Protokoll der Sitzung vom 21.06.2006

Die Einnahmen aus der Abwasserabgabe stellen einen Teil des Haushalts des Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz dar. Aus diesem Aufkommen werden Maßnahmen der Abwasserreinigung fi nanziert, um auch die Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie bis 2015 zu erreichen.

Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts – der Herr Staatsminister hat darauf hingewiesen – vom Januar 2004 erhalten nun die Kommunen die Möglichkeit, Gewässerschutzinvestitionen mit der geschuldeten Abwasserabgabe zu verrechnen. Aus Sicht des Haushalts ist dies insofern problematisch, als dies Rückwirkungsmöglichkeiten enthält – ob es drei Jahre oder mehr bzw. weniger sind ist noch die Frage, das ist rechtlich noch nicht geklärt. Wenn es aber mehr als drei Jahre wären, wäre das auch problematisch.

Mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Abwassergesetzes wollen wir das Aufkommen aus der Abwasserabgabe im Haushalt stabilisieren. Dies soll vor allem deshalb geschehen, um denjenigen Kommunen im ländlichen Raum zu helfen, die bisher fi nanziell nicht in der Lage waren, notwendige Investitionen ohne einen entsprechenden Anteil staatlicher Fördermittel zu tätigen. Diese Einnahmeausfälle gefährden vor allen Dingen die zügige Abfi nanzierung gemäß unserer RZKKA, den unbürokratischen Richtlinien für Zuwendungen zu Kleinkläranlagen vor allem im ländlichen Raum. Gerade dies erfährt zurzeit eine große Akzeptanz und ist, wie bekannt, eine kostengünstige Alternative zur Lösung der Abwasserthematik im Außenbereich.

Mit der Änderung des Ausführungsgesetzes soll die Verrechnungsmöglichkeit nicht aufgehoben, sondern zeitlich stärker begrenzt werden, und zwar auf ein Jahr. Das ist für Entscheidungen für geplante Maßnahmen und im Hinblick auf Haushaltsberatungen in den Kommunen akzeptabel. Durch die Beratung und Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs wollen wir vor allen Dingen Rechtssicherheit im Hinblick auf das Aufkommen der Abgabe erreichen, damit feststeht, was im Rahmen der Zweckbindung zur Verfügung steht. Mit diesem Änderungsgesetz wollen wir auch klar regeln, dass Kommunen selbst entscheiden, ob sie für eine Maßnahme eine Verrechnung wünschen oder ein staatliches Förderprogramm in Anspruch nehmen wollen. Ich denke, klare Verhältnisse sind für beide Seiten besser.

Mit dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts besteht ohne eine Änderung des Ausführungsgesetzes die Gefahr eines erheblichen Verwaltungsaufwands, wenn Verrechnung und Förderung bezüglich ein und derselben Maßnahme im Nachhinein noch einmal bearbeitet werden müssen. Wir halten diesen Gesetzentwurf für notwendig

und hoffen auf eine möglichst einvernehmliche Beratung im federführenden Ausschuss.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Kamm.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Kommunen und die Abwasserbetriebe in den Kommunen haben sich zunächst über das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.01.2004 gefreut. Die Verrechnungsmöglichkeiten von Investitionen bezüglich der Kanalinvestitionen mit der Abwasserabgabe wurden für den Zeitraum von drei Jahren rückwirkend deutlich erweitert. Die Freude der Abwasserbetriebe in den Kommunen währte jedoch nur kurze Zeit. Zum einen ist es außerordentlich ärgerlich, wenn es trotz dieses Urteils immer noch unterschiedliche Auffassungen gibt und keine Einigung zwischen der Staatsregierung und den Kommunen über die Frage besteht, welche Rückzahlungsansprüche der Kommunen zulässig sind und welche nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Zweiten haben viele Kommunen Probleme, weil die Wasserwirtschaftsämter derzeit Förderbescheide, die schon einmal ergangen sind, vorsorglich zurücknehmen bzw. widerrufen und sich die Kommunen bezüglich der Gebührenkalkulation und der Bestandskraft von Gebührenbescheiden in einem schwebenden Zustand befi nden. Die Abwasserbetriebe in den Kommunen haben sich über das Gerichtsurteil zunächst einmal gefreut und nutzten es. Doch die Möglichkeit, es zu nutzen ist auch deshalb nicht von langer Dauer, weil die Staatsregierung mit diesem Gesetzentwurf erreichen will, dass diese Förderrichtlinien so geändert werden, dass Kommunen, die die Verrechnungsmöglichkeiten nutzen, keine Förderung für ihre Abwasseranlagen bekommen.

Herr Schnappauf, ich muss darauf hinweisen, dass es keinen Automatismus zwischen der Höhe der Abwasserabgabe, den Einnahmen des Staates und der Förderung für Kleinkläranlagen und beim Hochwasserschutz gibt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es geht nicht an, dass Sie sich auf andere Weise zulasten der Kommunen eins zu eins wieder das holen, was den Kommunen durch ein Gerichtsurteil an Gestaltungsmöglichkeiten zugesprochen worden ist.

Zu den Kleinkläranlagen möchte ich sagen: Es wäre wünschenswert, wenn diese mehr gefördert und in stärkerem Maße errichtet würden. Wir erleben jedoch im Innenausschuss, wie sich Bürgerinnen und Bürger mit Hilfe von Petitionen dagegen wehren, dass stark geförderte Großerschließungsanlagen, die wesentlich teurer sind als Kleinkläranlagen, auch zulasten des Staates gefördert werden. Wir hatten zuletzt im Innenausschuss über ein Beispiel aus dem Bayerischen Wald diskutiert, bei dem ich hoffe, dass es zu einer anderen Lösung kommt, als bisher aufgezeigt worden ist.

Man kann sagen – Herr Wörner hat das ausgeführt –, hier bestünden Schwierigkeiten durch Ihr Gesetz im Hinblick auf die Rechtssicherheit für zukünftige Investitionen im Abwasserbereich.

Noch viel schwieriger ist die Übergangsregelung in Ihrem Gesetzentwurf, die vorsieht, dass rückwirkend ab dem 01.01.2004 – wohlgemerkt: ab einem Zeitpunkt noch vor diesem Gerichtsurteil – Zuwendungen gekürzt oder gestrichen werden sollen. Die Kommunen haben auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vertraut und Verrechnungsmöglichkeiten genutzt. Sie konnten dabei auch darauf vertrauen, dass dadurch keine Kürzungen ihrer Investitionen erfolgen, weil sie natürlich von der seinerzeitigen Rechtslage ausgingen. Jetzt wollen Sie praktisch rückwirkend die Zuschüsse kürzen. Das ist außerordentlich problematisch, weil die Gebührenkalkulationen für diese Jahre schon erfolgt und die Gebührenbescheide ergangen sind.

Mit Ihrem Gesetzentwurf schaffen Sie eine Ungleichbehandlung von Kommunen mit Verrechnungsmöglichkeit und ohne Zuwendungsberechtigung einerseits und Kommunen mit Verrechnungsmöglichkeit und anstehender rückwirkender Zuwendungskürzung andererseits. Sie schaffen erhebliche Verwerfungen in der Beitragskalkulation von Abwasserabgaben an die Gebührenschuldner. Ihr Gesetzentwurf führt zu erheblichen Deckungslücken bei den Gebührenschuldnern, weil bestehende Verträge zur Abwälzung des über Beiträge nicht zu erwirtschaftenden Investitionsaufwands nicht mehr nachträglich geändert werden können. Diese Übergangsregelung muss gestrichen werden. Auch andere Abschnitte dieses Gesetzentwurfs – Herr Wörner hat es ausgeführt – sind außerordentlich problematisch und fragwürdig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Aussprache ist geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz als federführendem Ausschuss zu überweisen. – Ich sehe keinen Widerspruch. Das ist so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 d auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (Drs. 15/5674) – Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Staatsregierung begründet. Das Wort hat Herr Staatsminister Schneider.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Bayerische Staatsregierung bringt in Erster Lesung einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen ein. In diesem Gesetzentwurf werden eine Reihe bildungspolitischer Vorhaben und Themen aktueller Art behandelt, die zum Teil durch Landtagsbeschlüsse erforderlich sind. Eine Verbandsanhörung und ein Kostenabstimmungsgespräch sowie ein Konsultationsverfahren mit den kommunalen Spitzenver

bänden haben stattgefunden. Die Ergebnisse des Kostenabstimmungsgesprächs mit den kommunalen Spitzenverbänden sind in das Vorblatt eingefügt. Als Ergebnis konnte in Übereinstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden festgehalten werden, dass kein Kostenausgleich dazu erforderlich ist.

Nun einige Anmerkungen zu den Schwerpunkten des Gesetzentwurfs, zunächst zu Punkt eins: Wir wollen verbindliche Sprachstandserhebungen bei Kindern mit Migrationshintergrund und eine Förderung im Kindergarten oder in der Grundschule einrichten. Wenn man bei der Einschulung feststellt, dass ein Kind, das den Vorkurs nicht besucht hat, nicht über hinreichende Deutschkenntnisse verfügt, kann dieses Kind zurückgestellt und zum Besuch eines Vorkurses verpfl ichtet werden. Wenn nach dem Besuch eines Vorkurses immer noch keine ausreichenden Deutschkenntnisse vorhanden sind, wird geprüft, ob ein sonderpädagogischer Förderbedarf vorliegt. Wenn das nicht der Fall ist, wird eine Förderung in so genannten Deutschförderklassen oder in Deutschförderkursen durchgeführt. Diese Förderung fi ndet zeitweilig auch in getrennten Klassen statt, um die Deutschkenntnisse auf ein möglichst gutes Niveau zu bringen.

(Simone Tolle (GRÜNE): Und woher kommt das Personal?)

Der zweite Punkt ist ein Nutzungsverbot von Mobilfunktelefonen im Unterricht und auf dem Schulgelände und von sonstigen digitalen Speichermedien, soweit sie nicht für Unterrichtszwecke verwendet werden. Dieses Thema wurde in den vergangen Monaten sehr intensiv diskutiert. Die Auslöser sind hier im Landtag allen bekannt, sodass ich in der Ersten Lesung nicht weiter darauf eingehen möchte. Die Sanktionsmöglichkeit, dass die Schule für eine vorübergehende Zeit Handys wegnehmen kann, wurde bislang an Schulen, die schon seit Jahren ein Nutzungsverbot praktiziert haben, sehr erfolgreich eingesetzt.

(Zuruf der Abgeordneten Simone Tolle (GRÜNE))

Natürlich müssen begleitende Maßnahmen in der gesamten Medienerziehung stattfi nden. Deshalb wird die pädagogische Medienarbeit an unseren Schulen nach wie vor Priorität haben. Auch Informationen für Lehrkräfte und insbesondere für Eltern sind notwendig, damit sie über neueste Entwicklungen und Möglichkeiten im Bereich von Mobilfunktelefonen Bescheid wissen.

Punkt drei: Der Gesetzentwurf enthält eine Klarstellung für Bemerkungen und Bewertungen des Sozial- und Arbeitsverhaltens. Künftig wird es möglich sein, Bemerkungen oder Bewertungen in Form von Ziffern oder in anderer Form auch in Grundschulzeugnisse und in Zeugnisse anderer Schularten aufzunehmen.

Punkt vier betrifft die Schülerzeitungen. Dazu gab es einen Beschluss des Bayerischen Landtags. Es wird unterschieden, ob eine Schülerzeitung als Einrichtung der Schule oder als Druckwerk im Sinne des Bayerischen Pressegesetzes behandelt wird. Wenn sie als Druckwerk im Sinne des Bayerischen Pressegesetzes eingeführt

wird, muss man auf die Haftungsbestimmungen achten. Dabei ist es sehr wichtig, dass auch die Eltern, vor allem von minderjährigen Schülern, darüber informiert werden, welche Konsequenzen diese Haftungsbestimmungen haben. Unabhängig davon, ob eine Schülerzeitung eine Einrichtung der Schule ist oder ein Druckwerk im Sinne des Bayerischen Pressegesetzes, soll eine beratende Lehrkraft zur pädagogischen Unterstützung der Schüler zur Verfügung stehen.

Punkt fünf betrifft die Sicherung von Erziehung und Disziplin. In Artikel 86 haben wir für eine Klarstellung und eine Erweiterung gesorgt, dass nämlich ein Schulausschluss von zwei bis vier Wochen ab dem siebten Schulbesuchsjahr möglich ist. Ein Ausschluss von mehr als vier Wochen kann nur im Einvernehmen mit dem Träger der örtlichen Jugendhilfe geschehen. Der Gesetzentwurf sieht auch die Möglichkeit vor, im Einvernehmen mit dem Träger der örtlichen Jugendhilfe die Schulpfl icht zu beenden. Das gilt nur für Schülerinnen und Schüler, die in ganz besonderer Weise den Bildungsanspruch der anderen Schüler gefährden. Wenn der Bildungsanspruch der anderen Schüler schwerwiegend und dauerhaft beeinträchtigt wird, kann der Ausschluss auf Antrag der Lehrerkonferenz beschlossen werden. Zuvor müssen die schulischen Beratungsfachkräfte gutachtlich gehört werden. Es besteht auch die Möglichkeit, diese Maßnahme bei einer Besserung wieder aufzuheben.

Der Gesetzentwurf enthält weitere Themen, zum Beispiel die Möglichkeit, dass die Punktebewertung auch in der Fachoberschule und der Berufsoberschule möglich sein wird. Auch dies ist eine Umsetzung eines Landtagsbeschlusses.

Es wird festgelegt, dass die Teilnahme an Leistungsvergleichen und an der Feststellung des Bildungsstandards nicht nur für öffentliche Schulen, sondern auch für Privatschulen verpfl ichtend ist. Wir werden den Privatschulen das Recht einräumen, ihren hauptamtlich eingestellten Lehrkräften das Führen von Berufsbezeichnungen zu gestatten, wie sie auch im Staatsministerium bei den staatlichen Lehrkräften üblich ist.

Wir werden das Zulassungsverfahren für Schulbücher für den fachlichen Unterricht in berufl ichen Schulen entfallen lassen.

So die Vorschläge. Außerdem ist in dem Gesetzentwurf eine Reihe von redaktionellen Änderungen vorgesehen.

Ich erwarte eine ausführliche Diskussion in den Ausschüssen; diese ist notwendig, weil eine Vielzahl wichtiger pädagogischer Maßnahmen in den Gesetzentwurf zum Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz aufgenommen werden wird. Ich selbst werde mich an der Aussprache intensiv beteiligen.

(Beifall bei der CSU)

Wir kommen zur Aussprache. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Pfaffmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatsminister, Sie können sich darauf verlassen, dass wir in dieser Frage eine intensive Diskussion führen werden.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben erklärt, Sie würden eine Reihe von pädagogischen, also bildungspolitischen, Maßnahmen vorschlagen. Das ist falsch: Das, was Sie vorschlagen, ist eine Reihe von ordnungspolitischen Maßnahmen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, hier wird ganz deutlich, die Staatsregierung geht immer mehr dazu über, Bildungspolitik mit Ordnungspolitik zu verwechseln.

(Beifall bei der SPD)

Ich werde darauf in den Ausschussberatungen eingehen.

Dieser Gesetzentwurf ist von großer Brisanz. Deshalb wird auch die Öffentlichkeit erheblichen Anteil an der Diskussion nehmen. Natürlich hat der Gesetzentwurf auch einige positive Aspekte, das will ich Ihnen gern bescheinigen. Ich denke zum Beispiel an die nach vielen Jahren durchgesetzte Wahlmöglichkeit bei der Schülerzeitung. Sie haben zehn Jahre gebraucht, um das auf die Reihe zu bekommen. Herzlichen Glückwunsch – so lang dauert es bei der Staatsregierung, eine von allen gewünschte, vernünftige Änderung umzusetzen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist durchaus anerkennenswert, und auch einige redaktionelle Änderungen sind durchaus akzeptabel. In einigen Punkten haben Sie allerdings stark in die Mottenkiste der Politik gegriffen. Ich will ein paar Dinge ansprechen, um die es in den Ausschussberatungen wahrscheinlich hauptsächlich gehen wird. Die Sprachstandserhebung ist in Ordnung. Selbstverständlich muss man prüfen, inwieweit Kinder mit Migrationshintergrund die deutsche Sprache beherrschen. Ich bin auch der Meinung, wenn man eingeschult wird, ist die deutsche Sprache die Grundlage, um dem Unterricht folgen zu können. Darin sind wir uns alle einig. Wenn man aber die Sprachstandserhebung erst bei der Einschulung durchführt, dann ist das viele Jahre zu spät.