Protokoll der Sitzung vom 28.09.2006

Das Hohe Haus hat sich mit dieser Thematik in mehreren Aktuellen Stunden, mit Dringlichkeitsanträgen, Schriftlichen und Mündlichen Anfragen beschäftigt.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

Wir hatten im Frühjahr dieses Jahres eine Aktuelle Stunde, ebenfalls von Ihnen beantragt, in der wir uns ausführlich mit diesem Thema befasst haben.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Aber nichts ist passiert!)

Ich halte es schon fast für zynisch und pietätlos, wenn wenige Tage nach diesem Unglück eine solche Aktuelle Stunde beantragt wird. Was müssen die Angehörigen denken, wenn jetzt, da die Toten des Unglücks noch nicht bestattet sind, über solche Dinge diskutiert wird? Ich halte die Aktuelle Stunde, die Sie beantragt haben, deshalb für absolut überflüssig.

Herr Kollege Maget, ein weiterer Punkt: Sie haben einen Begriff benutzt, den ich leider zurückweisen muss, nämlich den Begriff „Imageschaden“. Den weltweiten Imageschaden für den Transrapid als industrielles Leitprodukt, als Hochtechnologieprodukt aus der Bundesrepublik Deutschland, haben doch Sie zu verantworten. Tatsache ist, dass wir es in 30 Jahren nicht geschafft haben, eine Technologie, die in diesem Land entwickelt worden ist – das sind deutsche Patente, deutsche Ingenieure – von einer Versuchsanlage in den Regelbetrieb überzuführen. Dafür tragen nicht in erster Linie die Bayerische Staatsregierung oder die CSU-Mehrheitsfraktion die Verantwortung, sondern dafür tragen auch Sie die Verantwortung, weil Sie dieses Produkt seit Jahren schlechtreden. Sie haben keine Gelegenheit ausgelassen, das zu tun.

(Franz Maget (SPD): Und was geschah in 16 Jahren Kohl? – Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

Was ist jetzt erforderlich? – Erforderlich ist das, was die beiden Minister, nämlich Erwin Huber als bayerischer Verkehrsminister und Minister Tiefensee als verantwortlicher Bundesminister, angekündigt haben: eine lückenlose Aufklärung der Ursache. Was sich jetzt schon zeigt, meine Damen und Herren, so bedauerlich das sein mag: Es war nicht technisches Versagen, sondern menschliches Ver

sagen. Ursache ist nicht die Schwebebahntechnologie; Ursache ist ein Werkstattwagen, der auf dieser Strecke nichts verloren hatte. Das ist eine kleine Ursache mit einer verheerenden Wirkung. Deshalb taugt dieses Unglück nicht dazu, diese Technologie schlechtzureden und den Transrapid ins Abseits zu stellen.

(Beifall bei der CSU)

Es gibt auch keine Parallelen, beispielsweise zum ICEUnglück in Eschede oder zu anderen Unglücken, wo es tatsächlich andere Unfallursachen gab. Diese Technologie – ich habe es schon angedeutet – ist ausgereift. Sie ist einsatzreif. Diese Einsatzreife wurde vor mehr als 15 Jahren vom Eisenbahnzentralamt bestätigt. Es gibt Patente, die anerkannt sind, und es gibt die kommerzielle Stecke in Shanghai.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich auf einen Punkt etwas ausführlicher eingehen, der von Kollegen Dr. Runge und auch von Ihnen, Herr Kollege Maget, angeführt worden ist, nämlich auf das Sicherheitskonzept. Kollege Maget, ich würde es begrüßen, wenn Ihr Oberbürgermeister in München nicht mit Behauptungen durchs Land laufen würde, die jeglicher Grundlage entbehren. Die Stadt München war selbstverständlich dazu eingeladen, sich am Sicherheitskonzept zu beteiligen. Sie wissen auch, dass wir nicht nur über eine Trasse diskutieren wie noch vor einigen Jahren, sondern dass es eine optimierte Trassenführung gibt, die wesentliche Punkte des Sicherheitskonzepts berücksichtigt. Sie wissen, dass es ein Sicherheitskonzept gibt, das beim Eisenbahnbundesamt vorliegt und das auch überprüft wird. Selbstverständlich haben wir das größte Interesse daran, dass die Erkenntnisse aus dem Unglück in Lathen hier einfließen. Dieses Sicherheitskonzept entspricht den anerkannten Regeln der Technik und allen DIN-Normen, auch auf europäischer Ebene. Alle Richtlinien wurden hier eingearbeitet. Ganz wichtig ist: Für diese Strecke ist im Sicherheitskonzept ein wesentlich höherer Automatisierungsgrad vorgesehen als in Lathen. So bedauerlich es klingen mag: Heute ist bei solchen Unfällen der Mensch die Ursache. Es muss gelingen, solche Dinge durch einen hohen Automatisierungsgrad auszuschließen.

(Zuruf des Abgeordneten Rainer Volkmann (SPD))

Herr Dr. Runge, Sie wissen, dass es beim bayerischen Projekt in München eine andere Leittechnik gibt.

(Zuruf des Abgeordneten Rainer Volkmann (SPD))

Diese Leittechnik sieht vor, dass der Startbefehl blockiert wird, wenn sich auf der Strecke ein Werkstattwagen befindet.

Das Entscheidende beim Sicherheitskonzept ist aber etwas anderes. Herr Maget, Sie haben es zwar angedeutet, aber nach meiner Meinung daraus die falschen Schlüsse gezogen. Für die Strecke in Lathen gelten tatsächlich andere gesetzliche Bestimmungen, da es sich

um eine Versuchsstrecke handelt. Für die Versuchsstrecke gilt das ganz normale Versuchsanlagengesetz.

(Zustimmung des Abgeordneten Henning Kaul (CSU))

Es gelten nicht die Bestimmungen, die für den Betrieb von Eisenbahnen und Magnetschwebebahnen eingehalten werden müssen. Herr Kollege Dr. Runge und Herr Kollege Maget, Sie wissen auch, dass die Bayerische Staatsregierung und die Mehrheitsfraktion in diesem Hohen Hause auf einige Punkte im Sicherheitskonzept besonderen Wert gelegt haben. Als Stichworte nenne ich Kollisionssicherheit, Fahrwegsicherung, Brandschutz und Brandbekämpfung. Herr Kollege Maget, Sie haben die Brandbekämpfung im Tunnelbetrieb angesprochen. Es gibt moderne, innovative Brandbekämpfungstechniken, die hier einfließen.

Ich darf festhalten: Technologisch ist das Produkt ausgereift. Die Schwebebahntechnologie ist anerkannt, auch international anerkannt. Was wir alle gemeinsam nicht geschafft haben und was wir tun sollten: diese Schwebebahntechnologie so schnell wie möglich auf einer Referenzstrecke einzusetzen. Herr Kollege Maget, dann wäre dieses Produkt kein Imageschaden für die Bundesrepublik Deutschland, sondern das, was es eigentlich sein soll, nämlich ein Vorzeigeprojekt für die Industriepolitik der Bundesrepublik Deutschland.

Herr Kollege, ich verwahre mich nochmals dagegen, dass Sie das Unglück in Lathen instrumentalisieren wollen, um das Transrapid-Projekt in Bayern ins Abseits zu stellen.

(Widerspruch bei der SPD – Johanna Werner- Muggendorfer (SPD): Wer hat denn instrumentalisiert?)

Wie zynisch Sie vorgehen, Herr Kollege Dr. Runge, verdeutlicht die Einladung zur Pressekonferenz, die Sie morgen abhalten werden. Da sprechen Sie nicht davon, dass der Transrapid in Ihren Augen nicht finanzierbar ist, dass er verkehrstechnologisch und industriepolitisch für Sie nicht interessant ist. Die Fragestellung für Ihre Pressekonferenz morgen lautet: Wie sicher ist der Münchner Transrapid?

(Widerspruch bei den GRÜNEN)

In der Ankündigung dieser Pressekonferenz werfen Sie der Staatsregierung grobe Fahrlässigkeit vor.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Was sollen sich denn die Angehörigen in Lathen denken, wenn Sie mit Begriffen wie „grobe Fahrlässigkeit“ heute schon argumentieren, obwohl die Unfallursachen noch nicht bekannt sind und kein Untersuchungsbericht vorliegt? Deshalb ist es meiner Meinung nach zynisch und pietätlos, was Sie mit dieser Aktuellen Stunde bezwecken wollen.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Staatsminister Huber.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein Unglück wie das am vergangenen Freitag löst bei uns allen Trauer, Bestürzung und Anteilnahme aus. Dies hat gestern bei der zentralen Trauerfeier Ministerpräsident Wulff für alle sehr eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht. Es ist völlig klar, dass aus solch einem Unglück Konsequenzen gezogen werden müssen. Dazu bedarf es keiner parlamentarischen Initiative der GRÜNEN.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, ich stelle fest: Bevor der Trauerakt in Niedersachsen überhaupt angesetzt war, haben die GRÜNEN die Angelegenheit bereits zu einer politischen Aktion umgemünzt. Ich halte das für pietät- und würdelos.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von den GRÜNEN)

Ich möchte das durch Aussagen des Kollegen Dr. Runge heute belegen. Herr Kollege Maget, Ihnen möchte ich ausdrücklich bescheinigen, dass Sie – bei den unterschiedlichen Positionen, die wir haben – das Thema hier sachlich und ernsthaft behandelt haben. Wenn aber jemand eine Äußerung des Bayerischen Ministerpräsidenten, die vorher gefallen ist und die sich anlehnt an ein allgemein gebräuchliches Bild, dass man einen Gordischen Knoten durchschlägt, im Zusammenhang mit einem Unglück zu billigster Polemik missbraucht, dann spreche ich ihm die Ernsthaftigkeit und Verantwortung ab.

(Beifall bei der CSU)

Es war richtig, dass Bundesverkehrsminister Tiefensee am Sonntag zu einem Gespräch in Berlin eingeladen hat, bei dem die Verantwortlichen der Industrie und der Teststrecke mit am Tisch saßen. Wir haben in einer ersten Analyse versucht, Konsequenzen abzugreifen. Dabei stellte sich Folgendes heraus: Die Vorschriften für das Sicherheitskonzept in Niedersachsen beruhen auf einem niedersächsischen Landesgesetz aus den Siebzigerjahren. Sie sind gemacht für eine Teststrecke, und sie entsprechen nicht dem, was man heute technisch kann. Ich glaube, man sollte nicht so überheblich sein, die Schuldfrage hier vorwegzunehmen. Es ist Aufgabe des Staatsanwalts und der Gerichte, über die Schuldfrage unter Einbeziehung aller Aspekte zu entscheiden.

Offensichtlich geworden ist aber auch, dass das Sicherheitskonzept, das dem Transrapid in München zugrunde liegt, völlig anderer Art ist und dass eine Übertragung des Unglücks im Emsland 1 : 1 auf ein Szenario in München deshalb nicht zulässig ist. Ich möchte dazu einen Experten des TÜV Süd zitieren, der gesagt hat: „Ein Unfall wie in Lathen ist auf der Transrapid-Neubaustrecke in München praktisch ausgeschlossen; das Sicherheitskonzept entspricht den anerkannten Regeln der Technik.“ – Ich gebe hier nur wieder, was ein Verantwortlicher in Fragen der Verkehrssicherheit vom TÜV dazu sagt, aber diese Aussage ist auch unmittelbar nachvollziehbar: Denn in Lathen

im Emsland gibt es kein integriertes Sicherheitssystem. Es gibt Sicherheitsvorschriften, und es gibt Schnittstellen. Für diese Schnittstellen existieren Vorschriften, wie menschliche Entscheidungen zu treffen sind. Hier scheint die Ursache für das Unglück zu liegen. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es jedenfalls keinen einzigen Hinweis darauf, dass ein Versagen der Technik oder ein Systemmangel dafür ursächlich wären.

Dennoch kann und darf man nicht zur Tagesordnung übergehen. Deshalb haben wir vereinbart, dass der Bund das Eisenbahnbundesamt beauftragt, das Unglück im Emsland unter die Lupe zu nehmen und daraus weitere Erkenntnisse zu ziehen. Der Bundesverkehrsminister und ich waren uns aber auch sehr schnell einig, dass wir darüber hinaus einen neutralen Gutachter beauftragen. Das – Herr Kollege Maget, die Bitte habe ich an Sie – kann man nicht als Negativum und als Minus des Sicherheitskonzepts in München anführen. Es geht um ein völlig anderes Konzept, weil beispielsweise alle Fahrzeuge auf einer Strecke integriert sind und ein Zug deshalb nicht losfahren kann, wenn sich ein weiteres Fahrzeug auf der Strecke befindet. Genau das, was im Emsland fälschlicherweise getan wurde, nämlich den Start freizugeben, kann in München nicht passieren, weil es eine automatische Blockade gibt.

Dennoch haben wir gesagt, das Sicherheitskonzept wird von einer neutralen Stelle untersucht werden. Nach unserer Auffassung wird es wohl gelingen, innerhalb von zwei Monaten zu Erkenntnissen zu gelangen. Wir werden also aus Gründen der Vorsorge und der Vorsicht, aber nicht deswegen, weil ein Leck oder ein Mangel des Sicherheitskonzepts erkennbar wäre, eine weitere Untersuchung durchführen. Die Ergebnisse werden wir so zeitig vorliegen haben, dass mögliche Änderungen, Ergänzungen oder Vervollkommnungen in das Planungs- und Genehmigungsverfahren einbezogen werden können.

Dem Transrapid liegt ein ausgereiftes Sicherheitskonzept zugrunde. Dieses Konzept ist im Mai 2005 dem Eisenbahnbundesamt zur Genehmigung vorgelegt worden. Das Eisenbahnbundesamt ist eine Bundesbehörde, die im Übrigen auch im Emsland eingeschaltet wird. Bei Genehmigung des Konzepts wird uns das Eisenbahnbundesamt bestätigen, dass alle menschenmöglichen Vorkehrungen getroffen wurden, um Unfälle zu vermeiden, die natürlich nie ganz ausgeschlossen werden können, wie jeder Realist weiß.

Ich fasse zusammen: Obwohl das Sicherheitskonzept für den Transrapid in München auf umfassenderen und völlig anderen technologischen Konzepten beruht, wird alles unternommen, um eine weitere Verbesserung vorzunehmen, falls es notwendig ist. Ich sehe aber unter den gegebenen Umständen und im Hinblick auf alle Hinweise auf die Ursache des Unglücksfalls in der Tat keinen Anlass, jetzt das Planungs- und Genehmigungsverfahren zu stoppen. Dafür gibt es keinen Anlass.

(Beifall bei der CSU)

Das ist nicht mangelnde Sensibilität angesichts dieses Unglücksfalls, sondern das ist die logische Schlussfolgerung. Wir wollen alles Nötige tun, aber man kann aufgrund

eines Unglücksfalls nicht alle Entscheidungen in der Vergangenheit, gerade wenn sie wohlüberlegt waren, infrage stellen.

Meine Damen und Herren, damit stelle ich fest, dass wir Sicherheitsaspekten die oberste Priorität beim Transrapid einräumen. Deshalb habe ich auch gesagt, sollte eine notwendige Ergänzung zu höheren Kosten führen, werden diese bei einem solchen Projekt selbstverständlich getragen werden müssen und können.

Von den Kollegen von der SPD und den GRÜNEN sind weitere Aspekte in Sachen Transrapid angeführt worden. Ich bitte das Hohe Haus um Verständnis, dass ich meine, eine Woche nach dem Unglück sollte man nicht polemisch die altbekannten Positionen gegeneinander anführen.

(Beifall bei der CSU)

Wir werden ausreichend Gelegenheit haben, die Diskussion fortzuführen. Herr Kollege Maget, der Bund und der Freistaat Bayern haben vereinbart, in den nächsten Monaten die Finanzierungsfrage zu lösen. Der Bundesverkehrsminister hat sich zu diesen Verhandlungen ausdrücklich bereit erklärt, und ich gehe davon aus, dass wir innerhalb von gut zwei Monaten auch in der Lage sind – so der Wille auf beiden Seiten vorhanden ist –, uns zu verständigen. Dass wir dazu bereit sind, uns weiter zu bewegen, haben wir erklärt. Deshalb ist dies kein stichhaltiger Einwand zum jetzigen Zeitpunkt. Noch bevor das Baurecht besteht und das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen ist, werden wir die Finanzierungsfrage gelöst haben.

Das heißt: Wir gehen den Bau eines Milliardenprojektes nicht an, solange die Finanzierung nicht gesichert ist.