Protokoll der Sitzung vom 13.12.2006

In den Grund- und Hauptschulen sind zum Beispiel 1500 Förderlehrer im Einsatz. Diese gibt es so in keinem anderen Land Deutschlands. Manche Länder – zum Beispiel Berlin unter der SPD – beginnen jetzt, so etwas mit Ein-Euro-Jobs einzuführen. In Bayern sind 1500 Förderlehrer an Grund- und Hauptschulen vorhanden, um indi

viduelle Förderangebote zu machen. In den Realschulen wird Förderunterricht im Rahmen des Wahlbudgets angeboten.

Wir haben dieses Modell seit zwei Jahren sehr erfolgreich an den Realschulen ausgebaut. Über 80 % der Schüler, die diesen Förderunterricht nach dem Zwischenzeugnis besuchen, bestehen diese Jahrgangsstufe und sind erfolgreich. Das ist Ausdruck der Individualisierung an den verschiedenen Schularten.

Am Gymnasium haben wir als Kernstück die Intensivierungsstunden. Uns wird von allen Seiten – von Schülern, Eltern und Lehrern – bestätigt, dass das ein wichtiger Beitrag ist, um das einzelne Kind zu unterstützen. Zentrales Thema der Hauptschulinitiative wird sein, das einzelne Kind individuell und in seinen Stärken zu sehen, es zu unterstützen und vorhandene Schwächen auszugleichen. In erster Linie wollen wir, dass jeder Schüler, der die Hauptschule verlässt, auch die Ausbildungsreife besitzt. Ich spreche bewusst von Ausbildungsreife, weil das umfassender ist. Es geht darum, dass die Kernkompetenzen in Deutsch und Mathematik gesichert sowie das Sozial- und Arbeitsverhalten gewährleistet sind.

Wir werden die Hauptschule noch stärker berufsorientiert ausbauen und müssen einen Schwerpunkt auf den Ausbau der Ganztagsangebote an den Schulen legen. Es wird nach wie vor die Möglichkeit geben, an der Hauptschule die Mittlere Reife zu machen. Wenn ich höre, die Hauptschüler seien Loser, so muss ich sagen: Etwa 20 % der Hauptschüler erwerben an der Hauptschule die Mittlere Reife und gehen ihren Weg weiter über die vielfältigen Bildungsmöglichkeiten, die wir anbieten.

Um dies zu unterstützen, habe ich in diesem Schuljahr einen Modellversuch der Modularisierung eingeführt. Das ist gar nicht einfach. Man kann auch nicht sagen, wir wüssten das alles und machen es nächstes Jahr einfach so. Sprechen Sie mit Vertretern der Schulen, die in der Modularisierung dabei sind, und Sie werden erfahren, wie viel Anstrengung es bedeutet und wie viel Organisation notwendig ist, um diese auf den Weg zu bringen. Ich möchte nicht, dass wir etwas starten, ohne die Sicherheit zu haben, dass dies für den Schüler besser wird und er dadurch erfolgreicher wird. Im nächsten Jahr werden keine Modellversuche eingeführt, Frau Kollegin Tolle, sondern es werden – ich habe das gesagt – Pilotschulen im nächsten Schuljahr beginnen, dies umzusetzen. Wir werden das Stück für Stück machen. Es geht dabei nicht um ein neues Modell, sondern vielmehr beginnen Pilotschulen, dies umzusetzen.

Zu diesem Thema der Hauptschulinitiative gehört die Frage, wie gute Bildungschancen im ländlichen Raum garantiert werden können. Der Schwerpunkt muss in einem qualitätsvollen Angebot liegen. Wir müssen fl exibel reagieren, auch mit Schulverbünden und Kooperationen, um möglichst viele Standorte im ländlichen Raum bei zurückgehenden Schülerzahlen zu gewährleisten. Die demografi sche Entwicklung ist nicht nur in Bayern sichtbar, sondern sie tritt in ganz Deutschland auf; sie ist weder das Verdienst der SPD noch durch die CSU verursacht, sondern sie ist eine Tatsache, mit der wir uns auseinandersetzen müssen.

Der Schwerpunkt bei der individuellen Förderung liegt in der Sprachförderung; denn mit der Sprachkompetenz steht und fällt der Bildungserfolg. Ich bin sehr dankbar, dass mittlerweile in der Politik von allen Seiten die Forderung, jedes Kind müsse Deutsch können, bevor es eingeschult wird, akzeptiert wird. Vor einigen Jahren haben wir mit Ihnen eine sehr schwierige Debatte darüber geführt.

(Beifall bei der CSU)

Da gab es noch das böse Wort von der Zwangsgermanisierung vonseiten der SPD. Heute wissen wir, dass Sprachförderung der Schlüssel zur gesellschaftlichen Integration, zu politischer Partizipation und zur Teilhabe an Schule und Beruf ist.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben deshalb die Sprachförderangebote für Kinder mit Migrationshintergrund in den vergangenen Jahren systematisch ausgebaut. Ich erinnere an die Vorkurse Deutsch vor der Einschulung – 160 Stunden für altersgemäße Deutschförderung, davon 80 Stunden durch die Erzieherin und 80 Stunden durch die Grundschullehrkraft. Wir haben im laufenden Schuljahr über 1600 Kurse eingerichtet, über 13 700 Kinder werden im Kindergarten bereits jetzt unterstützt. Das entspricht einer Zunahme um mehr als Doppelte im Vergleich zum vergangenen Schuljahr. Damit erreichen wir nahezu fl ächendeckend auch die sprachliche Förderung aller Kinder mit Migrationshintergrund.

Wir müssen darauf achten, dass die Sprachförderung auch bei Kindern ohne Migrationshintergrund konsequent durchgeführt wird, weil wir auch bei deutschen Familien und deutschen Kindern spüren, dass die Sprachförderung nicht mehr so gewährleistet ist, wie es notwendig wäre. Wir führen die Sprachförderung in den Schulen weiter – Deutschförderklassen im laufenden Schuljahr 300, Übergangs- und Eingliederungsklassen 100 für ältere Kinder, die später nach Deutschland kommen, und wir haben Angebote für Deutschförderkurse im Umfang von circa 6000 in diesem Schuljahr.

Zur individuellen Förderung gehört auch der sehr konsequente Ausbau der Ganztagsschulen. Wie rührend, fast putzig waren die Frage-Antwort-Spielchen – ich dachte fast, es sei abgesprochen gewesen –, wonach die Eltern bei offenen Ganztagsangeboten alles bezahlen müssten. Herr Pfaffmann, wie kommen Sie denn darauf? 80 % zahlen Staat und Kommunen, die Eltern fi nanzieren 20 %. Sie haben gesagt, die Eltern zahlten den Großteil. 80 % zahlen Staat und Kommunen für die offenen Ganztagsschulen und genauso 80 % für die Mittagsbetreuung.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben in Bayern etwa 700 offene Ganztagsschulen. Wir sprechen ganz bewusst von offenen Ganztagsschulen, weil die SPD-regierten Länder nur offene Angebote kennen; sie haben keine gebundenen in großem Umfang.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das stimmt doch gar nicht!)

Es sind in der Regel offene Ganztagsschulen. Wir haben in Bayern 700, und wir haben alle Anträge genehmigt. Es gibt keinen einzigen Antrag in Bezug auf offene Ganztagsschulen, der nicht genehmigt worden ist.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Schulen oder Klassen?)

Unser Ziel ist es, diese im nächsten Jahr auf 1000 auszubauen, um sie an circa 1000 Schulen zu bekommen. Wir haben die gebundenen Ganztagsschulen kontinuierlich ausgebaut und werden dies auch weiter tun. Schwerpunkt wird die Hauptschule sein, und zwar mit zwölf Stunden. Ich bitte, einen Blick über die Grenzen Bayerns zu werfen. Sie werden kaum ein Land fi nden, das eine höhere Ausstattung hat. zwölf Stunden sind das höchste, das angeboten wird, plus 6000 Euro. Sie können sich weit umschauen, bis Sie ein solches Angebot fi nden. Der Ausbau der Mittagsbetreuung wird so weitergeführt und der Modellversuch gebundene Ganztagsgrundschulen ist sehr erfolgreich. Ich bin der Fraktion sehr dankbar, dass die Fraktion noch ein Stück dazu gegeben hat, um dieses wichtige Tätigkeitsfeld ausbauen zu können.

(Beifall bei der CSU)

Auch zu IZBB eine kurze Berichtigung: In der Hauptschule wurde bisher jeder berücksichtigt, der einen entsprechenden Antrag gestellt hat, mit Ausnahme der Anträge im jetzigen Jahr, weil die Mittel zu Ende gegangen sind. Es war ein begrenztes Programm, das einmal zu Ende geht. Es wird – Sie werden das im Einzelplan 13 noch mitverfolgen können – ein Zusatzprogramm geben, das gerade für die Hauptschulen, für die Schulen in kommunaler Sachaufwandsträgerschaft greift, um eine angemessene Förderung zum Ausbau der Ganztagsschulen zu gewährleisten.

Das zweite Thema, das mir in der Debatte viel zu kurz gekommen ist, ist der Grundsatz „Kein Abschluss ohne Anschluss“. Letztendlich ist die Durchlässigkeit das wichtige Pendant in einem gegliederten Schulwesen. Sie können nicht das gegliederte Schulwesen ohne die Durchlässigkeit betrachten. In Bayern können wir festhalten: Es gibt keinen Abschluss ohne Anschluss. Jeder, der eine Stufe erklommen hat, hat die Möglichkeit, auch weiterzugehen.

(Beifall bei der CSU)

Heute – auch das zur Feststellung – haben über 43 % der Hochschulzugangsberechtigten die Hochschulzugangsberechtigung außerhalb des Gymnasiums erworben. Sie sind also nicht nach der vierten Klasse an das Gymnasium gegangen und sind damit in Ihren Augen die Loser. Nein, sie sind einen anderen Weg gegangen, sei es über die Hauptschule, über die Wirtschaftsschule oder die Realschule.

(Beifall bei der CSU)

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Tolle?

Wenn Sie anschließend wieder ruhiger ist, gern.

Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Minister, gibt es Zahlen darüber, wie viel von den 43 % dieser Hochschulzugangsberechtigten aus der Hauptschule kommen, oder handelt es sich dabei nur um bloße Vermutungen?

Herr Staatsminister, bitte.

Ich habe die Zahlen jetzt nicht präsent; ich werde Ihnen aber nachliefern, wie viele von der Hauptschule auf die Fachoberschule gehen und über die Fachoberschule die Möglichkeit haben, das Abitur zu machen.

(Simone Tolle (GRÜNE): Von den 43 %!)

Vom Prinzip der Durchlässigkeit her hat jeder Schüler, wenn er die Leistungsfähigkeit und den Leistungswillen hat, strukturell die Möglichkeit, das Abitur zu machen und an die Hochschule zu gehen und zu studieren. Nicht jeder hat allerdings das Zeug dazu. Auch das muss man ehrlich zugeben. Aber jeder hat die Möglichkeit, diesen Weg zu gehen. Und es ist unsere politische Verantwortung, jedem, egal welchen Weg er nach der vierten Klasse einschlägt, diese Möglichkeit zu eröffnen.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, nämlich des Abgeordneten Dr. Goppel?

(Zurufe von den GRÜNEN und von der SPD)

Ich habe zwei Meldungen gesehen. Ich wollte eigentlich meine Rede beenden und lehne deshalb beide ab.

Mit der Einführung der berufl ichen Oberschule wollen wir gerade diese beiden Säulen – Fachoberschule und Berufsoberschule – in den Köpfen der Menschen besser verankern. Auch in den Köpfen eines Teils der Lehrer muss verdeutlicht werden, dass dieser Weg über die Fachoberschule und über die Berufsoberschule gleichwertig ist.

Dem Haushaltsplan können Sie entnehmen, dass im Haushaltsjahr 2007 58 Stellen und im Haushaltsjahr 2008 68 Planstellen zusätzlich vorgesehen sind, um den Schulbesuch FOS 13 auszuweiten, um die Einführung einer Fremdsprache an der Fachoberschule zu gewährleisten sowie den Ausbau von BOS-13-Standorten zu ermöglichen. Es handelt sich dabei um insgesamt 126 Stellen, die gerade in diesem Bereich für die Durchlässigkeit sorgen sollen.

Wir werden auch die Zahl der Schulversuchsklassen von 20 auf 44 Standorte ausdehnen. Mein Ziel ist es, in den nächsten Jahren entsprechend der Nachfrage bedarfs

gerecht eine 13. Klasse in Bayern mit anzubieten. Ich bin sehr froh, dass es mit diesem Haushalt auch gelingen wird, Förderangebote an den Fachoberschulen gerade für Schüler aus der Wirtschaftsschule und aus der Hauptschule zu ermöglichen.

Wir setzen damit ein Zeichen, die Bildungswege an den berufl ichen Schulen, die zur Hochschulreife führen, auszudehnen. Sie sind keine zweite Wahl, sondern sie sind dem Gymnasium gleichwertig. Damit eröffnen wir mehr jungen Menschen den Zugang zur Hochschule, ohne das Niveau am Gymnasium absenken zu müssen.

(Beifall des Abgeordneten Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU))

Allerdings kann es nicht darum gehen, nur den Anteil an Abiturienten als einzigen Maßstab zu nehmen. Damit würden wir der Leistung der berufl ichen Bildung alleine nicht gerecht; denn diese Leistungen sind enorm. Auch das duale System, das in den Debatten leider zu kurz gekommen ist,

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wir haben nur 22 Minuten Redezeit im Gegensatz zu den 40 Minuten für die Staatsregierung!)

ist ein Exportschlager. Bei vielen Gesprächen mit ausländischen Gästen wird die Frage gestellt: Wie organisiert ihr die duale Ausbildung? Wie ist es bei euch möglich, dass dies im Verbund Staat und Betrieb, Staat und Unternehmen, geleistet wird?

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Da stimmen wir ja auch zu! Das kritisiert niemand!)

Deshalb ist es für mich ein großes Anliegen, das duale System in seiner Gesamtbedeutung in die Öffentlichkeit zu tragen – bis nach Europa. Wir haben derzeit auf europäischer Ebene eine Debatte zum europäischen Qualifi kationsrahmen über die Vergleichbarkeit von schulischer und berufl icher Bildung. Bei uns ist der Abschluss der dualen Ausbildung die Sekundarstufe II. Wer einen Gesellenbrief gemacht hat, hat einen sehr, sehr wichtigen Abschluss.

(Beifall bei der CSU)

Wer den Meister oder den Techniker gemacht hat, hat einen Aufstiegsabschluss.

(Beifall bei der CSU – Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD): Das ist doch unstrittig!)