Protokoll der Sitzung vom 15.02.2007

Drittes Stichwort: Auch nach einem solchen Ausbau – ich habe es gerade angesprochen – wird die große Mehrheit der Kinder unter drei Jahren weiter zu Hause betreut und erzogen werden. Den Eltern, die sich für ihre Kinder engagieren und zeitweise ihren Kindern zuliebe auf Berufstätigkeit verzichten, gilt nach wie vor der große Respekt unserer Gesellschaft. Wir wollen solche Eltern zum Beispiel auch weiter mit dem Landeserziehungsgeld unterstützen. Es wäre falsch, das Landeserziehungsgeld zu streichen, nur um das ganze Geld in die staatliche Kinderbetreuung zu investieren. Diesbezüglich unterscheiden wir uns grundlegend von Ihrem Ansatz.

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Abgeordneten Karin Radermacher (SPD))

Wir wollen keine scheinbar moralische Bewertung, dass die eine Art der Betreuung besser ist als die andere.

(Widerspruch bei der SPD)

Berufstätige Mütter sind in der Tat keine Rabenmütter. Sie sind um keinen Deut schlechtere Mütter als solche, die zu Hause bleiben. Aber umgekehrt gilt auch: Mütter und Väter, die sich einige Zeit von der Berufstätigkeit frei nehmen und sich ganz ihren Kindern zu Hause widmen, sind deshalb um keinen Deut weniger emanzipiert und modern als andere, die berufstätig sind.

(Beifall bei der CSU)

Beides wird die CSU auch in Zukunft klar hochhalten. Es gilt, die Wahlfreiheit zu akzeptieren und ihr gerecht zu werden.

(Zurufe von der SPD)

Dabei sehen wir ganz deutlich, dass sich insgesamt zahlenmäßig über die letzten Jahrzehnte die Lebensentwürfe junger Frauen verändert haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie sollten, wenn Sie Ihre Weisheiten zum Besten geben, eines nicht übersehen – ich sage das zum wiederholten Male an dieser Stelle –: In keinem anderen Bundesland sind so viele Mütter von Kindern unter 18 Jahren gleichzeitig berufstätig wie in Bayern.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD)

Wir brauchen uns also da vor niemandem zu verstecken. Offensichtlich gelingt die Vereinbarkeit von Elterndasein und Berufstätigkeit bei uns jedenfalls nicht schlechter als anderswo. Bei uns haben die jungen Frauen vor allem überhaupt eine Chance auf einen Arbeitsplatz, die sie anderenorts schon aufgrund der Arbeitsmarktbedingungen überhaupt nicht haben.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Viertes Stichwort: Wir sind davon überzeugt – ich sage es noch einmal –, dass das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz die richtigen Grundlagen gibt.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das stimmt überhaupt nicht!)

Wir werden mit diesem Gesetz diese Herausforderung auch schultern. Ein unmittelbares Engagement des Bundes im Bereich der Kinderbetreuungseinrichtungen ist nicht notwendig. Schon gar nicht notwendig ist es, das Grundgesetz zu ändern und irgendwie an den Zuständigkeiten herumzubasteln. Wir bekennen uns zu der Verantwortung des Freistaates Bayern und der Kommunen für die Zukunft der Kinderbetreuung in unserem Land, und wir werden das entsprechend weiterentwickeln. Wir werden das mit unseren Mitteln fi nanzieren und nicht das Kindergeld dafür einschränken oder gar kürzen oder in den nächsten Jahren nicht mehr steigern.

(Beifall bei der CSU)

Die Eltern gerade auch von älteren Kindern, von 15-, 16- und 17-Jährigen, brauchen dieses Kindergeld dringend. Es ist eine Milchmädchenrechnung, wenn gesagt wird: Nur um Kinderkrippen schneller zu fi nanzieren, nehmen wir lieber den Eltern von 15-, 16-, 17-Jährigen beim Kindergeld etwas weg. Das wird mit uns nicht zu machen sein. Dieser Politik der SPD, wie sie in Berlin propagiert wird, treten wir ganz nachdrücklich entgegen.

(Beifall bei der CSU – Lachen bei der SPD)

Fünftens: Wir wollen auch weiterhin steuerliche Erleichterungen und Entlastungen für Familien. Aber wir sagen klipp und klar: Dies darf nicht zulasten des Ehegattensplittings gehen. Das Ehegattensplitting drückt nämlich aus, dass Ehe und gleichberechtigte Partnerschaft der Eheleute ein hohes und schützenswertes Gut sind.

(Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Seit den Siebzigerjahren ist übrigens auch im Ehe- und im Erbrecht verankert, dass alle Einkünfte, die Ehepartner während ihrer Ehe erzielen, ihnen zu gleichen Teilen zugerechnet werden. Das Ehegattensplitting im Steuerrecht bringt nichts anderes als genau dies zum Ausdruck. Deshalb sage ich noch einmal klipp und klar: Mit der CSU wird es eine Einschränkung des Ehegattensplittings nicht geben, und sie wird auch in Berlin auf den erbitterten Widerstand der CSU stoßen.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD)

Sechstens und letztens: Ich habe mich sehr gefreut, dass gestern die neue Studie des Kinderhilfswerkes UNICEF veröffentlicht worden ist, die die Lebensumstände von Kindern in 21 sogenannten wohlhabenden Industriestaaten vergleicht. Deutschland landet insgesamt lediglich auf Rang 11, also genau in der Mitte von 21 untersuchten Ländern. Ich will das nicht im Einzelnen kommentieren, aber erfreulich ist natürlich, dass auch in dieser Studie

der UNICEF am Schluss wieder herauskommt, dass innerhalb Deutschlands Bayern und Baden-Württemberg am kinderfreundlichsten sind. Auch dies spricht für sich.

(Beifall bei der CSU)

Ich meine – lassen Sie mich das als Letztes sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen –, wir sollten bei allem notwendigen Ringen um Kinderkrippen und Elterngelder allerdings nicht vergessen, dass Kinder nicht in erster Linie ein Kostenfaktor oder ein Betreuungsproblem sind, sondern dass Kinder in erster Linie – und jeder, der Kinder hat, weiß das – ein herrliches Erlebnis sind, ein Glück für ihre Eltern und für uns alle. Vor allen Dingen deshalb werden wir auch weiter für eine kinder- und familienfreundliche Gesellschaft in unserem Land arbeiten. Die Kinder sind unsere Zukunft, und dafür wird sich die CSU auch weiterhin nach Kräften einsetzen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Werner-Muggendorfer.

Johanna Werner-Muggendorfer (SPD) (Von der Red- nerin nicht autorisiert): Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Was fällt mir zu dem Antrag ein? Kaum wartet man zehn Jahre, schon ist bei der CSU auch ein Umdenken passiert!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Weil Sie, Herr Herrmann, als Fraktionssprecher dazu geredet haben, habe ich mir jetzt die Frage gestellt, ob das so ist wie beim Ladenschluss, dass Sie sich nämlich nicht einig sind und Sie, Herr Herrmann, die verbindende Funktion übernehmen müssen.

(Zuruf des Abgeordneten Thomas Kreuzer (CSU))

Das ist schön. Uns ist das eben auch wichtig, und deshalb spreche ich dazu. Mir fällt bei diesem Antrag aber vor allen Dingen auf, dass das – so fasse ich es auf – eine Bankrotterklärung der Familienpolitik der CSU-Fraktion ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn man den Antrag liest, wird deutlich, dass erstmals festgestellt wird, dass es kein Konzept der Staatsregierung gibt. Respekt! So viel Einsicht hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut. Erstmals wird auch festgestellt, dass es für die Kleinkinder zu wenige Angebote gibt, dass sie in den vergangenen Jahren vernachlässigt wurden und dass die Bedürfnisse der Eltern zügiger erfüllt werden müssen. Respekt für diese Einsicht!

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Ich muss wirklich sagen, dass ich Ihnen das gar nicht zugetraut hätte. Man muss sich schon wundern, wenn man dann dieses BayKiBiG im Hinterkopf hat und Sie auch noch ganz explizit betont haben, dass das die richtige Grundlage sei. Da muss ich mich schon wundern. Ich denke, dieses BayKiBiG rächt sich jetzt, weil Sie merken, dass es nicht genügend Angebote für Kinder von null bis drei Jahren gibt. Das kann mit diesem Gesetz auch nicht geschehen, und ich werde Ihnen erklären, warum.

Ich weiß natürlich, dass nicht die richtigen Weichenstellungen getroffen wurden und dass den Kommunen der Schwarze Peter zugeschoben wird. Dazu komme ich vielleicht nachher noch einmal. Auf keinen Fall ist das BayKiBiG eine Erfolgsgeschichte. Es hat auch nicht den großen Schub gebracht, den Sie sich ans Revers heften. Da rächt sich einfach, dass Sie Vorschläge von anderen nicht angenommen haben, dass Sie sich also geweigert haben, Vorschläge anzunehmen.

Mit dem Ausbau der Tagespfl ege – das muss ich ganz klar sagen – ist es nicht getan. Das ist uns zu wenig. Diesbezüglich ist das Gesetz falsch angelegt. Ich fi nde, dass das Gesetz schlecht gemacht ist.

Sie haben vorhin ganz klar die Kommunen angeprangert. Sicherlich haben Sie Recht, wenn Sie glauben, dass es da das eine oder andere gibt, was nicht in Ordnung ist. Aber dann ist das Gesetz schlecht gemacht, wenn das Gesetz die Kommunen nicht dazu verpfl ichtet, ihrer Aufgabe nachzukommen.

Wie schaut es denn mit der Bedarfsfeststellung aus? Sie haben selber bemängelt, dass die Gemeinden den Bedarf nicht richtig feststellen. Wie geschieht denn so etwas? – Ich kann Ihnen das sagen. Da lässt der Bürgermeister in die Zeitung schreiben, wer einen Betreuungsplatz für ein Kind zwischen null und drei Jahren brauche, der solle sich melden. Wer soll denn da einen Bedarf feststellen, wenn das so abläuft und keinerlei Sanktionen für den Fall vorgesehen sind, dass sich die Kommunen so verhalten?

(Beifall bei der SPD)

Das geht doch eindeutig an den Bedürfnissen der Eltern vorbei.

(Joachim Herrmann (CSU): Ich habe Ihnen doch gesagt, dass das ein Problem ist!)

Ja, da sind wir uns einig. Nur, darüber, wie wir weiter vorgehen, sind wir uns nicht einig, Herr Herrmann. Was das BayKiBiG anbelangt, besteht das Problem beispielsweise darin, dass, wie ich heute wieder gehört habe, die Bedingungen, die das BayKiBiG vorschreibt, eine Verschlechterung der Qualität der Kinderkrippen in München hervorrufen würden. Ein Weiteres muss man vielleicht sagen. Sie haben vorhin Prozentzahlen genannt und geschildert, wie die Steigerung aussieht. Das ist alles wunderbar. Aber wenn man die tatsächlichen Zahlen gegenüberstellt, wird vielen draußen und auch hier drinnen klar, dass das Angebot für die Null- bis Dreijährigen völlig unzureichend ist. Wenn es auf der einen Seite 23 000 Plätze, aber auf der anderen Seite über 300 000 Kinder von null bis drei

Jahren gibt, dann stimmt etwas nicht, und dann ist das nicht ausreichend.

(Beifall bei der SPD)

Was zeigt uns dieser Dringlichkeitsantrag noch? Er ist sehr aussagekräftig; Man kann einiges daran erkennen. Ich denke, dass er die Ideologie der CSU deutlich macht, und zeigt, dass die CSU in den letzten 30 Jahren wirklich die falsche Familienpolitik gemacht hat.

(Beifall bei der SPD)

Die CSU hat zunächst einmal die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Aber hierin wird auch eine Zerrissenheit innerhalb der CDU/CSU deutlich. Sie wissen nicht, wie Sie vorgehen sollen. Irgendwo habe ich heute gelesen: „Flucht vor der Wirklichkeit“. Ich denke, das trifft es wirklich, weil Sie sich nicht der Tatsache stellen, wie Familie momentan gelebt wird und lebt. Nur noch 15 % der jungen Frauen sehen ihre Aufgabe als Hausfrau und Mutter. Das sei ihnen zugestanden, aber es sind eben nur noch 15 %. Wir als Politiker müssen andere Antworten darauf fi nden.