Bayerns Schulden sind unter Stoiber stetig gewachsen. Und das, obwohl Sie in Ihrer Regierungszeit wirklich viel Geld zur Verfügung hatten.
Sie hatten 6 Milliarden Euro zusätzlich aus dem Verkauf staatlicher Beteiligungen. Da wurde wirklich viel Geld locker gemacht. Heute allerdings ist dieses Geld verbraucht. Der Erfolg ist nach wie vor offen. Denn ob das Geld wirklich gut und richtig investiert wurde, welche Effekte man damit erreicht hat, ob es vielleicht auch bessere Anlagemöglichkeiten gegeben hätte, all das hat Sie in der Vergangen ja nie interessiert. Sie haben das vorsichtshalber nie evaluiert. Unsere entsprechenden Anträge und Initiativen haben Sie alle samt und sonders abgewiesen.
Diese Privatisierungspolitik ist für Sie so etwas wie das Herzstück Ihrer Regierungsarbeit. Interessant ist übrigens in diesem Zusammenhang, was letzte Woche im Kabinett passiert ist. Letzte Woche im Kabinett haben Sie beschlossen, dass sich Bayern über die LfA mit 80 Millionen Euro an EADS beteiligt. Dazu muss man wissen: Fünf Wochen nach dem Amtsantritt von Stoiber wurde der erste Staatsanteil verkauft, nämlich der Anteil an der DASA. Die EADS ist aus der DASA hervorgegangen. Nach 13 Jahren angeblich erfolgreicher Privatisierungspolitik geht es jetzt also wieder in die entgegengesetzte Richtung. Am Ende Ihrer Amtszeit, Herr Stoiber, dementieren Sie das, was Sie selbst als Ihre größte Erfolgsgeschichte verkaufen.
Fazit ist: Die Regierung Stoiber hat finanziell von der Substanz gelebt. Es wurden keine neuen Reserven für die Zukunft geschaffen, sondern Kosten auf die Zukunft verschoben.
Den Beweis, dass die relativ gute Position Bayerns in den Bereichen Haushalt und Arbeitsmarkt ohne die Offensiven nicht erreicht worden wäre, sind Sie schuldig geblieben. Mit der Finanzierung der Folgekosten und der Finanzierung der geplanten Großprojekte, die Sie noch vorhaben, und den daraus resultierenden Problemen dürfen sich dann die Nachfolger Stoibers herumschlagen. Stoiber hinterlässt seinen Nachfolgern also keineswegs einen wohlbestellten Hof, sondern ein Anwesen, das im Wert deutlich gesunken ist.
Der Sparstrumpf ist geplündert, und der Austragsbauer hat die Hofübergabe fast so lange hinausgezögert wie es die Queen bei Prinz Charles macht.
Ein anderes Beispiel ist die Bildungspolitik. Wie sieht diese Bilanz aus? – Sie brüsten sich ebenfalls gerne mit den relativ guten Pisa-Ergebnissen der bayerischen Schülerinnen und Schüler im innerdeutschen Vergleich.
Wie aber sieht der Alltag der Schüler/innen, der Eltern und der Lehrkräfte aus? Wie steht es um die Chancen der Schüler? Fördert das bayerische Bildungssystem jetzt, 13 Jahre nach Amtsantritt Stoibers, besser und mehr als 1993? – Das Gegenteil ist der Fall. Das soziale Gefälle bei den Bildungschancen in Bayern hat sich verschärft, und das Bildungsgefälle innerhalb Bayerns hat sich auch noch einmal verschärft. Sie versagen nach wie vor bei der Förderung von Kindern aus sozial schwachen Familien, insbesondere bei Kindern aus Migrantenfamilien. Die Zahl der Kinder aus Migrantenfamilien an Förderschulen hat sich seit 1990 nahezu verdoppelt, während ihr Anteil
am Gymnasium gleichbleibend gering geblieben ist. Bei der Wiederholerquote ist Bayern anhaltend Spitze, bei den Abiturienten kommen wir über eine Quote von 20 % seit Jahren nicht hinaus.
Mitte der Neunzigerjahre hatten 8 % aller Jugendlichen keinen Schulabschluss. Wie ist es heute? – Genauso viele. Sie können nicht sagen, Sie hätten erfolgreiche Bildungspolitik in Bayern betrieben.
Bayern hat in den Jahren Ihrer Regierungszeit, Herr Stoiber, den letzten Platz bei den Ganztagesschulen und den Kinderkrippenplätzen tapfer verteidigt. Gleichzeitig haben die Klassengrößen permanent zugenommen, und die Familien müssen sich heute immer mehr an den Bildungsausgaben für ihre Kinder beteiligen. Sie haben die Einführung des Büchergeldes zu verantworten und die Einführung von Studiengebühren. Seit Ihrem Amtsantritt, Herr Stoiber, stagniert der Anteil des Staates an den Bildungsausgaben am Gesamthaushalt.
Kommen wir zu einem anderen Thema, dem Klimaschutz. Das ist ein Problem, das heute niemand mehr leugnen und verdrängen kann, und zu dem Sie heute zumindest in Ihrer Rhetorik einräumen, dass man etwas tun müsse, weil es ein ernstes Problem sei. Was ist in Ihrer Amtszeit, Herr Stoiber, passiert? Was haben Sie getan, um die klimaschädlichen Emissionen zu senken? – Die CO2-Emissionen sind vom Anfang der Neunzigerjahre bis heute in Bayern um lächerliche 1 % gesunken.
Sie wissen sehr gut, dass nach dem Kyoto-Protokoll Bayern seine Emissionen bis 2012 um 21 % reduzieren muss, nicht um 1 %. Im Verkehr haben wir eine gravierende Zunahme von insgesamt 11 % in 14 Jahren, im Luftverkehr sogar um mehr als 75 %. Von dem designierten Nachfolger haben wir leider keine Besserung zu
erwarten. Herr Beckstein will sogar Vielfahrer mit einer Vignette belohnen. Es gibt mit Ihnen keine Hoffnung für den Klimaschutz.
Schließlich sei im Rahmen der Bilanz noch kurz ein Blick auf ein ganz besonderes Herzensanliegen in Ihrem politischen Wirken, Herr Stoiber, erlaubt. Vor Kurzem durften wir erfahren, dass die Förderung von Frauen in der Politik für Sie „wie für keinen anderen ein ganz besonderes Anliegen ist“. Ja, Frau Stewens, hat sogar von einem „Herzensanliegen“ gesprochen. Sie würden das „ununterbrochen“ und „mit großem Erfolg“ tun. Was ist das Ergebnis dieses permanenten Tuns? – In Ihrem ersten Kabinett, Herr Stoiber, vor 14 Jahren saßen vier Frauen: Frau Hohlmeier, Frau Deml, Frau Schweder und Frau Stamm. Ihrem jetzigen Kabinett gehören drei Frauen an: Frau Dr. Merk, Frau Müller und Frau Stewens. Wenn sie, Herr Stoiber, Ihre Herzensanliegen so „erfolgreich vorantreiben“, was heißt das erst für den Rest Ihrer Politik?
Kolleginnen und Kollegen, Bayern braucht einen Neuanfang. Der sofortige Rücktritt von Edmund Stoiber ist dazu ein erster und dringend notwendiger Schritt. Das reicht aber nicht. Klarheit und neue Kursbestimmung gibt es nur durch Neuwahlen in Bayern. Mit der Einschätzung, dass ein Neuanfang bitter nötig ist, stehen wir schon lange nicht mehr alleine. Seit der Bundestagswahl fordern selbst Bezirksvorsitzende der CSU einen radikalen Neuanfang. Sie in der CSU sind aber zu schwach für diesen Neuanfang, und zwar personell und inhaltlich. Dass letzte Woche schon wieder Gerüchte um den Rücktritt Stoibers vom Rücktritt auftauchten, erklärt zum Beispiel die „Augsburger Allgemeine“ so: Weil man seiner Nachfolger schon müde werde, ehe sie überhaupt angetreten seien. Genau so ist es.
Sie, Herr Herrmann, haben vor Kurzem gesagt: „Es ist deutlich geworden, dass viele von Edmund Stoiber erwarten, dass er zum richtigen Zeitpunkt den Weg für eine Erneuerung freimacht.“ Das sind zwei wichtige Aussagen in einem Satz – Respekt. Zum einen der richtige Zeitpunkt: Den hat Stoiber zwar verpasst, aber besser jetzt als in acht Monaten. Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, haben es heute in der Hand, dass der richtige Zeitpunkt nicht noch länger verschleppt wird. Die zweite Aussage ist, dass er den Weg für eine Erneuerung freimachen solle. Der designierte Nachfolger, Herr Beckstein, steht nun wahrlich nicht für Erneuerung und Aufbruch. Sie, Herr Beckstein, haben letzte Woche gegenüber der „Passauer Neuen Presse“ eingeräumt:
Ich bin von Anfang an in seinem Kabinett und habe praktisch ausnahmslos allen Entscheidungen zugestimmt, oftmals sogar bei der Planung mitgewirkt. Es war ganz ganz selten, dass ich abweichender Meinung war.
Herr Beckstein, Sie stehen nicht für Erneuerung, sondern für die Fortsetzung des alten Systems. Als Hoffnungs
träger kann man Sie schwerlich bezeichnen. Um es mit den Worten von Heinrich Böll zu sagen: „Wenn der – –
Kolleginnen und Kollegen, Bayern braucht einen Neuanfang. Treten Sie, Herr Stoiber, sofort vom Amt des Ministerpräsidenten zurück. Machen Sie den Weg frei für Neuwahlen, und lassen Sie die Wählerinnen und Wähler in Bayern über den Kurs in Zukunft entscheiden.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Diese von der Opposition angezettelte Debatte ist überflüssig, sie ist primitiv und schäbig.