Wir haben doch nicht die Möglichkeit zu wählen, ob wir dieses oder jenes fördern. Ich sage: Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, um Arbeitsplätze zu sichern und zu erhalten.
Sie sollten bei einer so ernsten Frage, wo es um 1750 Arbeitsplätze in Nürnberg geht, der Versuchung widerstehen, eine kleinkarierte Oppositionspolitik gegen die Staatsregierung zu betreiben.
Andernfalls müsste ich Ihnen vorhalten, dass Sie die Chancen der so genannten Clusterstrategie noch gar nicht begriffen haben. Eines ist völlig klar: Bayern und Deutschland werden als Wirtschaftsstandort nur dann eine Zukunft haben, wenn wir bei den Innovationen an der Spitze sind. Ein Land, das hohe Löhne und hohe Energiekosten hat, wird nur dann auf dem Weltmarkt bestehen können, wenn es in der Produktentwicklung und bei den Prozessen den anderen mindestens eine Pferdelänge, also ein halbes oder ein ganzes Jahr, voraus ist. Wir müssen es schaffen, Ideen, Entwicklungen und die Forschung sehr viel schneller in der Produktion umzusetzen, als dies in der Vergangenheit der Fall war; denn die Zeit ist ein enorm wichtiger Produktionsfaktor geworden.
Wer ein halbes Jahr oder ein Jahr hinterherhinkt, ist nicht nur zu spät dran, sondern hat möglicherweise überhaupt keine Chance mehr. Meine Damen und Herren, deshalb bitte ich Sie, nicht den Popanz aufzubauen, wir müssten traditionelle Industriearbeitsplätze sichern und die Staatsregierung sei auf einem Hightech-Trip. Auch in der Industrie können die Arbeitsplätze nur erhalten werden, wenn wir an der Spitze der technologischen Entwicklung sind. Das ist die einzige Chance, um Innovationen umzusetzen. Das gilt für die Prozesse und für die Produkte. Deshalb fordere ich Sie auf – wenn Sie wirtschaftspolitischen Sachverstand für sich beanspruchen –, keinen Gegensatz zwischen Hightech, Clustern und der gesamten weltwirtschaftlichen Entwicklung herzustellen, sondern alle Möglichkeiten zu nutzen.
Ich halte es für sehr wichtig, dass Wissenschaft und Wirtschaft näher zusammenrücken. Wir müssen das gesamte Potenzial der Ideen nutzen, um den Gesamtstandort Bayern und speziell den Standort Nürnberg zu sichern und auszubauen.
Meine Damen und Herren, eigentlich lohnt es sich nicht, sich lange mit Herrn Kollegen Dr. Runge auseinanderzusetzen. Wenn er jedoch sagt, es könne nicht an den Löhnen liegen, es könne nicht an der Energie liegen und es könne nicht am Wachstum liegen, muss ich sagen: Meine Damen und Herren, wenn Sie das Land so heil reden, woran soll es denn dann liegen? Dann liegt es wohl an den GRÜNEN, weil Sie mit Ihrer Technikfeindlichkeit viele Unternehmer abschrecken.
Wenn Sie mich so herausfordern, empfehle ich Ihnen, den letzten Innovationsbericht zu lesen, den das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung – DIW – im Auftrag der Telekom-Stiftung und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie – BDI – zusammengestellt hat. Darin sind eine Reihe von erheblichen Nachteilen des Standortes Deutschland genannt, darunter die geringe Akzeptanz von Wissenschaft und Technik und die Ablehnung technischer Prozesse in weiten Teilen der Bevölkerung. Für diese falsche Tendenz ist die Bewegung der GRÜNEN mit ursächlich.
Nur wenn wir in der Lage sind, unsere Standortprobleme zu sehen, werden wir sie einer Lösung zuführen können. Dass die Löhne in Deutschland hoch sind, ist weltweit bekannt. Das ist nicht automatisch ein Nachteil, sofern das betreffende Land in der Innovation gut ist. Dr. Otto Wiesheu hat immer gesagt: Wenn wir teurer sind, müssen wir um das Gleiche besser sein, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Diese Innovationsfähigkeit müssen wir aber auch haben.
Ein zweiter Nachteil – den wir ganz ohne Zweifel haben – sind die hohen Energiekosten. 70 % der Benzinkosten wurden von Ihnen staatlich vorgegeben. Nur 30 % dieser Kosten sind durch den Rohstoff vorgegeben. Beim Industriestrom haben wir die zweithöchsten Kosten in Europa nach Italien. Mehr als 40 % der Stromkosten sind in Deutschland durch die öffentliche Hand vorgegeben, durch Steuern und durch das Erneuerbare-EnergienGesetz – EEG –. Natürlich kann man sich – wie die GRÜNEN – für Windkraft und Ähnliches erwärmen. Wir bekennen uns zu regenerativen Energien. Ökonomisch unsinnige Projekte gehen jedoch zulasten von Arbeitsplätzen an einer anderen Stelle. Diesen Zusammenhang müssen Sie sehen.
In vielen Bereichen haben wir eine zu geringe Flexibilität. Die SPD tut sich hier natürlich wegen ihrer engen Connection zu den Gewerkschaften etwas schwer. Ich appelliere jedoch an Sie: Wenn wir nicht mehr Flexibilität erreichen, werden viele Menschen aus dem Arbeitsprozess herausfallen, wie leider die Beschäftigten bei AEG in Nürnberg.
Lesen Sie einmal den Bericht zum World Economic Forum in Davos vom Januar 2005. Sie fi nden darin eine Untersuchung über die Reglementierung, die Deregulierung und die Flexibilität. Untersucht wurden insgesamt 107 Länder der Welt. Deutschland landet auf Platz 103. Wer angesichts dieses Ergebnisses leugnet, dass Handlungsbedarf besteht, ist zukunftsunfähig.
Öffnen Sie einmal die Augen vor den Problemen. Wer nicht den Mut hat, die Probleme anzusprechen, wird keine Chance haben, die Probleme einer Lösung zuzuführen.
Nun zu den Energiepreisen: Beim Auslaufen des EEG müssen die Preise wirtschaftlich angelegt werden. In diesem Zusammenhang muss ich eine Kritik an beide Oppositionsparteien richten: Wer nicht bereit ist, die Laufzeit von Kernkraftwerken in Deutschland zu verlängern – die den billigsten Strom erzeugen –, schafft sich selbst einen Wettbewerbsnachteil.
Meine Damen und Herren, Sie sprechen von den Problemen und machen dabei Stimmung gegen Konzerne, indem Sie von „Heuschrecken“ sprechen. Wenn jedoch die Probleme angesprochen werden sollen, gibt es bei Ihnen Tabus und heilige Kühe. Wer so denkt und handelt,
Ich komme damit zum Wachstum: Allen ist bekannt, dass die GRÜNEN seit 25 Jahren eine wachstumsfeindliche Grundhaltung haben. Keiner von uns behauptet, dass Wachstum alles sei. Eines hat sich jedoch in diesen 25 Jahren gezeigt: Bei einem Nullwachstum – das Deutschland unter Rot-Grün erreicht hat – werden die Probleme des Landes in der Ökologie, der sozialen Sicherung, der wirtschaftlichen Zukunft, der Arbeitsplätze und bezüglich der Zukunft für die Jugend nicht kleiner, sondern unlösbar.
Lösen Sie sich von dieser Ideologie. Es geht nicht darum, ein materielles Wachstum um jeden Preis zu erreichen. Wir werden aber nur in einer wachsenden Wirtschaft mehr Arbeitsplätze haben. Natürlich kommt es auch auf die Qualität und die ökologische Verträglichkeit des Wachstums an. Sie sollten sich aber von den Formeln der Siebzigerjahre verabschieden. Sie passen nicht mehr in das neue Jahrtausend.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch einige Bemerkungen zur Industrie in Bayern insgesamt machen. In einem Zeitraum von mehreren Jahren ist in Bayern der Anteil der Industrie am Bruttoinlandsprodukt zurückgegangen. Dieser Prozess konnte im Jahre 2004 erfreulicherweise gestoppt werden. Seitdem nimmt der Anteil der Industrie am Bruttoinlandsprodukt wieder etwas zu. Das sollte uns freuen; denn mit dem industriellen Kern sind viele Arbeitsplätze im Bereich der reinen Dienstleistungen verbunden. Unternehmensnahe Dienstleistungen wird es bei uns nur dann geben, wenn wir eine wettbewerbsfähige Industrie haben. Deshalb unterstreiche ich den Willen der Staatsregierung: Wir wollen eine wettbewerbsfähige innovative Industrie in Bayern als Zentrum der gesamten wirtschaftlichen Zukunft.
Erfreulicherweise haben wir bei der Industrie ein sehr gutes Wachstum. Es lag in den letzten zwei Jahren im Schnitt bei 5 bis 6 %. Beim Export lag es sogar bei bis zu 9 %. Das bedeutet, die bayerische Industrie hat ihre Position auf dem Weltmarkt in den letzten zwei Jahren sogar ausbauen können. Sie hat einen Exportanteil von mehr als 46 %. Dies ist eine großartige Leistung; denn dieser Wettbewerb wird jeden Tag härter. Das gilt sowohl für den Wettbewerb in Europa als auch für den Wettbewerb in der Welt.
Leider gibt es auch gewaltige Wettbewerbsverzerrungen durch Löhne, Steuern und andere fi skalisch vorgegebene Einfl üsse.
Dennoch hat es unsere Industrie geschafft. Da müssen Sie fragen: Warum? Fragen Sie die Verantwortlichen: deshalb, weil man innovationsfähig geworden ist und weil man in der Lage ist, mit modernsten Produkten auf den Weltmarkt zu gehen. In Bayern ist, um ein Beispiel heraus
zugreifen, die Automobilindustrie deshalb erfolgreich, weil die Autos, obwohl sie teurer sind als andere, in Qualität, Design und Technologie überlegen sind. Das muss die zukünftige Strategie sein, und deshalb ist auch die Clusterbildung, die Vernetzung von Entwicklung, Forschung, Wissenschaft und Wirtschaft, von ganz besonderer Bedeutung. Wir bekennen uns dazu, dass wir eine wachsende Wirtschaft brauchen. Denn nur eine wachsende Wirtschaft wird zu mehr Arbeitsplätzen kommen, die wir brauchen.
Wir haben übrigens, was die Förderung und Subventionierung von Arbeitsplätzen in Europa angeht, gar keine unterschiedliche Meinung.
Wir stehen zu dem, was im Koalitionsvertrag steht. Es ist auch mehr von uns hineingekommen als von Ihnen. Ich will diesen Streit gar nicht führen, aber eines feststellen: In den letzten Jahren ist gegen diesen Subventionswettbewerb, den der Kollege Söder angesprochen hat, nichts oder zu wenig getan worden. Deshalb haben wir das in die Koalitionsverhandlungen aufgenommen. Denn es ist letztlich, auf Europa gesehen, eine Vergeudung von Steuergeldern, wenn im Westen Arbeitsplätze abgebaut und im Osten Arbeitsplätze gefördert werden, meine Damen und Herren. Das ist völlig klar.
Wir wenden uns in besonderer Weise – das hat auch Herr Kollege Söder gesagt – gegen die moralische Qualifi kation in Ihrem Antrag, weil das keine gute Gesprächsgrundlage für Investitionen in der Welt ist. Bayern möchte nicht nur ein weltoffenes Land im Bereich der Ökonomie sein, sondern ein innovationsfähiges Land mit qualifi zierten Beschäftigten, mit mutigen, kreativen Unternehmern und einer Gesamtsituation, in der der Freistaat Bayern die Rahmenbedingungen, angefangen von der Bildung bis hin zur Forschungspolitik, so setzt, dass wir nicht nur wettbewerbsfähig sind, sondern dass Bayern seine Spitzenstellung in Europa halten kann.
Wir werden die Beschäftigten in Nürnberg auch in der Zukunft begleiten. Ich sage aber ganz deutlich: Sehr viel wichtiger wird sein, die Standortqualität Nürnbergs weiter zu verbessern. Nürnberg hat im Übrigen den, wie man sagt, Turn around schon geschafft. Ich freue mich auch, dass man heute in Nürnberg eine positive, imagebildende Wirtschaftspolitik betreibt und nicht die Jammertour des früheren OB Schönlein weiterführt – um auch das zu benennen, meine Damen und Herren.
Nur in diesem Schulterschluss zwischen einer engagierten, zukunftsorientierten Wirtschaftspolitik im Land, in der Stadt und im Bund werden wir Arbeitsplätze schaffen in einem „Prozess der schöpferischen Zerstörung“, wie Schumpeter das einmal genannt hat. Das heißt, es muss darum gehen, dass wir mehr Arbeitsplätze schaffen, als
verloren gehen. In diesem Sinne wird sich die Staatsregierung mit allen Kräften einsetzen, und ich danke für die Unterstützung des Hohen Hauses.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in der Tat nicht erwartet, dass Erwin Huber seinen Beißrefl ex verliert, nur weil er den Posten gewechselt hat. Aber als Wirtschaftpolitiker muss er sich und uns noch einiges beweisen.
Bisher, Herr Huber, haben Sie hinreichend dokumentiert, von der Materie wenig oder keine Ahnung zu haben. Sie stehen persönlich mit für die größten Pleiten, Pech und Pannen der Wirtschaftspolitik der Staatsregierung.
Ich darf Sie nur an die Online-Aktivitäten der Staatsregierung erinnern. Hunderte Millionen Euro sind damit vergeigt worden, Stichwort Bayern Online. Irgendwann hat der Ministerpräsident die Reißleine gezogen und Ihnen diese Zuständigkeiten weggenommen.
Im Übrigen, Herr Huber, ist es doch erstaunlich, welch große Bedeutung Sie den GRÜNEN in der Geschichte der Republik beimessen. Das könnte uns ja ehren, wenn es nicht gar so viel Schmarr’n gewesen wäre. Herr Huber, vielleicht wollten Sie es auch gar nicht verstehen. Ich habe Beispiele dafür gebracht, dass die Argumentationslinie Lohnkosten runter und Flexibilisierung in den meisten Fällen doch nicht hilft. Conti zum Beispiel ist hochprofi tabel. Die Belegschaft hat noch einmal Zugeständnisse bei den Löhnen gemacht, und trotzdem wird dieses Werk verlegt werden. Da frage ich Sie im konkreten Zusammenhang schon: Wie weit hätten denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von AEG Nürnberg mit ihren Zugeständnissen noch gehen müssen? Sie haben selber von dieser Lücke gesprochen. Auf der einen Seite hat die Unternehmensführung gesagt: Wir müssen noch 50 Millionen Euro pro Jahr heruntergehen, auf der anderen Seite hat sich das Angebot der Mitarbeiterschaft zwischen 10 und 15 Millionen Euro bewegt. In diesem Zusammenhang würde mich schon interessieren, nachdem uns im Wirtschaftsausschuss das immer wieder genannte Ifo-Gutachten niemals vorgelegt werden konnte, ob Sie es denn mittlerweile haben. Der letzte Stand im Wirtschaftsausschuss war: Die Staatsregierung hat dieses Gutachten, das Sie immer im Munde führen, noch nie gesehen.