Protokoll der Sitzung vom 01.02.2006

Die Kontrolltätigkeit wird während der Fußballweltmeisterschaft deutlich erhöht werden. Wenn Sie meine Interviews aus den letzten Tagen gehört haben, dann habe ich als einen Teil der Sicherheitsprobleme die Erhöhung der normalen Kriminalität vom Taschendiebstahl bis zum Rotlicht-Milieu gesehen. In beiden Fällen sind es in bestimmten Bereichen sogar verwandte Tätergruppierungen. Wir müssen dabei bedenken, dass Taschendiebstähle in der Regel nicht von einzelnen Tätern spontan ausgeführt werden, sondern von organisierten Banden, die ihre Leute schulen. Diese Leute kommen nicht ganz selten aus denselben Bereichen, aus denen Frauen dann auch systematisch in die Prostitution geführt werden. Zum Teil werden diese Menschen sogar in denselben Bussen hierher gebracht. – Wir sehen also hier eine wich

tige Aufgabe, diese Kriminalitätsformen effektiv zu bekämpfen.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf eine deutliche Steigerung der Zahl der Schulungen der weiblichen und männlichen Polizeibeamten hinweisen. In der Regel ist es ja so, dass diese Frauen von Polizeibeamtinnen vernommen werden.

Auch in Gesprächen mit den Organisationen, die sich mit diesem Thema beschäftigen – JADWIGA und SOLWODI –, haben meine Mitarbeiter dargelegt, dass wir auf den Fachdienststellen der Polizei Fragebögen – übrigens in acht Sprachen, auch osteuropäischen Sprachen – vorhalten. Das heißt, wenn die Polizisten mit einer Frau in Verbindung kommen, bei der gewisse Vermutungen bestehen, selbst wenn es sich um ein völlig anderes Delikt handelt, können sie diesen Fragebogen vorlegen. Nehmen wir einmal an, jemand würde im Zusammenhang mit Vollrausch oder Drogen bei der Polizei in Erscheinung treten und man hat dort den Eindruck, dass da Zusammenhänge bestehen könnten, dann ist vorgesehen, dass diesen Frauen ein solcher Fragebogen in ihrer Muttersprache ausgehändigt wird. In einem Kasten ist die Frage zu beantworten: „Haben Sie Erfahrungen mit Leuten, die Sie zur Prostitution nötigen wollten?“ In einem weiteren Kästchen heißt es: „Wollen Sie Kontakte mit Hilfsorganisationen haben?“

Von den Hilfsorganisationen wird während der Fußballweltmeisterschaft auch überall eine entsprechende Hotline rund um die Uhr angeboten werden, sodass sich auf jeden Fall hier die Möglichkeiten wirklich umfassend darstellen lassen.

Im Auftrag meiner Kollegin Christa Stewens möchte ich ausdrücklich mitteilen, dass die vorhin aufgestellte Behauptung, die Zahlungen für JADWIGA und SOLWODI seien zurückgefahren worden, falsch ist. Die Zahlungen sind vielmehr kontinuierlich gestiegen. Bei JADWIGA ist die Förderung, die in den Jahren 1999/2000 bei 52 000 Euro gelegen hat, im Jahre 2006 auf 108 700 Euro angestiegen. Die Zahlen, die mir Christa Stewens vorhin gegeben hat, beweisen, dass es hier eine kontinuierliche Steigerung der Zahlungen gegeben hat – wenn man eine kleine „Delle“ im Jahre 2004 einmal ausnimmt. Bei SOLWODI ist zwischen 2003 und 2006 eine Zunahme der Förderung von 20 000 Euro auf 80 000 Euro erfolgt. Damit hat es regelmäßige Steigerungen gegeben; entgegenstehende Behauptungen sind nicht zutreffend.

(Angelika Weikert (SPD): Darf ich eine Zwischenfrage stellen?)

Deswegen habe ich extra etwas eingehalten.

Die Förderung der Frauen-Notrufgruppen, die ich auch angesprochen habe, ist seit vielen, vielen Jahren nicht gestiegen, wie aus dem Brief, den Sie, Frau Ministerin Stewens, mir persönlich geschrieben haben, hervorgeht. Gerade diese Frauen sagen, sie brauchen es.

Eine weitere Frage von mir ist außerdem: Gerade diese speziellen Organisationen wie SOLWODI haben, je länger sie tätig sind und sensibel „in das Feld“ eingreifen, eine bessere fi nanzielle Ausstattung nötig, denn je mehr Kontakte sie haben, je bekannter sie werden, desto mehr müssen sie letztlich auch an Kapazität bereit stellen. Die Anforderungen dieser Organisationen sind meines Wissens nicht erfüllt worden.

Liebe Frau Weikert, eine Zwischenfrage ist eine Zwischenfrage, es hilft nichts. Sie können eine Zwischenbemerkung machen und sich dazu melden. Aber wenn Sie sich mit einer Zwischenfrage melden, dann war das jetzt nicht korrekt. Deswegen, bitte, sagen Sie das nächste Mal, sie wollen eine Zwischenbemerkung machen, dann bekommen Sie dafür zwei Minuten Zeit.

(Angelika Weikert (SPD): Ich bitte um Nachsicht, ich bin noch relativ jung hier!)

Jetzt antwortet der Minister.

Frau Kollegin, ich bedanke mich für diesen Diskussionsbeitrag und stimme Ihnen insoweit zu, als die Wünsche der betreffenden Organisationen, die selbstverständlich nicht unberechtigt sind, sondern natürlich auf die Gründe zurückzuführen sind, die Sie angesprochen haben, nicht erfüllt werden können und auch nicht erfüllt worden sind. Ich glaube, es liegt in der Natur dieser Dinge, dass Leute Ideen haben, aber nicht alle diese Ideen auch realisierbar sind. Die Behauptung, dass die Förderung rückläufi g gewesen sei, stimmt jedenfalls nicht, sondern trotz der allgemeinen Kürzungen, die wir in allen Bereichen zu beklagen haben und die es uns schwer machen, ist hier die Förderung deutlich gestiegen.

Noch einmal: Wenn JADWIGA innerhalb der letzten sechs Jahre eine Verdoppelung der Zuschüsse verzeichnen kann und bei SOLWODI, wenn ich richtig gerechnet habe, eine Vervierfachung eingetreten ist – ich habe das jetzt ohne Hilfe meiner Mitarbeiter ausgerechnet –, dann sind es in absoluten Zahlen zwar keine extrem hohen Beträge, aber es zeigt jedenfalls – und darum geht es mir – den wirklich guten Willen, der hier seitens des Sozialministeriums vorhanden ist.

Ich selbst hatte Gespräche mit einer Kollegin, die zusammen mit Damen aus diesen Organisationen bei mir gewesen ist. Es wurde auch aus den Reihen der Organisationen durchaus anerkannt, dass hier gute Absichten vorhanden sind. Doch jeder weiß, dass man kaum die Möglichkeit hat, irgendwie zu erreichen, dass jemand sagt: Ich habe so viel Geld, mehr wollte ich nicht.

Ein letzter Punkt, den ich noch ansprechen möchte, der auch in dem Antrag enthalten und sicher wichtig ist: Es geht um Aufklärungskampagnen in den Herkunftsländern. Hier soll nach Möglichkeit ebenfalls eine Sensibilisierung erfolgen, dass sich Frauen nicht – jetzt sage ich einmal – leichtfertig in dieses Milieu hineinbegeben, sondern gerade dann, wenn in Anzeigen in Rumänien zum Beispiel eine attraktive Tätigkeit als Tänzerin in Deutschland ange

boten wird, muss eigentlich bei einer Frau die Alarmglocke läuten. Ähnliches trifft für Ostasien zu.

Dass die Möglichkeiten, von uns aus darauf einzuwirken, eingeschränkt sind, hebe ich hervor. Aber ich bedanke mich für diese Anregung und sage ausdrücklich, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten davon Gebrauch machen werden. Mein Staatssekretär war in diesem Zusammenhang auf einer internationalen Fachtagung in Moldawien und hat diese Belange den Teilnehmern aus diesen Ländern ausdrücklich mit auf den Weg gegeben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will diesen Dringlichkeitsantrag ausdrücklich als eine dankbare Unterstützung aufnehmen. Er erkennt an, dass wir hier wichtige Arbeit leisten. Ich betone das auch deshalb, weil es in der Öffentlichkeit – weniger offi ziell, aber hinter vorgehaltener Hand – durchaus da und dort etwas lästerhafte Bemerkungen über dieses Thema gibt. Jedoch will ich hier sehr klar sagen: Wenn man aus einzelnen Akten über Organisierte Kriminalität mitbekommt – ich habe mir das angesehen –, mit welcher Brutalität und mit welcher menschenverachtenden Einstellung die Frauen schlichtweg als Ware auf den Markt gebracht werden, wie sie weiterverkauft werden von Zuhälter zu Zuhälter – wenn sie „frisch importiert“ sind, bringen sie die höchsten Beträge, später, wenn sie länger „in Betrieb sind“, so heißt es im Jargon, geht der Wert nach unten –, wenn man das alles mitbekommt, sieht man, um welche gravierenden Probleme es hier geht, welche menschenverachtende Grundeinstellung vorhanden ist.

Darum ist es ein zentrales Anliegen für uns. Das wird durch diesen Dringlichkeitsantrag herausgehoben. Ich hoffe aber auch, dass durch meine Ausführungen deutlich wird, dass die Polizei auf diesem Gebiet in den letzten Jahren schon eine Menge an Arbeit geleistet hat, aber jetzt, gerade auch während der Weltmeisterschaft, zusätzlich die Quantität dieser ihrer Arbeit noch steigern wird.

Deswegen ist der Dringlichkeitsantrag, der ja offensichtlich auf eine breite Unterstützung des Hauses stößt, hilfreich. Ich bedanke mich dafür und wäre froh, wenn er hier mit großer Mehrheit verabschiedet werden könnte.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank Herr Staats minister Dr. Beckstein. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.

Frau Kollegin Weikert hatte gebeten, den Dringlichkeitsantrag der CSU dahingehend abzuändern, dass die Worte „bei der Fußballweltmeisterschaft“ gestrichen werden. Diesem Wunsch auf Streichung wurde nicht Rechnung getragen.

(Zuruf von der CSU: Weil das Anliegen schon im letzten Jahr hier im Hohen Haus behandelt wurde!)

Ich komme deshalb zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/4654 seine Zustimmung

geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CSU-Fraktion, die SPD-Fraktion und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Dringlichkeitsantrag einstimmig angenommen. Das ist prima für die gemeinsame Sache.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Johanna Werner-Muggendorfer, Joachim Wahnschaffe u. a. u. Frakt. (SPD) Beitragsfreier Kindergartenbesuch (Drs. 15/4655)

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Ich erteile Frau Kollegin Dr. Strohmayr das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Schafft die KiTa-Gebühren am besten gleich ganz ab, so appellierte die neue Bundesfamilienministerin an die Länder. Sie hat sich hier sicherlich auf Kosten der Länder profi liert. Ich denke allerdings, auch bei einigen Damen und Herren aus den Reihen der CSU werden diese Worte keinen Gefallen fi nden. Denn sicherlich haben sie sich ihre eigene Bundesfamilienpolitik anders vorgestellt. In der Wissenschaft ist es allerdings längst unbestritten, dass eine der größten Ungerechtigkeiten unseres Bildungssystems darin liegt, dass die Eltern für die Betreuung im Elementarbereich erhebliche Beiträge zahlen müssen, während der Schulbesuch kostenfrei ist.

(Beifall bei der SPD)

In Bayern müssen die Eltern mehr als 20 % der Kosten zuzahlen, die für die Kinderbetreuung anfallen. In Schweden dagegen beispielsweise zahlen die Eltern gar nichts und in Frankreich und England gerade einmal 4 % der anfallenden Kosten. Wir in Bayern verlangen also fünfmal so viel von den Eltern für unsere Kindergärten als es zum Beispiel bei den Eltern in England und in Frankreich der Fall ist.

Zuletzt hat die Iglu-Studie belegt, dass deutsche Viertklässler aus Arbeiterfamilien wesentlich bessere Lernkompetenzen aufweisen, wenn sie zuvor mehr als ein Jahr den Kindergarten besucht hatten. Die fehlende Chancengleichheit, eines der meist kritisierten Parameter unseres Bildungssystems, fängt im Kindergarten an. Das hat unter anderem die Pisa-Studie gezeigt. Die Weichen für die Wissenskluft, die wir immer wieder beklagen, werden hier gestellt. Kindergärten sind Bildungseinrichtungen oder müssen zu solchen werden, Frau Stewens. Sie haben das mit dem Bildungs- und Erziehungsplan forciert. Deswegen ist es auch nur folgerichtig, dass der Freistaat Bayern seine Verantwortung im Bildungsbereich wahrnimmt und die entsprechenden Kosten trägt.

(Beifall bei der SPD)

Der Freistaat Bayern hat die Lernmittelfreiheit zu garantieren; da ist es nur gerecht, wenn er auch die Kindergartengebühren übernimmt und damit die Eltern erheblich entlastet. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir

wollen hier keine unrealisierbaren Vorschläge machen. Darum haben wir schon lange die Forderung erhoben, zumindest das letzte Kindergartenjahr freizustellen. Das ist ein realisierbarer Vorschlag, über den auch Sie, Frau Ministerin, nachdenken sollten.

(Beifall bei der SPD)

Es wäre ein erster Schritt zur Verbesserung der Chancengleichheit.

Ich möchte nur daran erinnern, dass in anderen Bundesländern längst entsprechende Beschlüsse getroffen wurden. In Rheinland-Pfalz übernimmt das Land seit dem 01.01.2006 die entsprechenden Gebühren für die Kindergärten. Das kostet dieses Land Rheinland-Pfalz rund 25 Millionen Euro. Ähnliche Regelungen wurden auch im Saarland getroffen und da, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, regiert ja Ihre Schwesterpartei. Zumindest deren Familienpolitik könnten Sie sich zum Vorbild nehmen und endlich die Kehrtwende von ihrer Politik der Scheinheiligkeit einleiten.

(Beifall bei der SPD)

Frau Ministerin, hier habe ich insbesondere Sie angesprochen; denn es ist scheinheilig, wenn Sie immer wieder vom Bund Investitionen fordern, aber selbst im Land einen harten Sparkurs fahren.

(Beifall bei der SPD)

Sie müssen endlich mehr tun, als nur in Presseerklärungen – ich denke da an Ihre letzte Presseerklärung – auf unzähligen Seiten zu erklären, dass Familienpolitik Investitionspolitik ist. Investieren Sie doch einfach. Das BayKiBiG ist ein Schuss nach hinten. Es vergeht kaum ein Tag, an dem man nicht in den Zeitungen lesen kann, dass die Kommunen die Kindergartengebühren erhöhen müssen. Das geht teilweise bis zu 30 %. Das sind erhebliche Erhöhungen, die hier im Raum stehen. Ich möchte Sie da schon fragen, ob das nun die viel gepriesene Investition in die Familie ist.

(Beifall bei der SPD)

In Frankreich geht der Trend zum Kind. So habe ich es neulich meiner Heimatzeitung entnommen.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Welche ist das?)

Die „Augsburger Allgemeine“. Man spricht sogar von einem Baby-Boom in Frankreich. Dort, Frau Stewens, ist es längst normal, dass alle Kinder, die einen Betreuungsplatz brauchen, auch einen angeboten bekommen, und dabei zahlen, wie gesagt, die Eltern der Kinder in Frankreich wesentlich weniger, nämlich gerade einmal ein Fünftel des Betrags, der hier von den Eltern in Bayern abgefordert wird.

Sie sollten endlich einsehen, dass derjenige, der bei den Familien spart, zulasten der kommenden Generationen

spart oder noch schlimmer, sich die ganze Generation gleich einspart.