Protokoll der Sitzung vom 25.04.2006

Noch ein Letztes: Kann mit dieser Erlaubnis das wirtschaftliche Überleben der Tankstellen im Grenzbereich erleichtert werden? – Ich sage Ihnen: Das kann es nicht, und zwar deshalb nicht, weil die Differenz der Benzinpreise so groß ist, dass eine marginale Mehrbeschäftigung in einem bestimmten Sektor keine wirtschaftliche Sicherheit bringt. An dieser Stelle möchte ich aber noch etwas anfügen. Die Lage ist für alle Tankstellen im Grenzbereich sehr, sehr schwierig, und viele müssen aufgeben, weil der Wettbewerb von der anderen Seite einfach durchschlägt.

Aber, Herr Kobler, Sie kennen Passau – ich kenne Passau. Meine Schwester sagte kürzlich zu mir: Du glaubst es nicht, am Freitag und am Samstag ist ganz Passau voller Österreicher, die hierher zum Einkaufen kommen. – Ich habe darauf gesagt: Wieso kommen denn hierher die Österreicher, bei denen ist doch alles billiger? – Ich musste mich aber belehren lassen: Österreicher kaufen liebend gern auf der anderen Seite der Grenze ein.

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Kobler (CSU))

Nein, nein. Ich habe mich beim Einzelhandelsverband erkundigt. Mir wurde bestätigt, dass Passau als Einkaufsort von den Österreichern, weil es so nahe an der Grenze liegt, sehr geschätzt wird. Die offene Grenze bewirkt also für manche gewerblichen Bereiche Schaden, für andere aber auch Nutzen. Mir war es wichtig, dies anzusprechen, damit die Verzerrung, die Sie hier gezeichnet haben, nicht bestehen bleibt.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Ich fasse zusammen: Wir sehen in dieser Freigabe in der Tat ein grundsätzliches Problem. Zu diesem grundsätzlichen Problem haben wir von der SPD entschieden, dass es erstens keine hinreichende Begründung für die Freigabe gibt. Zweitens glauben wir auch nicht daran, dass

hiermit ein spürbarer Beitrag zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage geleistet werden kann.

(Alexander König (CSU): Deutschland kommt nicht voran, weil wir über solch einen Unsinn diskutieren!)

Außerdem sind wir drittens der Meinung, dass es gut ist, wenn Bundeswirtschaftminister Glos das Stiftungsmodell, das der frühere Bundeswirtschaftsminister Clement entwickelt hat, weiterverfolgt, damit eine Lösung gegen den Tanktourismus gefunden werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Ich darf zwischendurch die Kolleginnen und Kollegen von der CSU – Herr Kreuzer, Frau Hohlmeier – darauf hinweisen, dass die Hintergrundgespräche in der Regel in den Wandelgängen des Parlaments geführt werden. Das ist nur fünf Meter weiter. – Danke schön.

Als Nächsten rufe ich Herrn Kollegen Dr. Magerl auf. Bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die Debatte um dieses Thema so ansieht, könnte man meinen, es handele sich um den wichtigsten Gesetzentwurf dieser Legislaturperiode: Zunächst ein Bericht der Staatsregierung im Wirtschaftsausschuss mit hitziger Debatte und heftigen Kontroversen, dann die Erste Lesung hier im Plenum, anschließend wieder heftige Debatte in den Ausschüssen, und jetzt die Zweite Lesung. Das ist aus unserer Sicht aber mitnichten der wichtigste Gesetzentwurf dieser Legislaturperiode. Mitnichten!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es handelt sich um eine Petitesse, um nichts anderes. Wenn Sie dem Gesetzentwurf heute zustimmen, werden Sie die Tankstellen im Grenzland nicht retten. Wenn ich mir allein die Begründung anschaue – Belastungen der Branche durch Ökosteuer, Dosenpfand sowie weitaus günstigere Bedingungen in den Nachbarländern Österreich und Tschechien und dann natürlich auch die Waschstraßen –, muss ich sagen: Das sind Winkelzüge, um eine Benachteiligung zu begründen. Dass Leute beispielsweise nach Tschechien zum Tanken fahren, hat nicht nur damit zu tun, dass dort der Sprit ein bisschen billiger ist, sondern auch damit, dass es dort auch andere Dienstleistungen günstiger gibt, z. B. Essen, man kann auf AsiaMärkten einkaufen, wo es illegale Waren gibt, und und und – –

(Alexander König (CSU): Waschanlagen!)

Viele Waschanlagen für die Waschfetischisten. Das sind die Gründe. Aber damit, dass Waschanlagen am Sonntagnachmittag geöffnet werden, werden Sie das Gewerbe im Grenzland und anderswo auch nicht retten. Das ist

keine taugliche Lösung für die Tankstellen im Grenzlandbereich.

Wir werden diesen Gesetzentwurf mehrheitlich ablehnen. Ursprünglich hat es einmal geheißen, es gehe nur darum, die Chipmarken auszugeben. Es gibt auch Waschanlagen, die nicht an Tankstellen angegliedert sind, dort wirft man Euromünzen ein. Damit könnte man vielleicht noch leben. Aber es geht klar und deutlich – und das ist auch in der Begründung ausgeführt – darum, die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zu erlauben. Das ist der Punkt, an dem ich sage: Das passt uns nicht, und deswegen werden wir ablehnen. Man kann aus Arbeitnehmersicht verstehen, dass Sonn- und Feiertagsarbeit nicht unbedingt gewünscht ist. Man kann es auch unter dem Gesichtspunkt des Sonntagschutzes sehen. Insofern passt dieser Gesetzentwurf natürlich hervorragend zu der vorherigen Debatte, bei der Sie sich als Hüter des Glaubens aufgespielt haben. Jetzt weichen Sie den Sonntagsschutz in einem weiteren Punkt auf. Was Sie machen, hat eine gewisse Tendenz: Sie wollen letztendlich die Sonn- und Feiertage mehr oder weniger ganz freigeben. Das ist Ihre Zielrichtung, und da spielen wir nicht mit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als Nächster hat Herr Innenminister Dr. Beckstein das Wort.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Waschen wir jetzt Auto, oder waschen wir nicht?)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will gleich als Erstes in Erwiderung auf Herrn Kollegen Magerl sagen: Es geht nicht um eine prinzipielle Tendenz zur Freigabe des Sonntags für weitere Tätigkeiten, sondern um eine punktuelle Lösung, die ihre Ursache darin hat, dass wir eine Existenzbedrohung für bayerische Tankstellenbetriebe im grenznahen Bereich gesehen haben. Daraus ist eine intensive Diskussion entstanden, die in der Tat zwei Prinzipien hat, die gegeneinander stehen. Das eine ist der wichtige Schutz des Sonntags, und das andere ist der Schutz für Existenzen im grenznahen Bereich.

Ich weise darauf hin, dass wir die Diskussion dadurch bekommen haben, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof vor einigen Jahren seine Rechtsprechung sehr viel stärker präzisiert hat. Vor 15 Jahren war es selbstverständlich, dass man neben der Tankstelle die Waschstraße benutzt hat. Erst durch eine neuere Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ist diese Präzision in die andere Richtung eingeführt worden. Der Verwaltungsgerichtshof hat gesagt, dass man zwischen verschiedenen Tätigkeiten an einer Tankstelle unterscheiden muss und dass der Betrieb der Waschstraßen nicht automatisch mit der Erlaubnis des Tankens am Sonntag genehmigt ist.

Worum geht es? – Es geht darum, durch eine Änderung des Feiertagsgesetzes in ganz Bayern die Möglichkeit zu schaffen, an Sonn- und Feiertagen mit Ausnahme bestimmter hoher Feiertage – Ostern und Pfi ngstsonntag

ab 12 Uhr den Betrieb in Autowaschanlagen zuzulassen. Die Entscheidung, ob von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, soll auf die Gemeinden übertragen werden. Es stimmt, Frau Kollegin Kronawitter, dass nicht alle Gemeinden darüber glücklich sind. Aber auf der anderen Seite halte ich es gerade als Kommunalminister für sachgerecht, dass diese Entscheidung nicht landeseinheitlich getroffen wird. Ich halte es für nahe liegend, dass eine Gemeinde direkt an der Grenze zur Tschechischen oder Österreichischen Republik das anders entscheidet als beispielsweise eine Gemeinde wie Altötting, die am Sonntag in ganz anderer Weise geprägt ist, oder auch Orte wie Staffelstein und andere. Deswegen ist es vernünftig, dass das auf der kommunalen Ebene entschieden wird.

Gleichzeitig soll die Bedürfnisgewerbeverordnung dahin gehend geändert werden, dass die Sonntagsbeschäftigung von Arbeitnehmern in Autowaschanlagen zugelassen wird, soweit deren Betrieb feiertagsrechtlich zugelassen wird. Wir haben also diese Möglichkeiten für Städte und Gemeinden. Das wird Diskussionen vor Ort geben. Das wird auch zu unterschiedlichen Verfahrensweisen führen, und ich füge hinzu: Es ist niemand dazu gezwungen, dass er am Sonntag von der Autowaschanlage Gebrauch macht. Ich betone, dass wir als eine freie Gesellschaft nicht alles, was der Staat nicht mit Verboten belegt, wahrnehmen müssen, sondern dass man so etwas auch von den Inhalten her beurteilt.

Ich gestehe, dass ich am letzten Sonntag, als ich keinen Fahrer zur Verfügung hatte, mit dem Opel Corsa meines Sohnes zur Tankstelle gefahren bin und völlig überrascht war, dass die Autowaschanlage offen war. Als ich fragte, ob das zulässig ist, wurde mir gesagt: Wir machen es, weil die Kunden es wollen.

(Heiterkeit bei der CSU)

Die haben mich nicht gekannt. Dann habe ich gefragt: Dürfen Sie das? Die Antwort war: Was die Kunden wollen, ist unser oberstes Gebot.

Während dieser Diskussion ist der Inhaber gekommen, der mich erkannt hat und auf meine Frage, warum geöffnet ist, rumgeeiert hat. Als ich ihm sagte, dass es ab 1. Juni wohl erlaubt werden wird, wenn es von der Stadt genehmigt wird, hat er gesagt: Sehen Sie, wie vernünftig und fortschrittlich wir sind, dass wir das schon im Voraus haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der CSU)

Meine lieben Kollegen, das Gesetz soll am 1. Juni in Kraft treten. Mir ist aber wichtig – und das ist ehrlich gesagt der Hauptgrund, warum ich unbedingt selber reden wollte –, in aller Förmlichkeit für die Staatsregierung Folgendes festzustellen: Für die Staatsregierung hat der Schutz der Sonn- und Feiertage unverändert einen hohen Stellenwert. Dieses Gesetz darf nicht so verstanden werden, dass wir jetzt auf einer schiefen Ebene sind, wo alles mögliche Weitere aufgenommen wird.

Ich sage das auch aus der internen Willensbildung des Innenministeriums heraus. Ein Mitarbeiter hat gesagt: Wenn wir Autowaschautomaten zulassen, müssen wir aus Gründen der Gleichbehandlung unter Umständen auch weitere Automaten zulassen. Trotzdem hat die Staatsregierung bewusst nicht eine weitere Öffnung in den Gesetzentwurf aufgenommen, weil wir eben nur punktuell eine ganz ausnahmsweise Regelung haben wollten im Zusammenhang mit der existenzbedrohenden Situation im grenznahen Bereich, zu der Kollege Kobler als Hauptredner schon Stellung genommen hat.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Der muss jetzt jeden Sonntag waschen!)

Deswegen möchte ich eindeutig feststellen: Es ist eine punktuelle Regelung. Am generellen Schutz des Sonn- und Feiertags darf sich nichts ändern.

Als Begründung will ich dafür ausdrücklich geben, dass gerade in einer hektischen Zeit, in einer schwierigen Zeit die Menschen einen Tag in der Woche brauchen, an dem sie vom normalen Werktagbetrieb Abstand gewinnen können. Die Einwendungen weiter Kreise, insbesondere der Kirchen, gegen die Zulassung der Sonntagsöffnung im Hinblick auf die Gefahr von Anschlussforderungen anderer Wirtschaftszweige sind gut und hilfreich. Deswegen sage ich ausdrücklich: Wir wollen mit der Gesetzesänderung lediglich konkrete Hilfe für viele kleine mittelständische Betriebe insbesondere im grenznahen Bereich leisten, für Betriebe, die gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten mit schwersten Wettbewerbsnachteilen zu kämpfen haben und in ihrer Existenz bedroht sind.

Das darf aber nicht als Signal missverstanden werden, dass in Bayern nun der Sonn- und Feiertagsschutz auch in anderen Bereichen aufgeweicht wird. Deswegen gibt es auch nicht den leisesten Widerspruch zwischen dem besseren Schutz religiöser Überzeugungen, der Gegenstand der Aktuellen Stunde war, und der Beratung dieses Antrags. Es geht hier um Grenzziehungen, deren Notwendigkeit im Leben immer wieder auftaucht und die sich jetzt in einer anderen Weise dargestellt haben.

Darum bitte ich um punktuelle Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. Er ist ein mühsamer Kompromiss, aber soll eben von allen Beteiligten als Kompromiss Zustimmung erfahren, auch von jemandem, der hier am Anfang durchaus etwas kritisch war. In diesem Sinne bitte ich um punktuelle Zustimmung, aber auch um ein generelles Ja zum Sonn- und Feiertagsschutz.

(Beifall bei der CSU)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 15/4588 und die Beschlussempfehlung mit Bericht des federführenden Ausschusses für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie auf Drucksache 15/ 5248 zugrunde.

Der federführende Ausschuss für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie empfi ehlt die unveränderte Annahme. Der Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen stimmt bei seiner Endberatung ebenfalls zu. Ergänzend schlägt er vor, in § 4 als Datum des Inkrafttretens den „1. Juni 2006“ einzufügen. – Wer dem Gesetzentwurf mit dieser Ergänzung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind erst bei der Zweiten Lesung, bringen Sie das bitte nicht durcheinander! Wie ich sehe, herrscht hier Verwirrung. Das liegt wohl daran, dass viele nicht mehr im Plenarsaal gewesen sind.

Also, noch einmal: Wer dem Gesetzentwurf mit dieser Ergänzung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – CSU-Fraktion. Gegenstimmen? – SPDFraktion und Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Dann ist das so beschlossen.

Hören Sie bitte jetzt gut zu: Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch; für diese wurde namentliche Abstimmung beantragt. Die namentliche Abstimmung wird jetzt durchgeführt. Die Urnen sind aufgestellt. Für diese Abstimmung setze ich vier Minuten fest.

(Namentliche Abstimmung von 17.02 bis 17.06 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zeit ist um. Die namentliche Abstimmung ist hiermit abgeschlossen. Das Ergebnis wird später bekannt gegeben. Darf ich Sie bitten, die Gespräche einzustellen. Wir haben die Möglichkeit, uns draußen zu unterhalten. Bitte, Herr Fischer, Herr Kränzle, wir haben doch draußen genügend Platz.

Zu dem eben abgeschlossenen Tagesordnungspunkt gebe ich noch bekannt, dass bei der Abstimmung in Zweiter Lesung Herr Kollege Christ dagegen gestimmt hat und dass einige Enthaltungen aus der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN vorlagen; das nur der Vollständigkeit halber für das Protokoll.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Abstimmung über Anträge etc., die gemäß § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden

Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.