Erst die Klagedrohung des Städtetags hat Bewegung in die Sache gebracht – wahrlich kein Meisterwerk bayerischer Zuverlässigkeit.
Mein zweiter Punkt ist die Schneekatastrophe. Der Einfachheit halber zitiere ich einen der tüchtigen CSU-Bürgermeister: „Der Katastrophentourismus unserer Politiker war rückblickend also mehr Show als die Einhaltung von
Versprechungen“, so dieser CSU-Bürgermeister in der „Passauer Neuen Presse“ vom 22. März 2006 zum Verhalten der Bayerischen Staatsregierung nach der Schneekatastrophe.
Herr Kollege Dupper, ich bitte Sie um Verständnis, dass ich Sie unterbreche. Ich möchte gern mit großem Respekt unsere heutigen Gäste begrüßen: Ich begrüße zur heutigen Plenarsitzung eine Gruppe ehemaliger Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau. Seien Sie uns herzlich willkommen im Bayerischen Landtag. Zum 61. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau haben die KZ-Gedenkstätte Dachau und der Förderverein für Internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit in Dachau e. V. Sie eingeladen. Wir begrüßen Sie aufs Herzlichste.
Das Land, in dem Sie vor sechs Jahrzehnten auf entsetzliche Weise gepeinigt wurden, hat sich zu einer gefestigten und die Menschenwürde schützenden Demokratie entwickelt. Ihr Besuch im Bayerischen Landtag, der das Herz unseres demokratischen Systems ist, soll Ihnen diese positive Entwicklung vor Augen führen. Zugleich will der Bayerische Landtag durch diese Einladung deutlich machen, dass trotz der zunehmenden zeitlichen Distanz zur Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus die Erinnerung daran weiter wach gehalten werden muss; denn unser historisches Erbe verpfl ichtet gerade uns Deutsche zum intensiven Einsatz für Menschenrechte und Demokratie. Ihr heutiger Besuch des Konzentrationslagers Dachau ist dafür eine nachdrückliche Mahnung. Herzlich willkommen, meine Damen und Herren!
Meine Damen und Herren, ich kann es Ihnen nicht ersparen, ich muss fortfahren mit den Niederungen des kommunalen Finanzausgleichs. Das dritte Detail, das ich nennen will, ist die Finanzierung der Deutschen Einheit. Zum 01.01.2005 wurde diese auf neue Beine gestellt. Im Bericht des Finanzministeriums heißt es wörtlich:
Gegenüber dem geltenden Finanzausgleich bewirkt die Neuregelung eine fi nanzielle Entlastung, die auch Bayern zugute kommt. … In der Finanzplanung konnten ab dem Jahr 2005 Entlastungen von jährlich 200 Millionen Euro aufgrund der zum 01.01.2005 wirksamen Neuregelung eingerechnet werden.
Also: Dank der Neuregelung auf Bundesebene fl ießen schon im Jahr 2005 200 Millionen Euro nach Bayern. Die Kommunen werden aber erst ab dem Jahr 2006 und dann auch erst in drei Schritten im Rahmen der Einstellung der Netto-Solidarumlage an der Entlastung beteiligt.
Wir haben hier eindeutige Akzente zugunsten der Kommunen gesetzt. Ich bin mir sicher, mittelfristig werden wir noch oft über viele unserer guten Vorschläge reden müssen. Hier gilt dasselbe wie beim Zusammenspiel von Bund und Ländern: Auch die Kommunen müssen in den Stand versetzt werden, mit Investitionen ihren Beitrag zu leisten, und Bedarf an kommunalen Investitionen hat dieses Land reichlich.
Für all dies haben wir dezidierte Finanzierungsvorschläge gemacht: Zum einen die Eon-Aktienerlöse, wobei diese noch reichlicher wären, wenn Sie dem Kaiser’schen Rat bezüglich der Platzhaltergeschäfte gefolgt wären; zum anderen der Verzicht auf gewisse Großprojekte, vor allem aber konsequenter Steuervollzug.
Es ist schon mehr als ein Ärgernis, wie in diesem Land Steuern erhoben werden. Bei den ganz normalen Betriebsprüfungen können den Angaben einer Behörde zufolge die Empfehlungen der Finanzministerkonferenz bezüglich des Prüfungsturnus in keiner Weise eingehalten werden. Da werden Großbetriebe im Schnitt alle 4,2 Jahre geprüft, Mittelbetriebe im Schnitt alle 14,3 Jahre und Kleinbetriebe nur alle 28,6 Jahre – wohl wissend, dass jeder Prüfer gute Ergebnisse erzielt und die Prüfungen ohne nennenswerte Ergebnisse im überschaubaren Rahmen bleiben. Jahr für Jahr mahnt Kollege Schieder – der Stachel im Fleisch – die nötige Personalausstattung in den Ämtern an.
Ein noch viel schlimmeres Bild ergibt sich bei der Umsatzsteuerprüfung. Die Rechnungshöfe haben Ihnen einiges ins Stammbuch geschrieben. Jahr für Jahr gehen dem Fiskus durch Betrügereien oder Schlampereien Milliardenbeträge verloren. Dies belegt auch das Planspiel, das Bund und Länder gemeinsam in Auftrag gegeben haben. Immer wieder kündigen Sie die nahe liegende Lösung an, nämlich eine verbesserte Personalausstattung in den Finanzbehörden. Inwieweit diesen jüngsten Worten – siehe „Straubinger Tagblatt“ und „Mittelbayerische Zeitung“ – auch Taten folgen, bleibt abzuwarten. Es besteht dringender Handlungsbedarf, nicht nur wegen der entgangenen Milliarden, sondern auch deswegen, weil durch diese laxe Handhabung des Steuervollzugs die Steuermoral der Ehrlichen leidet.
Natürlich unterstützen wir Sie fl ankierend bei den Bemühungen, einen Systemwechsel bei der Umsatzsteuererhebung zu erreichen, wobei uns das Reverse-ChargeModell am sinnvollsten erscheint.
Lassen Sie mich also zusammenfassen: Nichts braucht unser Land derzeit weniger als ideologiegeschwängerte Debatten über ausgeglichene Haushalte, missverstandenen Keynesianismus oder zeitgeistigen Neoliberalismus. Wir brauchen schnelle und pragmatische Ansätze, mit denen wir der bayerischen Wirtschaft Impulse geben und der bayerischen Gesellschaft eine solide Zukunft.
Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, immer wieder von der Verantwortung gegenüber der nächsten Generation sprechen und damit den ideologi
schen Überbau für den Mythos der „schwarzen Null“ herstellen wollen, dann müssen Sie sich fragen lassen: Welches Erbe wollen Sie der nächsten Generation denn überlassen?
Geraubte Bildungs- und Zukunftschancen? Eine marode staatliche Infrastruktur und somit einen gigantischen Investitionsbedarf? Desolate soziale Verhältnisse?
Ihre Strukturansätze und dergleichen in allen Ehren, aber ohne Verbesserungen auf der Einnahmenseite wird Ihnen und uns alles das nicht gelingen.
Mit dem vorliegenden Nachtragshaushalt werden diese Fragen nicht beantwortet. Deshalb lehnen wir diesen Nachtragshaushalt, das Haushaltsgesetz und auch das Finanzausgleichsgesetz ab.
Bevor ich mich ebenfalls für die gute Zusammenarbeit und für die Aufmerksamkeit heute bedanke, darf ich Ihnen versichern, dass wir uns vor diesem Hintergrund schon sehr auf die Debatte über den nächsten Doppelhaushalt freuen. Denn wir haben die Hoffnung, dass Sie eine vernünftige Finanzpolitik betreiben, noch nicht aufgegeben.
Nächste Wortmeldung für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Herr Kollege Mütze. Ich darf den Kolleginnen und Kollegen noch mitteilen, dass im Rahmen der Abstimmung über den Nachtragshaushalt mit Sicherheit zumindest eine namentliche Abstimmung stattfi nden wird. Das sage ich aus meiner Fürsorgepfl icht heraus.
Frau Präsidentin, Herr Minister, Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In die Vorbereitung auf die heutige Rede platzte gestern die Pressemitteilung aus dem Kabinett – Kollege Dupper hat darauf hingewiesen – , in der der Ministerpräsident vor neuen Steuererhöhungen gewarnt hat, welche die SPD in die Diskussion gebracht habe. Die Diskussion darüber sei schädlich und Gift für die anlaufende Konjunktur, so meinte er. Zu den guten Steuererhöhungen gehört dabei aber anscheinend die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 %, die der Ministerpräsident gefl issentlich übergangen hat. Die ist beschlossen und gut und somit auch nicht mehr der Rede Wert.
Dabei wird die Mehrwertsteuererhöhung ganz andere negative Auswirkungen auf Konsum, Steuereinnahmen und Beschäftigung haben. Herr Finanzminister, Sie werden mir sicherlich zustimmen, dass eine steigende
Ganz und gar ausgeklammert hat dabei der Ministerpräsident die Verwendung der Einnahmen. Nachdem die Union vor der Bundestagswahl die Einnahmen komplett für die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge verwenden wollte, bleibt jetzt davon nur mehr ein klägliches Prozent über. Dann aber – darauf hat Kollege Dupper hingewiesen – redet der Ministerpräsident von der Verlässlichkeit und Berechenbarkeit seiner Steuerpolitik. Das schaffe Vertrauen. Ich frage ihn und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wie Ihre Verlässlichkeit in Bezug auf die Besteuerung von Biokraftstoffen aussieht. Sollten die nicht bis 2009 steuerfrei bleiben? Davon wollen Sie jetzt nichts mehr wissen.
Sie zerstören damit ein zartes Pfl änzchen, einen Baustein der Kampagne „Weg vom Öl“. Kollegin Paulig wird nachher beim Dringlichkeitsantrag sicher noch die passenden Worte dazu fi nden.
Am besten ist aber der letzte Absatz dieser Pressemitteilung aus dem Kabinett, in dem der Ministerpräsident Bayern für seine vorbildliche Finanzpolitik lobt und davon spricht, dass man durch solides wirtschaftliches Wachstum Einsparungen ohne neue Schulden erzielen könne. Man müsse den Bürgern zeigen, dass der Staat lernt, mit dem auszukommen, was er einnimmt. Er lernt, aber er ist noch nicht am Ziel angekommen.
Der Staat kommt auch im Nachtragshaushalt regulär nicht mit dem aus, was er einnimmt. Damit spiegelt der Ministerpräsident falsche Tatsachen vor, um ein böses Wort zu umgehen; oder er weiß es einfach nicht. Herr Finanzminister, Sie haben es ihm nicht genügend erklärt. Damit schließt sich der Kreis zu den Nachtragshaushaltsberatungen. Der Ausschussvorsitzende ist jetzt leider nicht da, aber es sind noch einige Kollegen aus dem Ausschuss hier.
Nachdem wir in den vergangenen fünf Wochen 82 Änderungsanträge im Haushaltsausschuss behandelt haben, von denen 82 abgelehnt wurden, ist es an der Zeit, ein Resümee zu ziehen. Wir können Ihnen natürlich als erstes vorschlagen, wie wir die Haushaltsberatungen im Ausschuss noch stärker verkürzen können. Wir machen am Anfang eine Gesamtdebatte und anschließend eine Gesamtabstimmung über alle Anträge. Damit vermeiden
wir inhaltlich tiefergehende Debatten, die ohnehin fruchtlos bleiben. Da Sie, Herr Finanzminister, und die Kolleginnen und Kollegen der CSU, nicht bereit oder in der Lage waren, unseren Änderungsanträgen näherzutreten, fällt die Bilanz für Sie aus unserer Sicht düster aus. Herr Minister, selbst für den Ausschussvorsitzenden – das hat er eben in seiner Rede gesagt – sind Sie nicht mehr der beste Finanzminister in Deutschland, sondern nur noch ein hervorragender. Das sollte Ihnen zu denken geben.
Ich mag es schon gar nicht mehr wiederholen, Herr Minister: Die schwarze Null, die Sie uns präsentieren und auch weiterhin wie eine Monstranz vor sich hertragen, und auf die auch der Ministerpräsident so stolz ist, ist ein Schwindel. Sie wissen es, und dabei bleibt es auch.
Die Fakten, die uns zu diesem Urteil über die schwarze Null kommen lassen, sind erstens die höchste Neuverschuldung nach dem Krieg im Jahr 2005, gewissermaßen im Vorgriff, zweitens die erstmalige Hereinnahme von Eon-Anteilen oder – anders formuliert – das erstmalige Verkaufen von Eon-Anteilen, um den laufenden Haushalt zu decken, und drittens das Flüssigmachen der Darlehen an die beiden Flughafengesellschaften in Höhe von 420 Millionen Euro. Ich will darüber nicht urteilen, ich habe es schon in der Einbringungsrede gesagt, dass wir Ihnen da auch beistehen. Im nächsten Jahr hilft Ihnen die schon angesprochene Mehrwertsteuererhöhung, die auch noch einmal 900 Millionen Euro bringen soll. Das bedeutet aber, dass Sie mit den regulären Einnahmen die laufenden Ausgaben nicht decken können. Das ist auch jedem klar geworden.