Protokoll der Sitzung vom 18.05.2006

(Christa Naaß (SPD): Der hat auch die Dienstrechtsreform auf den Weg gebracht!)

Wir alle miteinander wissen – und das ist Konsens in diesem Lande, aber bei Ihnen ist es offenbar noch nicht angekommen –, dass der Weg der Arbeitszeitverkürzung falsch ist.

Die Arbeitszeit ist also der Kernpunkt der Auseinandersetzungen. Bei der ideologischen Vorfestlegung war es von Anfang an sehr schwierig, mit Verdi darüber zu reden.

(Christa Naaß (SPD): Herr Faltlhauser, vielleicht kommen Sie auf unseren Antrag zurück!)

Bitte überlassen Sie es doch mir, was ich sage. Ich bin ein freier Abgeordneter dieses Hauses und darf das sagen, was ich will, und nicht das, was die Opposition will.

(Beifall bei der CSU – Christa Naaß (SPD): Zur Sache wäre aber trotzdem schön!)

Es ist auch nicht immer leicht, Ihnen und Ihren Kollegen zuzuhören. Tun Sie es also auch bei mir. Ich bitte, mit Ihrer Genehmigung wieder ansetzen zu dürfen.

Nachdem die Verhandlungen zunächst schwierig waren, ist nunmehr eine gewisse Bewegung eingetreten. Das macht mich für den heutigen Tag und für die nächsten Tage etwas optimistischer. Bewegung ist dadurch hereingekommen, dass man den Istzustand, den es in den verschiedenen Ländern bei der Arbeitszeit gibt, festschreiben will. Bei uns in Bayern arbeiten 25 % unserer Angestellten 42 Stunden. Der Rest arbeitet 38,5 Stunden. Bei den Ärzten ist es noch differenzierter und statistisch noch komplizierter. Wenn man das alles zusammenrechnet, kommt man auf einen bestimmten Durchschnitt, wie viel in Bayern von den Angestellten gearbeitet wird. Dies will Verdi offenbar auch als Grundbasis anerkennen, sodass wir im Ergebnis schon eine gewisse regionsspezifi sche Ausgangssituation und Öffnungsklausel haben. Das ist ein sehr intelligenter Gedanke. Auf diese Ausgangsbasis muss man natürlich einen gleichgewichteten Prozentsatz draufrechnen. Dies ist von den Gewerkschaften mittlerweile auch anerkannt. Ich könnte mir vorstellen, dass wir auf diese Weise vorankommen.

Für den Freistaat Bayern heißt das aber, dass bei einer derartigen Vorgehensweise – ich wiederhole das, was meine Vorredner aus der Union schon gesagt haben – die Vier am Anfang der Zahl stehen muss. Das ist unsere Forderung und übrigens auch die Forderung anderer Länder. Bayern ist hier nicht der Scharfmacher. Wir haben uns in diesen Verhandlungen durchaus mit den übrigen Ländern eingehakt. Frau Naaß, unser Ziel bei diesen Verhandlungen ist nicht die 42-Stunden-Woche. Das habe ich nie gesagt, ich habe es auch an dieser Stelle noch nie gesagt. Wir haben immer gesagt, dass für uns die Vier davorstehen muss. Das sind 40 Stunden mit irgendeiner Kommastelle. Wenn das so ist, geht es aber tatsächlich nur um 18 Minuten. Das ist keine Polemik. Ich bleibe dabei, es geht um 18 Minuten, und die sind vertretbar.

Mit einem dramatischen Tremolo wird hier dargestellt, was das für eine Zumutung für die Arbeitnehmer sei. Blicken Sie doch in die neuen Länder hinüber. Seit 1990 arbeiten die Angestellten im öffentlichen Dienst in den neuen Ländern 40 Stunden in der Woche. Sind die in der Zeit blasser und kränker geworden? Ich glaube es nicht. Das ist zumutbar. Ich halte es für zumutbar, dass hier 40 Stunden gearbeitet werden, wenn auch drüben in den neuen Ländern für weniger Geld – das sage ich hinzu – 40 Stunden gearbeitet wird. Das nenne ich eine Art von Wiedervereinigung in der Arbeitszeit.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, wir schauen danach, was herauskommt. Wir sind konstruktiv bei den Verhandlungen. Ich habe Gespräche geführt. Ich bin nicht der Verhandler. Wir stehen aber an der Seite der übrigen Verhandler in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder. Wir haben nicht angekündigt, dass wir austreten, sonst hätten wir von vornherein alleine verhandeln können. Die Tarifgemeinschaft ist sich einig, und ich nehme an, dass Sie das auch heute wieder beweisen wird.

Eine besondere Situation gibt es bei den Ärzten. Für sie sind die Verhandlungen in München sehr weit fortgeschritten gewesen. Ich habe mich da kurzfristig in die Verhandlungen eingeschaltet, obwohl ich nicht zuständig war. Ich war aber Gastgeber, und deshalb habe ich mit beiden Seiten geredet und gute Gespräche geführt. Bei den Ärzten gibt es das Problem, dass in der Organisation der Kliniken zum Teil unzulängliche Zustände geherrscht haben oder herrschen. Diese Problematik ging insbesondere zulasten junger Ärzte. Deshalb bin ich durchaus der Auffassung, dass man diese Problematik mit zweistelligen Steigerungsraten bereinigen kann. Allerdings muss man dabei zugunsten der Ärzte auch sehen, dass die 20 oder 22 %, die immer genannt werden, am Jetzt-Zustand gemessen werden. Wenn ich es an dem Zustand messe, der bestand, bevor der Tarifvertrag ausgelaufen ist, ist die Steigerung nicht allzu hoch. Hier haben wir einen gewissen Nachholeffekt. Bei den Ärzten würde ich es mir wünschen, dass wir mit dem Marburger Bund sehr schnell zu einem Ergebnis kommen. Es ist nicht erträglich, dass die Ärzte, die sehr stark motiviert und streikbewusst geworden sind, die Krankenhäuser zulasten der Patienten gewissermaßen lahm legen. Das ist in unserer Gesellschaft nicht verträglich. Ich glaube aber, wir sind näher an einem Ergebnis, als man es vermuten kann.

Zurück zu verdi. Es hat lang genug gedauert, und deshalb wird es Zeit, dass wir zu einem Ergebnis kommen. Darin sind wir uns sicherlich einig. Das Ergebnis muss aber auch stimmen. Vor allem muss auch die Arbeitszeit stimmen. Ich werde alle meine bescheidenen Möglichkeiten, in diesen Verhandlungskreis hineinzuwirken, einsetzen, um ein Ergebnis zu bekommen. Insofern sind Sie mit Ihrem Antrag sicherlich in die richtige Richtung gegangen. Zustimmen kann man dieser Formulierung insbesondere wegen der Begründung natürlich nicht.

(Beifall bei der CSU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die gemeinsame Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

Wer dem SPD-Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/ 5549 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Ich bitte, die Gegenstimmen anzuzeigen. – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Nun lasse ich noch über den Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 15/4766 abstimmen; das ist Tagesordnungspunkt 17. Der federführende Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes empfi ehlt die Ablehnung des Dringlichkeitsantrags. Wer entgegen dieser Empfehlung dem Dringlichkeitsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Ich bitte, die Gegenstimmen anzuzeigen. – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Folgen der Umstrukturierung der Reviere bei den Bayerischen Staatsforsten aufklären (Drs. 15/5550)

Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Heidi Lück, Gudrun Peters u. a. u. Frakt. (SPD) Forstreform (Drs. 15/5555)

Der Antrag auf Drucksache 15/5555 ist der nachgezogene Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion. Eine Aussprache hierzu fi ndet nicht statt. Wir kommen sofort zur Abstimmung.

(Thomas Kreuzer (CSU): Ist der Antrag geändert? – Gegenruf des Abgeordneten Dr. Christian Magerl (GRÜNE): Der Antrag der GRÜNEN ist geändert worden! – Thomas Kreuzer (CSU): Wie vereinbart? – Alles klar!)

Ich lasse zunächst über den Dringlichkeitsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 15/

5550 abstimmen. Dabei sollen folgende Änderungen berücksichtigt werden: Im Einleitungssatz des Antrags soll das Wort „schnellstmöglich“ durch die Worte „vor der abschließenden Beschlussfassung durch den Aufsichtsrat der Bayerischen Staatsforsten“ ersetzt werden. Wer dem Dringlichkeitsantrag mit dieser Änderung seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist einstimmig. Ich bitte, die Gegenstimmen anzuzeigen. – Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Dringlichkeitsantrag in der geänderten Fassung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 15/5555. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Soweit ich das sehe, besteht auch hier Übereinstimmung. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dieser Dringlichkeitsantrag ist damit einstimmig angenommen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir am Ende der Beratung der Dringlichkeitsanträge, aber noch nicht am Ende der Tagesordnung. Die Dringlichkeitsanträge, die nicht mehr behandelt wurden, werden an die zuständigen Ausschüsse überwiesen.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung die Tagesordnungspunkte 20, 21, 22, 23 und 24 auf:

Antrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Flüchtling in Bayern – Für eine Politik der Würde Antrag 1: Bleiberechtsregelung für langjährige Asylsuchende und Geduldete (Drs. 15/4872)

Antrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Flüchtling in Bayern – Für eine Politik der Würde Antrag 2: Keine Rückführung von Flüchtlingen in den Irak und nach Afghanistan (Drs. 15/4873)

Antrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Flüchtling in Bayern – Für eine Politik der Würde Antrag 3: Keine Zwangsrückführungen in das Kosovo (Drs. 15/4874)

Antrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Flüchtling in Bayern – Für eine Politik der Würde Antrag 4: Sofortiger Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Togo (Drs. 15/4875)

Antrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Flüchtling in Bayern – Für eine Politik der Würde Antrag 5: Sofortiger Abschiebestopp für Altfälle in Bayern (Drs. 15/4930)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Ich muss der Form halber darauf hinweisen, dass im Ältestenrat eine Redezeit von 30 Minuten pro Fraktion vereinbart wurde. – Bitte, Frau Kollegin Scharfenberg.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Ich bitte Sie, Ruhe einkehren zu lassen, damit wir mit den Beratungen fortfahren können.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Innenministerkonferenz, die vor kurzem in Garmisch-Partenkirchen stattfand, hat das Thema des Bleiberechts für langjährig geduldete Flüchtlinge erneut auf die lange Bank, nämlich bis Ende November, geschoben. Auch Sie, Herr Beckstein, waren mit von der Partie, als sich die erlauchte Runde wieder einmal vor einer Entscheidung gedrückt hat. Dabei liegen die Fakten längst auf dem Tisch. Durch das Zuwanderungsgesetz wurden die so genannten Kettenduldungen nicht abgeschafft. Eigentlich sollte unser Zuwanderungsgesetz die Kettenduldungen beenden. Nach 18 Monaten Duldung sollte eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden. Bislang haben aber nur wenige Flüchtlinge auf diesem Wege eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Eine bundesweite Regelung, die für alle Betroffenen Rechtssicherheit schaffen könnte, scheiterte bislang am Widerstand der Union. Auch in Bayern leben mehrere Tausend Menschen seit mehr als fünf Jahren mit dem prekären Status der Duldung. Dies ist die unsicherste Möglichkeit des Aufenthalts.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das bedeutet, dass die Abschiebung nur vorübergehend ausgesetzt ist. Ich möchte noch einmal betonen: Es handelt sich um Menschen, die sich seit Jahren wirtschaftlich und sozial hier bei uns in Bayern integriert haben. Nicht nur für die Kinder würde die Rückkehr in das Heimatland ihrer Eltern eine persönliche Härte bedeuten. Oft sprechen sie die Sprache nicht oder nur ungenügend. Sogar der ehemalige Bundesinnenminister Schily, bekanntermaßen ein guter Freund von Günther Beckstein, hatte einen Vorstoß unternommen, um diesen Kindern ein Bleiberecht zu garantieren.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Gerade für Familien, die aus verschiedensten Gründen nicht in ihr Herkunftsland zurückgeführt werden können, stellt die derzeitige Praxis der Kettenduldungen eine Zumutung dar.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Es ist mehr als absurd – geradezu unmenschlich ist es –, dass einerseits an die Integrationsbereitschaft von Migrantinnen und Migranten allenthalben und auf jeder Ebene appelliert wird und andererseits gut integrierte Menschen, die einen Großteil ihres Lebens in Bayern verbracht haben, in ein ihnen völlig fremdes Land abgeschoben werden. Ich bin der Überzeugung, dass die Innenminister nicht mehr sehr viel länger um ein Bleiberecht herumkommen werden. Die Arbeit im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden bringt es regelmäßig an den Tag. Wir erleben es jede Woche: Die breite Unterstützung der Forderung nach einem Bleiberecht aus Schulen, Kirchen, von Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften macht es Politik und Verwaltung immer schwerer, die Abschiebung von Menschen nach einem langjährigen Aufenthalt gegen heftige Kritik aus der Öffentlichkeit durchzusetzen. Die

Innenminister tragen aber ihre Untätigkeit bzw. die mangelnde Fähigkeit, sich zu einigen, auf dem Rücken der Betroffenen aus. Das nehmen die einfach nicht mehr länger hin.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist es, was uns GRÜNE – und nicht nur uns – wütend macht, so geschehen auch im Falle der Härtefallkommission: Alle Kirchen, alle Wirtschaftsverbände und Organisationen haben eine Härtefallkommission gefordert. Fast alle Bundesländer haben diese bereits. Als eines der letzten Länder will Bayern – will! – die Härtefallkommission in Zukunft einführen, aber mit einer grottenschlechten Vorgabe aus dem Hause Beckstein. Das wollen wir einfach nicht. Wir wollen eine andere Vorgabe haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie stellen Sie sich die Arbeit einer Härtefallkommission praktisch überhaupt vor?

Der Härtefall soll schon in der Kommission behandelt werden – immerhin –, aber nun zur Härte an und für sich, meine Damen und Herren. Ein Ausländer, der abgeschoben werden soll, dessen Fall sich deswegen in der Kommission befi ndet, darf den Ausgang der Behandlung in der Kommission im Ausland abwarten, nicht aber in Deutschland. Bei positivem Beschluss darf er dann wieder einreisen.

Das ist nicht im Sinne des Erfi nders. Das ist eine Farce. Ich denke an den Chinesen, der der Falun-Gong-Glaubensgemeinschaft angehörte und von uns abgeschoben wurde. Er landete gleich nach seiner Heimkehr in China für drei Jahre im Arbeitslager. Wenn wir das so verstehen, dass dieser Mensch erst einmal abgeschoben wird, im Arbeitslager landet und dann bei einer positiven Bescheidung durch die Härtefallkommission wieder nach Deutschland geholt werden soll, dann fi nden wir ihn vielleicht nicht mehr. Der Mensch ist dann verschollen. – Herr Dr. Beckstein, ich meine, dass Sie sich sehr überschätzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)