Ich schlage vor, den Staatsvertrag dem Ausschuss für Hochschule, Forschung und Kultur als federführendem Ausschuss zu überweisen. – Ich sehe hierzu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (Drs. 15/6194) – Erste Lesung –
Danke, Herr Präsident. Meine Herren und Damen, ich begrüße Sie ganz herzlich nach der Sommerpause wieder. Ich habe diese Debatten wirklich vermisst und freue mich auf die kommenden Wochen.
Unser erneuter Vorstoß, das Kopftuchverbot bei uns aufzuheben hat drei Gründe: Erstens. Im Rahmen der Bemühungen um Bürokratieabbau und Verschlankung der Verwaltung wurden in den vergangenen Jahren eine Reihe
von überflüssigen Vorschriften aufgehoben. Das hinderte zu unserem sehr großen Bedauern die Bayerische Staatsregierung nicht daran, überflüssige Vorschriften durch neue überflüssige Vorschriften zu ersetzen.
Seit dem 01.01.2005 gibt es nun das Kopftuchverbot in Bayern. Gebraucht wurde diese Vorschrift weder vorher noch seit 2005 für Lehrerinnen kein einziges Mal.
Zweitens. Neben dem Argument, dass es sich hier um eine sehr überflüssige Vorschrift handelt, gibt es mittlerweile vom Verwaltungsgericht Stuttgart ein Urteil – ergangen am 07.07.2006 –, eine Entscheidung, die unsere Einschätzung, dass das Kopftuchverbot in Bayern auch rechtlich fragwürdig ist, sehr gut unterstützt.
Die Herren und Damen des Rechtsausschusses sollten hier vielleicht noch einmal besonders zuhören. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat auf die Klage einer Lehrerin hin, die im Unterricht gerne ein Kopftuch tragen wollte, entschieden, dass bei gleichzeitiger Zulassung der Nonnentracht an staatlichen Schulen das Gleichheitsgebot verletzt werde. Es könne nicht sein, dass eine Glaubensrichtung gegenüber anderen Glaubensbekenntnissen privilegiert werde.
Die bayerische Regelung in Art. 59 Abs. 2 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen – BayEUG – enthält eine ebensolche Privilegierung der einen Glaubensrichtung. Nach Art. 59 Abs. 2 Satz 3 BayEUG sind alle diejenigen Symbole oder Kleidungsstücke an bayerischen staatlichen Schulen verboten, die als Ausdruck einer Haltung verstanden werden können, die unter anderem mit den christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerten nicht vereinbar sind. Mit dieser Unterscheidung in eine christlich-abendländische Haltung und in andere nichtchristliche verletzt der Staat seine Neutralitätspflicht.
Würde ein Symbol oder Kleidungsstück einer Glaubensrichtung zugelassen – wie in Stuttgart und bei uns in Bayern die Nonnentracht –, müssten alle anderen Symbole und Kleidungsstücke ebenfalls zugelassen werden. Die Bayerische Staatsregierung hat in den vorausgegangenen Debatten immer darauf abgestellt und gepocht sowie in der Begründung ihres damaligen Gesetzentwurfes darauf hingewiesen, dass sie genau diese Unterscheidung will.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat jetzt festgestellt, dass genau diese Unterscheidung nicht zulässig ist. Dieses Urteil müssen Sie sich auf der Zunge zergehen lassen.
Es tröstet mich überhaupt nicht, dass dies eine Entscheidung nicht in Bayern, sondern in Stuttgart war. Damit verstoßen Sie mit einer unpräzisen Regelung in diskriminie
Drittens: Ihre unpräzise Regelung verstößt außerdem gegen den Grundsatz der Normenklarheit und führt – jetzt komme ich in der Debatte zu einem neuen Aspekt – zu einem unerträglichen Ergebnis in der Praxis. Dies dürfte vielleicht auch für die eine oder andere Vertreterin der Presse hochinteressant sein. Nach Auskunft der Eltern wird – ich bitte Sie, zuzuhören – ein zehnjähriges Mädchen an ihrem ersten Schultag in Dingolfing in der zweiten Pause von der Rektorin auf dem Schulhof angeschrieen, am Arm gepackt und vom Schulhof gezerrt, weil es ein Kopftuch trägt. Auf die Frage, was das solle, wird dem Mädchen ein weiterer Besuch der Schule verboten, solange es das Kopftuch trägt. Der Anruf der Eltern beim Schulamt der Regierung von Niederbayern bringt das Ergebnis – der Name der auskunftgebenden Person ist uns bekannt –, dass man sich in diesem Fall auf das Bayerische Kopftuchgesetz bezieht. Das sind Auswirkungen! Bei unseren Recherchen haben wir festgestellt, sechs weitere Fälle soll es in Deggendorf gegeben haben. Nachdem Sie immer behauptet haben, so etwas solle nicht vorkommen, frage ich mich, wie Sie mit diesen Fällen umgehen werden. Wenn diese Fälle nicht Anlass sein werden, das Kopftuchverbot endlich aufzuheben – Letzteres hoffe ich natürlich –, sollten Sie zumindest in diesem Fall Ihre Regierungen und Schulämter über den tatsächlichen Inhalt des Kopftuchgesetzes informieren.
Sie haben immer beteuert, es ginge Ihnen nur um den Schutz der Kinder vor religiöser Beeinflussung. Ich frage mich schon, ob hier bei zehn- und zwölfjährigen Mädchen nicht eher der Schutz vor übereifrigen Rektorinnen und Schulämtern im Vordergrund stehen muss.
Nehmen Sie endlich Abschied von Ihrer vorurteilsbeladenen Weltsicht! Lesen Sie zum Schluss vielleicht auch nochmals die kleine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung; eine hochinteressante Studie mit Befragungen von Kopftuchträgerinnen, die Sie so gerne als unterdrückt und demokratisch zurückgeblieben bezeichnen. Übrigens muss die Rektorin auch dem zehnjährigen Mädchen gesagt haben, der Koran sei schlecht, weil er die Frauen unterdrücke und dort alle Frauen nur Sexualobjekte seien. Ich weiß nicht, ob dies das zehnjährige Mädchen richtig verstanden hat. Aber wie dies die Rektorin gemacht hat, bleibt der pädagogischen Feinfühligkeit überlassen.
Lesen Sie die Ergebnisse dieser Stiftung zu den Kopftuchträgerinnen, sie haben mich selbst überrascht. Ich glaube, man muss auch immer wieder an sich selbst arbeiten. Es ging dabei um die Befragung von Frauen zwischen 18 und 40 Jahren, von denen sich 89 % für die Demokratie ausgesprochen haben; ich gehe davon aus, dass das Ihr Weltbild wirklich auf den Kopf stellt. Ich glaube, einen solch hohen Satz haben wir bei den Deutschen nicht, von
denen 11 % der Meinung sind, die NPD sei eine demokratische Partei. Sehr viel mehr Deutsche, nämlich 22 %, sind der Meinung, die Demokratie sei doch nicht die beste Staatsform. Dagegen sind 89 % der Kopftuchträgerinnen für die Demokratie.
94 % der Kopftuchträgerinnen finden es wichtig, dass sich eine Ehefrau ihre beruflichen Wünsche erfüllen kann.
Auch sollte es in der Ehe bei dem, was bei dem Mann oder der Frau für den Haushalt oder für die Familie wichtig ist, keine prinzipiellen Unterschiede geben. Auch da gibt es im Vergleich zu Befragungen Deutscher deutliche Mehrheiten. 71 % dieser Frauen bezeichnen es als ihr Lebensziel, vorwärts zu kommen und es zu etwas zu bringen.
Sie sitzen normalerweise weiter hinten. – 71 % bezeichnen es auch als ihr Lebensziel, im Beruf Erfolg zu haben.
Herr Kollege, zur Demokratie gehört auch, andere ausreden zu lassen. Ihre Reden hat bisher kaum jemand unterbrochen, es sei denn, Sie haben mich wirklich wütend gemacht. Wenn ich daraus Rückschlüsse ziehe, macht Sie diese Untersuchung wütend, weil es überhaupt nicht den Vorurteilen in Ihrem Kopf entspricht.
Aber solange mich die Protokollantin versteht, ist es mir ehrlich gesagt wurscht, wenn Sie vor sich hin „brummeln“.
Ich wiederhole es ein weiteres Mal: 71 % bezeichnen es als ihr Lebensziel, vorwärts zu kommen und es zu etwas zu bringen. Dass ich Erfolg im Beruf habe, hat Priorität, nämlich mit 59 % Zustimmung noch – auch das ist hochinteressant – vor dem Verheiratetsein mit 54 %. Die Vorstellung von den gebärfreudigen Kopftuchträgerinnen stimmt also nicht.
Wenn Sie das alles mit den Zahlen über deutsche Frauen vergleichen, werden Sie feststellen: Nur 35 % wollen vorwärts kommen und es im Leben zu etwas bringen, 58 % der Deutschen wollen Kinder haben; jedenfalls mehr, als die Kopftuchträgerinnen.
Nein, ich rede hier zum Kopftuchverbot, zu Ihren Einschätzungen und Wertvorstellungen, weil genau diese Wertvorstellungen und Vorurteile zu diesem Gesetz geführt haben, und dieses Gesetz ist hirnrissig.
(Beifall bei den GRÜNEN – Thomas Kreuzer (CSU): Frau Kollegin Stahl, machen Sie dagegen ein Volksbegehren!)
Es gibt einen guten Anlass, das Gesetz in den Papierkorb zu werfen. Wir werden demnächst wieder die Zweite Lesung zur Verwaltungsvereinfachung, zum Bürokratieabbau haben und eine ganze Reihe von Gesetzen abschaffen. Da passt das gut hinein. Man könnte dieses Thema in diese lange Liste gut aufnehmen.
Sie waren bereits im Jahr 2003 so klug, die Bekämpfung der Dasselfliegen aus dem Gesetzescanon zu nehmen. Seien Sie klug und tun Sie mit dem Kopftuchverbot dasselbe.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Pro Fraktion sind fünf Minuten vorgesehen. Ich darf als erstem Redner Herrn Kollegen Eisenreich das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns schon ausführlich bei der Einführung dieses Gesetzes unterhalten. Heute geht es unter Verweis auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart um die Abschaffung. Ihre Begründung überzeugt mich nicht. Sie kann es auch nicht, weil Sie einiges durcheinander bringen und die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht beachten. Ihre Argumentation, Frau Kollegin Stahl – vielleicht hören Sie zu –, ist an den Haaren herbeigezogen.
Zunächst will ich die formalen Unterschiede im Verhältnis zum Stuttgarter Verwaltungsgerichtsurteil darstellen. Darin geht es nicht um die Rechtmäßigkeit eines abstrakten Gesetzes, das heute Gegenstand ist, sondern um die Rechtmäßigkeit von Verwaltungshandeln, also um die Handhabung eines an sich verfassungsgemäßen Gesetzes. – Solche Feinheiten erwarte ich von Ihnen gar nicht. Was ich aber erwarte, Frau Kollegin, ist, dass Sie wenigstens das Gesetz und die Urteile lesen. Hätten Sie das getan, wäre Ihnen aufgefallen, dass es im bayerischen Gesetz keine Privilegierung christlicher Symbole gibt. Das steht nicht in dem Gesetz. Das Gesetz verbietet nicht die Kopftücher oder erlaubt andere Kleidungsstücke oder Symbole, sondern es stellt abstrakt auf äußere Symbole