Protokoll der Sitzung vom 30.01.2007

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Gewürge und Gezerre, das Sie, Kollegen von der CSU, und Sie von der Staatsregierung den Bürgern in Bayern in den letzten Wochen geboten haben, muss endlich Schluss sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schluss sein muss auch mit den scheinheiligen Treueschwüren, die Sie tagaus, tagein in den Medien geben, obwohl Sie Ihren Noch-Ministerpräsidenten lieber heute als morgen los wären. Herr Kollege Maget hat Ihnen Ihre eigenen Worte in aller Ausführlichkeit vorgehalten. Hören Sie endlich mit dieser Heuchelei und Scheinheiligkeit auf. Das kann niemand mehr ertragen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die Menschen in Bayern haben nicht nur vom NochMinisterpräsidenten Stoiber gründlich die Nase voll, sondern vor allem von Ihrer Art der Politik, Ihrem politischen Stil.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Scheinheiligkeit und Heuchelei waren allerdings noch das Harmloseste, was Sie uns in den letzten Tagen und Wochen geboten haben. Sie haben gezeigt, dass Ihnen dann, wenn es Ihnen um die Macht geht und es hart auf hart kommt, kein Mittel zu schmutzig ist. Das reicht von Ausforschung über Bespitzelung und Intrigen bis zur Denunziation. Ich sage Ihnen, die Menschen wenden sich mit Grausen ab.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb fordern wir heute den Ministerpräsidenten auf: Herr Stoiber, wenn Sie Bayern zum Schluss noch etwas Gutes tun wollen, dann ersparen Sie diesem Land eine Fortsetzung des Machtkampfes um noch weitere lange acht Monate.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ersparen Sie diesem Land eine monatelange Fortsetzung der Lähmung und der Politik- und Entscheidungsunfähigkeit. Ersparen Sie Bayern einen weiteren Vertrauensverlust in die Politik und einen Schaden für die Demokratie. Ersparen Sie Bayern und sich selbst, Herr Stoiber, eine Fortsetzung des unwürdigen Rücktrittsspektakels der letzten Tage und Wochen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Stoiber, erklären Sie heute Ihren sofortigen Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten und machen Sie damit den Weg frei für einen wirklichen Neuanfang in Bayern. Ein wirklicher Neuanfang – hier unterstütze ich die Forderung von Franz Maget – bedeutet Neuwahlen und nicht den Austausch von Personen innerhalb des verbrauchten Führungspersonals der CSU.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vor kurzem haben Sie, Herr Stoiber, behauptet, wer Sie kenne, wüsste, dass Sie keine halben Sachen machen. Diese Aussage ist schon recht merkwürdig. Ich denke, viele erinnern sich an Ihren Berliner Salto mortale rückwärts. Wenn Sie nicht schon wieder leiden wollen wie ein Hund, dann stehen Sie doch wenigstens jetzt zu Ihrem Wort: Machen Sie keine halben Sachen; erklären Sie sofort Ihren Rücktritt, Herr Stoiber.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir brauchen in Bayern nicht monatelang einen Ministerpräsidenten im Wartestand und einen Ministerpräsidenten im Dauerabschiedszustand – einen, der noch nicht darf, und einen, der nicht mehr kann. Das ist kein geordneter Übergang; das ist verordneter inhaltlicher Stillstand; das Ganze garniert mit jeder Menge Chaospotenzial.

Herr Stoiber, die Rücktrittsschonfrist, die Sie sich selbst gegeben haben, ist für Bayern verlorene Zeit. Das können wir uns angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen, in keiner Weise leisten. Ich verweise nur auf die Herausforderungen in der Bildungspolitik. Sie wissen, dass es brennt. Ich denke zum Beispiel an die vielen Schulschließungen im ländlichen Raum, die uns bevorstehen. Sie kennen die gravierende Bildungsungerechtigkeit in unserem Land. Tag für Tag müssen wir in den Zeitungen neue Horrormeldungen über den Klimawandel lesen und darüber, was auf Bayern alles zukommt. In dieser Situation können wir es uns überhaupt nicht leisten, noch weitere kostbare Zeit zu verlieren. Wir brauchen endlich eine handlungsfähige Regierung, die Kraft, Konzepte und Durchsetzungsfähigkeit für einen wirklichen ökologischen Strukturwandel und für wirksame Maßnahmen zur Herstellung von Bildungsgerechtigkeit in diesem Land hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihre Selbstbeschäftigung über Monate hinweg und Ihre Machtverliebtheit schaden Bayern und lösen kein einziges Problem, vor dem wir stehen. Gerade in der Wirtschaft – und Sie, Herr Stoiber, haben sich doch immer gern als Vorstandsvorsitzender der Bayern AG bezeichnet – löst Ihr Verhalten nur mehr Kopfschütteln aus. In der „Süddeutschen Zeitung“ vom 20. Januar sagt zum Beispiel der Unternehmensberater und Sanierungsexperte Dr. Ulrich Wlecke:

Einen solchen Wechsel sollte man zügig machen. Wenn man einen Chef hat, der seinen Rücktritt bekannt gibt, dann ist er danach angeschlagen. Im Englischen nennt man das die Lame Duck. Man hat einen Chef, der ist nicht mehr so richtig da, und einen, der ist noch nicht so richtig da. Beide können nicht wirksam agieren. Unter Führungsgesichtspunkten ist das eine ganz schlechte Lösung.

So der Unternehmensberater und Sanierungsexperte. Das ist in der Tat eine ganz schlechte Lösung, und das wissen Sie selbst auch ganz genau. Der designierte Nachfolger Beckstein sinniert öffentlich darüber, man könne durchaus über zwei Monate weniger Übergangs

zeit reden. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos meint, die Überlegungen, wann Stoiber geht, seien sicher noch nicht zu Ende. Der Vorstand der CSU Unterfranken sieht das genauso. Auch der brave Herr Sackmann verrät in seiner Heimatzeitung am 20. Januar, dass ihm persönlich eine so lange Übergangsphase bis zum September zu lang ist. Ich zitiere die Aussage des Herrn Sackmann: „Stoiber wird wohl als Ministerpräsident früher gehen, wenn er sieht, dass der gegenwärtige Zeitplan der Partei schaden könnte.“

Dann tun Sie, Ihre Kolleginnen und Kollegen, doch auch das, was richtig und nötig ist. In Kreuth haben Sie sich noch aufgemandelt, und jetzt scheinen Sie schon wieder zu Kreuze zu kriechen. Wenn das, was Sie in Kreuth geboten haben, nicht nur ein Zwergerlaufstand gewesen sein soll, dann zeigen Sie wenigstens hier Flagge und stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ihre Äußerung, Herr Sackmann, zeigt aber ein weiteres Problem, mit dem wir uns in diesem Zusammenhang beschäftigen müssen. Ich meine das Problem, dass Sie in der CSU und in der Staatsregierung schon längst nicht mehr zwischen Partei und Staat unterscheiden können. Sie machen noch nicht einmal ein Hehl daraus, dass es Ihnen allein darum geht, dass Ihre Partei keinen Schaden nimmt. Es geht nicht darum, dass Bayern keinen Schaden nimmt, nicht darum, dass die Bürgerinnen und Bürger Bayerns keinen Schaden nehmen. Nein, es geht Ihnen ausschließlich darum, dass Ihre Partei keinen Schaden nimmt. Das ist das Verhalten einer Staatspartei in Reinkultur.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie sind nicht als Parteifunktionäre in dieses Parlament gewählt worden, Sie sitzen hier nicht als Parteifunktionäre, sondern als gewählte Vertreter des Volkes. Es geht nicht um die Abwehr eines Schadens von der CSU, sondern um das Wohl der Bürgerinnen und Bürger. Dass Sie den Unterschied zwischen Partei und Staat schon längst nicht mehr kennen, führen Sie gerade in diesen Tagen in aller Ungeniertheit und Schamlosigkeit vor: Herr Maget hat schon angesprochen, dass die Krisengespräche zur Klärung des Machtkampfes um den Parteivorsitz in der Staatskanzlei stattfinden. Aber es ist noch schlimmer: Der Kandidat Huber – er kandidiert ja nicht als Ministerpräsident, sondern als Parteivorsitzender – versucht, sich im innerparteilichen Wahlkampf dadurch einen Vorteil zu erschleichen, dass er der Basis Wohltaten und Geschenke verspricht. Am Wochenende konnten wir lesen, dass er bei der schwäbischen CSU war.

(Franz Josef Pschierer (CSU): Das war ein guter Besuch!)

Ja, genau. Die schwäbische CSU ist schließlich nicht gewohnt, dass die Staatsregierung ihre Wünsche mit großem Entgegenkommen aufnimmt, ganz im Gegenteil. Man musste sich immer mit Hohn und Spott begnügen. Kaum kandidiert Herr Huber für den Posten des Parteivorsitzenden, besucht er Schwaben mit einem Füllhorn

und verspricht Gelder, die nicht die seinen sind, die auch nicht die der CSU sind, sondern er bedient sich schamlos am Staatshaushalt und versucht sich einen innerparteilichen Vorteil zu erschleichen, indem er öffentliche Gelder verspricht.

(Widerspruch bei der CSU – Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD – Thomas Kreuzer (CSU): Sind Sie gegen die Maßnahmen, Frau Bause? Dann sagen Sie es!)

Wir fordern Finanzminister Faltlhauser auf: Herr Faltlhauser, machen Sie diesem unwürdigen Treiben sofort ein Ende. Schieben Sie diesem Treiben einen Riegel vor.

(Jürgen Dupper (SPD): Huber soll doch mal nach Niederbayern gehen!)

Die CSU-Vorstände aus den anderen Bezirken lesen auch die Zeitung. Wenn die lesen, dass die Stunde günstig ist und dass man nur den Kandidaten einladen muss, um endlich das zu bekommen, was man immer schon haben wollte, können Sie sich von Ihrem Haushalt verabschieden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es kann nicht sein, dass der Machtkampf um den CSUVorsitz den ganzen Staatshaushalt ruiniert und dass Huber als Haushaltsrisiko durch die Lande reist.

(Lachen bei der CSU – Alfons Zeller (CSU): Damit würden Sie die Schwaben aber schon überschätzen!)

Ihr Gerangel um den Parteivorsitz offenbart aber auch etwas anderes, nämlich Ihr zurückgebliebenes Demokratieverständnis. Die Posten werden nicht nur im Hinterzimmer ausgemauschelt, wie Herr Seehofer es zu Recht angeprangert hat, da wird nicht nur auf Teufel komm raus versucht, einen Bewerber von seiner Kandidatur abzubringen. Am peinlichsten finde ich die Beschwörungsformel, die Sie derzeit verbreiten, für den Fall, dass das Unvorstellbare passieren könnte und ein Parteitag zur Wahl eines Vorsitzenden tatsächlich die Wahl haben sollte. Da wird gesagt, das sei doch kein Beinbruch, das müsse man einfach aushalten. Der Kandidat Huber findet sogar, eine Kandidatur mehrerer Bewerber sei in der Demokratie der Normalfall.

(Franz Josef Pschierer (CSU): Recht hat er! – Weitere Zurufe)

Genau, das ist Ihr Problem, Herr Pschierer: In der Demokratie schon.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD – Maria Scharfenberg (GRÜNE): Die kennen Sie ja überhaupt nicht!)

Wenn Sie von der CSU als demokratischer Partei reden, müssten Sie das eigentlich immer in Anführungszeichen

setzen, so wie es früher mal die „Bild-Zeitung“ mit der DDR gemacht hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD – Leb- hafter Widerspruch bei der CSU – Thomas Kreuzer (CSU): Das streichen Sie hinterher wieder heraus!)

Der Rücktritt des Ministerpräsidenten ist natürlich auch Anlass, Bilanz zu ziehen über seine Arbeit und über die Ergebnisse dieser Arbeit, aber auch, ihn an seinen eigenen Ansprüchen zu messen.

Sie versuchen ja im Moment, einen neuen Mythos zu begründen: Stoiber ist angeblich der erfolgreichste Ministerpräsident aller Zeiten. Durch ihn hat Bayern angeblich die tollsten Haushalts- und Wirtschaftsdaten, die besten Bildungsergebnisse und die höchste Lebensqualität. – Wie sieht demgegenüber die Realität in Bayern aus? Wie sieht es aus mit Ihrem Haushalt ohne Nettoneuverschuldung, auf den Sie so stolz sind? – Ich gestehe gerne zu: Im Vergleich mit anderen Bundesländern kann sich das durchaus sehen lassen.

(Peter Winter (CSU): Na also! Was wollen Sie denn?)

Damit habe ich überhaupt kein Problem. Aber man muss den Ministerpräsidenten doch an seinen eigenen Ansprüchen messen, an seinen eigenen Äußerungen. Wenn ich mir die anschaue, komme ich zu einem ganz anderen Ergebnis. Wenn man ihn an seinen eigenen Ansprüchen misst, muss man feststellen, dass in der Amtszeit von Edmund Stoiber von einem Rückgang der Verschuldung oder gar von einem Schuldenabbau in keiner Weise die Rede sein kann. Das Gegenteil ist der Fall. Fakt ist: Die Verschuldung Bayerns am Kreditmarkt ist von 15 Milliarden Euro im Jahr 1993, dem Beginn der Amtszeit Stoiber, auf 23 Milliarden Euro zum Ende des Jahres 2005 gewachsen. Das ist eine Steigerung um fast 50 %. Wo ist da Ihr Schuldenabbau? – Das kann ich hier nicht sehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Bayerns Schulden sind unter Stoiber stetig gewachsen. Und das, obwohl Sie in Ihrer Regierungszeit wirklich viel Geld zur Verfügung hatten.