Protokoll der Sitzung vom 09.11.2006

Herr Kollege Prof. Dr. Stockinger hat das Wort. Wir haben draußen so schöne Wandelgänge; Sie können sich wirklich draußen unterhalten.

(Unruhe)

Herr Präsident, Sie gestatten, dass ich Ihnen weiterhin den Rücken zuwende, solange ich mich hier den Kolleginnen und Kollegen widme.

(Allgemeine Heiterkeit – Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

Meine Damen und Herren, das ist der parlamentarische Aufbau. Sie haben mir in die Augen zu schauen.

(Allgemeine Heiterkeit)

Jetzt hat Herr Kollege Prof. Dr. Stockinger das Wort.

Danke schön, Herr Präsident. Der Wichtigkeit halber wiederhole ich meinen soeben ausgesprochenen Satz: Eine Rücknahme der rechtsaufsichtlichen Weisung unseres Wissenschaftsministeriums, wie sie die GRÜNEN fordern, kommt nicht in Betracht. Das Ministerium hat weder illegal noch rechtswidrig gehandelt.

Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien unterliegt gemäß Artikel 19 Absatz 1 des Bayerischen Mediengesetzes der Rechtsaufsicht durch das Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Stellt die Rechtsaufsichtsbehörde einen Verstoß gegen eine allgemeine Rechtsvorschrift fest, fordert sie die Landeszentrale auf, den Verstoß zu beseitigen. So sieht dies zumindest Artikel 19 Absatz 2 Satz 1 des Bayerischen Mediengesetzes vor.

Dies ist erfolgt. Die Rechtsaufsichtsbehörde hat ihr Vorgehen wie folgt begründet: Sie sagt, die Übertragung von Werbung für betandwin oder neuerdings bwin durch in Bayern lizenzierte Privatsender verstößt eindeutig gegen § 284 Absatz 4 des Strafgesetzbuches. Danach ist die Werbung für behördlich nicht genehmigtes Glücksspiel schlichtweg verboten. Nach Artikel 2 Absatz 4 des Bayerischen Staatslotteriegesetzes obliegt die Durchführung von Glücksspielen in Bayern ausschließlich der Staatlichen Lotterieverwaltung, zumindest nach dem gegenwärtigen Rechtsstand.

Die Veranstaltung öffentlichen Glücksspiels durch Private ist daher ebenso unzulässig wie – und das folgt logisch daraus – die Werbung hierfür. Die BLM hat diesen Rechtsverstoß als öffentlich-rechtliche Trägerin des Rundfunks gemäß Artikel 2 Absatz 1 des Mediengesetzes zu verantworten und ist gemäß Artikel 11 Nummer 1 des Mediengesetzes verpfl ichtet, die rechtswidrige Werbung für betandwin zu unterbinden.

Die Rechtsaufsicht ist auch nicht durch Artikel 19 Absatz 2 Satz 3 des Bayerischen Mediengesetzes ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift sind rechtsaufsichtliche Maßnahmen nach Artikel 19 Absatz 2 Satz 1 des Bayerischen Mediengesetzes in Programmangelegenheiten ausgeschlossen. Der Begriff der Programmangelegenheiten in Artikel 19 Absatz 2 Satz 3 des Mediengesetzes ist ein sogenannter unbestimmter Rechtsbegriff. Nachdem alle Entscheidungen der Rundfunkanbieter bzw. der BLM mindestens mittelbar – und hier werden Sie mir folgen – das Programm beeinfl ussen, ist der Begriff der Programmangelegenheiten auslegungsbedürftig, da eine Rechtsaufsicht sonst faktisch in keinem denkbaren Fall bestünde und die Vorschrift des Artikels 19 des Bayerischen Mediengesetzes nach der derzeitigen Fassung des Gesetzes in sich widersprüchlich wäre.

Kolleginnen und Kollegen, die Rechtsaufsichtsbehörde ist bei der konkreten Ausübung der Rechtsaufsicht ebenfalls an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden. Das bedeutet, wie wir wissen, dass Maßnahmen der Rechtsaufsichtsbehörde erforderlich und angemessen im engeren Sinn sein müssen. Die Weisung des Staatsmi

nisteriums an die BLM vom 09.05.2006 entspricht diesen Anforderungen. Da die BLM entgegen ihrer Verpfl ichtung in Artikel 11 Nummer 1 des Bayerischen Mediengesetzes keine Maßnahme getroffen hat, um den Rechtsverstoß gegen § 284 des Strafgesetzbuches in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 4 des Staatslotteriegesetzes zu unterbinden, war ein Einschreiten der Rechtsaufsichtsbehörde zwingend geboten. Die Weisung war auch erforderlich und angemessen, da eine mildere rechtsaufsichtliche Maßnahme nicht verfügbar ist und der Kernbereich der Rundfunkfreiheit durch die Weisung nicht angetastet wird. – Ein Punkt, auf den ich besonderen Wert lege.

Daran hat sich auch nichts geändert durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. August dieses Jahres, in dem die aufschiebende Wirkung der Klage der BLM gegen den Bescheid der Rechtsaufsichtsbehörde wieder hergestellt wurde. Die Juristen wissen, dass das ein klassischer Fall eines Antrags nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung ist. In diesem Beschluss vom 18. August hat das Gericht festgestellt, dass die Werbung für Sportwetten rechtswidrig ist und von der BLM unterbunden werden müsste. Allerdings dürfe die Rechtsaufsicht dies nicht vollziehen, weil es sich um Programmangelegenheiten handle, in die die Rechtsaufsicht nicht eingreifen kann. Die Staatsregierung hat gegen diese Entscheidung – meiner Ansicht nach absolut konsequent und zu Recht – Beschwerde eingelegt. Eine Entscheidung wird in den kommenden 14 Tagen erwartet. An der materiellrechtlichen Einordnung dieser Weisung hat sich auch durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts nichts geändert. Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, den Antrag der GRÜNEN abzulehnen.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dupper.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich setze Ihr Einverständnis voraus, Herr Kollege Dr. Runge, dass ich jenseits juristischer Untiefen argumentiere. Das Urteil des Verfassungsgerichts vom 28. März 2006 lautet in Satz 3: „Bis zu einer Neuregelung darf das Staatslotteriegesetz nach Maßgabe der Gründe weiter angewendet werden.“ Das Gericht erklärt weiter in einer begleitenden Mitteilung: „Das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von Wetten, die nicht vom Freistaat Bayern veranstaltet werden, dürfen weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden.“ – Soweit das Verfassungsgericht.

Hierzu hat Herr Kollege Prof. Dr. Stockinger jede Menge ausgeführt, was ich nicht kommentieren möchte. Der Rechtsweg ist auch noch nicht beendet. Im Grunde geht es doch darum, dass diese Wetten illegal sind und dass eine bayerische Landesmedienanstalt eigentlich die Verpfl ichtung hätte, Werbung für illegale Wetten von sich aus zu untersagen. Das ist doch der eigentliche Punkt. Was ich an der ganzen Debatte überhaupt nicht verstehe, ist, dass eine derartige Institution überhaupt eines freundlichen Hinweises eines Ministeriums bedarf, um die Werbung für Illegales einzustellen.

Das verstehe ich überhaupt nicht. Ich glaube, wir sollten die Thematik vor diesem Hintergrund diskutieren, statt auf der Apothekerwaage irgendwelche Paragraphen abzuwägen. Deswegen bin ich auch ein bisschen ungehalten darüber, dass die BLM wirtschaftsliberale Erwägungen heranzieht. Beim Teilnehmerentgelt möchte sich diese gute Institution doch auch nicht den Regeln des Marktes unterwerfen.

(Beifall bei der SPD)

In aller Kürze: Ich kann dem Antrag deswegen in keiner Weise zustimmen. Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass der eine oder andere Medienrat die Thematik vielleicht differenzierter betrachtet. Der Pars sanior unserer Fraktion wird diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Dr. Runge hat sich nochmals zu Wort gemeldet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Aufmerksamkeit. Ich bitte, die Gespräche auf das nötige Maß zu beschränken.

Kollege Dr. Runge hat das Wort.

Herr Kollege Dupper, ich habe gesagt, es geht nicht um Monopol – Ja oder Nein – oder um Werbung zulässig – Ja oder Nein –, sondern es geht um einen illegalen Eingriff der Bayerischen Staatsregierung in die Rundfunkfreiheit.

Trotzdem noch ein Satz zu Ihren Ausführungen. Ich stelle schon infrage, dass es verboten sein soll, in einem bundesweit ausgestrahlten Programm für ein Produkt eines Herstellers zu werben, welches nicht verboten ist. Ich habe vorhin das Urteil des VG Dresden angesprochen, mit dem die Entscheidung der Behörde in Chemnitz kassiert worden ist. Das ist eine Frage, die uns an dieser Stelle aber nicht interessiert. Uns interessiert an dieser Stelle: Was sagt Artikel 5 des Grundgesetzes; was sagt Artikel 111 a Absatz 1 der Bayerischen Verfassung, und was sagt das Bayerische Mediengesetz? Warum machen wir ein Mediengesetz, wenn wir uns nicht daran halten? Es geht nicht um Apothekerwaage, und es geht auch nicht um das, was Herr Stockinger ausgeführt hat. „Das ist eine Eilentscheidung.“ „Wir wissen, wie Eilentscheidungen ablaufen.“ Das Gericht hat glasklar gesagt – nochmals zwei Zitate –: Schon bei kursorischer Prüfung offensichtlich rechtswidrig. Dann hat es gesagt – da bin ich bei unserem Bayerischen Mediengesetz, das über das Grundgesetz hinausgeht –: Es kennt hier überhaupt keinen Interpretationsspielraum. Es sagt klipp und klar, dass es in Programmfragen – zu Programmfragen zählt nun einmal die Werbung – überhaupt keine aufsichtsrechtlichen Maßnahmen geben darf.

Also noch einmal: Wenn Sie der Meinung sind, dass es illegal ist, dann ist dies eine Sache für die Staatsanwaltschaft. Das Verfahren können Sie in Gang setzen. Es ist aber nicht Aufgabe der Bayerischen Staatsregierung,

(Beifall bei den GRÜNEN)

in derartiger Art und Weise in die Rundfunkfreiheit einzugreifen. Das ist der Punkt. Entweder ist die Staatsanwaltschaft gefordert oder keiner; die Staatsregierung ist aber überhaupt nicht berufen. Das ist ein massiver Eingriff in die Rundfunkfreiheit.

Ich richte noch einmal den Appell an Sie, diesem Antrag zuzustimmen; denn es geht eben nicht um Monopol – Ja oder Nein –, sondern es geht um die illegale Weisung. Die Staatsregierung hat etwas Illegales gemacht; sie hat etwas gemacht, das wir als Gesetzgeber mit unseren Formulierungen im Bayerischen Mediengesetz dezidiert ausgeschlossen haben. Die Bayerische Staatsregierung hat in diesem Fall nichts anderes zu tun, als sich an die Bestimmungen zu halten, die der Bayerische Landtag mit seiner ganz großen Mehrheit formuliert hat. Deswegen bitte ich noch einmal um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Staatsminister Dr. Goppel.

Herr Kollege Runge, Herr Präsident, Hohes Haus! Ich bin den Kollegen Stockinger und Dupper außerordentlich dankbar dafür, dass sie eine umstrittene Situation so dargestellt haben, wie es notwendig ist. Aufgrund des Gesetzes hat die BLM von uns einen Auftrag erhalten, bestimmte Aufsichten im Rahmen ihrer Tätigkeit durchzuführen. Wenn die Rechtsaufsicht, die die Staatsregierung in allen Bereichen immer wieder hat, wenn es nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, feststellt, dass dieser Aufgabe nicht nachgekommen wird, dann wird man das reklamieren dürfen. Das haben wir getan – übrigens in der notwendigen Stille, mit der man in Verwaltungen miteinander arbeitet. Das haben wir wiederholt getan. Jedes Mal hat es geheißen: Wir haben dazu kein Recht.

Wir haben dann festgestellt: Im Prinzip gibt es eine Rechtsunsicherheit. Bei der Werbung, also etwas, womit die BLM und alle anderen Beteiligten Geld verdienen, geht es nicht um das Programm, sondern um etwas anderes. Deswegen sind wir zu dem Schluss gekommen, der BLM zu sagen: Auch wenn es um Geldverdienen geht, wird man solche Dinge mit einem anderen Maßstab messen müssen. Dieses haben wir angemahnt. Die BLM hat sich dagegen gewehrt. Das klärt jetzt gerade das Gericht. Die Erstinstanz hat in einer Eilentscheidung gesagt: Es ist so. Es reicht, wenn es so ist; sie hat nicht gründlich genug geprüft. Wir haben gesagt: Wir wollen es aber gründlich geprüft haben. Dies wird jetzt geschehen. Ein Parlament sollte daher nicht eingreifen, zumal dann nicht, wenn es streitet. Wenn es streitet, sollte man die Gerichte entscheiden lassen. Darum bitte ich. Deswegen gehört Ihr Antrag nach meiner Überzeugung abgelehnt.

Eine nochmalige Wortmeldung vom Kollegen Dr. Runge. Bitte schön.

Herr Minister Goppel, Sie sprechen hier von einer Lücke. Haben Sie den Rund

funkstaatsvertrag gemacht, oder haben wir ihn gemacht? Aus dem Rundfunkstaatsvertrag, Artikel 7 Absatz 2, geht ganz eindeutig hervor: Werbung ist Programmbestandteil. In der Kommentierung, in der gesamten Literatur ist dies völlig unumstritten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich zitiere nochmals, weil Sie Lücke und Interpretation genannt haben. Ich zitiere das VG München: Grundsätzlich kann Rechtsaufsicht nur in einer die Rundfunkfreiheit gemäß Artikel 111 a Absatz 1 Satz 1 Bayerische Verfassung, Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz beachtenden Weise durchgeführt werden, wobei Artikel 19 Absatz 2 Satz 3 Bayerisches Mediengesetz sogar noch weiter geht und die Rechtsaufsicht in Programmangelegenheiten unabdingbar und ohne Einschränkung, also auch ohne die in Artikel 5 Absatz 2 Grundgesetz genannten Schranken ausschließt. Das ist unabdingbar und ohne Einschränkung ausgeschlossen. Das haben wir beschlossen,

(Beifall bei den GRÜNEN)

und wir fordern, dass sich die Staatsregierung an die Gesetze hält, die wir beschließen – nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Staatsminister Dr. Goppel hat das Wort.

Lieber Herr Kollege Runge, wenn jemand so klug ist und argumentiert, wie Sie das für sich reklamieren, dann ist es immer gut, wenn man bei einem Streit dem Gericht die Möglichkeit belässt, zu entscheiden. Stellen wir die beiden Rechtsmeinungen gegenüber. Die Ausgangsposition ist nämlich etwas anders. In diesem Augenblick gibt es für die Werbung eine genau festgelegte Abfolge, an die sich die BLM nicht hält. Dort gelten nämlich strengere Regeln. Daran hält sie sich nicht. Wenn es sich um einen direkten Zuständigkeitsbereich handeln würde, würde ich Ihnen recht geben. Das ist aber nicht so. Es handelt sich um einen indirekten Zuständigkeitsbereich. Unter diesem Umstand sage ich Ihnen nochmals: Sie täten sich selbst einen Gefallen, wenn Sie das Gericht entscheiden ließen und wir dann in einer Richtung gemeinsam argumentieren könnten – ich nehme an, in unserer. Ich meine, das sollten wir überprüfen lassen.

Jetzt sehe ich keine weiteren Wortmeldungen mehr. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe verfahrensleitende Anmerkungen zu machen.

Erstens. Es sind wieder einige Kollegen im Raum, die gerade mit dem Handy telefoniert haben oder noch telefonieren. Wir haben eine Absprache, dass wir in diesem Raum kein Handy gebrauchen. Ich bitte, dies zu berücksichtigen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens. Wir haben eine weitere Absprache, dass in diesem Raum nicht gegessen wird. Darauf möchte ich noch einmal hinweisen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Eine weitere verfahrensleitende Anmerkung: Liebe Kolleginnen und Kollegen, es folgt jetzt – hören Sie mir gut zu, damit Sie nichts verpassen – die namentliche Abstimmung. Danach wäre an sich noch Tagesordnungspunkt 4 mit zwei Anträgen aufzurufen gewesen. Diese sind jetzt einvernehmlich vertagt worden, sodass im Anschluss an die namentliche Abstimmung gleich die Fragestunde kommt. Anhand der Zeitberechnung sind wir somit spätestens um 13.45 Uhr fertig. Nach der namentlichen Abstimmung kommt also nur noch die Fragestunde; dann ist für heute Schluss, weil heute Nachmittag die Hauptsynagoge in München eingeweiht wird.