Protokoll der Sitzung vom 16.02.2006

Ebenso wenig bin ich damit zufrieden, dass die Ministerien ein schlechtes Vorbild abgeben; denn, Frau Stewens, drei Ministerinnen sind keine vorzeigbare Quote. Auch im höheren Dienst der Ministerien selbst lässt die Besetzung mit Frauen zu wünschen übrig: Das Wirtschaftsministerium beschäftigt 6 % der Frauen in Leitungsfunktionen; Minister Miller bringt es auf 7 %, Sie bringen es auf 31 % Frauen.

Herr Staatssekretär, wenn wir als Ziel die Hälfte haben, sind es 50 % – nicht 31 %, dann fehlen immer noch

19 %. Insgesamt sind dem Bericht zum Gleichstellungsgesetz zufolge trotz Fortschritten ein Abfl achen und manchmal auch Rückschritte erkennbar. Einige Dienststellen entziehen sich der Verpfl ichtung zur Ernennung einer Gleichstellungsbeauftragten komplett. Zudem fehlen Gleichstellungskonzepte, deren Fortschreibung oder die Bestellung der Gleichstellungsbeauftragten. Die betroffenen Frauen haben ihre Erfahrungen mit dem Gesetz seitenweise geschickt. Ich will sie mir aber für die Aussprache aufheben.

Ich will die Bestandsaufnahme nach zehn Jahren Gleichstellungsgesetz in Bayern mit der Feststellung von Inifes abschließen, dem „Internationalen Institut für empirische Sozialökonomie“, das den Dritten Bericht erstellt hat. In diesem Bericht können Sie nachlesen, dass der weite Weg in der gesellschaftspolitisch zentralen und für die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes im Freistaat Bayern sehr wichtigen Frage der Gleichberechtigung und Gleichstellung von Frau und Mann eine weitere gesetzliche und tatsächliche Unterstützung braucht. Dazu gehört auch die Beseitigung der aus den vorliegenden und den früheren Berichten ersichtlichen Defi zite beim Vollzug. Darum geht es heute.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es geht um eine weit reichende Novellierung des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes als Motor für eine geschlechterdemokratische Gestaltung Bayerns und als Vorbild für die Privatwirtschaft. Dazu brauchen wir drei Dinge: erstens interdisziplinäres Wissen in Geschlechter- und Gleichstellungsfragen, zweitens fundierte Datengrundlagen und drittens einen starken politischen Willen zur Veränderung.

Ich möchte der Staatsregierung diese drei Kompetenzen absprechen. Ich nenne nur ein Beispiel: Um Gleichstellung voranzubringen, brauchen wir gute Datengrundlagen. Diese gibt es in Bayern nicht. Wir haben versucht, diese Datengrundlagen über eine Interpellation herzustellen. Leider haben Sie uns nur Datenmüll übersandt, Frau Stewens, zum Beispiel ein Buch über die Lage der Trümmerfrauen in Deutschland. Ich denke, das ist eine Missachtung der Frauen. Auf einer nicht vorhandenen Datengrundlage kann keine gute Gleichstellungspolitik gedeihen.

Den starken politischen Willen zur Veränderung werde ich Ihnen nachher in der Aussprache absprechen.

Ich komme jetzt zu den wesentlichen Elementen unseres Gesetzentwurfes. Uns GRÜNEN im Landtag ist es ein wichtiges Anliegen, die Sache der Frauen voranzubringen. Wir tun dies mit großem Selbstbewusstsein, weil wir davon überzeugt sind, dass ein Gleichstellungsgesetz, das diesen Namen auch verdient, allen etwas bringt: den Frauen, den Männern und den Arbeitgebern. Deshalb lohnt es sich auch, dafür zu kämpfen.

Wir haben einen wirklich modernen Gesetzentwurf vorgelegt. Die wesentlichen Elemente: Für uns ist ein Gleichstellungskonzept ein hauptsächliches Instrument der Personalplanung, Personalentwicklung und zur Gleichstellung von Frauen und Männern. Wir wollen eine Verpfl ichtung – also weg von der Freiwilligkeit – zur Aufstellung von Gleichstellungskonzepten. Dort soll zum einen die Situation der weiblichen und männlichen Beschäftigten beschrieben werden. Diese Analyse soll Ausgangspunkt für Gleichstellungsstrategien und aktive Maß

nahmen sein, die im folgenden Berichtszeitraum umzusetzen sind. Nach unserer Auffassung müssen diese Maßnahmen mit inhaltlich konkreter und zeitlicher Zielvorgabe dargestellt werden.

Wir wollen eine unbefristete Bestellung von Gleichstellungsbeauftragten. Wir haben im Gesetz die Befreiung von Arbeitszeit geregelt und auch die Ausstattung mit den nötigen Mitteln.

Wir sind mutig, verehrte Kolleginnen von der CSU, und wir haben über ein Einspruchsrecht Sanktionen vorgesehen. Denn nur mit Sanktionen – ich denke, das hat die zehnjährige Erfahrung mit der Freiwilligkeit des Gleichstellungsgesetzes gezeigt – wird auch das umgesetzt, was im Gesetz steht.

Außerdem sehen wir regelmäßige Gender-Trainings für Vorgesetzte und Leitungsfunktionen vor, damit sich das Prinzip des Gender-Mainstreaming auch durchsetzt. Dieses Prinzip, das schreiben wir vor, soll sich verpfl ichtend durch alle Organisationseinheiten ziehen. Wir sprechen uns da – ich denke, das ist die einzige Gemeinsamkeit – auch für einen fünfjährigen Berichtszeitraum aus. Allerdings wollen wir mehr als bisher die statistischen Datengrundlagen ausweiten, zum Beispiel eine differenzierte Betrachtung der Besoldungsgruppen, damit wir die Unterschiede zwischen Männern und Frauen erkennen und Maßnahmen zur Verbesserung entwickeln können.

Unser Gesetzentwurf macht klare Zielvorgaben im Gegensatz zum Freiwilligkeitsprinzip der Staatsregierung. Wir brauchen klare Zielvorgaben, um Gleichstellung wirksam voranzubringen.

Unser Gesetzentwurf trägt modernen Erfordernissen Rechnung. Ich bitte Sie deshalb heute schon um Zustimmung. Wir hätten dann ein vorbildliches Gesetz, das die Gleichstellung von Frauen, aber auch von Männern, Herr Kollege Förster, voranbringt.

Das Gesetz der Staatsregierung, das schließlich auch das Gesetz der CSU ist, durchweht der Mief des vergangenen Jahrtausends. Die CSU wird noch viele Anstrengungen unternehmen müssen, bis sie endlich in der gleichstellungspolitischen Realität des Jahres 2006 angekommen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Als Nächste hat Frau Staatsministerin Stewens das Wort, die den Gesetzentwurf der Staatsregierung begründen wird.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Tolle, wir CSU-Frauen leben in der Wirklichkeit

(Simone Tolle (GRÜNE): Ha, ha, ha!)

und sind nicht erst am Montag in der Wirklichkeit angekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Zuruf der Abgeordneten Margarete Bause (GRÜNE))

Das möchte ich vorneweg setzen. Sie können ganz sicher sein, dass wir in der Wirklichkeit leben, auch wenn es Ihnen nicht passt.

Ich kann Ihnen nur sagen, es gibt in den unterschiedlichen Politikbereichen durchaus die Notwendigkeit, dass man Schwerpunkte herausstellt, und so war es bei der Pressekonferenz am Montag. Das sollten Sie auch als solches nehmen.

Zum anderen möchte ich, weil mich das wirklich ein Stück weit verärgert, ihre Einlassungen zum „Datenmüll“ aufgreifen. Sie haben unglaublich viele Fragen gestellt. Alleine zur Beantwortung einer einzigen Frage waren rund 200 000 Daten notwendig. Das ist ein Stück „Entbürokratisierung“. Ich bitte, schon zu sehen, welche gewaltigen Arbeiten Sie meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufgebürdet haben.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Noch eines muss ich Ihnen dazu sagen. Es liegt vieles schon in schriftlicher Form vor, worauf man zurückgegriffen und eine Sammlung für Sie zusammengestellt hat. Ich habe mich damals schon über Ihre Aktionen geärgert. Das ist eine Missachtung der Arbeit meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich weise es in schärfster Form zurück, dass Sie hier verbal gegen die Menschen vorgehen, die sich wirklich sehr viel Mühe gemacht haben. Überlegen Sie bitte bei Ihrem nächsten Fragenkatalog, was wirklich notwendig ist. Es ist keineswegs so, dass wir keine gesicherte Datenlage haben. Denken Sie allein an unsere Gleichstellungsberichte, gerade den Dritten Bericht. Da haben Sie eine Datenlage, und deshalb meine ich schon, dass man etwas sorgfältiger mit seinen Fragen umgehen müsste,

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

weil ihre Beantwortung eine unglaubliche Bürokratie bedeutet. Meine Mitarbeiter, die gesamte Abteilung, haben drei Monate daran gearbeitet. Sie sollten sich einmal überlegen, ob Sie das verantworten können.

Nun zur Grundlage des Gesetzentwurfes der Staatsregierung. Grundlage ist der Dritte Bericht über die Umsetzung des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes. Hieran war das wissenschaftliche Institut Inifes beteiligt. Ich habe die Ergebnisse dieses Berichts im Landtag im Ausschuss für den öffentlichen Dienst vorgestellt.

Die wesentlichen Ergebnisse des Dritten Berichts, der zugleich eine Gesamtbilanz über zehn Jahre Bayerisches Gleichstellungsgesetz bedeutet, war nach meiner Ansicht durchaus so, dass man sagen kann: Das Gleichstellungsgesetz ist ein bewährtes Mittel gewesen, um die Gleichstellung in Bayern zu verbessern. Damit ist die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Bayern auf einen guten Weg gebracht worden. Der bayerische öffentliche Dienst ist Vorreiter bei der Chancengleichheit und Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere bei der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit.

Über die Hälfte des öffentlichen Dienstes ist weiblich. Der Frauenanteil im gesamten bayerischen öffentlichen Dienst beträgt 52,8 %, beim Freistaat Bayern sind es 48,4 %. Die Frauenanteile liegen im einfachen Dienst bei 45,6 %, im mittleren Dienst bei 54,7 %, einschließlich der beurlaubten

Kräfte im gehobenen Dienst bei 53,9 % und im höheren Dienst bei 34,2 %. Hier hat sich in den letzten zehn Jahren wirklich sehr viel zum Besseren verändert.

Weit über der Privatwirtschaft liegen bei uns die Frauenanteile in den Leitungsfunktionen, nämlich bei 22,9 % im Jahr 2004. Das bedeutet eine erhebliche Steigerung gegenüber 1997 mit 15,1 %.

Gleichzeitig möchte ich aber auch konzedieren: Es ist noch keine volle Gleichstellung. Ob wir allerdings die 50 %, von denen Sie gesprochen haben, wirklich erreichen können, ist die Frage. Wir liegen gegenwärtig bei 30 %.

Wenn man mit den Frauen spricht, sagen mir diese oft: Es ist für sie tatsächlich schwierig, Familie und Erwerbstätigkeit, noch dazu, wenn in der Familie Kinder sind, miteinander zu vereinbaren. Da muss man sie intensiv unterstützen. Wir im Sozialministerium tun das auch. Ich bekomme allerdings von einzelnen Frauen auch immer wieder die Antwort: „Frau Stewens, das möchte ich, ehrlich gesagt, gar nicht.“

Wenn man sich also die 50 % als Zielvorgabe setzt, muss man auch die Wünsche der Frauen entsprechend berücksichtigen.

(Zuruf der Abgeordneten Simone Tolle (GRÜNE))

Gerade die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit ist, meine ich, im staatlichen Bereich durchweg gut gelöst. Wir haben vorbildliche Arbeitsbedingungen mit fl exibler Arbeitszeit und Teilzeit, mit Wohnraum- und Telearbeitsplatzangeboten. Fast jede dritte Beschäftigung beim Freistaat wird in Teilzeit ausgeübt.

Zugleich zeigt aber der Dritte Bericht sehr klar und deutlich einen weiteren Handlungsbedarf auf. Die Ziele des Gleichstellungsgesetzes sind zwar in vielen Bereichen erfolgreich umgesetzt worden, aber längst nicht überall und auch nicht vollständig. Trotz aller Fortschritte ist die tatsächliche Gleichstellung von Männern und Frauen auch im öffentlichen Dienst noch nicht überall gelebte Realität. Durch das Gleichstellungsgesetz ist zwar die Situation im öffentlichen Dienst grundlegend verbessert worden, aber die Bemühungen, die durch Artikel 118 Absatz 2 Satz 2 der Bayerischen Verfassung vorgegebenen Gleichstellungsziele zu erreichen, sind mitunter – auch von den einzelnen Dienststellen – noch nicht intensiv genug verfolgt worden.

Ich meine, die Gleichstellung selbst ist in Bayern ein Prozess. Es ist ein Wandel eingetreten: Sie ist wirklich eine Daueraufgabe in Bayern geworden. Daher hat die Staatsregierung beschlossen, ihre Bemühungen für Chancengleichheit und Gleichstellung von Frauen und Männern intensiv fortzusetzen und dem Landtag einen Gesetzentwurf zur unbefristeten Verlängerung des Gleichstellungsgesetzes vorzulegen. Ich meine schon, das hervorzuheben ist sehr wichtig. Wir wollten einen Gesetzentwurf vorlegen – da befi ndet man sich durchaus in einem Spannungsfeld –, der auch den Anforderungen an die Konnexität entspricht.

Ich möchte nun auf die wesentlichen Inhalte des Gesetzentwurfs in vier Punkten eingehen:

Erstens. Die unbefristete Verlängerung entspricht dem Anliegen zweier Landtagsbeschlüsse.

Zweitens. Der Gesetzentwurf sieht die belastungsneutrale inhaltliche Änderung des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes vor, um die Wirksamkeit des Gesetzes zu erhöhen. Es geht um die Verstärkung der Ziele des Gesetzes und der Pfl ichten der Beschäftigten. Alle Beschäftigten, besonders die in Vorgesetzten- und Leitungsfunktionen sollen die Durchsetzung der Gleichberechtigung fördern, auf die Beseitigung von Nachteilen hinwirken und Chancengleichheit in allen Aufgabenbereichen als durchgängiges Leitprinzip berücksichtigen. Dies verlangt die geschlechtersensible Sichtweise – Stichwort: Gender Mainstreaming – ganz besonders. Zur Verbesserung der Stellenausschreibungen sind künftig stets Hinweise erforderlich, ob eine Stelle teilzeitfähig ist oder nicht.

Die Fortbildung der Beschäftigten ist ein ganz wichtiger Bereich. Wir wissen, dass Frauen die Fortbildung immer weniger annehmen. Stichwort ist auch hier die geschlechtersensible Sichtweise – Gender Mainstreaming –; die Chancengleichheit muss stärker ermöglicht werden. Noch ein Stück mehr als bisher müssen fl exible Arbeitszeiten für Frauen und Männer bei familiären Pfl ichten ermöglicht werden. Es geht um die Verpfl ichtung zur Schaffung von Wohnraum- und Telearbeitsplatzangeboten unter Beachtung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung und personalwirtschaftlicher und organisatorischer Möglichkeiten. Aber ich möchte noch einmal klar und deutlich sagen: In dem Gesetzentwurf ist die Verpfl ichtung aufgeführt worden.

Drittens. Die Arbeitsbedingungen für die Gleichstellungsbeauftragten und Ansprechpartnerinnen und -partner sind zu verbessern. Ganz wichtig ist hier die rechtzeitige und umfassende Unterrichtung besonders in Personalangelegenheiten, und zwar spätestens parallel zur personalvertretungsrechtlichen Beteiligung. In den Anhörungen wurde uns gesagt, dass die Gleichstellungsbeauftragten durchaus oft zu spät informiert worden sind.

Viertens. Ganz kurz noch zur Verwaltungsvereinfachung und Deregulierung. Gegenüber dem Landtag soll alle fünf Jahre Berichtspfl icht bestehen, also ein Bericht pro Legislaturperiode; bisher waren es drei Jahre. Das bedeutet für uns durchaus auch weniger Verwaltungsaufwand. Der Zeitabstand korrespondiert mit dem der Gleichstellungskonzepte der Dienststellen.

Abschließend noch der Hinweis, dass, um die lückenlose Fortführung des Gleichstellungsgesetzes gewährleisten zu können, das Änderungsgesetz zum 30. Juni 2006 in Kraft treten muss. Ich bitte den Landtag um eine wohlwollende Beratung, bin aber der festen Überzeugung, dass wir in Sachen Gleichstellung in Bayern auf einem hervorragenden Weg sind.

(Beifall bei der CSU)

Ich eröffne jetzt die Aussprache. Als Erste hat Frau Kollegin Guttenberger das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Anfang März letzten Jahres brachte die Frauengruppe der CSU