Um auch künftig den Menschen in ihrer angestammten oder gewählten Heimat beste Perspektiven bieten zu können, müssen wir ihnen zeitgemäße Möglichkeiten und Chancen besonders im Bereich von Bildung und Kultur bieten sowie ein gutes Angebot an Wohnungen, an modernen, sicheren Arbeitsplätzen – das ist ein Ziel der Landesentwicklungspolitik – und eine leistungsfähige Infrastruktur zur Verfügung stellen. Die hierfür notwendigen Voraussetzungen sind in den Bereichen Wirtschaft, natürliche Lebensgrundlagen sowie Soziales und Kultur zu schaffen und zu erhalten.
Lassen Sie mich die Entwicklung der letzten Jahrzehnte kurz skizzieren. Am Anfang war das Erschließungsprinzip für den ländlichen Raum besonders wichtig. Schulen, Universitäten, Krankenhäuser sowie Straßenverbindungen und eine wirtschaftsnahe Infrastruktur wurden im fl achen Land geschaffen. Das waren die notwendigen Anreize für die Bevölkerung, um im ländlichen Raum zu bleiben. Damit ist es gelungen – ich habe es bereits erwähnt –, die bis Anfang der achtziger Jahre dramatische Absiedlung aus den peripheren Räumen zu stoppen und in eine Zuwanderung umzukehren. Wir haben seither – bis auf wenige Abweichungen – in sämtlichen Planungsregionen positive Wanderungssaldi.
Anschließend in der zweiten Phase galt es, das Geschaffene zu erhalten und an die neuen Bedürfnisse anzu
passen. Das haben wir als das „Vorhalteprinzip“ bezeichnet. Durch das System der zentralen Orte werden die entscheidenden Pfl öcke eingeschlagen. Nur auf diese Weise können wir auch in der Zukunft im Sinne einer dezentralen Konzentration mit Blick auf die knappen Finanzmittel die nötige Infrastruktur fi nanzieren und vorhalten.
Ich höre da und dort aus verschiedenen Landesteilen, man solle das Prinzip der zentralen Orte abschaffen. Mit dieser Forderung muss man sich selbstverständlich auseinander setzen. Aber ich muss klar sagen, dass immer eine Entscheidung zu treffen ist, wo für welchen Raum eine bestimmte Infrastruktur für Bildung oder soziale Einrichtungen vorgehalten werden soll. Wenn man nicht nach dem Gießkannenprinzip vorgehen will, das nicht zu fi nanzieren ist, braucht man bestimmte Kriterien für eine Versorgung des gesamten Raumes mit der jeweils notwendigen modernen Infrastruktur. Das Prinzip der zentralen Orte bietet ein sehr tragfähiges Gerüst, um eine fl ächendeckende Versorgung in allen Landesteilen zu gewährleisten.
Damit soll die Entwicklung der ländlichen Teilräume in besonderem Maße gestärkt werden. Ich verdeutliche dabei: Es geht nicht darum, dass der gesamte ländliche Raum unter das „Vorrangprinzip“ gestellt wird. Es geht vielmehr darum, dass die Teilräume eine Zukunft bekommen, die es besonders schwer haben, in denen es Abwanderungstendenzen gibt und eine Überalterung stattfi nden könnte, wo die Wettbewerbssituation zum Beispiel zu Tschechien oder zu den neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union besonders stark ist. Wir wollen damit deutlich machen, dass auch die schwach strukturierten Räume eine Zukunft haben; das bedeutet, dass sie bei einschlägigen staatlichen Aktivitäten zur Gewährleistung gleicher Lebens- und Arbeitsbedingungen auch in der Konkurrenz Vorrang haben können.
Das heißt allerdings nicht – um ein Beispiel aufzugreifen –, dass man den Hochwasserschutz dort stärkt, wo man nun meint, den Raum fördern zu müssen. Man wird ihn vielmehr dort betreiben müssen, wo es zu Hochwasser kommen kann. Und man wird dort Studentenwohnheime bauen, wo Universitäten und Fachhochschulen sind. Aber es gibt eine ganze Reihe von Entscheidungen, wie bei Maßnahmen der Versorgung mit Infrastruktur, bei der Abgrenzung von Fördermitteln der Europäischen Union, des Bundes und des Landes und der Verteilung der Finanzmittel, bei denen es möglich ist, strukturschwachen ländlichen Räumen nach diesem Prinzip den Vorrang einzuräumen. Die Staatsregierung wird – das möchte ich eindeutig sagen und dazu erbitte ich Ihre Zustimmung – bei einem Konzept, wie es in manchen Teilen Europas heute verfolgt wird – nämlich die Absiedlung bestimmter Räume und die passive Sanierung – nicht mitmachen.
Wenn dieses Ziel nicht nur auf dem Papier stehen soll, muss man auch die Konsequenzen ziehen. Dann muss es für solch gefährdete Räume im Zweifel auch einen Vorrang geben gegenüber anderen, denen es besser geht und die bessere Chancen haben.
Zweitens. Im Vorlauf zur heutigen Debatte ist gelegentlich der Gegensatz zwischen Stadt und Land thematisiert worden.
Zweifelsohne ist der Verteilungskampf zwischen Stadt und Land um die knappen Ressourcen härter geworden. Die Diskussion darüber muss man führen; das gehört zu einer lebendigen Demokratie. Wir beziehen im Landesentwicklungsprogramm dazu eine klare Position im Sinne der gleichwertigen Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Teilräumen.
Bayern ist ein Flächenstaat mit 80 % ländlichem Raum, in dem 60 % der Bevölkerung leben. Ich halte es für verhängnisvoll – das wird heute in manchen Teilen der Kommunalpolitik getan –, hier einen Gegensatz zu konstruieren. Ich glaube, es ist möglich, in unserem Land von einer Einheit aus Verdichtungsräumen und ländlichem Raum und von gegenseitigen Synergieeffekten auszugehen. Ich betone ausdrücklich: Der ländliche Raum hat keine Reservefunktion für die Verdichtungsräume; er ist vielmehr selbst funktions- und lebensfähig und hat das Recht auf eine eigenständige Entwicklung.
Ein „Neozentralismus“, wie er von Verfechtern der Verdichtungsräume befürwortet wird, wäre Gift für unser Land.
Das „Vorrangprinzip“ mindert in keinem Fall die besondere Rolle und die Chance der Verdichtungsräume, die diese bei der Entwicklung unseres Landes einnehmen. Wir haben in den vergangenen Jahren erlebt, dass manche Einrichtungen, die wir im nationalen und internationalen Wettbewerb für Bayern erkämpfen, nur dann zu schaffen sind, wenn es lebendige und dynamische Metropolregionen gibt. Das Forschungszentrum von General Electric hier in der Nähe von München war eben nur in München machbar und leider nicht irgendwo im ländlichen Raum.
Drittens. Deshalb müssen wir eine Entwicklung betreiben, in der die Metropolregionen Innovationszentren und Impulsgeber mit zentraler Bedeutung für das gesamte Land sind. Unter diesem Aspekt führen wir in das neue
LEP auch die Metropolregionen München und Nürnberg ein. Die Großräume München und Nürnberg sind herausragende Motoren des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens in Bayern. Dies bewerten wir positiv und unterstützen deren Entwicklung, insbesondere um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Allerdings steht diese Bewertung unter der Voraussetzung, dass sich die Metropolregionen in das Leitziel der gleichwertigen Lebensbedingungen einbinden und dass sie als Impulsgeber weit in den ländlichen Raum hinausstrahlen.
Der Ansatz „Metropolregionen“ bietet die Chance, eine Aufbruchstimmung zu erzeugen, die innerregionale Vernetzung und Kooperation zu stärken, und als Marketingansatz im europäischen Wettbewerb genutzt zu werden.
Wir sehen beispielsweise, dass es in ganz Mittelfranken bis hinein in die Oberpfalz und bis nach Oberfranken durch die Metropolregion Nürnberg Gott sei Dank ein neues Denken gibt. Dort jammert man trotz der Schwierigkeiten nicht mehr, sondern man nutzt die Chancen.
Das bedeutet aber nicht, meine Damen und Herren, dass hier ein Einstieg in die Verwaltungsregionen stattfi ndet oder – das betone ich ausdrücklich – ein neues Förderungsinstrumentarium mit der Anerkennung als Metropolregion verbunden wäre.
Viertens. Ich möchte nun kurz auf Einzelhandelsgroßprojekte eingehen. In den letzten Wochen konnte man manchmal den Eindruck haben, dieses Thema wäre das bedeutsamste. Ich stelle fest, dass die Regelungen für die Einzelhandelsgroßprojekte durch das neue LEP im Wesentlichen unverändert bleiben. Wir haben viele Jahre lang intensiv diskutiert. Ich möchte Ihnen nur zwei Veränderungen vorschlagen, wobei ich einräume, dass die gegenwärtige Regelung kein Musterbeispiel an Einfachheit ist. Sie ist schwierig und kompliziert, und sie ist auch bürokratisch.
Richtig! Meine Damen und Herren, wenn Sie aber nicht nur schreien, sondern auch eine Alternative vorlegen würden, könnte man darüber diskutieren.
Wir müssen zwei Anliegen unter einen Hut bringen, die nicht leicht zu vereinbaren sind, nämlich die fl ächendeckende Versorgung des Raumes und funktionsfähige Innenstädte unter besonderer Berücksichtigung des Mittelstands. Das geht nicht konfl iktfrei.
Natürlich werden wir in diesem Zusammenhang die weiteren Erfahrungen prüfen und auswerten. Ich bitte Sie aber, schon jetzt unter zwei Aspekten eine Änderung vorzunehmen. Erstens sollten wir im ländlichen Raum, in dem es in nichtzentralen Orten und Kleinzentren nachweisbar keine Grundversorgung mit Waren des täglichen Bedarfs gibt, Lebensmittelvollsortimente bis zur betriebswirtschaftlichen Mindestgröße zulassen. Zweitens wollen wir in grenznahen Gebieten zu Tschechien und Österreich unter Berücksichtigung der Genehmigungspraxis in den Nachbarstaaten zur Gewährleistung der räumlichen Wettbewerbsfähigkeit auf bayerischer Seite das Zielabweichungsverfahren fl exibel handhaben. Das heißt, unter Berücksichtigung aller Aspekte müssen Einzelentscheidungen getroffen werden. Auf diese Art und Weise soll einem erheblichen Kaufkraftabfl uss aus Bayern entgegengewirkt werden.
Lassen Sie mich noch etwas im Zusammenhang mit unserer Clusterstrategie sagen. Wir haben die Clusterstrategie am 2. Februar in München unter dem Motto „Allianz Bayern Innovativ“ vorgestellt. Sie soll insgesamt eine starke Vernetzung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft bewirken. Ich werde Gelegenheit haben, hier oder in den Ausschüssen darüber intensiv zu berichten.
Fünftens. Wir möchten die Clusterstrategie um ein Regionalmanagement ergänzen. Wir wollen Aktivitäten im Raum selbst, also eine Entwicklung von unten, unterstützen, um damit in allen Teilräumen Bayerns zu einer Stärkung der endogenen Kräfte und der örtlichen Chancen zu kommen. Wir werden noch stärker als bisher mit den Instrumenten der Landesentwicklung eine Aufbruchstimmung unterstützen. Der wesentliche Beitrag kann aus meiner Sicht über das Regionalmanagement geleistet werden.
Wir haben in der Vergangenheit über 30 Regionalmanagementinitiativen auf den unterschiedlichsten Ebenen gehabt. Sie haben dazu beigetragen, die eigenständige und nachhaltige Entwicklung der jeweiligen Regionen durch Bündelung und Vernetzung der Akteure zu stärken. Regionale und lokale Cluster und Leuchttürme sind entstanden. Wir wollen sie weiter stärken und ausbauen. Es geht darum, Erwerbsmöglichkeiten zu erhalten und neue zu schaffen und der Wirtschaft neue Impulse zu geben, zum Beispiel durch nachwachsende Rohstoffe oder erneuerbare Energien. Es geht darum, endogene Potentiale und kreative Eigeninitiative zu aktivieren und dadurch eine positive Mentalität und Aufbruchstimmung in der Bevölkerung zu schaffen. Ein wesentliches Ziel ist die koordinierte Zusammenarbeit von Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Kultur, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.
Die „Allianz Bayern Innovativ“ erhält also eine örtliche und eine regionale Komponente. Wir wollen damit dazu beitragen, dass der räumliche Wirkungskreis eines Regio
nalmanagements entweder im kommunalen Bereich, auf der Landkreisebene, in größeren Teilräumen oder auch grenzüberschreitend erfolgt.
Wir werden den Kommunen und den kommunalen Spitzenverbänden anbieten, diese zweite Säule zur Stärkung der Regionen einzurichten, und zwar auf freiwilliger Basis. Es gibt auch hier keine festen Vorgaben, keine bürokratischen Strukturen. Ich setze darauf, dass auf der Landkreisebene in besonderer Weise die Chance des Regionalmanagements wahrgenommen wird. Wir werden dazu beitragen, dass ein regionales Netzwerk von Kommunen, Wirtschaft, wissenschaftlichen Einrichtungen, Kammern und öffentlicher Verwaltung entsteht.
Die Landesentwicklung wird dazu ein Konzept erarbeiten. Wir wollen die erfolgreiche Umsetzung mit den Kommunen und kommunalen Spitzenverbänden vorantreiben. Mir schwebt eine Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden dazu vor. Es soll zu einer engen Kooperation kommen. Möglicherweise gelingt es, mit den kommunalen Spitzenverbänden einen Pakt zu schließen, damit diese Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung für die Zukunft abgesichert ist.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich lege dem Hohen Haus also die Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms vor. Es ist ein gestrafftes, unbürokratisches, klar akzentuiertes und mit Prioritäten ausgestattetes Landesentwicklungsprogramm. Es ist eine Leitlinie für die Entwicklung Bayerns mit dem Ziel, gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen im ganzen Land herzustellen, vor allem aber mit dem Ziel, den schwierigeren ländlichen Räumen eine Zukunft zu geben und dafür die Instrumente anzubieten.
Ich bin sicher, dass wir aufgrund der Erfolge der Vergangenheit mit einem aktiven Mittelstand, einer leistungsfähigen Wirtschaft, dynamischen Unternehmern, kreativen Köpfen bei Unternehmern und Arbeitnehmern und vor allem mit jungen Leuten im ganzen Land, die heute für die moderne Technologie aufgeschlossen sind, die nicht die 68er-Position vertreten, sondern leistungswillig und leistungsbereit sind, etwas zustande bringen.
Die 68er sind out. Dass es keine rot-grüne Koalition in Deutschland mehr gibt, ist das äußere Zeichen dafür.