Protokoll der Sitzung vom 26.04.2006

(Unterbrechung von 9.12 Uhr bis 9.15 Uhr)

Meine Damen und Herren, wir nehmen die Sitzung wieder auf und kommen zu den Fragen an das Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie. Die erste Fragestellerin ist Frau Kollegin Werner-Muggendorfer.

Herr Staatsminister, sieht die Staatsregierung eine Möglichkeit, die Gemeinden des Landkreises Deggendorf nach Einzelbetrachtung im Landesentwicklungsprogramm – LEP – einzustufen, nachdem der Landkreis als Ganzes nicht als ländlicher Teilraum, dessen Entwicklung im besonderen Maße gestärkt werden soll, eingestuft ist, aber ein großes wirtschaftliches Gefälle zwischen den Gemeinden besteht?

Bitte, Herr Staatsminister.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte mich zuerst ausdrücklich für die Verspätung entschuldigen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Kein Problem! Ich war auch nicht da!)

Frau Kollegin Werner-Muggendorfer, nun zu Ihrer Frage: Die raumstrukturelle Gliederung und die Zuordnung zu den einzelnen Gebietskategorien sind ebenso wie die zentralörtliche Gliederung nicht Gegenstand der derzeitigen Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms. Diese Fortschreibung bezieht sich in erster Linie auf die Verschlankung und eine Deregulierung.

Die Tatsache, dass Gebietskategorien und die zentralörtliche Gliederung nicht enthalten sind, geht darauf zurück, dass dies erst im Jahre 2003, bei der letzten Verabschiedung des LEP, Gegenstand der Überprüfung und Überarbeitung gewesen ist. Deshalb konnte dieser Tatbestand bei der jetzigen Fortschreibung nicht aufgegriffen werden; er musste es auch nicht.

In der Tat gibt es aber eine ganze Reihe von Wünschen von Gemeinden – nicht nur aus dem Raum Deggendorf –

auf Zuordnung zur Gebietskategorie „Ländlicher Teilraum, dessen Entwicklung in besonderem Maße gestärkt werden soll“. Diese Veränderung muss auf eine der nächsten Fortschreibungen des LEP verschoben werden. Wann diese Fortschreibung erfolgen wird, kann erst festgelegt werden, wenn die jetzige Fortschreibung von Parlament und Staatsregierung verabschiedet worden ist. Die Vorarbeiten dazu werden wir rechtzeitig einleiten.

Zusatzfrage: Frau Kollegin Werner-Muggendorfer.

Herr Staatsminister, das bedeutet also, dass alles so bleibt, wie es jetzt festgeschrieben ist. Es wird überhaupt nichts verändert. Habe ich das richtig verstanden?

Frau Kollegin Werner-Muggendorfer, ich möchte Ihre etwas unpräzise Frage präzise beantworten: Bei der von Ihnen angesprochenen Gebietskategorie der Gemeinden, die besonders gefördert werden sollen, ändert sich durch die jetzige Fortschreibung nichts. Es bleibt bei den Gebietskategorien, die im Landesentwicklungsprogramm 2003 festgelegt sind.

Zusatzfrage: Herr Kollege Sibler.

Herr Präsident, Herr Staatsminister! Wie beurteilt die Staatsregierung die momentane Situation im Landkreis Deggendorf mit diesen unterschiedlichen Voraussetzungen, die Frau Kollegin Werner-Muggendorfer angesprochen hat? Ist es denkbar, dass die Punkte, die Sie soeben angedeutet haben, bei der Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms zum Beispiel in der Präambel oder in sonstigen Regelungen vorweg festgelegt bzw. in Aussicht gestellt werden könnten?

Bitte, Herr Staatsminister.

Herr Kollege Sibler, hier handelt es sich um keine Besonderheit des Landkreises Deggendorf. Die strukturellen Daten der einzelnen Gemeinden, ihre wirtschaftliche Entwicklung, ihre Chancen und ihre Wettbewerbssituation sind einer ständigen Veränderung unterworfen, sodass eine Festschreibung im Rahmen des LEP, in einer Gebietskulisse, nur eine Momentaufnahme sein kann, die natürlich auf längeren Erfahrungen und umfangreichen Datensätzen beruht.

Klar ist, dass ein solches Programm immer wieder fortgeschrieben werden muss und dass es ständig zu Veränderungen kommt. Andernfalls hätte eine Fortschreibung keinen Sinn. Hier muss natürlich das aktuelle Datenmaterial zur Verfügung gestellt und bewertet werden. Eine allgemeine Aussage, welche Veränderungen im Raum Deggendorf eintreten werden, ist somit nicht möglich. Dies hängt von den realen Gegebenheiten ab. Gebietskulissen sind schließlich keine Phantome, sondern die Dokumentation der realen Situation.

Zusatzfrage: Frau Kollegin Werner-Muggendorfer.

Herr Staatsminister, habe ich richtig verstanden, dass diese Anliegen der Gemeinden bei der nächsten Änderung des Landesentwicklungsprogramms aufgenommen werden? Das war jetzt eine präzise Frage.

Bitte, Herr Staatsminister.

Ich gehe einmal davon aus, dass bei der nächsten Fortschreibung des LEP sowohl die zentralörtliche Gliederung als auch die Veränderung der Gebietskulisse aufgenommen werden; denn die Veränderungen, die seit 2003 eingetreten sind, müssen erfasst werden. Ich gehe davon aus, dass dieser Sachverhalt bei der nächsten Fortschreibung ein zentrales Thema sein wird.

Der nächste Fragesteller ist Herr Kollege Schieder.

Herr Staatsminister, trifft es zu, dass die Aktivitäten von „Invest in Bavaria“ in den vergangenen Jahren zu über 150 Neuansiedelungen im nordbayerischen Raum geführt habe? Wie viele Neuansiedelungen entfi elen davon einerseits auf die nördliche Oberpfalz – Landkreise Tirschenreuth und Neustadt sowie kreisfreie Stadt Weiden – und andererseits auf Ostoberfranken – Landkreise Wunsiedel und Hof und kreisfreie Stadt Hof –, und welche Arbeitsplatzeffekte wurden damit in den beiden Regionen erreicht?

Herr Staatsminister.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In den vergangenen Jahren sind bis zum Stichtag 31. August 2005 von „Invest in Bavaria“ im nordbayerischen Raum, wie im Staatsanzeiger vom 2. September 2005 gemeldet, insgesamt 154 Unternehmen betreut worden.

In der Planungsregion „Oberpfalz Nord“ wurden in diesem Zeitraum mit Hilfe von „Invest in Bavaria“ 14 Investitionsvorhaben erfolgreich abgeschlossen. Hierdurch konnten 1370 Arbeitsplätze geschaffen bzw. gesichert werden. In der Planungsregion „Ostoberfranken“ wurden 35 Investitionsvorhaben erfolgreich betreut und damit 2031 Arbeitsplätze geschaffen bzw. gesichert. Die Anzahl der geschaffenen bzw. gesicherten Arbeitsplätze bezieht sich auf Angaben der Unternehmen. „Invest in Bavaria“ kann sich für die Richtigkeit dieser Zahlen nicht verbürgen. Wir vertrauen aber darauf, dass wir von den Unternehmen die richtigen Zahlen erhalten.

Zusatzfrage: Herr Kollege Schieder.

Herr Staatsminister, wir sprechen hier von den vergangenen Jahren. Welche Zeiträume sind damit gemeint?

Herr Staatsminister.

Herr Kollege, Jahre heißt Jahre. Sie können mich auch nach einzelnen Monaten fragen. Es handelt sich um einen überschaubaren Zeitraum, was die Ansiedelungspolitik angeht. Sie können insgesamt davon ausgehen, dass „Invest in Bavaria“ ständig bemüht ist, in allen Regionen Bayerns Ansiedelungen zu betreuen. Auch im Rahmen der internationalen Werbung für Ansiedelungen hat man das gesamte Gebiet im Auge.

Weitere Zusatzfrage: Herr Kollege Schieder.

Herr Staatsminister, sprechen wir bei den Neuansiedelungen von neuen Investitionen, oder sind damit auch Firmenübernahmen zum Beispiel durch Private-Equity-Fonds oder andere „Heuschrecken“ gemeint?

Herr Staatsminister.

Herr Kollege, Sie werden verstehen, dass ich die Daten aller 150 Unternehmen, die betreut worden sind, gerade nicht verfügbar habe. Im Übrigen kommt es auf die Wirkung an. Wenn Investitionen zum Beispiel für die nördliche Oberpfalz oder für Oberfranken gewonnen werden sollen und dies nur mithilfe von Finanzinvestoren möglich wäre, dann würde ich selbstverständlich nicht davor zurückschrecken, auch mit „Heuschrecken“ zu verhandeln. Wenn diese Investitionen Arbeitsplätze für die Oberpfalz bringen, kann man das nur positiv beurteilen. Vielleicht sollten Sie sich – bitte verstehen Sie das als gut gemeinten Rat und nicht als Aggression – von der Ideologie, die Herr Müntefering im Wahljahr vertreten hat, trennen und das Ganze pragmatisch betrachten.

Weitere Zusatzfrage: Herr Kollege Schieder.

Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, inwieweit die Stabsstelle mit den Wirtschaftsförderabteilungen der Landkreise und der kreisfreien Städte konkret zusammenarbeitet? Gibt es eine laufende Zusammenarbeit in den Ansiedelungsbemühungen, oder bemüht sich „Invest in Bavaria“ eigenständig?

Herr Staatsminister.

Zunächst ist „Invest in Bavaria“ rund um den Globus bemüht, für den Standort Bayern zu werben. Das macht die Außenabteilung von „Invest in Bavaria“. Außerdem haben wir natürlich Informationen über geeignete Standorte in Bayern. Wenn sich zum Beispiel ein Investor aus Asien oder Nordamerika für Standorte in Bayern interessiert, dann werden ihm alle nötigen Daten zur Verfügung gestellt. Diese stammen von den Landkreisen und Planungsregionen. Hier funktioniert die von mir gewünschte Zusammenarbeit sehr gut. Ich erwarte aber auch, dass die Wirtschaftsreferenten zum Beispiel der Landratsämter den Kontakt mit „Invest in Bavaria“ suchen und pfl egen.

Demgegenüber sind wir immer und uneingeschränkt aufgeschlossen.

Damit ist dieser Komplex abgeschlossen. Nächster Fragesteller ist Herr Kollege Schindler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Staatsminister, aus welchen Gründen hat die Staatsregierung am 21.02.2006 beschlossen, die Erschließungsförderung im Rahmen der RIFE zum 22.02.2006 einzustellen und diese „Richtlinie zur Förderung der Erschließung von Industrie- und Fremdenverkehrsgelände aus den regionalen Wirtschaftsförderprogrammen“ vom 29.05.1996 aufzuheben, wie viele Mittel sind seit 1996 auf der Grundlage dieser Richtlinie ausgereicht bzw. zugesagt worden, und mit welchen Förderungen können die Gemeinden, die bis zum 21.02.2006 keinen Förderantrag gestellt haben, für die geplante Erschließung von Industrie- und Fremdenverkehrsgelände zukünftig rechnen?

Herr Staatsminister.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Anlass für die Abschaffung der RIFE waren die Probleme zahlreicher Gemeinden mit drohenden Rückforderungen des Freistaats im Zusammenhang mit dem Ende der Belegungsfrist zum 31. Dezember 2005. Nach den Bestimmungen der RIFE müssen die Flächen bei einer Förderung bis 1996 überwiegend, seit 1996 vollständig mit förderfähigen Betrieben belegt sein. Andernfalls sind gewährte Zuwendungen anteilig zurückzufordern. In Bayern wären hiervon etwa 100 Gemeinden betroffen gewesen.

Das ist nicht etwa eine Frage der Schuld dieser Gemeinden. Viele Gemeinden, zum Beispiel im ostbayerischen Raum, die über Industrie- oder Gewerbegebiete verfügen, haben sich in den letzten zehn Jahren redlich bemüht, förderfähige Betriebe zu erhalten. Förderfähig sind Betriebe, die überwiegend einen überregionalen Absatz haben. Aufgrund der Investitionsschwäche und der wirtschaftlichen Lage ist es aber trotz des hohen Einsatzes der Gemeinden oft nicht möglich gewesen, eine passende Belegung der Gewerbegebiete zu erreichen. Dann tritt die Rückforderung ein, die auch in Zukunft unverändert gilt, wenn eine Fehlverwendung im Sinne der Fördervorschriften vorliegt, wenn also zum Beispiel Betriebe angesiedelt werden, die nicht förderfähig sind.

Auch aufgrund des Problems der Auffüllung dieser Gewerbegebiete und aufgrund der Tatsache, dass wir ausreichend Flächen haben – es gibt kein Problem, Gewerbefl ächen zu bekommen –, war eine Neuregelung notwendig. Ich wollte Ihnen damit nur die Motive deutlich machen.

Im Rahmen der Abschaffung der RIFE konnte in Rückforderungsfällen als Kompensation eine Änderung der Ermessensausübung erreicht werden. Eine Förderlücke ist dadurch aber nicht entstanden: Auf Betreiben des Bayerischen Obersten Rechnungshofs haben die Gemeinden seit 1996 Zuwendungen, die sie für die

Erschließung von Industrie- und Fremdenverkehrsgelände erhalten haben, vollständig an förderfähige Betriebe weiterzureichen. Zuwendungen nach RIFE sind damit eigentlich keine Förderung der Gemeinden mehr, sondern mittelbare Unternehmensförderung. Diese mittelbar geförderten Unternehmen können aber auch unmittelbar nach der Richtlinie für die Durchführung der bayerischen regionalen Förderprogramme für die gewerbliche Wirtschaft gefördert werden. Eine Förderung aus diesen Regionalförderprogrammen hat gegenüber der Förderung nach RIFE keine nennenswerten Nachteile und wirft die dargelegten Probleme im Fördervollzug nicht auf.

Seit 1996 wurden nach RIFE Zuwendungen in Höhe von rund 95 Millionen Euro gewährt. Künftig werden die Mittelansätze des Haushalts nicht mehr mittelbar über die Gemeinden an förderfähige Unternehmen ausgereicht, sondern Zuwendungsempfänger ist unmittelbar das Unternehmen, das sich auf den fraglichen Flächen ansiedelt. Wegen der mit der RIFE-Förderung verbundenen Probleme wurde dies auch in der Vergangenheit bereits in großem Umfang praktiziert. Die Haushaltstitel sind ohnehin gegenseitig deckungsfähig.

Zusammengefasst heißt das: Wir haben die RIFE-Förderung aufgehoben, weil sie eine mittelbare Förderung für die Ausweisung und Erschließung von Gewerbegebieten und Industriegebieten darstellt und mit der Verpfl ichtung verbunden ist, die Förderung an die förderfähigen Unternehmen weiterzugeben. Die Förderung der Gemeinden für die Ausweisung solcher Flächen fällt jetzt ersatzlos weg. Das Geld bleibt aber insgesamt erhalten und geht unmittelbar an die förderfähigen Unternehmen.

Zusatzfrage: Herr Kollege Schindler.