Protokoll der Sitzung vom 17.10.2006

Ich eröffne die 76. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Sie ist erteilt worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich mitteilen, dass Herr Staatssekretär Dr. Bernhard am 6. Oktober seinen 60. Geburtstag gefeiert hat. Im Namen des Hohen Hauses gratuliere ich Ihnen, Herr Staatssekretär. Als altgedientem Parlamentarier danke ich Ihnen sehr für die Mitarbeit im Hause in den verschiedensten Funktionen. Wir wünschen Ihnen alles Gute.

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 a und 1 b zur gemeinsamen Beratung auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbänden (Finanzausgleichsände- rungsgesetz 2007) (Drs. 15/6308) – Erste Lesung –

Gesetzentwurf der Staatsregierung über die Feststellung des Haushaltsplans des Freistaates Bayern für die Haushaltsjahre 2007 und 2008 (Haushaltsgesetz – HG – 2007/2008) (Drs. 15/6309) – Erste Lesung –

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache und erteile zunächst Herrn Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser das Wort.

(Prof. Dr. Faltlhauser humpelt an Krücken ans Rednerpult – Franz Maget (SPD): Das ist schon eine mühsame Geschichte!)

Der Haushalt geht besser.

(Beifall bei der CSU – Franz Maget (SPD): Das war besser als der Haushalt! Eine größere Leistung!)

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die finanzpolitische Landkarte in Deutschland könnte gegenwärtig nicht unterschiedlicher sein. Bayern schafft mit dem von mir vorzulegenden Gesetzentwurf des Doppelhaushaltes 2007 und 2008 zum zweiten Mal in Folge aus eigener Kraft einen ausgeglichenen Haushalt. Dagegen halten Berlin, Bremen und das Saarland die Hand auf und warten auf weitere Ergänzungszuweisungen des Bundes. Man darf gespannt sein, meine Damen und Herren, wie das Bundesverfassungsgericht übermorgen über die Klage dieser Länder entscheiden wird.

Ganz gleich wie dieses Urteil im Einzelnen aussehen wird, eines ist klar: So wie in der Vergangenheit kann es in Deutschlands öffentlichen Kassen nicht weitergehen. Sie in diesem Haus wissen, dass Bund, Länder und Gemeinden inzwischen täglich 200 Millionen Euro an Zinsen zahlen. Das entspricht ziemlich genau dem Betrag, den die beiden Münchner Eliteuniversitäten in den nächsten vier Jahren im Rahmen der Exzellenzinitiative erhalten. Ich möchte gerne hinzusagen: Diesen Universitäten – die eine ist auch die meine – herzliche Gratulation! Das ist ein unglaublicher Erfolg nicht nur der Universitäten, sondern auch der Reformanstrengungen des Freistaates Bayern.

(Beifall bei der CSU)

Im Jahr 2005 mussten Bund, Länder und Gemeinden trotz des historisch niedrigen Zinsniveaus jeden siebten Euro der Steuereinnahmen für Zinsen ausgeben. Bayern wird daher im Rahmen der zweiten Stufe der Föderalismusreform darauf drängen, dass die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern bundesweit wieder zu soliden öffentlichen Haushalten führen wird.

Ich sage bei dieser Gelegenheit ganz deutlich: Ein nationaler Entschuldungsfonds ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall bei der CSU)

Es kann nicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen in diesem bayerischen Parlament, dass hochverschuldete Länder über einen Entschuldungsfonds ihre angehäuften Altlasten den anderen, solide wirtschaftenden Ländern zuschieben.

(Zuruf von der CSU: Sehr richtig!)

Bayern müsste dann für Schulden aufkommen, die andere Länder in 30 Jahren aufgebaut haben, als Strafe gewissermaßen für seine nachhaltige sparsame Haushaltspolitik. Ich kann nur sagen: mit uns nicht!

(Beifall bei der CSU)

Wir stehen – das muss ich auch sagen, weil wir das jeden Tag immer wieder vorgehalten bekommen – zu unserer solidarischen Verantwortung. Bayern war letztes Jahr mit 2,2 Milliarden Euro im Länderfinanzausgleich und 1,7 Milliarden Euro im Umsatzsteuerausgleich in absoluten Beträgen der größte Nettozahler. Wir geben also – das muss man sich einmal klarmachen, liebe Kolleginnen und Kollegen – mehr als 10 % unseres jährlichen Haushaltsvolumens an andere Länder ab. Noch mehr ist dem bayerischen Steuerzahler nicht zuzumuten.

(Beifall bei der CSU)

Es wird immer gesagt: Ihr Bayern solltet doch daran denken, dass ihr in der Nachkriegsgeschichte hochgepäppelt worden seid. Seit 1950 – richtig – hat Bayern aus dem Länderfinanzausgleich insgesamt 3,4 Milliarden Euro

erhalten, inzwischen aber 20,5 Milliarden Euro, also das Sechsfache, wieder zurückbezahlt.

Das zeigt: Bayern hat den anderen gegenüber mittlerweile genug Solidarität bewiesen.

(Beifall bei der CSU)

Im Übrigen: Ich stelle den gegenwärtigen, schwierig errungenen Kompromiss des jetzigen Länderfinanzausgleichs nicht infrage, wie es andere tun. Aber das ist es dann auch! Wie gesagt, ein Schuldentopf kommt nicht infrage.

Wir meinen aber, dass alle Gebietskörperschaften disziplinierter an die Haushaltslage herangehen sollten. Wir werden daher die Einführung eines Frühwarnsystems zur Vermeidung von Haushaltskrisen verlangen. Ein solches Frühwarnsystem soll helfen, die inzwischen bedrohlich angewachsene Neuverschuldung in Deutschlands öffentlichen Haushalten nachhaltig einzudämmen.

Meine Damen und Herren, dieses Land Bayern ist bundesweit mittlerweile in der Haushaltsführung Vorbild geworden. Im bayerischen Staatshaushalt haben wir die mit Abstand geringste Pro-Kopf-Verschuldung – Sie wissen das: 1852 Euro –, die niedrigste Zinslastquote und – verglichen mit anderen westlichen Flächenländern – gleichzeitig auch die höchste Investitionsquote – bei allen Problemen, auf die ich noch zu sprechen kommen werde.

Mit seinem ausgeglichenen Haushalt 2006 ist Bayern der Vorreiter einer neuen Stabilitätskultur in Deutschland. Mit dem vorgelegten Regierungsentwurf des Doppelhaushalts 2007/2008 setzt die Bayerische Staatsregierung ihren finanzpolitischen Erfolgskurs fort. Wir werden also im Jahre 2008 zum dritten Mal in Folge einen ausgeglichenen Haushalt ohne einen Cent Nettoneuverschuldung haben. Bayerns Zinslastquote, meine Damen und Herren, wird in dieser Zeit, also bis 2008, auf 2,8 % sinken. Bei anderen steigt sie radikal. Ich kann mit Blick auf den SPDVorsitzenden nicht verschweigen: Die Zinslastquote in Rheinland-Pfalz steigt im Jahr 2008 auf 9,7 %. Man sollte also erst einmal seine Hausaufgaben machen, bevor man laute Bemerkungen macht.

Inzwischen sind sieben Länder dem Beispiel Bayerns gefolgt und haben sich auf einen Zeitpunkt festgelegt, bis zu dem sie einen ausgeglichenen Haushalt ohne Neuverschuldung vorlegen wollen. Ich kommentiere nicht, wie wahrscheinlich das in dem einen oder anderen Land ist; das werden wir sehen. Der Weg Bayerns – meine Damen und Herren, das wissen Sie besser als andere – zum ausgeglichenen Haushalt 2006 war und – ich unterstreiche das – ist steinig. Von der Einnahmeseite aus gesehen kommen wir aus einem Tal der Tränen: Bis einschließlich Mai letzten Jahres endeten die Steuerschätzungen neunmal in Folge im Minus. Das ist eine Kaskade des Steuerverfalls. Die Einnahmeausfälle von Bund, Ländern und Gemeinden in den Jahren 2001 bis 2005 summieren sich alles in allem auf 475 Milliarden Euro. Das entspricht dem gesamten Steueraufkommen eines ganzen Jahres. Das ist das Tal seit 2001.

Von einem derartigen Einnahmeausfall blieb in Deutschland kein öffentlicher Haushalt verschont. Nur wenige haben in diesem Land dann Kurs gehalten. Viele haben die Augen verschlossen. Die Folge war ein Anstieg der entsprechenden Neuverschuldung. Wir haben uns nicht von diesem Steuerrückgang beeindrucken lassen. Wir haben unser Ausgabeverhalten den sinkenden Einnahmen angepasst. So schlicht es klingt: Deutlich sinkende Einnahmen ist gleich deutlich heruntergedrückte Ausgaben.

In einer beispiellosen Kraftanstrengung, für die ich mich immer noch und noch einmal auch bei dieser Fraktion bedanke, haben wir uns vor allem im Nachtragshaushalt 2004 ein Einsparvolumen von über 2 Milliarden Euro erarbeitet, das fortwirkt. Dieser Sparkurs, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, ist für uns, für dieses Land ohne Alternative.

Hätten wir entsprechend den Wünschen der SPD-Landtagsfraktion auf Einsparungen verzichtet, hätten wir – das kann man sich präzise ausrechnen – in den Jahren 2006 und 2007 eine Neuverschuldung von 2 1/2 Milliarden Euro pro Jahr mehr. Der ausgeglichene Haushalt ohne Neuverschuldung wäre damit in weite Ferne gerückt. Stattdessen wäre durch die zusätzliche Verschuldung die Zinslast um jährlich 100 Millionen Euro gestiegen; schon im Jahr 2007 hätten wir eine zusätzliche Zinslast von 300 Millionen Euro gehabt.

Das ist die Realität! Deswegen wundert es mich, dass ich jetzt in den Zeitungen lese, auch heute, dass Kollege Maget sagt: Na, jetzt kommen mehr Steuern herein – heraus damit! Geben wir’s doch aus! – Ich glaube, er hätte doch aus der Vergangenheit lernen sollen, dass man so keine solide Haushaltspolitik machen kann.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt, wo sich die Einnahmen wieder positiv entwickeln, beginnt aber – das sehen Sie schon an der Einlassung des Kollegen Maget – die schwierigste Phase für eine nachhaltige Haushaltspolitik.

(Zuruf von der SPD: Sie!)

Denn mancher Fachpolitiker – to whom it may concern – und die Öffentlichkeit sehen die günstige Einnahmeentwicklung bei den monatlichen Steuereinnahmen, die nach wie vor sehr volatil, also sehr schwankend ist, und meinen, jetzt könne man den strengen Winter vergessen und auf Frühling setzen, sprich: auf Ausgaben.

Meine Damen und Herren, vergessen wir dabei nicht, dass diese Mehreinnahmen allenfalls helfen, die Nachwirkungen der vorhergehenden Steuerausfälle abzumildern. Wir haben in diesem Jahr noch nicht die Einnahmesituation des Jahres 2000 wieder erreicht. Das ist die Realität! Schauen Sie sich die Zahlen an, die ich Ihnen ausgereicht habe; da können Sie es nachvollziehen.

Bei der Veranschlagung der Steuereinnahmen im Doppelhaushalt 2007/2008 haben wir die günstige Ist-Entwicklung bereits berücksichtigt:

Ausgehend von der Mai-Steuerschätzung und unter Berücksichtigung der Auswirkungen des Steueränderungsgesetzes 2007, der ab 2008 geplanten Unternehmenssteuerreform und der bisherigen Ist-Entwicklung sieht der Regierungsentwurf Steuereinnahmen in Höhe von 28,4 Milliarden Euro in 2007 und 29 Milliarden Euro in 2008 vor. Verglichen mit den jeweiligen Ansätzen der Vorjahre ist dies eine Steigerung von 8,7 % im Jahre 2007 und 2,2 % im Jahre 2008. Das ist insbesondere in 2007 auf die Erhöhung der Umsatzsteuer zurückzuführen. Die für 2007 veranschlagte Steigerung bei den Steuereinnahmen um 2,3 Milliarden Euro bzw. 8,7 % hat eine solide Grundlage, aber das ist auch die oberste Grenze des Veranschlagbaren. Also denjenigen, die sagen, da gehen wir in der Schätzung noch ein klein wenig höher, dann wird es schon, dann haben wir mehr Spielraum für schöne Ausgaben, antworte ich: Das ist nicht vertretbar, das ist nicht seriös!

Dieser Regierungsentwurf hat politisch gesehen drei Kernelemente, meine Damen und Herren:

Erstens: Wir führen den ausgeglichenen Haushalt fort, beenden das also nicht mit einer Punktlandung in 2006, sondern dieses Prinzip gilt für 2007 und 2008 genauso.

Zweitens: Wir investieren gezielt in Bayerns Zukunft mit entsprechenden Schwerpunkten. Politik heißt Schwerpunktbildung, und Schwerpunktbildung heißt: Das will ich, und das andere muss dann zurückstehen. Das bedeutet auch, dass man politischen Mut haben muss.

Drittens: Wir stärken unsere Kommunen über einen Finanzausgleich, der weit stärker wächst als der Staatshaushalt insgesamt.

Zum ersten Kernelement: Unser Haushalt wird, wie ich bereits gesagt habe, bis zum Jahre 2008 ohne eine Kreditermächtigung auskommen. Es sieht schön aus, wenn man die Nullen in den folgenden Jahren sieht; das ist zumindest ein optisches Vergnügen für den Finanzminister.

Keine neuen Schulden, keine zusätzlichen Zinslasten, keine Verschiebungen zulasten künftiger Generationen! Der ausgeglichene Haushalt ist keine Eintagsfliege, sondern Programm und Verpflichtung für die Zukunft.

Die zweite Kernbotschaft dieses Doppelhaushaltes lautet: Wir investieren. Wir setzen den Dreiklang der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten vom 6. November 2003 konsequent um: Wir sparen, um den ausgeglichenen Haushalt sicherzustellen; wir reformierten und reformieren, um so die Grundlagen für ausgeglichene Haushalte in der Zukunft zu legen; und wir investieren gezielt in die Zukunft Bayerns.

Dabei fällt mir auf – diese Bemerkung erlaube ich mir –, dass sich die Oppositionsparteien in ihrer eigenen Strategie nicht so ganz einig sind. Die GRÜNEN monieren in ihrem Papier, das mir aus ihrer Pressekonferenz vorliegt, Faltlhauser gebe zu viel aus und gehe über die vom Finanzplanungsrat vorgesehene Ein-Prozent-Begrenzung hinaus, er müsste eigentlich mehr sparen. – Herr Maget

von der SPD sagt: Der gibt viel zu wenig aus, raus mit dem Geld! – Also, eine geschlossene Opposition ist das nicht.