Erschwerend kommt hinzu, dass häufi gere dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigungen gerade bei langjährig Schichtdienst Leistenden auftreten können, was erhebliche Kosten nach sich ziehen würde. Wir wollen diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen verhindern. Wir wollen bessere Regelungen fi nden. Ein positiver Beitrag dazu ist der Antrag der SPD, der Ihnen verschiedene Möglichkeiten offen lässt, diese zusätzlichen Belastungen anzurechnen und für die Beamten Ausgleichstage zur Regeneration einzuführen.
Zwei Zusatztage sind bei weitem zu wenig und nicht ausreichend für ein ganzes Jahr. Herr Kollege Peterke, Ihre Argumentation, der Antrag sei schon einmal da gewesen und er sei nicht konkret genug, ist sehr schwach. Ich sage Ihnen: Ergreifen Sie die Chance dieses Antrags. Sie haben mit diesem Antrag die Gestaltungsmöglichkeiten, um bessere Lösungen zu entwickeln. Ergreifen Sie diese Chance und stimmen Sie diesem Antrag zu.
Herr Kollege Wörner hat jetzt ums Wort gebeten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen. Wir sind immer noch bei der Debatte und nicht bei der namentlichen Abstimmung.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich, dass so viele zuhören wollen. Herr Staatsminister Dr. Beckstein wird sicher noch zu diesem Antrag Stellung nehmen? – Ich hätte nämlich zu gern von Ihnen gewusst, wie viele schichtdienstuntaugliche Beamte bei der Polizei sind, die frühpensioniert werden müssen, und wie viele Beamte – bedingt durch den Schichtdienst – nur noch innendiensttauglich sind.
Diese Zahlen wären sehr interessant, um zu beweisen, dass das, was Herr Kollege Peterke gesagt hat, nicht ganz den Fakten entspricht.
Kolleginnen und Kollegen, ich habe im Schichtbetrieb gearbeitet. Wir haben es mit Prävention und einem gestaffelten Freizeitmodell geschafft, die Zahl der Frühverrentungen um 17 % und die Erkrankungszahlen um 22 % zu senken. Diese Zahlen sollte man sich im Zusammenhang mit dem Thema Geld und der Frage, was kostet was, auf der Zunge zergehen lassen. Herr Kollege Peterke, ich schenke Ihnen diese Zahlen zum Geburtstag, damit Sie in Zukunft bei Sach- und Fachberatungen fundiert argumentieren können.
Kolleginnen und Kollegen, ich habe versucht zu erläutern, was wir den Schichtdienst Leistenden durch das Sparen zumuten. In Wirklichkeit verursachen wir Mehrkosten. Herr Kollege Peterke, Sie haben argumentiert, die Schichtdienst Leistenden sollten froh sein, dass ihnen nur das eine weggenommen wurde und nicht auch noch das andere. Ich halte das für eine tolle Leistung. Wir erwarten von Polizisten mehr als von vielen anderen in dieser Gesellschaft. Zeitgleich würdigen wir jedoch nicht die Leistung, die die Polizisten für die Gesellschaft erbringen. Dass die Polizisten bei ihrer Arbeit Gesundheit und Leben riskieren, erzählen wir ihnen am Sonntagnachmittag, wenn gerade die Blechmusi spielt. Am Montag, bei den Beratungen, haben wir das schon wieder vergessen.
Herr Kollege Peterke, deshalb haben wir diesen Antrag gestellt. Ich fi nde es unredlich, dass Sie gesagt haben, dieser Antrag wäre in seiner Formulierung nicht klar genug. In diesem Antrag steht sehr wohl, wie das mit den Stunden gehen soll. Wir haben darin die Gleitklausel nach der jeweiligen Stundenzahl genannt. Wir können in unserem Antrag aber lediglich einen Hinweis darauf geben, wie das Problem gelöst werden könnte.
Im Übrigen haben Sie heute nur ein Placebo verteilt. Noch gibt es keinen Beschluss. Außerdem haben wir es bei der CSU und der Staatsregierung oft erlebt, dass vor der Wahl etwas anderes gesagt worden ist als nach der Wahl. Herr Kollege Peterke, ich darf Sie im Übrigen darauf hinweisen, dass die Übertragung von Nachtdienstzeiten – von der Sie soeben wieder geschwärmt haben – von der CSU längst hätte eingeführt werden können. Warum machen Sie das nicht? – Sie hätten es in der Hand gehabt, haben es aber nicht getan.
Sie müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass Sie in dieser Frage nicht unbedingt auf der Seite der Polizei
gestanden sind. Herr Kollege Peterke, Sie haben gesagt, eine Krankenschwester würde in der Frage des Nachtdienstausgleichs nicht anders behandelt als ein Polizist. Sind Sie mit mir einer Meinung, dass wir die Regelung für den Ausgleich von Schicht- und Nachtdienst von Krankenschwestern und anderen Schichtdienstbeschäftigten, die Tarifverträgen von Verdi unterliegen, für die Polizei übernehmen sollten? – Die Polizisten würden sich darüber freuen. Herr Kollege Peterke, Sie haben die falschen Beispiele gewählt. Das beweist mir, dass Ihnen bei dieser Debatte nicht wohl ist. Ich unterstelle Ihnen dies einmal als positiv; denn wer bei der Polizei war, weiß, wie schwierig der Schichtdienst ist.
Kolleginnen und Kollegen, der Schichtdienst ist nicht nur ein Gesundheitsproblem. Wussten Sie, dass Schichtdienst Leistende die größten Scheidungsraten aufweisen und die meisten familiären Probleme haben? Sie stellen sich aber hierher und sagen: Das müssen wir dem Haushalt opfern. Ich halte es für bedauerlich, dass wir inzwischen alles dem Diktat des Geldes unterstellen, selbst die Gesundheit von Menschen. Hier wird es grenzwertig. Ich halte es für verräterisch, wie Sie mit Menschen umgehen.
Herr Minister Beckstein, Sie wissen, dass ich Sie sehr schätze. Sie haben für diese Menschen einen Amtseid geleistet. Sie wissen, dass Schichtdienst gesundheitsgefährdend ist. Das ist unstrittig und hinreichend bewiesen. Deshalb müssen Sie mehr für diese Menschen tun, als lumpige zwei Tage herauszurücken. Wir brauchen vielmehr eine Regelung, die sicherstellt, dass die Gesundheit der Menschen erhalten bleibt. Bitte arbeiten Sie mit, um dieses Ziel zu erreichen. Ich verspreche Ihnen, dass ich Ihnen beim Finanzminister helfen werde.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Namentliche Abstimmung wurde beantragt. Der federführende Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit empfi ehlt die Ablehnung des Antrags. Die Wahlurnen sind aufgestellt. Ich bitte Sie, die Stimmzettel in die Urnen zu werfen. Für die Abstimmung stehen fünf Minuten zur Verfügung.
Kolleginnen und Kollegen, der Wahlgang ist geschlossen. Die Stimmen werden außerhalb des Plenarsaals ausgezählt. Das Ergebnis gebe ich wie immer später bekannt. Wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich bitte, die Plätze einzunehmen.
Ich gebe das Ergebnis der vorhin durchgeführten namentlichen Abstimmung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Feiertagsgesetzes und der
Bedürfnisgewerbeverordnung auf Drucksache 15/4588 – das war Tagesordnungspunkt 5 – bekannt. Mit Ja haben 84 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 42 Abgeordnete. Stimmenthaltungen gab es 5. Damit ist das Gesetz angenommen. Es hat den Titel: „Gesetz zur Änderung des Feiertagsgesetzes und der Bedürfnisgewerbeverordnung“.
Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Karin Pranghofer, Christa Steiger u. a. u. Frakt. (SPD) Sofortprogramm zur Behebung des Ausbildungsnotstandes in Bayern (Drs. 15/4458)
Ich eröffne die Aussprache. Es wurde eine Redezeit von 15 Minuten pro Fraktion vereinbart. Für die SPD-Fraktion darf ich Frau Kollegin Steiger das Wort erteilen. Bitte schön, Frau Kollegin.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die Lehrstellensituation in Bayern ist ausgesprochen dramatisch. Das haben die jüngsten Zahlen ergeben. Dabei ist die Entwicklung nicht nur in den bekannten Regionen wie Oberfranken oder der Oberpfalz dramatisch. Es gibt Hauptschulklassen, in denen gerade ein Jugendlicher oder zwei oder drei einen Ausbildungsplatz vorweisen können. Das ist ein Skandal – anders kann man es nicht bezeichnen.
Der Leiter des Amtes für berufl iche Schulen in Nürnberg sagt, dass nur ein Drittel eines Hauptschuljahrgangs einen Ausbildungsplatz erhält. Es gibt zwar Unternehmen und insbesondere Handwerksbetriebe, die über Bedarf ausbilden – das ist keine Frage –, aber insgesamt fehlen in Bayern Lehrstellen. Wir müssen also handeln. Es ist eine politische Aufgabe, den jungen Leuten eine Chance und damit eine Zukunft zu bieten.
Es gibt immer mehr Schülerinnen und Schüler, die eine so genannte Jungarbeiterklasse besuchen. Als Jugendliche ohne Ausbildungsplatz müssen sie eine solche Klasse besuchen, obwohl sie lieber einen Ausbildungsplatz hätten. Die Zahl dieser Jugendlichen stieg in Bayern von etwa 18 500 im Schuljahr 2002/2003 auf 22 329 im Schuljahr 2005/2006. Ich kann es nur wiederholen: Es ist ein Skandal, dass wir so viele Jugendliche haben, die diese Jungarbeiterklassen besuchen müssen.
Im Januar 2006 wurden 21 000 Jugendliche ohne Ausbildungsplatz gemeldet. Hier geht es um die Zeit nach der Nachvermittlung bis zum 31.12.2005. Von diesen Jugendlichen absolvieren rund 3300 ein Berufsvorbereitungsjahr und weitere 3300 berufsvorbereitende Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit. 2000 bis 3000 Jugendliche helfen in Familienunternehmen mit oder haben einen Arbeitsplatz ohne Ausbildung angenommen und suchen keinen Ausbildungsplatz. Trotzdem bleiben sage und schreibe 13 000 Jugendliche übrig, die ohne Perspektive
Jungarbeiterklassen besuchen. Das kann so nicht bleiben; denn hinter jedem dieser 13 000 Jugendlichen stehen ein Schicksal und der Wille, das Leben selbst zu gestalten.
Die so genannten Jungarbeiterklassen, die jetzt als „JoA“ - Jugendliche ohne Ausbildungsplatz - bezeichnet werden, bedeuten einen Tag Berufsschule und vier Tage nichts. Wir wissen alle, dass ein einzelner Berufsschultag Unsinn ist.
Ein einzelner Berufsschultag bringt keinerlei Qualifi kation. Er bringt keine Kontinuität in den Tages-, Wochen- und Jahresablauf eines jungen Menschen. Er bringt keinen Tagesrhythmus, und er bringt keinerlei Möglichkeit, sich zu qualifi zieren. Erinnern Sie sich daran, dass der Oberste Rechnungshof der Staatsregierung im vorletzten Jahr ins Stammbuch geschrieben hat, dass diese Jungarbeiterklassen uneffektiv sind, den jungen Leuten nichts bringen, sehr viel Geld kosten und dass die Wirkung gleich Null ist. Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie und sicher auch der Herr Staatssekretär sagen, es gibt bei den Jungarbeiterklassen Blockunterricht von acht Wochen im Jahr. Das stimmt.
Das ist sicherlich besser, weil dann Projektarbeit möglich ist, die wenigstens ein bisschen zusammenhängend ist. Was ist aber mit der restlichen Zeit im Jahr? Dafür gibt es genauso wenig Perspektiven.
Ich frage Sie, welche Zukunftsperspektiven junge Menschen haben, die tagtäglich und Woche für Woche erfahren, dass sie eigentlich gar niemand will, dass sie lästig sind, dass sie nur geduldet sind und dass sie nur gesetzlich als schulpfl ichtig eingeplant sind.
Kolleginnen und Kollegen, es gibt sicherlich Betriebe, die auch über den Bedarf hinaus ausbilden. Das reicht aber nicht aus. Die Situation ist heuer dramatisch. Sicherlich gibt es mittlerweile diverse Angebote vonseiten der Staatsregierung, zum Beispiel auch das kooperative berufsvorbereitende Jahr, bei dem gute Erfahrungen gesammelt wurden. Ich frage aber, warum dieses Angebot nicht bayernweit für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz ausgebaut wird. Mit unserem Antrag zielen wir genau darauf ab.
Wie kann ein solches Werkstattjahr, das wir analog der Initiative „Werkstattjahr“ des Landes Nordrhein-Westfalen fordern, ausschauen? Wie hilft ein solches Werkstattjahr den Jugendlichen? In der Frage, wie das Kind dann heißen soll – Werkstattjahr oder kooperatives berufsvorbereitendes Jahr –, bin ich leidenschaftslos. Die Hauptsache ist, dass etwas getan und den jungen Menschen geholfen wird.
Sowohl die Vertreter der Staatsregierung wie auch Sie von der CSU-Fraktion haben bei der Beratung im Ausschuss gesagt, das Werkstattjahr passe nicht nach Bayern. Ich frage Sie, wer uns daran hindert, dieses Werkstattjahr in Kooperation zwischen Berufsschule, Bildungsträger und den Betrieben so auszugestalten, dass es passt.
Wer hindert uns daran, zwei Tage Berufsschule, zwei Tage Ausbildung bei einem Bildungsträger und einen Tag Betriebserfahrung einzuführen, um damit die Ausbildungsfähigkeit zu vertiefen? Häufi g handelt es sich doch um Jugendliche, bei denen es an der Ausbildungsfähigkeit mangelt. Das Werkstattjahr ist ein Hilfskonstrukt. Das wissen wir auch. Es ist aber eine Chance. Wir sehen es nicht als Parkplatz oder Warteschleife, sondern als Chance für junge Leute, die keinen Ausbildungsplatz haben.
Wichtig ist es auch, auf die regionalen Partner zu schauen, mit ihnen zusammenzuarbeiten und auf die regionalen Gegebenheiten zu achten.