Zunächst will ich die formalen Unterschiede im Verhältnis zum Stuttgarter Verwaltungsgerichtsurteil darstellen. Darin geht es nicht um die Rechtmäßigkeit eines abstrakten Gesetzes, das heute Gegenstand ist, sondern um die Rechtmäßigkeit von Verwaltungshandeln, also um die Handhabung eines an sich verfassungsgemäßen Gesetzes. – Solche Feinheiten erwarte ich von Ihnen gar nicht. Was ich aber erwarte, Frau Kollegin, ist, dass Sie wenigstens das Gesetz und die Urteile lesen. Hätten Sie das getan, wäre Ihnen aufgefallen, dass es im bayerischen Gesetz keine Privilegierung christlicher Symbole gibt. Das steht nicht in dem Gesetz. Das Gesetz verbietet nicht die Kopftücher oder erlaubt andere Kleidungsstücke oder Symbole, sondern es stellt abstrakt auf äußere Symbole
und Kleidungsstücke ab, ohne diese im Einzelnen zu benennen. Das entscheidende Kriterium für die Unterscheidung Verbot oder nicht Verbot ist, ob die Schülerinnen und Schüler dieses Symbol als Ausdruck einer Haltung verstehen können, die mit den verfassungsrechtlichen Grundwerten und den Bildungszielen der Verfassung nicht vereinbar sind. Das ist etwas anderes als Sie ausgeführt haben.
Sie rügen auch die Verletzung der Neutralitätspflicht, weil Bayern unter anderem als Maßstab die Vereinbarkeit mit den christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerten festschreibt. Ich kann nur den Kopf schütteln, denn das, was Sie rügen, ist ausdrücklich zulässig. Nicht nur, dass selbstverständlich sein müsste, dass zu den Bildungszielen die christlich-abendländischen Kulturwerte gehören müssten – es ist traurig, dass sie für Sie nicht dazugehören. Wenn das so ist, sollten Sie wenigstens zwei Urteile lesen, einmal das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und zum anderen die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Ich möchte beides darstellen, damit Ihnen das Verständnis leichter fällt:
Im Verfassungsgerichtsurteil wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Landesgesetzgeber einen großen Spielraum bei seiner Entscheidung habe und dabei erstens die Schuldtraditionen und zweitens die konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung und ihre religiöse Verwurzelung berücksichtigen dürfe – Randnummer 47.
Zum Gesetz in Baden-Württemberg gab es im Jahr 2004 ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Darin hat das höchste Verwaltungsgericht in diesem Lande ausdrücklich bestätigt, dass der Bezug auf christliche und abendländische Bildungs- und Kulturwerte nicht dem Neutralitätsgebot des Landes widerspreche. Insofern verstehe ich nicht, warum Sie dieses Argument an den Haaren herbeiziehen.
Das Gesetz ist richtig. Es richtet sich nicht an die Allgemeinheit, oder an Eltern und Schüler. Mir ist Ihr Standpunkt völlig unverständlich, denn es reicht ein Blick ins Gesetz. Das Gesetz richtet sich nur an Lehrer und Lehrerinnen, nur im Unterricht und nur dann, wenn sie Symbole oder Kleidungsstücke tragen, die als eine Haltung verstanden werden können, die mit unseren Verfassungswerten nicht vereinbar ist. Kein Schulleiter kann sich auf das Gesetz berufen und einer Schülerin das Tragen des Kopftuches verbieten. Das Gesetz gibt das nicht her.
Mit dem Gesetz entscheidet der Freistaat nicht, welcher Glaube genehm ist. Er diskriminiert auch niemanden. Vielmehr schützt er die Schwächsten an den Schulen, nämlich die Schülerinnen und Schüler. Deshalb ist das Gesetz politisch richtig und rechtlich zulässig.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! An den bayerischen Schulen gibt es durchaus andere Probleme als die Frage, ob Lehrerinnen dort ein Kopftuch tragen dürfen.
Der Kultusminister weiß – so nehme ich an – seit Beginn dieses Schuljahres genau, welche eigentlichen Probleme es an den bayerischen Schulen gibt.
Mit dem Kopftuch gibt es an bayerischen Schulen, wenn man von dem skurrilen Fall aus Niederbayern absieht, der mit dem Kopftuchverbotsgesetz nichts zu tun hat, sondern offensichtlich dem Übereifer einiger Rektorinnen zuzuschreiben ist, kein Problem, wenn die Auskunft auf meine mündliche Anfrage, wie viele Fälle es vor dem Inkrafttreten und seit dem Inkrafttreten in Bayern gegeben habe, stimmt. Die Antwort war jeweils: Keine.
Ich glaube, dass das Thema dennoch wichtiger ist, als dass man es in den Zusammenhang mit dem Bürokratieabbau einreihen könnte. Es geht nicht um Bürokratie. Es ist auch noch keine entstanden, weil es noch keinen Fall gegeben hat. Es geht um eine grundsätzliche Angelegenheit. Lassen Sie mich deshalb an das anknüpfen, was ich am 11.11.2004 – Sie werden sich an meine Rede erinnern – ausgeführt habe. Ich fühle mich in meiner Einschätzung, die ich damals abgegeben habe, bestätigt. Sie haben mit der Einführung des Kopftuchverbots in das Bayerische Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes kein Problem gelöst – es gab und gibt nämlich keines.
Vielmehr haben Sie eines geschaffen. Sie wollen gern eines, um es dann lösen zu können. Sie haben hierbei die Anmerkungen und Warnungen von besonnenen Kreisen, die es auch bei Ihnen gibt, in den Wind geschlagen. Ich erinnere an die Äußerungen des früheren Kultusministers Hans Maier. Sie haben dessen Warnungen, dass ein Kopftuchverbotsgesetz in der Art und Weise, wie Sie es in Bayern durchgedrückt haben, ungewollt dazu führen kann, dass andere Symbole, die Sie nicht treffen wollen, auch aus dem öffentlichen Leben verbannt werden müssen. Das hat Hans Maier, und das haben andere gesagt. So scheint es jetzt zu kommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe damals wörtlich ausgeführt: „Ein generelles Verbot ausschließlich eines auch religiös begründeten und motivierten Kleidungsstücks kann dazu führen, dass mittelfristig ungewollt auch andere religiöse Symbole und Kleidungsstücke ferngehalten werden müssen.“ Das ist der Inhalt der noch nicht rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 07.07.2006. Es handelt sich bei der Entscheidung, die im Übrigen für die SPD kein Anlass war, einen Gesetzentwurf einzubringen, nicht um ein Urteil pro Kopftuch, sondern um ein Urteil kontra Ordenstracht. Das Verwaltungsgericht hat zwar – was die GRÜNEN entweder übersehen oder zu kaschieren versucht haben – aus
drücklich ausgeführt – Kollege Eisenreich hat darauf hingewiesen –, dass das Kopftuchverbot im Schulgesetz von Baden-Württemberg mit höherrangigem Recht in Einklang stehe, dass aber die Verwaltungspraxis, weil sie auf Ungleichbehandlung hinauslaufe, rechtswidrig sei. Es hat deshalb die Entscheidung aufgehoben.
Die Praxis sah und sieht in Baden-Württemberg folgendermaßen aus: Lehrerinnen mit Kopftuch werden angewiesen, dieses abzunehmen, während Lehrerinnen mit Ordenstracht unbehelligt bleiben. Dies stellt nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Stuttgart eine Ungleichbehandlung dar, die verfassungswidrig ist.
Interessant ist aber auch die Ausführung des Verwaltungsgerichts, dass auch ein Nonnenhabit eine abstrakte Gefahr auslösen könne, genauso – wie Sie stets behaupten –, dass ein Kopftuch eine abstrakte Gefahr auslösen könne.
Eine solche Verwaltungspraxis wollen Sie in Bayern auch, wenngleich Sie bislang noch keine Gelegenheit hatten, sie umzusetzen, wenn Ihre Auskunft stimmt. Wenn es aber einen entsprechenden Fall gibt und Sie es genauso machen wie in Stuttgart, wenn es dann auch vor Gericht geht und wir die gleiche Entscheidung haben, dann müssen Sie beantworten, was dann passieren soll.
Für meine Fraktion, meine Damen und Herren, will ich noch einmal ausdrücklich betonen, dass es uns gerade nicht darum geht, religiöse Symbole, egal welcher Glaubensrichtung, strikt aus dem öffentlichen Leben zu verbannen – im Gegenteil: Wer will, dass religiöse Symbole auch künftig ihren Platz im öffentlichen Leben haben können, darf kein Gesetz beschließen, mit dem wegen des Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot die Gefahr besteht, dass alle religiösen Symbole verbannt werden müssen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden dem Antrag der GRÜNEN zustimmen, obwohl wir bei der einen oder anderen Begründung Bauchschmerzen verspüren: Es geht nicht um Bürokratieabbau, das Urteil des VG Stuttgart ist nicht rechtskräftig, betrifft nur die Verwaltungspraxis und bestätigt ausdrücklich die Verfassungsmäßigkeit des Schulgesetzes in Baden-Württemberg. Dennoch werden wir dem Gesetzentwurf zustimmen, weil nämlich die Grundtendenz richtig ist: dass wir kein Kopftuchverbotsgesetz in Bayern wollen, weil wir keines brauchen und weil, wenn es Probleme an den Schulen gibt, diese so gelöst werden können, wie seit mehr als zehn Jahren auch die Probleme mit Kreuzen in Klassenzimmern gelöst werden, nämlich ohne ein großartiges Gesetz durch die Auseinandersetzung vor Ort. Das geht auch. Es gab keine Schwierigkeiten. Was Sie gemacht haben, war, eine Drohkulisse aufzubauen, um Stimmung zu machen. Deswegen
Zu Wort gemeldet hat sich noch einmal Frau Kollegin Stahl. Sie haben noch drei Minuten und 58 Sekunden. Bitte schön.
Es ist für mich nicht nachvollziehbar, was bei Ihnen, Herr Eisenreich und Herr Schindler, zu dieser verkürzten Wahrnehmung führt. Ich habe mit keinem Wort gesagt, dass ich christliche Symbole aus dem Unterricht verbannen will. Ich habe von Gleichbehandlung gesprochen.
Aber wie? Putzig! Mein Gott! Wenn jetzt auch noch auf die Tonalität abgestimmt wird, um Unterstellungen begründen zu können, dann sind wir weit weg von ernst zu nehmenden Debatten.
Ich habe gesagt: Dieses Kopftuchgesetz ist überflüssig. Das war das eine. Es hat vorher sehr viel bürokratischen Aufwand gebraucht, es nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu erstellen. Sie mussten versuchen, sich in irgendeiner Form durchzulavieren, um es begründen zu können.
Zweitens habe ich von der Gleichbehandlung aller Symbole gesprochen. Diese exotischen Fälle haben auch etwas mit dem Kopftuchverbot zu tun, weil dieses Kopftuchgesetz zu Missdeutungen führt. Anscheinend ist es zu verklausuliert, nicht klar genug, damit alle wissen, an die es gerichtet ist, wie sie damit umzugehen haben.
Immerhin hat Herr Eisenreich Ausführungen gemacht dahin gehend, dass er ebenfalls nicht verstehen kann, wieso die Schulämter so agieren. Ich wüsste immer noch gern, was Sie dagegen tun wollen. Nicht mich, Herr Eisenreich, müssen Sie so intensiv darüber aufklären, was in den Urteilen steht, sondern das müssen Sie, glaube ich, mit Ihren eigenen Leuten machen.
Herr Schindler, Sie haben auch ein paar Punkte genannt. Da fühle ich mich ehrlich gesagt nicht angesprochen. Es gibt einfach diese Gerichtsentscheidung, mit der ich umgehen kann oder will oder muss, je nachdem, wie ich es politisch für richtig halte. Ob das Urteil dann aufgehoben werden kann oder ob es in die nächste Instanz geht, spielt meines Erachtens erst einmal eine sekundäre Rolle. Ich sagte, dieses Urteil, egal, ob es Bestand hat oder nicht, hat für uns schon signalisiert, dass man mit diesem Kopftuchverbot Probleme schafft.
Ich lasse es jetzt einmal dabei. Wir werden noch sehr viel Spaß haben in den entsprechenden Ausschüssen und bei
Für die Staatsregierung hat sich Herr Staatsminister Schneider zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Staatsminister.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich brauche nicht mehr das zu wiederholen, was Kollege Eisenreich bereits ausführlich dargelegt hat. Ich möchte nur noch einen Hinweis geben.
Gestern war die Islamkonferenz, und dabei war das Kopftuch natürlich ein Thema. Werte Frau Kollegin Stahl, gerade die Frauen, die beteiligt waren, die nicht in den Dachverbänden organisierten Frauen, haben ein Thema, und dieses Thema ist, das Verbot des Kopftuches in allen Schulen zu fordern. Sie fallen mit Ihrer Forderung den Frauen in den Rücken.
Es gab einen größeren Streitpunkt, das war genau das Kopftuch, weil die muslimischen Frauen, die nicht in den Verbänden organisiert sind, gesagt haben: Das ist ein Zeichen, und dieses Zeichen ist mit dem Inhalt und dem Geist des Grundgesetzes nicht vereinbar, weil damit auch die Rechte der Frauen eingeschränkt werden. Das war die Aussage der türkischen und der muslimischen Frauen gestern bei der Islamkonferenz.
Wenn Sie jetzt so tun, als wäre das kein Thema, als wäre das Kopftuch nicht auch ein politisches Zeugnis, dann wollen Sie das nicht zur Kenntnis nehmen oder verschweigen es böswillig, um einen billigen Erfolg zu haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Es geht um die Wirkung, die das Kopftuch auch auf muslimische Kinder haben kann. Wir alle wissen, dass Lernen unter Drucksituationen nicht fruchtbringend ist. Es gibt Untersuchungen und Rückmeldungen, die sagen, dass sich Mädchen tatsächlich unter Druck fühlen, wenn ein Erwachsener oder eine Lehrkraft mit Vorbildfunktion ein Kopftuch trägt, während man aus eigener Überzeugung das Kopftuch nicht trägt. Dies wollen wir nicht in unseren Schulen haben. Wir wollen ein angstfreies Lernen.