Protokoll der Sitzung vom 29.11.2006

Das darf nicht passieren. Die Bürgerinnen und Bürger dürfen durch Gebühren nicht abgeschreckt werden, Informationen abzufragen. Es sieht fast so aus, als wenn man die Verwaltung vor den Bürgern schützen will, indem man einfach entsprechende Gebühren festsetzt.

Es wird gesagt, das Ministerium habe das noch nicht erledigt, weil es sich nicht lohne, ausschließlich für dieses Umweltinformationsgesetz ein eigenes Kostenverzeichnis anzulegen. Moment, auf Bundesebene ist das doch auch möglich. Da hätte man zumindest das Bundeskostenverzeichnis übernehmen können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der GRÜNEN)

Wenn es auf Bundesebene möglich ist, ein separates Kostenverzeichnis für ein Umweltinformationsgesetz anzulegen, warum kann das dann diese ach so tolle Staatsregierung in Bayern nicht leisten, warum schafft das das Umweltministerium in Zusammenarbeit mit dem Finanzministerium nicht? Schnappauf hat wieder einmal seine Hausaufgaben nicht erledigt.

(Beifall bei der SPD)

Nun sagt der Kollege Meißner, man werde beobachten müssen, wer da Informationen abruft, wer wie viel und welche Informationen abruft. Das klingt schon fast nach Zensur. Wer darf denn, wer soll denn, wer darf wie viel zu welchen Kosten abrufen? Ich bedaure das sehr. Wir waren nämlich im Umweltausschuss froh, dass der Gesetzentwurf nach enormer Verzögerung, nach Blockaden auch auf Bundesebene endlich vorliegt. Es war die Union, es waren CDU und CSU, die die rot-grüne Bundesregierung immer wieder in diesem Bereich blockiert haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der GRÜNEN)

Das war eine absolute Verweigerungshaltung. Aber wir haben es auf Bundesebene rechtzeitig hinbekommen, im Gegensatz zur Bayerischen Staatsregierung, die hier wieder dieses Thema wirklich aussitzt. Aber eigentlich muss sie es ja umsetzen, weil das eine EU-Richtlinie ist.

Sie kommen nicht darum herum! Sie wollen es eigentlich gar nicht. Sie sagen das bloß nicht offen und ehrlich.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Genau!)

Sie können es aber leider nicht aussitzen. Und jetzt liegt endlich mit enormer Verzögerung dieser Gesetzentwurf vor.

Kolleginnen und Kollegen, ich sage: Dieses Kostenverzeichnis kann dazu führen, dass aus diesem Informationsgesetz für die Bürgerinnen und Bürger ein Verhinderungsgesetz wird.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Wenn die Gebühren entsprechend hoch angesetzt sind, werden die Bürgerinnen und Bürger nicht auf das Gesetz zurückgreifen und Informationen abrufen. Daher werden wir unsere ursprüngliche Zustimmung zu diesem Gesetz zurückziehen. Kollege Kaul, ich bedauere das sehr.

(Henning Kaul (CSU): Sie haben im Ausschuss einstimmig zugestimmt!)

Ja, aber dann lesen Sie einmal das Protokoll. Ich habe das Kostenverzeichnis eingefordert.

(Henning Kaul (CSU): Sie haben auch zugestimmt!)

Ich habe zugestimmt. Aber dann heißt es hier: „Susann Biedefeld bittet, dass das Kostenverzeichnis bis zur Zweiten Lesung vorliege, was vom Vorsitzenden ausdrücklich bekräftigt wird.“

Das aber ist nicht der Fall. Und ich habe das, was ich eben ausgeführt habe, auch im Ausschuss gesagt, dass das nämlich ein Verhinderungsgesetz werden kann, wenn wir nicht wissen, wie das Kostenverzeichnis aussieht. Daher werden wir unsere Zustimmung zurückziehen.

Wir werden aufgrund dieser wieder nicht erledigten Hausaufgaben dieses Gesetz ablehnen, weil wir sagen, hier ist nicht im Interesse der Bürgerinnen und Bürger gearbeitet worden. Wir wollen mehr Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger erreichen, damit sie die Möglichkeit haben, mehr Umweltinformationen, mehr Umweltdaten abzurufen. Wir wollen das Interesse der Menschen wieder wecken, sich auch in politische Prozesse im Umweltbereich einzuschalten, wenn es darum geht, nachhaltige Umweltpolitik zu betreiben. Das ist unsere Zielsetzung und auch die eigentliche Zielsetzung dieses Gesetzes. Das untergraben Sie hier einfach, weil das Kostenverzeichnis nicht vorliegt. Wir wollten Transparenz und Bürgerfreundlichkeit, und das können wir heute aufgrund des fehlenden Kostenverzeichnisses eben nicht bestätigen.

Daher bleibt uns auch gar keine andere Möglichkeit, als diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Ein Umweltinformationsgesetz steht eigentlich für eine Behördenkultur, die

sich durch Transparenz und Bürgerfreundlichkeit auszeichnet, aber leider nicht hier in Bayern.

(Beifall bei der SPD)

Zur langen Verzögerung habe ich bereits etwas gesagt. Ich möchte noch einen Punkt anführen. Es gibt auch etwas Positives in diesem Gesetz. Das muss man auch sagen. Ich will nicht nur das Negative anführen.

Es wird zum Beispiel ganz klar ausformuliert und aufgezeigt, was denn wirklich Daten sind, die von den Bürgerinnen und Bürgern abgerufen werden können, was Umweltinformationen sind. Dazu gehört zum Beispiel jetzt dezidiert auch die Kontamination der Lebensmittelkette. Möglicherweise hat man schon ein Stück weit aus dem Gammelfleischskandal gelernt. Wenn wir das Gesetz früher gehabt hätten, wenn die EU-Richtlinie fristgerecht umgesetzt worden wäre, hätten wir vielleicht das eine oder andere im Bereich des Gammelfleischskandals verhindern können. Aber vielleicht hilft das Gesetz wenigstens künftig ein Stück weit. In Artikel 2 ist das dezidiert aufgeführt. Das ist etwas Positives.

Wir haben hier auch – und ich denke, auch das liegt im Interesse der Bürgerinnen und Bürger – eine klare Frist. Wenn ein Bürger/eine Bürgerin anfragt und Umweltinformationen, Umweltdaten bei einer entsprechenden Behörde, bei einer Stelle abruft, muss diese informationspflichtige Stelle spätestens einen Monat nach Eingang die entsprechenden Informationen geben. Künftig werden Bürgerinnen und Bürger also fast besser bedient als wir Abgeordneten, weil wir nämlich auf Antworten, auf Schriftliche Anfragen acht Wochen, zehn Wochen, oft ein Vierteljahr warten müssen. Vielleicht werden wir Abgeordneten auf diesem Wege zu Bürgerinnen und Bürgern und kommen so schneller zu Informationen. Auch das werden wir einmal testen.

Frau Kollegin, wir haben im Ältestenrat fünf Minuten Redezeit vereinbart. Sie sind jetzt schon fast zwei Minuten drüber.

Ich bitte um Entschuldigung. – Diese Frist ist höchstens auf zwei Monate begrenzt. Das ist auch positiv.

Ich habe aber klar dargelegt, warum wir den Gesetzentwurf ablehnen. Ich bedaure das sehr.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Paulig.

(Henning Kaul (CSU): Sie hat nicht recht!)

Sie hat sehr recht! Meine Kollegin Frau Biedefeld, Herr Kollege Kaul, hat sehr recht in diesem Punkt: Auch Sie haben diesem Kostenverzeichnis zugestimmt.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Meißner, als Sie sagten, wir hätten es uns gewünscht, aber wir haben es nicht bekommen, war der Zuruf meines Kol

legen Sepp Dürr sehr treffend: Meißner hat sich was gewünscht, aber das Christkind ist nicht gekommen! –

Ich meine, etwas Achtung gegenüber dem Parlament und den Entscheidungen und Vorgaben aus den Ausschüssen vonseiten der Staatsregierung wären angebracht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich musste schon schmunzeln, Herr Kollege Meißner, als Sie dieses Gesetz, über das wir jetzt trotzdem abstimmen, auch wenn es unvollständig ist, als sehr gelungen bezeichnet haben. Da muss ich wirklich lachen. Zwei Jahre haben Sie gebraucht, um das Bundesgesetz Wort für Wort abzuschreiben. Einige Passagen haben Sie weggelassen. Dazu komme ich gleich. Aber ich frage mich wirklich: Ist denn dieses Gesetz auf Papyrus gemalt, mussten Sie eine Kunstschrift enträtseln oder musste man das Ganze mit Rauchzeichen nach Bayern transferieren? Bis heute erklärt sich mir nicht, warum Sie unfähig waren, dieses Gesetz, das sich in 80 % der Passagen wortgleich an das Bundesgesetz anschließt und es übernimmt, rechtzeitig vorzulegen. Der Termin hierfür war der 15. Februar 2005.

(Zuruf von der CSU: Wollen Sie es immer noch nicht haben?)

Wir wollen ein vollständiges Gesetz. Sie hätten es vollständig abschreiben müssen, dann wäre es sinnvoll gewesen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt noch einmal: Es hat bei diesem Gesetz manche Kuriositäten gegeben. Es erschließt sich uns wirklich nicht, warum Sie es verzögern. Wir haben im April 2005 den Antrag eingebracht, dieses Gesetz endlich vorzulegen. Sie haben im Ausschuss gesagt, dass das Gesetz bis zur Sommerpause eingebracht wird. Bis zur Sommerpause 2005 ist nichts passiert. Eigenartig. Ich bin eigentlich von dieser Sommerpause ausgegangen. Sie haben es mit langer Verzögerung zur Sommerpause 2006 geschafft. – Und das nicht komplett.

Zwei Punkte muss ich in diesem Zusammenhang neben dem Kostenverzeichnis ansprechen. Sie haben es unterlassen, in diesem Gesetz, wie es das Bundesgesetz macht, die Ordnungswidrigkeiten für Behörden aufzuführen, die die Auskünfte verweigern. Auch hier haben Sie die Informationsrechte der Bürgerinnen und Bürger indirekt beschnitten, indem Sie in Ihrem Gesetz nicht klar festlegen, dass die Behörden verpflichtet sind, diese Informationen zu geben.

Zweiter Punkt: Sie haben es auch nicht geschafft, die Frage zu klären, wer auskunftspflichtig ist, wie es in Artikel 2, in den Begriffsbestimmungen, des bayerischen Gesetzes vorgegeben ist.

Das Bundesgesetz hat ganz klar festgelegt, dass auch Personen nach dem Privatrecht auskunftspflichtig sind, wenn sie Aufgaben der öffentlichen Hand übernehmen.

Das heißt, auch Firmen, die Pläne ausarbeiten, sind gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern auskunftspflichtig. Sie haben diesen Begriff in Ihrem Gesetzentwurf nicht geklärt.

Das Bundesgesetz sagt beispielsweise auch ganz klar: Auskunftspflichtig sind Personen oder Gruppierungen, bei denen die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens in öffentlicher Hand ist, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte in öffentlicher Hand ist oder bei denen die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans der Unternehmen von öffentlicher Hand bestellt ist. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Ich habe diesen Punkt in der Ausschussdebatte angesprochen. Da sagte der Vertreter des Umweltministeriums, Regierungsdirektor Hoibl, so schön, das sei zutreffend. In Artikel 2 sei das nicht abschließend geklärt. Es sei bewusst als unbestimmter auslegbarer Rechtsbegriff gehalten, wer hier auskunftspflichtig ist, um den Behörden die Möglichkeit der Auslegung zu geben.

(Christian Meißner (CSU): Richtig!)

Das könne unter Umständen natürlich zur Anrufung von Gerichten führen. Da muss ich schon sagen, Sie kapitulieren genau an diesem Punkt, wo eine Klärung notwendig gewesen wäre. Sie hätten diese aus dem § 2 des Bundesgesetzes Wort für Wort übernehmen können.

(Beifall der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))