Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 62. Vollsitzung des Bayerischen Landtags in der Erwartung, dass die Fehlenden möglichst rasch hier eintreffen werden. Wenn ich richtig vermute, tagen noch zwei Fraktionen. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Wie immer wurde sie erteilt.
Herr Staatssekretär Freller feierte am 2. März einen runden Geburtstag. – Er kommt aufs Stichwort. Herzlichen Glückwunsch.
Einen halbrunden Geburtstag feierten am 19. Februar Herr Kollege Bernd Sibler, am 28. Februar Frau Kollegin Gudrun Peters und am 1. März Herr Kollege Markus Sackmann. Allen Genannten einen herzlichen Glückwunsch.
Erklärung des Staatsministers für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie zur Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms (LEP-Drs. 15/ 4835)
Für die Fraktionen wurde im Ältestenrat eine Redezeit von 30 Minuten vereinbart. In etwa genauso lange ist auch die Zeit für Ihre Rede veranschlagt worden, Herr Staatsminister. – Das Wort hat der Herr Staatsminister.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Staatsregierung bringe ich hiermit den Entwurf zur Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms in die parlamentarische Beratung ein. Ich möchte in der gebotenen Kürze Anlass und Ziel der Fortschreibung begründen und ein paar grundsätzliche Feststellungen zur bayerischen Landesentwicklung anfügen.
Ich habe heute in einer Zeitung gelesen, dass manche Kollegen in diesem Hause fragen, ob wir denn überhaupt ein solches Konzept, ein Landesentwicklungsprogramm, brauchen.
Ich möchte Ihnen deutlich machen: Wir werden natürlich nicht, wie Sie es der Staatsregierung unterstellen, kopf-
und konzeptlos in die Zukunft gehen, sondern wohlüberlegt. Unsere Ziele sind im Landesentwicklungsprogramm niedergelegt. Wenn ein Kleinbetrieb gegründet wird, dann macht er einen Businessplan. Dazu ist natürlich das Unternehmen Freistaat Bayern mit 12 Millionen Bürgern weit mehr verpfl ichtet. Das heißt, das Landesentwicklungsprogramm muss einerseits eine Leitlinie, darf aber auf der anderen Seite keine starre bürokratische Vorgabe sein.
Auf der Grundlage der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten im Herbst 2003 haben wir wesentliche Weichen der Landesentwicklung neu gestellt. Das Bayerische Landesplanungsgesetz ist novelliert worden und seit dem 1. Januar 2005 in Kraft. Die Regionalplanung wurde inhaltlich und organisatorisch gestrafft, und das Landesentwicklungsprogramm, das am 1. April 2003 in Kraft getreten ist, haben wir grundlegend überarbeitet.
Ich möchte in diesem Zusammenhang meinem Vorgänger, dem langjährigen bayerischen Wirtschaftsminister Dr. Otto Wiesheu für die auch in diesem Zusammenhang geleistete hervorragende Arbeit Dank und Anerkennung aussprechen.
Auf seiner Vorarbeit beruhte der erste Entwurf des neuen Landesentwicklungsprogramms, den der Ministerrat am 12. Juli 2005 beschlossen und in das gesetzlich vorgeschriebene Anhörungsverfahren gegeben hat.
Das LEP ist nun kompakt formuliert und bei Festlegungen und Begründungen um 40 % gekürzt. Wir haben erstmals zwischen Zielen und Grundsätzen unterschieden. Damit sind Planungsschwerpunkte, das heißt klare Prioritäten, gesetzt, und dies bei möglichst viel Spielraum für Staat, Kommunen und Wirtschaft.
Ich lege Ihnen zur Beratung ein straffes, lesbares, anwenderfreundliches LEP vor, das die wesentlichen landesentwicklungspolitischen Prioritäten klar akzentuiert.
Eine hohe Resonanz hat das Anhörungsverfahren gefunden, bei dem alle Kommunen, die kommunalen Spitzenverbände, die Naturschutz- und Sozialverbände sowie die Verbände der Wirtschaft wie auch die sonstigen öffentlichen Stellen, aber auch die Nachbarländer und -staaten beteiligt waren. Rund 1000 Beteiligte haben zum Teil sehr umfassende Stellungnahmen abgegeben. Das zeigt im Übrigen auch, meine Damen und Herren, welch große Bedeutung dem Landesentwicklungsprogramm beigemessen wird. Der Entwurf hat in seiner Gesamtheit überwiegend Zustimmung erfahren; gleichwohl gab es eine Fülle von Änderungswünschen im Detail.
Der Ministerrat hat sich am 14. Februar 2006 mit den wesentlichen Stellungnahmen und Anliegen befasst und ist ihnen gefolgt, wo immer dies möglich und fachlich vertretbar war. Als ein besonderes und wesentliches Beispiel nenne ich die Wiederaufnahme der überregionalen Entwicklungsachsen. Damit ist vielfachen Forderungen
Ich erbitte jetzt vom Hohen Haus die Zustimmung, womit die große Bedeutung des Landesentwicklungsprogramms für die gesamtstaatliche Entwicklung zum Ausdruck kommt.
Aber lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zunächst ganz kurz zurückblicken. Wir können in diesem Jahr auf drei Jahrzehnte bayerischer Landesentwicklung aufgrund der entsprechenden Entwicklungsprogramme zurückblicken und Bilanz ziehen. In diesen drei Jahrzehnten konnten große, messbare und beweisbare Erfolge erzielt werden. Durch konsequentes Arbeiten ist es uns gelungen, das früher sehr starke Gefälle zwischen Stadt und Land deutlich abzubauen und eine weitgehende Annäherung an gleichwertige Lebens- und Arbeitsverhältnisse zu erreichen. Durch die gezielte Schaffung von Einrichtungen der Infrastruktur im ländlichen Raum, zum Beispiel bei der fl ächendeckenden Versorgung der Bevölkerung in den Bereichen Bildung und Gesundheit, beim Verkehrsausbau oder bei der Energieversorgung, konnte eben dieses Gefälle reduziert und ein modernes Angebot in allen Landesteilen geschaffen werden.
Ursprünglich negative Bevölkerungsentwicklungen in den Sechziger- und Siebzigerjahren, vor allem auch zulasten der strukturschwachen Räume, konnten in weiten Teilen umgekehrt werden.
Ich möchte Ihnen dazu eine eindrucksvolle Zahl nennen. Die ländlichen Regionen hatten in den Jahren 1994 bis 2004 eine Zunahme um rund 300 000 Einwohnern; das entspricht einem Zuwachs von 4,1 %, der dem Zuwachs der Regionen mit großen Verdichtungsräumen vergleichbar ist. Das heißt ganz klar: Die ländlichen Räume in Bayern sind attraktiv, und sie haben in diesen Jahren im Zeichen der bayerischen Landespolitik an Attraktivität gewonnen.
Gleichzeitig kamen Arbeitsplätze zu den Menschen aufs fl ache Land, sodass ein gutes Auskommen im ländlichen Raum gewährleistet ist. Beeindruckend belegt dies auch der Zuwachs der realen Kaufkraft. So stieg diese von 1992 bis 2002 am stärksten in Niederbayern und der Oberpfalz, sie stieg auch in Westmittelfranken und Teilen Oberfrankens.
Lassen Sie mich noch eine besonders eindrucksvolle Zahl nennen, meine Damen und Herren. Anfang der Siebzigerjahre gab es in Ost- und Nordostbayern lediglich eine Universität, nämlich Regensburg, mit etwa 9000 Studenten. Heute sind es in diesem Bereich vier Universitäten – Passau, Regensburg, Bamberg und Bayreuth – mit fast 40 000 Studenten. Das heißt, der Ausbau der Universitäten hat gerade auch im ländlichen Raum zu großartigen Angeboten geführt und Talente, die es im ländlichen Raum in Hülle und Fülle gibt, so richtig zur Entfaltung gebracht.
Inzwischen liegen über 50 % der Studienplätze an Fachhochschulen im ländlichen Raum, und ich behaupte, meine Damen und Herren: Ohne eine kluge Vorlage auch
So hat sich Bayern in den vergangenen Jahrzehnten positiv entwickelt, hat einen beispielhaften Wandel von einem überwiegend agrarisch geprägten Staat zu einem Dienstleistungs- und Hightech-Standort erfahren. Und was besonders erfreulich ist: Es gibt eine ausgewogene Entwicklung in Stadt und Land, im ganzen Land, und wir haben attraktive und leistungsstarke Regionen gerade auch im Grenzland geschaffen.
Damit will ich nicht sagen, dass alle Probleme bewältigt wären. Ganz im Gegenteil, es entstehen Tag für Tag neue Herausforderungen. Aber ich fi nde es sehr positiv, dass Bayern nicht uniform geworden ist, sondern verschiedene Gesichter hat, unterschiedliche Angebote macht, dass es dynamische, moderne Verdichtungsräume hat, aber auch ländliche Räume, die auf der Höhe der Zeit sind und die es den Menschen erlauben, in ihrer angestammten Heimat zu bleiben. Gerade diese ländlichen Räume sind heute so attraktiv wie noch nie zuvor in der Geschichte Bayerns.
Ich weiß, es ist nicht leicht, einen Maßstab für politische Erfolge und Zufriedenheit der Menschen zu fi nden. Aber es war doch sehr erfreulich, am Wochenende in den Zeitungen lesen zu können: Die Zufriedenheit der Menschen ist mit 82 % in Bayern am allerhöchsten von allen Ländern. Nun wird auch die Opposition nicht behaupten, dass das trotz einer langjährigen CSU-Regierung so ist. Vielmehr stimmt das völlig überein
mit der Erfahrung in ganz Deutschland: Je länger die Union in einem Land regiert, umso besser sind dort die Bedingungen.
(Beifall bei der CSU – Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN – Zuruf der Abgeordneten Johanna Werner-Muggendorfer (SPD))
Es gilt nicht nur, die genannten Erfolge auch in der Zukunft abzusichern. Die raumstrukturelle Entwicklung Bayerns steht auch vor folgenden neuen Herausforderungen:
Durch die Globalisierung werden Bayern und seine Teilräume einem verschärften Wettbewerb in allen Bereichen unterzogen.
Mit der EU-Osterweiterung entsteht vor allem den ostbayerischen Regionen Konkurrenz aus Niedriglohn-, Niedrigsteuer- und Höchstfördergebieten.
In der Wirtschaft gibt es eine Tendenz zur Konzentration auf ausgewählte industrielle Stützpfeiler. Das ist gerade für strukturschwächere ländliche Räume mit einem hohen
Anteil von Betrieben in traditionellen Industriezweigen ein gravierendes Problem. Deshalb ist es beispielsweise wichtig, dass moderne Technologien wie so genannte Datenautobahnen – DSL – in allen Landesteilen zur Verfügung stehen, nicht nur in den Verdichtungsräumen. Diesem Ziel hat sich die Staatsregierung auch immer mit besonderem Engagement gewidmet.
Nicht zuletzt ist die demographische Entwicklung mit Schrumpfungs- und Überalterungs- sowie teilgebietlichen Abwanderungstendenzen in manchen Teilen Bayerns ein Problem und eine große Herausforderung. Es gilt, hier die Infrastruktur zu erhalten und modern zu gestalten, auch wenn die Zahl der Bürger und der Nutzer im Umfeld geringer wird. Gleichzeitig müssen wir von einer Verknappung der Haushalts-, Investitions- und Fördermittel ausgehen.
Um unter diesen Rahmenbedingungen auch in der Zukunft erfolgreich im ganzen Land bestehen zu können, sind die ganze Kraft und der Ideenreichtum von uns allen gefordert.
Erstens. Von Anfang an und unverändert gültig ist das Ziel, gleichwertige und gesunde Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Landesteilen zu schaffen und zu erhalten. Das ist oberstes Leitziel der bayerischen Landesentwicklungspolitik. Wir müssen also den Menschen in allen Teilen des Landes vergleichbare Chancen für ihre Lebens- und Arbeitsgestaltung bieten. Das bedeutet, in Stadt und Land ein leistungsfähiges Infrastrukturangebot zur Verfügung zu stellen.
Um auch künftig den Menschen in ihrer angestammten oder gewählten Heimat beste Perspektiven bieten zu können, müssen wir ihnen zeitgemäße Möglichkeiten und Chancen besonders im Bereich von Bildung und Kultur bieten sowie ein gutes Angebot an Wohnungen, an modernen, sicheren Arbeitsplätzen – das ist ein Ziel der Landesentwicklungspolitik – und eine leistungsfähige Infrastruktur zur Verfügung stellen. Die hierfür notwendigen Voraussetzungen sind in den Bereichen Wirtschaft, natürliche Lebensgrundlagen sowie Soziales und Kultur zu schaffen und zu erhalten.