Protokoll der Sitzung vom 06.07.2006

Die Opposition muss sich sagen lassen, dass mit dem LEP keine Änderung unserer Haltung in den politischen Sachfragen ansteht, weder beim Donauausbau noch beim Transrapid noch bei der 3. Startbahn in München II noch bei irgendwelchen anderen Themen.

Mit dem neuen LEP schreiben wir einerseits die seit 30 Jahren bewährten Linien des LEP fort – deshalb sprechen wir auch von Fortschreibung –, auf der anderen Seite beginnen wir aber einen Strategiewechsel, der einen Reformprozess einleitet, mit dem wir auf die vor allem durch Globalisierung und demographische Entwicklung verursachten Änderungen unserer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eingehen.

Das LEP wurde vor 30 Jahren in Zeiten des wirtschaftlichen Booms und einer verbreiteten Planungsgläubigkeit zur räumlichen Strukturierung der gesellschaftlichen Entwicklung geschaffen. Wir alle kennen die Veränderungen, die seither eingetreten sind und uns vor allem in der Zukunft beschäftigen werden. Die Globalisierung sowie die demographische Entwicklung machen eine Dynamisierung und Flexibilisierung der Landesentwicklung und rascheres Reagieren des Staates notwendig. Deshalb erfolgt ein Strategiewechsel in der Landesplanung hin zu kürzeren Zeitabständen und Teilfortschreibungen des LEP.

Teilfortschreibungen sind übrigens nichts Neues. Im Jahr 1984 fand zum Beispiel bereits eine Teilfortschreibung des LEP in Teil B und im Jahr 1988 eine Teilfortschreibung unter anderem zum Einzelhandelsziel statt. Der jetzt in Gang gesetzte Reformprozess wird als Teil

des Projekts der Verwaltungsreform 21 der Staatsregierung eingeleitet mit einer Deregulierung und Verschlankung sowie mit der vom Bundesraumordnungsgesetz normierten Differenzierung in Ziele und Grundsätze.

Das bedeutet zum Beispiel den Verzicht auf Doppelregelungen. Was schon in anderen Gesetzen steht, muss nicht auch noch im LEP stehen. Ich nenne nur das Waldgesetz, das Krankenhausgesetz usw. Es bedeutet auch den Verzicht auf überfachliche Ziele, den Verzicht auf gebietsbezogene Ziele, den Verzicht auf nicht raumbedeutsame Ziele, den Verzicht auf Ziele zur Verwaltung, Gerichtsbarkeit, öffentlichen Sicherheit und Ordnung, den Verzicht auf Ziele, die nicht landesweit relevant sind, und den Verzicht auf Ziele, die sich überwiegend an Private richten.

Ich freue mich, dass Professor Ulrich Ante von der Uni Würzburg diese Verschlankung in einem Interview der heutigen „Süddeutschen Zeitung“ positiv bewertet. Hätte die Opposition diesen Reformansatz von Deregulierung, Verschlankung und Differenzierung nur ein bisschen verinnerlicht, dann hätte sie eine große Zahl ihrer Anträge von vornherein gar nicht stellen dürfen.

Nun kurz zu Schwerpunkten dieses Landesentwicklungsprogramms. Erstens: Wir halten an dem Ziel der Schaffung und Erhaltung gleichwertiger Lebens- und Arbeitsbedingungen im ganzen Land fest, auch wenn sich in der Wissenschaft dazu die kritischen Stimmen mehren. Ich verweise noch einmal auf das Interview von Herrn Professor Ante, der genau die Gegenposition vertritt. Übrigens wird, ganz erstaunlicherweise, auch in der Schweizer Raumordnungsdiskussion heute darüber geredet, ob man nicht Alpentäler, die nicht zu halten sind, aufgibt.

Wir wissen, ohne eine Politik nach diesem Ziel der gleichwertigen Lebens- und Arbeitsbedingungen würde es heute in Bayern anders aussehen. Gerade angesichts der wirtschaftlichen und der demographischen Entwicklung bleibt es nötig gegenzusteuern. Deswegen sind wir dankbar, dass sich die Staatsregierung gemeinsam mit der Mehrheitsfraktion in diesem Hause weiterhin im Interesse gerade des ländlichen Raums zu diesem Ziel bekennt.

(Simone Tolle (GRÜNE): Ja, ja, ja! Alles glücklich!)

Dass Sie davon nichts halten, ist mir schon längst klar.

Zweitens: Wir halten am Grundsatz der fl ächendeckenden Versorgung des Landes mit zentralörtlichen Infrastruktureinrichtungen fest. Dies ist ein entscheidender Beitrag zur Stabilisierung des ländlichen Raums und die wichtigste Antwort auf die demographische Entwicklung. Manchmal hört man von Ihrer Seite: Müssen wir nicht irgendetwas zurückbauen? Nein, ich glaube, um dieses Land gerade in diesem Bereich attraktiv zu erhalten, muss der Staat sicherstellen, dass die Infrastruktureinrichtungen auch in dünn besiedelten Gebieten weiter vorgehalten werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Drittens: Wir anerkennen die Bedeutung der Metropolregionen. Sie verbessern unsere Konkurrenzfähigkeit im globalen Wettbewerb und beeinfl ussen mit ihrer Dynamik auch den umgebenden ländlichen Raum in positiver Weise. Hier haben wir im Übrigen – und jetzt hoffe ich, dass Herr Dr. Beyer mir zuhört – einen Formulierungsvorschlag der Opposition zur Präzisierung übernommen.

Viertens: Als weitere entscheidende Neuerung des LEP und als Widerlager und Pendant zu Metropolregionen wurde das Prinzip des Vorrangs der schwach strukturierten ländlichen Räume bei der staatlichen Förderung eingeführt. Ein deutlicheres Bekenntnis zum ländlichen Raum als dieses Vorrangprinzip, das eine echte Innovation in diesem Programm ist, dürfte es kaum geben.

Fünftens: Wir halten zunächst am System der zentralen Orte und der Gebietskategorien fest und werden erst dann eine Überprüfung im Rahmen einer Teilfortschreibung vornehmen, wenn die Umgliederungen im Rahmen der Ämterreform abgeschlossen sind. Es macht jetzt keinen Sinn, neue Fragen aufzuwerfen, solange wir nicht den endgültigen Zuschnitt der Ämterreform vor uns haben.

Sechstens: Wir halten zunächst auch grundsätzlich an Regelungen des Einzelhandelsziels fest, obwohl wir uns bewusst sind, dass es in dieser Frage sehr unterschiedliche Auffassungen gibt. Nur eine Bemerkung dazu: Rund die Hälfte der tausend Stellungnahmen zum ersten Entwurf des LEP beschäftigten sich im Anhörungsverfahren mit dieser Materie. Es soll nun unser Bestreben, und zwar unser gemeinsames Bestreben sein, einen möglichst großen Konsens mit allen Beteiligten zu erzielen.

Dies wird ein Auftrag für die nächsten Monate sein, der aller Anstrengungen wert ist. Fürs Erste haben die Staatsregierung und die Mehrheitsfraktion zwei Änderungen an diesem Komplex vorgenommen, nämlich erstens die Möglichkeit der Ansiedlung von Lebensmittelvollsortimentern in nicht zentralen Orten und Kleinzentren, wenn nachweisbar keine Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs besteht und zweitens die Möglichkeit der Ansiedlung von Einzelhandelszentren in grenznahen Gebieten unter Berücksichtigung der Genehmigungspraxis im Nachbarstaat und zur Gewährleistung der räumlichen Wettbewerbsfähigkeit durch ein fl exibel gehandhabtes Zielabweichungsverfahren.

Darüber hinaus haben wir in einer Reihe von weiteren Ergänzungen und Änderungen alle Bahn- und Straßenstrecken, die im derzeitigen LEP enthalten sind, auch in das neue LEP wieder aufgenommen. Dazu wird Kollege Rotter sich ausführlich äußern. Hier haben erfreulicherweise Mehrheit und Opposition an einem Strang gezogen.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch eine Bemerkung als Stimmkreisabgeordneter für Fürstenfeldbruck Ost machen. Ich habe in diesem Raum im Abstand von 20 Kilometern drei Flughäfen. Hier haben wir entschieden, dass der Sonderlandeplatz Oberpfaffenhofen für qualifi zierte Geschäftsfl ieger in eng festgelegten Grenzen geöffnet wird. Was die Wochenendfl iegerei

betrifft, so ist diese bereits heute möglich und wird von den Sportfl iegern der DLR in erheblichem Umfang am Wochenende genutzt. Unter der Woche haben diese Sportler nämlich keine Zeit.

Darüber hinaus geht es beim Sonderlandeplatz Jesenwang darum, den Betrieb auf dem gegenwärtigen Niveau mit dem geltenden Höchstgewicht von 3 Tonnen festzuschreiben. Dies enthält der Änderungsantrag der CSU.

In Fürstenfeldbruck bleibt es bei der Option der fl iegerischen Nachnutzung, wenn es kein besseres Konzept zur Konversion gibt.

Wir haben dem neuen LEP eine Resolution vorangestellt, die als Anhang dem LEP beigefügt wird. Darin werden im Sinne intellektueller Redlichkeit die weiteren Schritte im Rahmen des Landesentwicklungsprogramms skizziert. Hier fi nden Sie auch die Hinweise auf die beabsichtigte Überprüfung der zentralörtlichen Gliederung sowie des Einzelhandelszieles und Aussagen zu weiteren Verkehrsprojekten.

Wir haben in diesem Verfahren peinlich darauf geachtet, Frau Scharfenberg, dass keine Aussagen im LEP getroffen werden, die ein erneutes Anhörungsverfahren auslösen müssten.

(Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Damit bin ich beim letzten Punkt. Wir sollten das neue LEP heute verabschieden, damit wir rasch eine neue Geschäftsgrundlage für die Landesentwicklung in Bayern besitzen. Eine weitere Verschiebung würde nur dazu führen, dass wegen der nach dem 20. Juli dieses Jahres notwendigen so genannten Strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung wertvolle Zeit für die Umsetzung unserer Reformpolitik ungenutzt verstreichen würde.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Ja, ja, deshalb!)

In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zum LEP in der Fassung des federführenden bzw. letztberatenden Ausschusses und zur Resolution.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Dr. Kronawitter.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Staatsminister, Herr Staatssekretär, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema LEP scheint bei den CSU-Kolleginnen und Kollegen nicht beliebt zu sein. Schauen Sie doch nur einmal in die Runde!

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Sehr wahr! – Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Bocklet, auch Ihr Beitrag hat nicht darüber hinwegtäuschen können, dass das, was wir heute als

Landesentwicklungsprogramm beschließen sollen, ein Torso ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist ein Torso! Ich komme gleich darauf, warum. Sie konnten uns zwar mit Ihrer Mehrheit den Zeitplan der Beratung diktieren und haben mit Ihrer Mehrheit unsere Anträge fast durchweg abgelehnt, aber Sie haben im Laufe der Beratungen selbst deutlich gemacht, dass Sie in der parlamentarischen Behandlung des Landesentwicklungsprogramms gescheitert sind.

Im Übrigen ist das LEP nicht als Fortschreibung tituliert, Herr Kollege Bocklet, sondern als Neufassung.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Genau! Das ist schon ein Unterschied!)

Das ist ein ganz gewaltiger Anspruch, der damit ausgedrückt wird. Sie haben die Meinungsverschiedenheiten in Ihrer Fraktion zu grundlegenden Bereichen des LEP in der Resolution dokumentiert, die wir heute beschließen sollen und die dann dem LEP beigefügt werden soll.

Sie gestehen selbst ein, dass das, was heute Teil dieser Beschlusslage ist, umgehend fortzuschreiben ist, und zwar in zentralen Bereichen, wie beispielsweise dem Einzelhandelssziel, in der Struktur der zentralen Orte und wegen der demografi schen Thematik.

Kolleginnen und Kollegen, das stelle man sich einmal vor! Die Neufassung des LEP ist in der parlamentarischen Beratung, die Verbände und Organisationen haben in aufwendigen Anhörungen ihre Stellungnahmen abgegeben und anstatt zu ringen, sich für Abstimmungen und Konsensfi ndung Zeit zu nehmen, lässt die Mehrheitsfraktion alle Beteiligten wissen: Jetzt beschließen wir das zunächst einmal, wissen aber schon heute, dass die Beschlüsse angesichts der Problemlagen in wichtigen Bereichen nicht genügen. Das ist, um es auf bayrisch zu sagen, das Pferd von hinten aufzuzäumen und widerspricht parlamentarischem Geist und gängiger Praxis.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Bocklet, Sie wollen uns das auch heute wieder – Sie haben es in den Ausschussberatungen auch schon gemacht – als Strategiewechsel verkaufen. Nein, das ist kein Strategiewechsel und auch keine neue Flexibilität. Das ist ein Programm für die Mehrung von Bürokratie und Arbeitsbeschaffung in der Staatsverwaltung und in den beim LEP zu beteiligenden Organisationen.

(Beifall bei der SPD)

Sie wissen, dass eine permanente Sonderfortschreibung, wie Sie sie in den Beratungen immer wieder angesprochen haben, einen enormen Arbeitsaufwand erfordert, und Sie verwirren überdies die durch das LEP gebundenen Stellen. Denn das Signal heißt doch: Nehmt das jetzt nicht so ernst, es kommt bald etwas Neues nach. Aus gutem Grund wurde bisher jede umfassende Fort

schreibung als längerfristige Weichenstellung angelegt. Im Schnitt wurden alle neun Jahre Staatsverwaltung, Verbände und der Landtag damit befasst. Doch entgegen dieser Praxis heißt es für Sie dieses Mal: Augen zu und durch. Wir dürfen die Staatsregierung nicht im Regen stehen lassen.

(Beifall bei der SPD – Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen, dass gute Regierungsführung Systematik erfordert, also erst evaluieren, dann anhören, dann abwägen, Konsens suchen und zum Schluss entscheiden und vermitteln. Doch darum ging es Ministerpräsident Stoiber bei seiner Regierungserklärung am 6. November 2003 nicht. Er kündigte an, seine Regierung werde bis Ende 2004 ein neues, schlankes Landesentwicklungsprogramm aufstellen. Es ging ihm um die propagandistische Botschaft, wonach ab sofort in Bayern dereguliert, abgeschafft, bisherige Gemeinwohlaufgaben des Staates zurückgedrängt würden. Das neue Landesentwicklungsprogramm sollte Instrument für diese Zielsetzung sein. Denn sachliche Gründe haben Sie, Herr Kollege Bocklet, auch jetzt noch nicht genannt, warum das im Mai 2003 beschlossene Programm nicht noch zwei oder drei oder vier Jahre hätte fortgelten könne. Sie wissen so gut wie ich, dass das natürlich hätte gemacht werden können.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Auch der Ministerpräsident bezog sich damals nicht auf sachliche Gründe. Es interessierte ihn auch nicht seine Ankündigung vom 7. Mai 2003. Ich wiederhole das noch einmal, denn am 7. Mai 2003 ließ uns Herr Stoiber bezogen auf die Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms 2003 wissen, Bayern sei damit für die Herausforderungen gerüstet und die Leitlinien für die künftigen Jahre seien damit vorgegeben. Fünf oder sechs Monate später galten diese Leitlinien angeblich nicht mehr. Ich kann nur sagen, was gilt dann eigentlich das Wort des Ministerpräsidenten, wenn das Verfallsdatum so kurz ist, wie sich an diesem Beispiel manifestieren lässt.