Protokoll der Sitzung vom 12.12.2006

(Beifall bei der SPD)

Der Anteil, den Sie für die Schulen ausgeben, ist in den letzten Jahren noch geringer geworden als er ohnehin schon war. An den Grund- und Hauptschulen sinkt die Zahl der Lehrer. Dort sollen im nächsten und im übernächsten Jahr insgesamt 1660 Planstellen gestrichen werden. Herr Stoiber hat den rührenden Brief eines Hauptschülers oder einer Hauptschulklasse aus Schwabach vorgelesen. Der Schüler hat gesagt, wir sollen die Hauptschulen nicht schlechtreden.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Wir reden die Hauptschulen nicht schlecht, aber Sie behandeln sie schlecht, und das ist das Problem. Das ist der entscheidende Punkt!

(Anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Warum wollen die Eltern ihre Kinder denn nicht mehr an die Hauptschule geben? Warum nicht? – Sie wissen, dass ihre Kinder dort schlechtere Bildungs-, Lebens- und Arbeitsmarktchancen haben. Das ist der entscheidende Punkt. Die Eltern wissen, dass die Hauptschulen mit so vielen Problemen zu kämpfen haben und, dass Sie den Hauptschulen nicht helfen, die Probleme zu lösen. Es gibt keine Ganztageshauptschulen, es gibt keine ausreichende Ausstattung, die Klassen sind viel zu groß. Das ist es, was Sie den Hauptschulen antun. Deshalb dürfen Sie hier keine Krokodilstränen zugunsten der Hauptschulen weinen!

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Maget, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Steiger?

Bitte, Frau Kollegin.

Herr Kollege Maget, wie schätzen Sie die Forderung ein, die Herr Kollege Eduard Nöth von der CSU in einem Brief an den Ministerpräsidenten formuliert hat, wonach die vorausgesagten steigenden Steuereinnahmen für die Bildungspolitik einzusetzen seien, weil die Personalausstattung an den Schulen absolut „auf Kante genäht“ sei, weil es zu große Klassen gebe, weil der Unterricht ausfalle, weil die Lehrer fehlten und weil zur individuellen Förderung keine Möglichkeiten bestünden?

Wunderbar, diese Frage kommt gerade recht.

(Alexander König (CSU): Können die Mitglieder Ihrer Fraktion nur im Plenum Fragen stellen, weil Sie es sonst nicht dürfen? – Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

Was der Finanzminister darf, darf der Abgeordnete auch, Herr Kollege.

Sie lassen die Hauptschulen am langen Arm verhungern, am Lande lassen Sie sie sogar sterben. Bei den Berufsschulen, Realschulen und bei den Gymnasien sieht es nicht besser aus. Ich zitiere den Vorsitzenden des Bayerischen Realschullehrerverbandes, Herrn Huber. Herr Huber sagt Folgendes: „Es ist den Realschulen versprochen worden, dass sich zumindest nichts verschlechtern wird.

(Simone Tolle (GRÜNE): Danke schön!)

Nicht einmal dieses Versprechen ist gehalten worden, im Gegenteil.“ So weit der Vorsitzende des Bayerischen Realschullehrerverbandes. Und Herr Huber verweist darauf, Herr Ministerpräsident, dass der Klassendurchschnitt wieder steigt, dass er jetzt bei 28,83 liegt und dass es in Bayern 290 Klassen mit mehr als 34 Schülern gibt. Herr Huber sagt, wenn in Bayern keine Realschulklasse über 33 Schüler haben soll, dann bräuchten wir allein dafür 800 zusätzliche Lehrer. Angesichts der bildungspolitischen Sonntagsreden, die Sie immer halten, ist das ein Offenbarungseid.

(Beifall bei der SPD)

Der Vorsitzende des Bayerischen Philologenverbandes, Herr Max Schmidt, sagt zur Situation: „Wir haben die schlimmste Situation an unseren Schulen, seit ich Lehrer bin.“ – Der Mann ist schon seit 25 Jahren Lehrer.

(Zuruf von der SPD: Das spricht Bände!)

Das spricht in der Tat Bände.

Achter Punkt. Wenn es gerecht zugeht, darf Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen.

(Beifall bei der SPD)

Diese Forderung, die im Übrigen auch in der Bayerischen Verfassung steht, wird in Bayern geradezu mit Füßen getreten. Nirgendwo in Deutschland bestimmt die Herkunft eines Kindes in dem Ausmaß über seinen Bildungserfolg und seine eigenen Lebenschancen, wie das in Bayern der Fall ist. Wenn Sie das bestreiten, dann lesen Sie Ihren eigenen bayerischen Bildungsbericht 2006. Dort stehen Ausführungen, deren Zitat ich Ihnen an dieser Stelle erspare, die aber deutlich machen, dass die Bildungschancen in Bayern extrem ungerecht verteilt sind. Ich sage, ein Bildungssystem, das nicht zumindest versucht, soziale Ungleichheit auszugleichen und aufzuheben, können wir uns nicht länger leisten. Wir können uns das aus moralischen Gründen nicht leisten, aber auch nicht aus sozialen und ökonomischen Gründen. Wir können es uns nicht leisten, dass jedes Jahr 10 % eines Jahrgangs die Schule ohne Abschluss verlassen, weil es zu wenig individuelle Förderung gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

In Bayern gibt es die höchste Quote an Durchfallern, und wir haben eine stets steigende Nachfrage an Nachhilfestunden für den Nachmittag. Auch das können wir uns nicht leisten. Wir brauchen mehr Ganztagsschulen, deren Zahl bisher in Bayern mikroskopisch gering ist. So darf das nicht bleiben.

Wir bringen eine verlorene Generation zustande, die keine Arbeitsmarkt- und Berufschancen haben wird. Ihnen gelingt es in Ihrem Doppelhaushalt sogar, zusätzlich neue Bildungshürden mit dem Büchergeld und den Studiengebühren aufzurichten.

Bei den Studiengebühren ist übrigens kein Erlass aus wirtschaftlichen Gründen vorgesehen. Niemand kann aus wirtschaftlichen Gründen von der Zahlung von Studiengebühren befreit werden. Ist das sozial gerecht, liebe Kolleginnen und Kollegen?

(Zuruf von der SPD: Nein, das ist es nicht! – Beifall bei der SPD)

Ist das soziale Politik?

Meine Kinder und Ihre Kinder können studieren, weil es sich das Elternhaus leisten kann. Aber was macht eine Arbeiterfamilie? Was macht eine Hartz-IV-EmpfängerFamilie? Wenn man weiß, dass Ausbildung immer teurer wird und man am Ende eines Studiums, wo man auch nicht weiß, ob man gleich einen Arbeitsplatz findet, mit zigtausend Euro Schulden dasteht, muss man sich fragen: Werden die Kinder ein Studium absolvieren oder beginnen? Nein, das werden sie vielfach nicht. Das ist eine schlechte Nachricht und ein schwerer Fehler Ihrer Politik.

(Beifall bei der SPD)

Ich zitiere den früheren Rektor der Münchner Universität, Herrn Prof. Heldrich. Er schrieb in der „Bayerischen Staatszeitung“ wörtlich:

Gewiss werden auch nach Einführung von Studiengebühren Abiturienten aus einkommensschwachen Familien noch den Weg zur Universität finden. Ihr Anteil an der gesamten Studentenschaft wird aber sicherlich zurückgehen. Wir müssen uns fragen, ob wir diese Auswirkung gegenüber den betroffenen jungen Leuten tatsächlich verantworten können.

Recht hat er. Wir meinen, das können wir nicht verantworten.

(Beifall bei der SPD)

Neuntens. Noch immer ist die hohe Arbeitslosigkeit das größte soziale und wirtschaftliche Problem unseres Landes, obwohl wir in den letzten Monaten einige durchaus positive Nachrichten wahrnehmen konnten. Deutschland wird, so hat man gestern in den Zeitungen gelesen, wieder zu den attraktivsten Wirtschaftsstandorten der Welt gezählt. Das ist kein Anlass zu Begeisterung, aber schon Grund zur Zuversicht.

Vor allem wollen wir aber erreichen, dass die Arbeitslosigkeit im ganzen Land Bayern zurückgeht. In Teilen unseres Landes ist sie noch bedrückend hoch. In Ostbayern, Oberfranken, im westlichen Mittelfranken ist die Arbeitslosigkeit zu hoch, auch die Jugendarbeitslosigkeit. Außerdem ist die Ausbildungssituation schlecht. In diesen regionalen Unterschieden Bayerns spiegeln sich deutlich die Versäumnisse der Staatsregierung in der Regional- und Strukturpolitik wider. Man kann über die gute Lage der Region in München froh sein. Das sind natürlich auch wir. Es hilft aber nicht den Menschen in den strukturschwachen Gebieten Bayerns.

(Beifall bei der SPD)

In Hof haben Sie zum Beispiel einen Flughafen unterstützt. Darüber kann man geteilter Meinung sein. Ich habe dieses Projekt immer mit getragen, weil ich glaube, dass es ein Hoffnungszeichen für diese Region ist. Aber ein Flughafen allein hilft natürlich nichts, wenn Sie es nicht schaffen, drumherum eine aktive Standortpolitik zustande zu bringen und dort Arbeitsplätze anzusiedeln.

(Beifall bei der SPD)

Ich weiß nicht, ob Herr Huber jetzt da ist. – Aber immerhin ist Herr Spitzner da. – Sie haben in Hof ganz groß einen Automobilzulieferpark angekündigt. Als die erste Firma kam, waren gleich vier Minister dort, um den Park zu eröffnen. Ich glaube, das war im Jahr 2004.

Wissen Sie übrigens, wie dieser Automobilzulieferpark heißt? Herr Huber liebt ja englische Begriffe. Der Automobilzulieferpark heißt „Pole Position“. Wissen Sie, wie „Pole Position“ in Hof aussieht? Den Flughafen machen Sie zu. Zulieferer und andere Betriebe haben Sie nicht

ansiedeln können. Derjenige, den man damals gefeiert hat, ist schon wieder weg. Und auf der aktuellen Homepage der „Pole Position“ findet sich als letzter Eintrag einer vom Herbst 2005. Das Jahr 2006 findet gar nicht mehr statt.

(Beifall bei der SPD)

Das sind die Ergebnisse Ihrer bayerischen Regionalpolitik.

Vielleicht wäre es besser, statt wohlklingender Cluster einmal tatsächlich handfeste, praktische Industriepolitik zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Dazu gehört übrigens auch eine Stärkung unserer Infrastruktur. Viele konkrete Projekte sind überfällig. Wir brauchen sie dringend.

Mit einer Pkw-Maut würde ich die Finanzierung nicht vornehmen. So schreibt auch die „Süddeutsche Zeitung“ über Ihren Vorschlag: „So ist der neuerliche MautVorschlag der CSU kein ernsthafter Diskussionsbeitrag“, Herr Söder, „sondern Effekthascherei einer Partei, die sich sorgt, bundespolitisch an Bedeutung zu verlieren.“

(Beifall bei der SPD)