In Hamburg und Hessen kann sich eine Minderheit von 15 % der Grundstückseigentümer gegen die untätig bleibende Mehrheit der Grundstückseigentümer durchsetzen. In Hamburg und Hessen sehen die beiden Gesetze – ich darf aus diesen Gesetzen ein bisschen zitieren – bei der Antragstellung ein Mindestquorum von 15 % der Grundstückseigentümer nach Anzahl und Fläche vor sowie im Rahmen des Beteiligungsverfahrens, das im Zuge der Prüfung durch die Aufsichtsbehörde durchgeführt wird, ein Widerspruchsrecht der Grundstückseigentümer, jedoch keine Zustimmungspfl icht vor. Die Widerspruchsquoren liegen dabei in Hamburg bei einem Drittel, in Hessen bei einem Viertel der Grundstückseigentümer nach Anzahl oder Fläche. Das Verfahren sieht also keine – notwendige – Zustimmungs-, sondern nur eine Widerspruchsquote vor. Die in Hamburg und Hessen verankerte Quotenregelung bedeutet also – ich darf Ihnen das jetzt noch einmal ausführlich dokumentieren –, dass sich letztlich eine Minderheit von 15 % der Grundstückseigentümer in dem Fall durchsetzen kann, wenn die überwiegende Mehrheit der Grundstückseigentümer untätig bleibt. Die Grundstückseigentümer werden also staatlicherseits zu einem aktiven Tun verpfl ichtet, um mögliche Minderheitsideen abzuwehren. Eine solche Lösung entspricht nicht unseren Vorstellungen von der Durchsetzung von Beteiligungsrechten mit weit reichenden Folgen für die Gesamtheit der im Gebiet Betroffenen. Problematisch ist ebenso, dass für weitere von der Festlegung eines Innovationsbereichs Betroffene, also Wohnungs- und Gewerbemieter sowie Bürgerinnen und Bürger, keinerlei Mitspracherechte vorgesehen sind.
Unabhängig davon sprechen auch weitere Gründe, wie der weitere Aufbau neuer Bürokratiestrukturen, gegen ein BID-Gesetz – Business Improvement District –. Mit dem bayerischen Modellvorhaben „Leben fi ndet Innenstadt – Öffentlich-private Kooperationen zur Standortentwicklung“ wird, wie bereits am 08.03.2006 berichtet, die Optimierung freiwilliger Kooperationen an innerstädtischen Standorten erprobt. Bayern setzt also nach wie vor auf die Optimierung freiwilliger Kooperationen an innerstädtischen Standorten ohne gesetzliche Vorgaben.
Herr Staatssekretär, das ist ein schöner Versuch. Aber es bleibt natürlich schon bei der berechtigten Frage, ob denn der Punkt „Untätige Mehrheit“, den Sie jetzt geschildert haben, nicht doch in einem besseren bayerischen Gesetz dadurch geheilt werden könnte, dass man zwangsweise alle befragt, die von einem BID betroffen wären.
Frau Kollegin, wir wollen jetzt nicht noch einmal die Prozentsituation diskutieren. Mir geht es um etwas anderes, näm
lich um das, was ich im letzten Abschnitt meiner Ausführungen dokumentiert habe. Ich war bei Beginn dieses „Wettbewerbs“, dieses neuen Weges, Innenstädte durch freiwillige Kooperationen zu stärken, dabei und habe dort auch gesprochen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir mit diesen privaten, freiwilligen kooperativen Zusammenschlüssen besser vorankommen. Wir können in diesem Parlament nicht permanent die Bürokratie beklagen und dann, wenn wir sozusagen einmal bei einem Pilotversuch eruieren wollen, welche Möglichkeiten wir haben, um gemeinsam unsere Innenstädte zu entwickeln, und hierfür neue Konzepte erarbeiten, sofort wieder neue gesetzliche Vorschriften schaffen.
Sie fragen: Können wir da nicht noch einmal etwas anderes gestalten? Natürlich kann man alles gestalten. Wir können als Gesetzgeber den Menschen 1000 Dinge vorschreiben. Als einer, der seit 22 Jahren in einem Stadtrat sitzt, der diese Innenstadtproblematik aus täglichem Erleben kennt und daran mitarbeitet, darf ich Ihnen sagen, dass der freiwillige Weg der einzig vernünftige Weg ist. Zusätzliche Vorschriften über das hinaus zu machen, was wir durch innerstädtische Satzungen und baurechtliche Vorschriften schon tun können, ein neues rechtliches Instrument und noch einmal Bürokratie zu schaffen, halte ich im Ansatz für falsch.
Stimmen Sie mir denn nicht zu, dass gerade bei diesem Instrument die Bürokratie völlig im Hintergrund steht, weil es darum geht, gerade dort die Eigeninitiative der Eigentümer zu ermöglichen, indem ich nur einen gesetzlichen Rahmen schaffe? Es geht gar nicht um gesetzliche Detailregelungen und Vorschriften, sondern nur um die Möglichkeit der Eigeninitiative.
Frau Kollegin Gote, ich darf Ihnen an der Stelle noch einmal widersprechen; ich bitte um Nachsicht. Sie heben insbesondere diese freiwillige Arbeit, die sich sozusagen anschließt, noch einmal in den Vordergrund. Lasst es uns doch mit dem Thema „Leben fi ndet Innenstadt“ – wie wir es dokumentiert haben – versuchen. Dies ist doch ein idealer Fall, dass der Landtag nicht ein weiteres Gesetz erlässt, sondern sagt: Wir versuchen gemeinsam, dieses Thema in unseren Innenstädten durch eine freiwillige kooperative Arbeit voranzubringen, wie auch Sie es formulieren. Wenn Sie jetzt mit offenen Augen durch das Land gehen, werden Sie feststellen: Es gibt diese Kooperationen schon.
Natürlich, ich kann Ihnen welche sagen. Ich lade Sie auch gerne in meine Heimatstadt ein, um mit Ihnen das einmal anzuschauen, denn ich sehe, wie optimal das gemacht werden kann. Da halte ich es für nicht gut, dass wir im Landtag permanent von Entbürokratisierung reden, aber gleichzeitig ein neues Gesetz erlassen wollen, wenn
wir wissen, dass die Praxis wunderbar funktioniert. Deswegen darf ich Sie von dieser Stelle aus bitten, diesen Probelauf zu machen. Dann werden wir ein Resümee ziehen. Sie werden mir am Schluss hoffentlich Recht geben müssen, wenn ich sage, dass diese freiwilligen Kooperationen ohne große gesetzliche Rahmenbedingungen optimal funktionieren.
Das bringt mich zu meiner letzten Zusatzfrage: Bei „Leben fi ndet Innenstadt“ handelt es sich nur um eine Handvoll Modellprojekte. Es ist doch richtig, dass sich im Moment keine weiteren Kommunen an diesem Modellprojekt beteiligen und daraus Geld erhalten können?
Liebe Frau Kollegin Gote, jetzt Sie ziehen einen Schluss, der nicht klug ist. Sie reden jetzt über Geld. Das Geld bekommen Sie aber mit dem Gesetz auch nicht.
Wenn Sie heute ein Konzept entwickeln wollen im Sinne von Business Improvement District, dann machen Sie es doch. Rufen Sie nicht ständig nach dem Gesetzgeber, sondern gehen Sie in Ihre Stadt, und wenn Sie kein Modellprojekt haben, machen Sie es trotzdem. Wir haben das zu Hause gemacht, ohne nach dem Gesetzgeber zu rufen. Wenn wir alle nach dem Gesetzgeber rufen, werden wir nicht mehr fertig. Dann machen wir zu viele Gesetze. Dann gilt der alte Satz von Seneca: Zuerst litten wir unter den Verbrechen, und dann litten wir unter den Gesetzen.
Deshalb erwarte ich gerade von Ihnen etwas mehr Zurückhaltung und Konzentration auf diese freiwillige Arbeit.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, dass Innenminister Dr. Beckstein dem Bürgermeister von Oberickelsheim zugesagt hat, dass bei der Bundesstraße 13 an der Gemarkungsgrenze Oberickelsheim und Martinsheim ein Kreisverkehr eingerichtet wird, dabei die Mautpyramide von Mittelfranken nach Unterfranken versetzt wird, und das alles ohne Zustimmung der Gemeinden Marktbreit und Martinsheim?
Ich hoffe, Frau Kollegin Radermacher, dass ich Ihren ortskundigen Sachvortrag richtig aufnehmen kann und entsprechend den örtlichen Gegebenheiten richtig formuliere.
Am 25. April wurden in einem Gespräch unter anderem zwischen dem Bürgermeister der Gemeinde Oberickelsheim, dem Landrat des Landkreises Neustadt/Aisch-Bad Windsheim, einem Fachvertreter des Innenministeriums und Innenminister Dr. Günther Beckstein die fachlichen Gründe erörtert, ob an der Kreuzung der Bundesstraße 13 mit der Staatsstraße 2271 und der Kreisstraße NEA 47 nordwestlich Oberickelsheim ein Kreisverkehrsplatz anstelle des bisher vom Straßenbauamt Ansbach vorgesehenen Linksversatzes gebaut werden soll. Im Ergebnis ist man übereingekommen, dass die besseren fachlichen Gründe für den Bau eines Kreisverkehrsplatzes sprechen. An diesem Gespräch, das von mittelfränkischer Seite initiiert worden war, waren die Gemeinden Martinsheim und Marktbreit nicht beteiligt, weil auf deren Betroffenheit nicht hingewiesen worden war.
Der Vorschlag des Ersten Bürgermeisters der Gemeinde Oberickelsheim, darüber hinaus die Mautpyramide von ihrem jetzigen Standort inmitten der B 13 in die geplante Kreisverkehrsinsel auf mittelfränkischer Gemarkung zu verlegen, wurde insbesondere als weitere Verbesserung für die Verkehrssicherheit gesehen, die deshalb geprüft werden sollte. Der Erste Bürgermeister hat jedoch nicht thematisiert, dass damit auch eine Versetzung der Mautpyramide von unterfränkischem auf mittelfränkisches Gebiet verbunden ist. Über eine derartige Verlegung nach Mittelfranken wurde aber im Gespräch keine Entscheidung getroffen.
Herr Staatssekretär, das heißt, ich kann davon ausgehen, dass der Herr Innenminister eine Verlegung der Mautpyramide von Unterfranken nach Mittelfranken nicht zugesagt hat?
Frau Kollegin Radermacher, ich kann das nicht aus dem unmittelbaren Gespräch berichten, weil ich nicht dabei war. Ich darf nur noch einmal diesen Satz zitieren, dass im Gespräch keine Entscheidung getroffen wurde, sodass ich davon ausgehe, dass der Minister an dieser Stelle auch keine Entscheidung getroffen hat.
Herr Staatssekretär, ich darf davon ausgehen, dass, bevor eine solche Entscheidung getroffen wird, der Minister oder Sie oder Ihr Haus selbstverständlich mit den beiden Gemeinden in Unterfranken Kontakt aufnehmen und das besprechen werden, und dass man uns nicht auf kaltem Wege unsere Mautpyramide wegnimmt.
Als Schwabe kann ich relativ gelassen antworten, Frau Kollegin Radermacher. Ich darf Ihnen das so zusagen.
Ich darf als Letztes aufrufen das Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Frauen, Frau Staatsministerin. Bitte schön, Frau Kollegin Werner-Muggendorfer, Sie waren schon von Anfang an da. Dann nehmen wir die Frage noch dran.
Frau Ministerin, was geschieht, wenn eine Gemeinde keine Bedarfsfeststellung im Zuge des neuen Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes – BayKiBiG – für ihren Einzugsbereich durchführt, werden dann die bis jetzt bestehenden Betreuungsplätze nicht mehr vom Staat gefördert, oder welche Sanktionsmöglichkeit vonseiten der Aufsichtsbehörde gibt es?
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach Artikel 5 und Artikel 7 BayKiBiG besteht für die Gemeinden die objektive Verpfl ichtung, eine Bedarfsplanung durchzuführen und die nach der Bedarfsfeststellung notwendigen Plätze in Kindertageseinrichtungen und in der Tagespfl ege rechtzeitig zur Verfügung zu stellen. Die Verpfl ichtung zur Durchführung der Bedarfsplanung ist kommunalaufsichtlich durchsetzbar.
Außerdem hat der einzelne Träger bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Anspruch gegen die Gemeinde auf Anerkennung der Bedarfsnotwendigkeit seiner Plätze. Diesen Anspruch kann der Träger gegebenenfalls auch gerichtlich durchsetzen, wobei wir nicht hoffen, dass es dazu kommen muss.
Hat eine Gemeinde keinerlei Schritte zur Durchführung einer Bedarfsplanung eingeleitet, ist sie grundsätzlich verpfl ichtet, auf Antrag des jeweiligen Trägers jeden Platz zu fi nanzieren, da sie nicht begründen kann, dass für den Platz die Bedarfsnotwendigkeit fehlt. Das heißt, sie ist schlicht und einfach verpfl ichtet zu zahlen.
Unabhängig von der Anerkennung der Bedarfsnotwendigkeit bestimmter Plätze durch die Gemeinde besteht eine kommunale Finanzierungspfl icht für bestimmte Plätze aufgrund folgender Tatbestände:
Im Rahmen der Übergangsregelung des § 3 Absatz 3 Nummer 3 BayKiBiG und Änderungsgesetz gelten Plätze in bis zum Stichtag 31. Juli 2005 anerkannten Kinder
gärten bis zum 31. August 2008 als bedarfsnotwendig im Sinne des Artikels 22 Absatz 1 BayKiBiG – Sie kennen das, das ist die so genannte Bedarfsfi ktion, die wir auch gemacht haben. Die Einrichtungen erhalten bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen bis 31. August 2008 sowohl kommunale als auch staatliche Förderung unabhängig von der Bedarfsplanung der Gemeinde. Das sind die Übergangsregelungen, die insbesondere für den Bereich Waldorf-, Montessori- und Waldkindergärten von Bedeutung sind.
Daneben kann sich auch aus der Gastkinderregelung des Artikels 23 Absatz 1 oder Absatz 4 BayKiBiG eine Finanzierungsverpfl ichtung der Gemeinde ergeben. Dies ist dann der Fall, wenn die Gemeinde entweder nicht selbst über eine für die Bedarfsdeckung ausreichende Zahl von Plätzen verfügt oder aber wenn ein durch zwingende persönliche Gründe bedingter Ausnahmefall vorliegt, in dem sie sich bei fehlerfreier Ermessensausübung zur Förderung einer Auswärtsbetreuung bereit erklären muss. Erfolgt die fi nanzielle Förderung durch die Gemeinde, wird selbstverständlich auch der staatliche Anteil gewährt.