Protokoll der Sitzung vom 08.03.2006

Wir sollten auch feststellen, dass tatsächlich Kompromisse erreicht worden sind, die in den Verhandlungen natürlich nicht überall zu vollständiger Zufriedenheit geführt haben. Aber ich bedanke mich insbesondere auch bei den Maßnahmeträgern und darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass wir im sozialpolitischen Ausschuss eine Beschlusslage haben, die diese Verhandlungsführung noch einmal ausdrücklich zum Willen dieses Hohen Hauses gemacht hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit großer Verwunderung haben wir als Sozialpolitiker und das gesamte Hohe Haus zur Kenntnis genommen, dass verschiedene Vertreter der Landkreise nunmehr plötzlich diese Vereinbarung infrage stellen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das geht so nicht. Man kann nicht eine Vereinbarung mit akzeptieren und hinterher wieder infrage stellen. Deswegen begrüßen wir es außerordentlich, dass dieses politische Signal zustande kommt.

Wichtig ist uns insbesondere ein nahtloser Übergang. Im Hinblick auf die Umsetzung zum 1. April fordern wir, eine vollständige Weiterführung ohne Probleme sicherzustellen. Eines möchte ich bei dieser Gelegenheit noch sagen: Wir wollen das politisch nicht, aber wenn es aus irgendeinem Grund nicht überall zu einer Unterzeichnung der Vereinbarung kommt und sie nicht zum 1. April in Kraft treten kann, dann muss es zu einer Verlängerung des Moratoriums kommen.

(Christa Steiger (SPD): Wie lange?)

Aber das wäre aus meiner Sicht die schlechtere und eigentlich unerträgliche Variante. Deswegen muss der 1. April das Ziel sein.

Wir stimmen dem SPD-Antrag zu, aber wir haben auf Drucksache 15/4936 einen eigenen Dringlichkeitsantrag gestellt, weil damit noch einmal an alle Beteiligten appelliert werden soll, die Vereinbarung schnellstmöglich umzusetzen, wobei möglicherweise auch Verständnisprobleme vorliegen – es gibt auch intensive Diskussionen im Landkreistag dazu – und wir von diesem Hohen Haus

noch einmal eine Bejahung der Frühförderung und eine Zustimmung dazu ausdrücklich wollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, politische Auseinandersetzungen sind dazu da, zu fruchtbaren Lösungen und zu fruchtbaren Ergebnissen zu führen. Ich denke, wir sollten klare Signale setzen, wenn es um die Förderung von Kindern mit erhöhtem Förderbedarf geht, die Nutznießer der Frühförderstellen, der Frühförderung an sich sind, und uns dafür einsetzen, dass sie eine positive Perspektive haben. Deswegen ist es notwendig, diese Vereinbarung, die einen Kompromiss von allen Seiten darstellt – das möchte ich ausdrücklich sagen – schnellstmöglich umzusetzen. Aus diesem Grunde bitten wir die Staatsregierung, dass sie nochmals in dem Sinne an den Landkreistag herantritt, dass diese Vereinbarung auch von diesem kommunalen Spitzenverband schnellstmöglich unterzeichnet wird. Ich denke, dann kommen wir endgültig auf den von uns alle gewollten positiven Weg.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Ackermann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Bedeutung der Frühförderstellen ist, den Wortbeiträgen der Kolleginnen und Kollegen nach zu schließen, in diesem Haus wohl unumstritten. Frühförderstellen helfen, Entwicklungsverzögerungen zu erkennen, sie helfen Behinderungen früh zu erkennen und die betroffenen Kinder zu fördern. Das ist Prävention, und Prävention verhindert Folgeschäden und ermöglicht eine bestmögliche Entwicklung der betroffenen Kinder.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Leider ist durch das jahrelange Verhandlungshickhack schon viel Porzellan zerschlagen worden. Bei einer Umfrage bei den Frühfördereinrichtungen wurde festgestellt, dass sich diese langwierigen und streckenweise sehr fruchtlosen Verhandlungen schon jetzt zum Nachteil der Kinder ausgewirkt haben. Bereits bei 80 % der Frühförderstellen musste ein Mitarbeiter mehr Kinder betreuen als nach altem Stand. Die Vor- und Nachbereitung und der fallbezogene Austausch haben stark abgenommen. Zugenommen haben dafür der Verwaltungsaufwand und der Schriftverkehr. Das alles ist nicht im Sinne der zu fördernden Kinder.

Nun wurde, in der Hoffnung auf einen Abschluss der Rahmenbedingungen zum 1. April – um ein Desaster zu verhindern –, ein Moratorium eingeführt, das auf Vereinbarungen von 1983 basiert, was natürlich auch nicht sehr förderlich ist, weil dadurch die Mittel begrenzt sind. Im Februar schien es, als sei alles unter Dach und Fach. Dem ist aber offensichtlich nicht ganz so. Jetzt tauchen plötzlich Probleme auf. Der Landkreistag hat große Bedenken.

Die Frage erhebt sich natürlich schon: Warum fällt es dem Landkreistag jetzt ein? Wo war er während der Verhandlungen? Hat er nicht zugehört? Wollte er nicht verstehen, worum es geht?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist nicht sehr gentlemanlike, wenn man jetzt Bedenken äußert und vorher in den Verhandlungen geschwiegen hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Probleme kommen daher, dass die sonderpädagogischen Erziehungshilfen teilweise vom Kultusministerium, teilweise von den Trägern gestellt werden. Daher rühren unterschiedliche Bezuschussungen und Entgeltverzerrungen. Das heißt, es wäre dringend an der Zeit, dass auch das Kultusministerium sich Gedanken darüber macht, wie es verhindern kann, dass es in diesem Punkt zu Komplikationen kommt. Das Kultusministerium ist gefordert, sich auf eine Vereinbarung einzulassen, der zufolge die Bezuschussung gleichmäßig erfolgen kann.

Möglicherweise wäre es ein Weg, Ausgleichszahlungen an die betroffenen Kommunen zu leisten. Die Kommunen pochen natürlich auf ihr Recht, gleichbehandelt zu werden. Vor dem Hintergrund der kommunalen Finanzknappheit ist es zu einem gewissen Grade auch verständlich, dass sie das tun. Das heißt also: Es muss noch einmal insofern verhandelt werden, als eine gleichmäßige Bezuschussung der sonderpädagogischen Unterrichtshilfen ausgehandelt wird. Soweit ich weiß, sollen auch Vorschläge dazu auf den Tisch gelegt werden. Man sollte sich hierbei so schnell wie möglich einigen.

Wenn das Moratorium, das jetzt gilt, noch einmal verlängert wird, besteht die Gefahr, dass es bis zum nächsten Schuljahr verlängert wird. Wenn das eintrifft, sehe ich eine weitere Gefahr: dass man nämlich schlauerweise sagt: Dann verlängern wir es gleich noch, bis die Bezirke ganz zuständig sind. Das alles bedeutet ein Einfrieren der Mittel auf dem jetzigen Stand, und das alles wirkt sich zuungunsten der Kinder aus. Das Zaudern, das Hin- und Herschieben geschieht auf dem Rücken der Träger, auf dem Rücken der Beschäftigten und auf dem Rücken der Kinder.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber es gibt noch eine weitere Gefahr, dass nämlich das fragile Gebäude des jetzt ausgehandelten Kompromisses ganz einzustürzen droht, weil auch die Krankenkassen bereits signalisiert haben, dass sie, wenn die Rahmenvereinbarung nicht zustande kommt, auch gewisse Bedenken haben, ob sie bei diesem Kompromiss bleiben können. Das darf nicht passieren, das dürfen wir nicht riskieren.

Es kann nicht sein, dass gerade die notwendige Frühförderung und Prävention durch endlose Verhandlungen und durch notorische Nicht-Zuständigkeit verschleppt wird. Ich habe die Hoffnung, dass eine Einigung – vielleicht über einen Ausgleich – zustande kommt, noch bevor das Moratorium ausgelaufen ist. Sollte dies nicht gelingen, muss natürlich das Moratorium verlängert werden. Ich halte das aber für eine extrem unbefriedigende und schlechte Lösung.

Von daher glaube ich, dass heute ein Signal aus dem Landtag hilfreich ist, noch einmal an Kultusministerium

und Landkreistag zu appellieren: Beenden Sie dieses unwürdige Schauspiel zulasten der Kinder, die dringend auf Förderung angewiesen sind!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Staatsministerin, möchten Sie gleich antworten? Kollegin Steiger hatte sich noch gemeldet. – Ich wollte Sie nur fragen. Bitte, Frau Steiger.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Unterländer hat mich leider noch einmal herausgefordert. Ich hatte gedacht, er lässt das mit den Seitenhieben auf den Bund, weil die Situation, die wir bzw. die Beteiligten zu lösen haben, Herr Kollege Unterländer, hier zu lösen ist, und man kann nicht immer alles auf den Bund schieben.

Da muss ich eben auch sagen: Die Rechtsauffassung in diesem Bereich, was die Komplexleistung Frühforderung anbelangt, war damals im Bayerischen Sozialministerium eine recht eigenartige, und die anderen Bundesländer sind ja davon auch wieder abgerückt.

Aber ich möchte noch einmal unterstreichen, was ich vorhin nicht angesprochen hatte: Strittig ist nach wie vor bei diesem Kompromiss die Rolle des Kultusministeriums. Sie ist auch trotz des Ergebnisses, dass dieser Kompromiss zustande kam, noch strittig gewesen.

Kolleginnen und Kollegen, es kann nicht sein, dass bei dieser wichtigen Angelegenheit, wie es die Frühförderung ist, was auch ein landespolitisches Schwerpunktthema ist, das Kultusministerium hier nicht anwesend ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich muss das anmahnen, denn wenn wir hier einen Kompromiss vorliegen haben, bei dem die Rolle des Kultusministeriums noch nicht geregelt ist und das Kultusministerium heute nicht vertreten ist, obwohl es zwei Anträge von uns gibt – –

(Zuruf des Abgeordneten Joachim Unterländer (CSU))

Die politische Entscheidung ist es, Herr Unterländer, nicht die Verwaltungsebene. Es geht um die politische Entscheidung. Das Signal muss von der politischen Ebene des Kultusministeriums kommen.

Kolleginnen und Kollegen, wir als SPD-Fraktion erwarten schlichtweg, dass uns bis 01.04. eine Lösung präsentiert und eine Lösung aufgezeigt wird, die der Frühförderung, den Betroffenen und allen Beteiligten gerecht wird.

(Beifall bei der SPD)

Nun Frau Staatsministerin, bitte.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ad eins möchte ich doch durchaus sagen, dass die Probleme, die wir im Rahmen der Frühförderung haben, und zwar jetzt insgesamt seit gut fünf Jahren, auf das mangelhafte SGB IX der rot-grünen Bundesregierung zurückzuführen sind,

(Zuruf der Abgeordneten Christa Steiger (SPD))

ob Sie es hören wollen oder nicht.

Wenn man sich anschaut, wie viele Länder überhaupt eine Rahmenvereinbarung für die interdisziplinäre Frühförderung auf den Weg gebracht haben, dann wissen Sie ganz genau, dass es sehr wenige sind. Wenn ich mir dann noch die Qualität der Rahmenvereinbarungen anschaue,

(Zuruf der Abgeordneten Christa Steiger (SPD))

kann ich Ihnen nur sagen, Frau Kollegin Steiger: Die Qualität der bayerischen Rahmenvereinbarung zur interdisziplinären Frühförderung ist mit Sicherheit die beste.

Jetzt komme ich zu den Problemen, die wir mit der Rahmenvereinbarung haben. Sie wissen selbst sehr genau, dass ich mich immer wieder sehr intensiv in die unterschiedlichsten Entscheidungsprozesse eingeschaltet habe, damit wir überhaupt so weit kommen konnten.

Nun gar gibt es ein Problem, das weder im Kultusministerium noch im Sozialministerium liegt, sondern zwischen den Sozialhilfeträgern und den Fachstellen für Frühförderung.

(Christa Steiger (SPD): Das wissen wir!)

Nein, ich glaube nicht, dass Sie es wissen; Sie haben es völlig anders dargestellt. Sie sollten sich entsprechend vorher informieren.

(Christa Steiger (SPD): Ich sage nachher noch etwas! Sie haben sich schlecht informiert!)

Es geht um die mobilen sonderpädagogischen Hilfen. – Hören Sie ruhig zu! – Da haben die Fachstellen mit den Sozialhilfeträgern Pauschalen für die Behandlungseinheiten ausgemacht. Diese Pauschalen betragen 43 Euro.