Protokoll der Sitzung vom 08.03.2006

Ich darf an drei knappen, präzisen Beispielen darstellen, wie dies jetzt abläuft. Ich darf aber auch dokumentieren, welche weiteren Initiativen wir in dieser Richtung ergreifen wollen.

Was machen wir bisher? Erstens. Frau Kollegin Dr. Merk hat eben schon darauf hingewiesen, dass bereits seit 1999 die Vollstreckungsbehörde die für den Sitz der Justizvollzugsanstalt zuständige Polizeidirektion drei Monate vor der Entlassung hoch gefährlicher Straftäter entsprechend benachrichtigt. Der hiervon betroffene Personenkreis sind Straftäter, die eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren wegen Straftaten gegen das Leben oder wegen Sexualstraftaten vollständig verbüßt haben und bei denen von einem erhöhten Rückfallrisiko auszugehen

ist. Damit wird auch für die Polizei die Möglichkeit geschaffen, präventiv tätig zu werden und entsprechende Maßnahmen einzuleiten, um weitere Straftaten zu verhindern.

Eine zweite Maßnahme, auf die ich an dieser Stelle hinweisen darf, ist die elektronische Übermittlung von Haftentlassungsadressen durch die JVA und durch das Landeskriminalamt zur Erfassung in der INPOL-Haftdatei, damit auch dort diese Daten fest gehalten werden und die Polizei hierdurch gezielt nach entlassenen Sexualstraftätern recherchieren kann.

Folgende dritte Maßnahme halte ich für überaus bedeutsam, weil wir sie in Bayern im Gegensatz zu den anderen Ländern schon seit vielen Jahren durchführen: In Bayern wird durch das Landeskriminalamt bei jedem Zuzug ein automatisierter, praktisch täglicher Abgleich der Meldedaten mit dem Kriminalaktennachweis durchgeführt. Ich halte dies für überaus wichtig, weil damit alle diese Täter sofort registriert sind und dokumentiert werden können. Im Trefferfall wird die örtliche Dienststelle der Polizei über den Zugang von Tatverdächtigen informiert. Jede Anmeldung wird von Meldebehörden nach der Bayerischen Meldedatenübertragungsverordnung dem Landeskriminalamt mitgeteilt, das den Datenabgleich durchführt. Das heißt, wir haben hier einen unmittelbaren Datenabgleich zwischen dem Landeskriminalamt auf der einen Seite und den Einwohnermeldedateien auf der anderen Seite. Ebenso wird in Bayern bei jedem Zuzug ein Abgleich mit dem Fahndungsbestand durchgeführt, um fl üchtiger Straftäter habhaft zu werden.

Reichen diese Maßnahmen bereits aus? Oder worin besteht die Problematik, die wir noch zu lösen haben?

Ein Datenabgleich ist nur mit einer Straftat möglich, die im Bayerischen Landes-KAN, also im Kriminalaktennachweis, erfasst ist oder in den Bundes-KAN, den Bundeskriminalaktennachweis, eingestellt worden ist. Werden Straftaten von außerbayerischen Polizeidienststellen nicht in den Bundes-KAN eingestellt, kann bei einem Abgleich kein Treffer erfolgen. Das ist eine gewisse Problematik und eine Schwachstelle. Wir haben insbesondere auch dann eine Problemsituation, wenn sich jemand unter falschen Daten anmeldet oder wenn eine Anmeldung überhaupt nicht erfolgt, weil dann der Datenabgleich selbstverständlich ins Leere geht. Ein Problem ist auch, dass wir bei Auslandsstraftaten diesen Abgleich nicht vornehmen können. Dieses Problem hatten wir übrigens schon einmal auf internationaler Ebene, nämlich zwischen Belgien und Frankreich im Bereich der Sexualstraftaten, wo solche Abgleiche nicht erfolgen konnten.

Deswegen muss unser Ziel ein europaweiter Abgleich und ein europaweites Strafregister sein, um diesen Abgleich miteinander bewerkstelligen zu können. Ferner brauchen wir ein zusätzliches Konzept in Bayern, das derzeit erarbeitet wird. Wir sind mit diesem Konzept im Wesentlichen fertig. Dieses Konzept befi ndet sich in der Endabstimmung mit der Justiz und mit dem Arbeits- und Sozialministerium. Auch den Datenschutzbeauftragten werden wir entsprechend informieren. Ich darf dabei an

dieser Stelle vorwegschicken, dass nicht nur Opferschutz vor Täterschutz geht, sondern dass dann auch Fragen des Datenschutzes zurückgestellt werden müssen, wenn es bei Sexualstraftaten um den Schutz von Opfern geht. Damit wir da eine klare Linie haben.

(Beifall bei der CSU)

Dieses neue System heißt „HEADS“, Haftentlassungsauskunftsdatei Sexualstraftäter. Damit wollen wir die Straftäter gleichermaßen an die Hand nehmen und sie begleiten, sie lokalisieren, Informationen entsprechend bewerten, Überwachungsstrategien konzipieren, Maßnahmen koordinieren und dokumentieren, um weitere Straftaten zu verhindern. Dies ist keine Theorie. Wie ich vorhin schon erwähnt habe, hatten wir in Oberfranken einen solchen konkreten Fall: Es wird ein Sexualstraftäter entlassen, der seine Strafe abgesessen hat, bei dem aber nicht auszuschließen ist, dass er sein Opfer noch einmal attackieren wird; eine nachträgliche Sicherungsverwahrung ist momentan aber nicht möglich. Daher müssen wir bereit sein, neue Konzepte zu entwickeln und andere Rechtsgüter zurückzustellen, wie zum Beispiel den Datenschutz. Da können wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und sagen, da gehe der Datenschutz vor, deswegen nehme man das eine oder andere Opfer in Kauf. Das werden wir nicht zulassen und nicht dulden.

(Beifall bei der CSU)

Wenn dieses neue Instrumentarium, das zusammen mit dem Polizeipräsidium in München, mit weiteren Polizeipräsidien, mit dem Landeskriminalamt und der Justiz erarbeitet wurde, abgestimmt ist, werden wir mit aller Konsequenz vorgehen. Ich glaube, das ist eine gute Möglichkeit, in dieser schwierigen Situation diese Straftäter in besonderer Weise zu begleiten, ohne sie sich selbst zu überlassen, sondern alles zu tun, neuen Sexualstraftaten vorzubeugen.

Ich habe eben auch deutlich gemacht, dass wir dieses Thema auch auf Bundesebene miteinander diskutieren müssen, weil wir nur dann eine Lösung fi nden. Deswegen werden wir dieses Thema auch in die IMK einbringen; die nächste Sitzung des Arbeitskreises II wird demnächst stattfi nden. Dieses Thema darf nicht nur ein Thema Bayerns sein, sondern muss in ganz Deutschland thematisiert werden, um solche Sexualstraftäter an die Hand zu nehmen und sie ständig unter Kontrolle zu haben, damit keine weiteren Straftaten geschehen können.

(Beifall bei der CSU)

Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion auf Drucksache 15/4904 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CSU-Fraktion. Gegenstimmen? – Das sind die Mitglieder der SPDFraktion und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Antrag angenommen.

Wer dem Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 15/4935 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und – in ihrer Mehrheit jedenfalls – die CSUFraktion. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Antrag angenommen.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Joachim Wahnschaffe, Kathrin Sonnenholzner u. a. u. Frakt. (SPD) Qualität der Frühförderung in Bayern erhalten; die Landesrahmenvereinbarung zur Komplexleistung endlich zum Abschluss bringen (Drs. 15/4905)

Dringlichkeitsantrag der Abg. Joachim Herrmann, Renate Dodell, Joachim Unterländer u. a. u. Frakt. (CSU) Unverzügliche Umsetzung der Entgelt- und Rahmenleistungsvereinbarung (Drs. 15/4936)

Ich eröffne die Aussprache. Erste Wortmeldung: Frau Kollegin Steiger.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir alle in diesem Hause haben hörbar aufgeatmet, als Entwarnung gegeben wurde und es hieß, es gibt eine Einigung zur Rahmenvereinbarung für die Frühförderung. Wir haben aufgeatmet, denn wir haben seit Jahren die unsägliche Situation, dass wir für die Frühförderung keine Rahmenvereinbarung haben. In diesem Hause gab es Anträge, Dringlichkeitsanträge, Anfragen, Initiativen aller Fraktionen noch und noch. Erst im vergangenen November lagen Anträge der CSU-Fraktion und von unserer Fraktion zu diesem Thema vor. Im Sozialministerium fand ein Treffen der Verhandlungspartner statt, und im Verlauf dieses Treffens hat sich dann herausgestellt, dass ein Abschluss kurz bevorsteht. Wir haben deshalb in unserem Antrag das Sozialministerium aufgefordert, im Rahmen seiner Möglichkeiten auf einen vernünftigen Abschluss hinzuwirken.

Anfang Februar kam dann die Entwarnung. Wie gesagt, das ganze Hohe Haus war darüber sehr froh. Es gab eine Zustimmung der Verhandlungsführer zu der Landesrahmenvereinbarung. Diese war von den einzelnen Leistungserbringern und den Trägern der Einrichtungen, also auf der kommunalen Ebene und der Ebene der Krankenkassen, ausgehandelt worden. Es war ein Kompromiss, der den Verhandlungsführern mehr oder weniger leicht gefallen ist. Dieser Kompromiss wurde aber letzten Endes akzeptiert, um endlich einen Abschluss zu erhalten, damit die Unsicherheit der Eltern und der Träger bei der Frühförderung endlich beendet wird. Diese Rahmenvereinbarung ist gestaffelt, damit es in drei Jahren eine bayernweit gleiche Pauschale gibt. In einer Pressemitteilung hat der Landkreistag das Ergebnis begrüßt. Es war nicht zuletzt auch der Landkreistag, der diese Pauschale haben wollte. Jetzt aber hat das Präsidium des Landkreistages die Zustimmung zurückgezogen. Das Präsidium will der Rahmenvereinbarung, dem Kompromiss, nicht zustimmen und stattdessen eine Abfrage bei allen Landkreisen

starten. Erst anschließend will das Präsidium entscheiden, ob es zustimmt oder nicht. Nach meinen Informationen ist die nächste Sitzung des Präsidiums Mitte März, also voraussichtlich in der nächsten Woche. Nun besteht natürlich die Gefahr, dass, wenn eine Organisation, eine kommunale Gebietskörperschaft, den Kompromiss in Frage stellt, alle anfangen, neu nachzudenken, und dass das Fass dann neu aufgemacht wird. Dann stehen wir wieder vor der misslichen Situation, von der wir alle dachten, sie sei endlich überwunden.

Kolleginnen und Kollegen, wir alle sind überzeugt, dass die Frühförderung von behinderten Kindern und von Kindern, die von Behinderung bedroht sind, dringend notwendig und wichtig ist.

(Beifall bei der SPD)

Wir alle in diesem Hohen Haus sind der Überzeugung, davon gehe ich aus, dass wir in Bayern eine hervorragende Grundlage für die Frühförderung haben.

(Engelbert Kupka (CSU): Da stimme ich zu!)

Dieses System der Frühförderung darf nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass der Kompromiss immer wieder hinausgezögert wird.

(Beifall bei der SPD)

Die Unsicherheit bei den Eltern und bei den Trägern ist riesig. Das aber geht zu Lasten der Kinder. Wir fordern in unserem Antrag die Staatsregierung auf, dass vor allem das Sozialministerium seine sozialpolitische Verantwortung wahrnimmt und auf den Landkreistag einwirkt. Ich weiß, dass vor allem das Sozialministerium sehr viel für das Zustandekommen dieses Kompromisses getan hat. Es hat moderiert, das stelle ich überhaupt nicht in Frage. Wir alle wissen auch, dass weder das Ministerium noch der Landtag die kommunalen Gebietskörperschaften und damit die Beteiligten bzw. die Verhandlungsführer zwingen kann, das zu tun, was wir wollen. Mit dem Antrag soll aber noch einmal ein deutliches Signal an das Sozialministerium gegeben werden, damit dieses auf die Betroffenen leichter einwirken kann. Außerdem soll von diesem Hause ein Signal an die Verhandlungsführer gegeben werden, vor allem an das Präsidium des Landkreistages, den Rahmenbedingungen zuzustimmen und das unwürdige Schauspiel zu beenden.

Ich bitte darum, dass das gesamte Hohe Haus unserem Antrag zustimmt. Wir werden dem nachgezogenen Antrag der CSU-Fraktion zustimmen. Auf diese Weise können wir ein einheitliches Signal geben und deutlich machen, was wir wollen, dass nämlich die Kinder, die die Förderung dringend brauchen, diese Förderung endlich erhalten und es zu Rechtssicherheit kommt.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Unterländer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frühförderung im Freistaat Bayern ist bundesweit nahezu einmalig. Die Zahl der Kinder mit erhöhtem Förderbedarf – das muss man bei dieser Gelegenheit auch feststellen – nimmt ständig zu. Deshalb ist hier besonderer Handlungsbedarf gegeben. Die Frühförderung ist ein unverzichtbarer Bestandteil des bayerischen Konzepts zur Förderung von Kindern, die erhöhten Förderbedarf haben.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich den Einrichtungen danken, die als Träger ein fl ächendeckendes Netz geknüpft haben, und ich möchte auch dem Sozialministerium und dem Kultusministerium danken, dass wir in den letzten Jahren diese vorbildliche Förderung aufgebaut haben.

Die Beurteilung von Kindern, bei denen wir einen erhöhten Förderbedarf haben, muss vorsichtig und differenziert vorgenommen werden. Auch dieser Aspekt muss bei den Verhandlungen zur Entgelt- und Rahmenleistungsvereinbarung eine wichtige Rolle spielen. Es ist ein besonderer Bedarf vorhanden. Der Schwerpunkt der Probleme scheint mir in der Frage zu liegen, wie die mobilen sonderpädagogischen Hilfen zu behandeln sind. Die mobilen sonderpädagogischen Dienste sind nämlich in einer Stellenzahl und nicht in einer Entgeltvereinbarung festgelegt. Deshalb ist der eigentliche Adressat dieses Themas im Grunde nicht das Sozialministerium, sondern das Kultusministerium.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist nicht zu leugnen – und das allein trennt uns, das zeigen die bisherigen Diskussionen –, dass es das SGB IX war, das dazu geführt hat, dass sich Kostenträger über ihren künftigen Finanzierungsanteil heftig gestritten und sich zunächst in vornehmer Zurückhaltung geübt haben. Das hat auch zu den Problemen bei der zuvor kontinuierlich geleisteten Arbeit geführt. Bei dieser Gelegenheit möchte ich Staatsministerin Christa Stewens und dem Sozialministerium danken, dass es in der Streitphase zunächst einmal zu dem Moratorium gekommen ist. Die Kostenträger waren sich nicht einig, doch sie wollten das nicht auf dem Rücken der betroffenen Familien und Kinder austragen. Dafür also ein herzliches Dankeschön.

(Beifall bei der CSU)

Nach den schwierigen Verhandlungen ist es mit Hilfe der Moderation von Frau Staatsministerin Stewens gelungen, nach hartem Ringen einen Kompromiss zu erreichen.

Frau Kollegin Steiger, ich unterstreiche nachdrücklich, was Sie gesagt haben, dass nämlich das Sozialministerium und die politische Spitze an sich gar keine Möglichkeiten haben,

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Man kann sich nicht mit fremden Federn schmücken und dann keine Verantwortung übernehmen wollen! Wenn schon, denn schon!)

lassen Sie mich ausreden, Herr Kollege Wahnschaffe, – verbindlich Entscheidungen zu treffen. Vielmehr muss man verhandeln und moderieren.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Die Staatsregierung mischt sich in so viele Dinge ein, da kann sie sich auch da einmischen!)

Das hat die Ministerin vorbildlich getan. Deswegen war das Anmahnen absolut unnötig, und deswegen braucht man auch nicht an die politische Verantwortung zu appellieren.

(Zurufe von der SPD: Doch! – Joachim Wahn- schaffe (SPD): An die politische Vernunft!)

Denn die politische Verantwortung ist durch das Haus wirklich offensiv und positiv wahrgenommen worden.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Wir müssen transparent machen, wer die Verantwortung trägt!)

Das darf ich bei dieser Gelegenheit nochmals ausdrücklich feststellen.

Wir sollten auch feststellen, dass tatsächlich Kompromisse erreicht worden sind, die in den Verhandlungen natürlich nicht überall zu vollständiger Zufriedenheit geführt haben. Aber ich bedanke mich insbesondere auch bei den Maßnahmeträgern und darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass wir im sozialpolitischen Ausschuss eine Beschlusslage haben, die diese Verhandlungsführung noch einmal ausdrücklich zum Willen dieses Hohen Hauses gemacht hat.