 Schulen gemeldet. Der Befreiungsstand bei den Gymnasien beträgt 10 %, bei den Realschulen 16 % und an den Förderzentren – hier sind wir wieder am Punkt, da es sich um die schwachen Kinder handelt – ergibt sich eine Quote von rund 34 %, während die Quote bei den Grund- und Hauptschulen bei rund 22 % liegt. Die Stadt hat berichtet, bedingt durch zusätzliches Personal sei davon auszugehen, dass die erforderlichen Mehrausgaben die Einnahmen wesentlich überschreiten werden.

Auch Augsburg merkt explizit das Problem an, dass unterschiedlich viel Büchergeld zur Verfügung steht, je nachdem, in welchen sozialen Gemengelagen sich die Schulen befi nden. Ein schönes Adjektiv für die Tatsache, dass Sie abwarten, ist das Wort „impertinent“. Richtiger wäre es gewesen, einen Plan zu machen, ehe Sie die Sache auf den Weg bringen. Das tun Sie aber nie. Wann immer ich einen Plan beantrage, zum Beispiel wie es mit den Hauptschulen weitergehen soll, lehnen Sie das ab. Sie schießen gerne aus der Hüfte, und dabei kommt die eine oder andere Verletzung heraus.

(Zuruf des Abgeordneten Eduard Nöth (CSU))

Ein Beispiel dafür, dass Sie überhaupt nicht nachgedacht haben, Herr Kollege Nöth, war die Befreiung der Asylbewerber vom Büchergeld. Dem haben Sie zwar zugestimmt, aber bei den Bürgermeistern ist diese Mitteilung noch nicht angekommen. Herr Kollege Eisenreich hat dann gefragt, ob die denn keine Zeitung lesen. Ich halte es schon für etwas schwierig, dass Bürgermeister Beschlüsse umsetzen sollen, weil sie eine Pressemitteilung gelesen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Ich komme nun zum Datenschutz. Der Datenschutzbeauftragte hat das Gesetz förmlich beanstandet. Das interessiert Sie nicht die Bohne. Herr Staatssekretär Freller, aber mich interessiert: Was haben Sie getan, nachdem der Datenschutzbeauftragte das Gesetz förmlich beanstandet hat? Im Moment erkenne ich nur eine Reaktion, und die ist null.

(Engelbert Kupka (CSU): Was ist denn bei Schulfahrten?)

Es gibt Fälle, wenn auch nicht viele, in denen Kinder vor der Klasse dafür zur Rede gestellt wurden, dass sie kein Büchergeld bezahlt haben.

(Engelbert Kupka (CSU): Wo ist das passiert?)

Ich sage die Fälle hier nicht laut, aber ich kann sie nachweisen.

(Engelbert Kupka (CSU): Das ist Sache des Lehrers, nicht des Systems!)

Sie haben keine Vorkehrungen für den Fall getroffen, dass, wie Kollege Waschler angekündigt hat, die betroffenen Lehrer Ärger bekommen.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Sie haben bis heute keine Fakten!)

Ja, weil ich noch keine Zeit hatte, sie Ihnen zu schicken, aber ich kann sie sofort aus dem Computer herauslassen, wenn Sie das wollen; das geht zack, zack! Das ist kein Problem. Außerdem, Herr Kollege Waschler, sage ich nichts, was ich nicht nachgeprüft habe. Sie bekommen diese Information von mir. Ich wollte sie auch schon an Herrn Kiesel schicken, aber er hat gemeint, er wäre dafür gar nicht zuständig. Wer ist denn überhaupt zuständig? An wen kann ich mich wenden, wenn Eltern zu mir kommen, weil ihr Kind vor der Klasse gewissermaßen an den Pranger gestellt worden ist? Wie schützen Sie diese Kinder dann vor eventuellem Ärger? Es lässt sich ja wohl an zehn Fingern ausrechnen, wer das gewesen ist.

Das war im Großen und Ganzen die sachliche Kritik. Ich komme zum Schlusswort, und das ist eine allgemeine Kritik an Ihrem Verhalten. Sie haben Wahlkampf mit dem Motto gemacht: CSU näher am Menschen. Wie die vielen Petitionen beweisen, sind Sie nicht näher am Menschen, sondern Sie interessieren sich viel stärker für einen ausgeglichenen Haushalt, den Sie aber nur mit diversen Taschenspielertricks erreichen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CSU, es ist überhaupt keine Kunst, Haushalte zusammenzustreichen und die Streichungen in arroganter Manier mit Ihrer Zweidrittelmehrheit durchzupeitschen. Das kann jede Partei; das ist kein Sie auszeichnendes Merkmal.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Herr Kollege Kupka, die Kunst ist es, so einzusparen, dass man bestimmte Bereiche, zum Beispiel die Bildungspolitik, unterstützt und die Streichungen in gewisser Weise sozial gerecht gestaltet.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Der Herr Präsident hat einmal einen Vortrag zur Wahlanalyse organisiert, und daraus ging ganz deutlich hervor, dass die Bürger und Bürgerinnen in Zukunft nur solche Politiker achten werden, die für einen sozial gerechten Ausgleich sorgen. Das tun Sie nicht. Sie sind für die Starken da. Die Starken werden aber immer weniger, und diejenigen, die sich benachteiligt fühlen, erheben ihre Stimme, zum Beispiel, Herr Kollege Nöth, mithilfe von Petitionen. Mit Ihren Beschlüssen fördern Sie nur eine Ellenbogengesellschaft. In diesem Freistaat kapieren immer mehr: Heute bin ich dran, und morgen sind es die anderen. Deshalb solidarisieren sie sich.

Die GRÜNEN im Bayerischen Landtag nehmen diese Bedenken und diese Petitionen ernst. Wir fordern deshalb die Abschaffung des Büchergeldes. Selbst wenn Sie das nicht aus sozialen Gründen wollen, sollten Sie es doch wollen, weil es um Ihre Existenz geht, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Die jüngsten Umfragen bestä

tigen nämlich eine Kehrtwende bei Bayerns Bürger und Bürgerinnen.

(Engelbert Kupka (CSU): Sie machen sich große Sorgen um uns!)

Das zeigt, dass es Zeit für einen Wechsel ist. Herr Kollege Nöth, darauf freue ich mich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Weikert.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Waschler, Sie haben einen ganzen Stapel von Pressespiegeln durcharbeiten müssen, um auf einen Freund zu stoßen, der sich für das Büchergeld ausspricht.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Ich bestreite nicht, dass in der CSU ganz treue Parteikollegen sind – einen haben Sie zitiert, vielleicht gibt es noch zwei bis fünf weitere –, die sich tatsächlich in ihrer Gemeinde, vor den Leuten im Ort und vor den Elternverbänden zu sagen trauen, dass sie für das Büchergeld eintreten. Ein paar derart treue Kollegen wird es schon noch geben. Viel mehr aber gibt es, die sich grundsätzlich dagegen aussprechen. Kollege Waschler, Sie haben gesagt, dass Sie die Kritik konstruktiv aufnehmen wollen. Sie haben beschlossen, die Petitionen der Staatsregierung als Material zu überweisen. Daraus kann man nur einen Schluss ziehen: Sie müssen entweder heute unserem Gesetzentwurf zustimmen oder morgen einen eigenen einbringen – wenn denn Ihr Name draufstehen soll –, der dafür sorgt, dass das Büchergeld wegkommt. Die Kritik aller lautet nämlich: weg mit dem Büchergeld, Wiederherstellung der Lernmittelfreiheit in Bayern.

(Beifall bei der SPD – Thomas Kreuzer (CSU): Weg mit der Einkommensteuer!)

Das hört man überall. Bei Weihnachtsfeiern im Stimmkreis fragen die Leute: Wann kommt eigentlich endlich dieser Unsinn weg? So drückt man das im Fränkischen aus. Diese Kritik wurde vielfach geäußert, auch in den Petitionen. Das Büchergeld wird als bildungspolitisch und familienpolitisch falsches Signal gesehen und als ein Aufblähen von Bürokratie. Wie sich bei einer Umfrage in ganz Bayern herausgestellt hat, müssen ungefähr hundert Minuten pro Klasse dafür aufgewendet werden. Das ist mehr als eine Schulstunde. Wenn diese hundert Minuten voll in Unterricht investiert würden, würde das erheblich dazu beitragen, dass der Unterrichtsausfall in Bayern zurückgeht, der wirklich hoch genug ist.

Das Büchergeld wird nicht konstruktiv kritisiert. Die Leute schlagen also nicht vor, irgendetwas daran zu ändern, sondern die Kritik lautet: weg mit dem Büchergeld. Das ist die Absicht der Petitionen, die heute auf der Tagesordnung stehen, und das ist auch die Absicht des SPDGesetzentwurfs.

Kolleginnen und Kollegen von der CSU, letztlich nehmen Sie mit diesem Geld, das Sie eingeführt haben, mit der Beteiligung der Eltern am Bildungsprozess ihrer Kinder, 15,4 Millionen Euro ein, verbunden mit einem wahnsinnigen Aufwand. Damit haben Sie sich bei den Kommunen und im Städtetag viel Ärger eingehandelt. Ich kann nur noch einmal an Sie appellieren, sich zu vergegenwärtigen, was Sie für welche Gegenleistung in Bayern aufs Spiel setzen.

Bayern ist nicht arm genug, um diese 15,4 Millionen Euro von den Eltern einsammeln zu müssen. Sie wären wirklich gut beraten, wenn Sie das Büchergeld in Bayern zurücknehmen und die Lernmittelfreiheit restlos wieder herstellen würden.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Eisenreich.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns heute zum wiederholten Male mit diesem Thema. Herr Kollege Pfaffmann, ich habe erstaunt vernommen, dass Sie heute von einem letzten Versuch gesprochen haben. Ich vermute und vertraue dabei auf Ihre Kreativität, dass Sie neue Wege fi nden werden, dieses Thema ins Plenum zu bringen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das schaffen wir schon!)

Vor lauter Reden über dieses Thema wird inzwischen das wesentliche Ziel dieser Regelung aus den Augen verloren. Ziel ist es, den Bücherbestand zu erneuern, da er zum Teil veraltet ist. Das ist etwas Gutes, das ist notwendig und dazu braucht man Geld, mehr Geld als bisher. Deswegen hat sich die CSU-Fraktion in Zeiten knapper Kassen für eine Beteiligung der Eltern entschieden.

Auch wenn Sie das gebetsmühlenhaft wiederholen: Das ist keine Abschaffung der Lernmittelfreiheit. Nehmen Sie das einfach einmal zur Kenntnis. Das würde nicht schaden.

(Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Hier handelt es sich auch nicht um einen bayerischen Sonderweg. Ich wiederhole gerne, in welchen Ländern bereits eine Elternbeteiligung eingeführt ist. Es sind die Länder Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, das Saarland, Sachsen-Anhalt und künftig auch Thüringen. Sie sollten vielleicht einmal mitschreiben; dann würde die Diskussion mit Ihnen besser funktionieren. Sie wollen doch nicht behaupten, dass diese Länder unsozial seien. Mit Verlaub: Wir sind es auch nicht.

Die Elternbeteiligung ist maßvoll. Hier haben Sie mich richtig zitiert. Vor allem ist diese Elternbeteiligung sozial abgefedert.

(Karin Radermacher (SPD): Haben Sie eine Ahnung!)

Familien ab dem dritten Kind müssen kein Büchergeld zahlen. Familien mit geringem Einkommen auch nicht. Insgesamt sind damit 18 % vom Büchergeld befreit. Für fast jeden fünften Schüler zahlt die öffentliche Hand weiter.

Nun zum Vorwurf, dass an den Schulen unterschiedliche Situationen herrschen. Frau Kollegin Tolle, ich habe bereits im Ausschuss gesagt, dass die Schule nur beim Einsammeln hilft. Die Kommunen bleiben weiterhin verpfl ichtet, dafür zu sorgen, dass an den Schulen ausreichend Bücher zur Verfügung stehen. Wegen der Befreiungen gibt es einen Ausgleich des Staates. Der Freistaat Bayern zahlt zum Beispiel pro Schüler 4 Euro. Deshalb darf es in einer Kommune keinen Unterschied bei der Bücherausstattung an den Schulen geben. Wenn dies im Einzelfall falsch läuft, ist das ein Fehler der Kommunen und nicht des Freistaates Bayern.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Herr Kollege Eisenreich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Pfaffmann?