Das war bis in die jüngste Zeit festzustellen. Denken Sie nur daran, dass der noch amtierende Ministerpräsident überhaupt nichts dabei fi ndet, dass er die Verhandlungen um die Nachfolge im Parteivorsitz in der Staatskanzlei durchführt. Daran wird dies sehr deutlich.
Sie werden sich nicht wundern, dass die SPD und die GRÜNEN dem Mehrheitsbericht nicht zustimmen können. Um es deutlich zu sagen: Wir glauben weder an den ahnungslosen Herrn Stoiber noch an das Unschuldslamm Frau Hohlmeier.
Die CSU-Mehrheit stellt im Bericht diesen beiden Personen einen Persilschein aus. Man fragt sich, warum Frau Hohlmeier überhaupt zurücktreten musste. Die Empörung über den vorgelegten Bericht war in den CSU-Reihen ebenfalls recht groß. So hat zum Beispiel Herr Dr. Bernhard Herrn Kupkas Schlussfolgerungen als teils „völlig inakzeptabel“ gerügt und deutlich gemacht, dass im Gegensatz zu Frau Hohlmeier, die als Betroffene ausgesagt hat, die CSU-Männer als Zeugen unter Strafandrohung gestanden haben. Wörtlich sagte er: „Ich bin mir sicher, dass meine Kollegen die Wahrheit gesagt haben.“
Herr Dr. Spaenle hat wörtlich gesagt: „Das ist ein Armutszeugnis für den Ausschuss.“ Oder Herr Podiuk: „Der Ausschuss hat nie den Versuch gemacht, die Wahrheit zu ergründen.“ Herr Podiuk, Sie können beruhigt sein: Wir haben dies getan. Herr Herrmann hat sich, was diesen Untersuchungsausschuss betrifft, gravierend geirrt, sogar noch zum Schluss, als er sagte: „Über endgültige Formulierungen kann noch gesprochen werden.“ Mit seinen Prophezeiungen ist es jedoch so eine Sache. Er hat auch vom „überfl üssigsten Untersuchungsausschuss“ gesprochen und gesagt, die Münchner Wahlfälscheraffäre könne und dürfe nicht Gegenstand eines Untersuchungsausschusses des Landtags sein. Dazu kann ich nur sagen: Dumm gelaufen, Herr Kollege Herrmann.
Wir haben diesen Ausschuss eingesetzt. Die Münchner Wahlfälscheraffäre ist behandelt worden, und Frau Hohlmeier musste zurücktreten.
Nachdem die CSU-Mehrheit unseren Argumenten und Schlussfolgerungen in keinem einzigen Punkt gefolgt ist, musste die Opposition einen Minderheitenbericht vorlegen. Ich will versuchen, die wichtigsten Punkte aus unserer Sicht zu bewerten.
Zunächst zu den Vorgängen, die der Öffentlichkeit als Münchner Wahlfälscheraffäre bekannt wurden. Sie, die
CSU, beschreiben diese Vorgänge im Vorfeld der Ortsvorstandswahl in Perlach als – wörtlich – „ungewöhnlich, aber korrekt“. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnen jetzt ein paar Beispiele nennen, was Sie als korrekt bezeichnet haben. Als korrekt wird die Veranlassung zu Parteieintritten und zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten gegen Zahlung eines Entgelts bezeichnet. Als korrekt wird die Nichtmeldung von 47 Aufnahmeanträgen an die CSU-Geschäftsstelle bewertet, obwohl dies eigentlich üblich ist, ferner die notarielle Beglaubigung dieser Anträge bzw. des Aufnahmedatums. Dies wird im Übrigen vom Amtsgericht als Urkundenunterdrückung bewertet. Die CSU-Mehrheit verneint diese Rechtsauffassung des Amtsgerichts und hält das Vorgehen für rechtlich einwandfrei.
Als „ungewöhnlich, aber korrekt“ werden auch gefälschte Aufnahmeanträge und falsche Wohnsitzmeldungen bezeichnet, obwohl in der Satzung die Zustimmung des Vorstandes für die Aufnahme Wohnsitzfremder vorgesehen ist. Wir halten dies nicht für korrekt. Dies hätte gewürdigt werden müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies alles geschah mit dem Ziel, den innerparteilichen Gegner im Unklaren über die Stärke der Bataillone gegen Herrn Traublinger zu lassen. Dieses System der Mitgliederwerbung und Mehrheitsbeschaffung war – das haben zahlreiche Zeugen gesagt – praktizierte Übung in Teilen der Münchner CSU und mitnichten ein Einzelfall.
Interessant und die entscheidende Frage bei all diesen Dingen ist: Wann hatten Frau Hohlmeier und Herr Dr. Stoiber Kenntnis von all diesen Schweinereien? Die Beweisaufnahme hat für uns ohne Zweifel ergeben, dass Frau Hohlmeier Kenntnis von den Vorgängen hatte, und zwar wie folgt:
Erstens. Anlässlich des Weihnachtsessens des Bezirksvorstands der CSU München im Dezember 2002 informierte Hans Podiuk Frau Hohlmeier über „echte Fälschungen“ durch Herrn Junker.
Herr Podiuk war über die Antwort von Frau Hohlmeier – wie er selber sagt – irritiert. Diese lautete nämlich: „Da sind wohl ein paar übermotiviert.“ Herr Quaas bestätigt dieses Gespräch. Herr Podiuk habe ihn sofort unterrichtet. Frau Hohlmeier erklärte wörtlich: „An ein solches Gespräch habe ich keine Erinnerung.“ Herr Vorsitzender, besonders eigenartig ist, dass Sie im Ausschuss noch defi nieren wollten, was ein Gespräch ist.
Warum die Mehrheit Frau Hohlmeier eine höhere Glaubwürdigkeit einräumt als Herrn Podiuk, bleibt schlicht und ergreifend ihr Geheimnis.
Dass man darüber hinaus die Aussage von Herrn Quaas mit dem Hinweis zu diskreditieren versucht, Herr Quaas sei ein langjähriger Weggefährte von Herrn Podiuk, braucht man – so denke ich – nicht zu kommentieren. Interessant ist auch, dass es unseres Wissens keinerlei Unterlassungserklärungen oder sonstige Rechtsmittel gegen die Vorwürfe von Herr Podiuk durch Frau Hohlmeier gab.
Auch von der Urkundenunterdrückung hat Frau Hohlmeier – belegt durch Akten und Zeugenaussagen – frühzeitig Kenntnis gehabt. Mitte Januar 2003 ließ Frau Hohlmeier auf Bitten von Herrn Baretti ihren persönlichen Referenten, Herrn Pangerl, bei der CSU-Landesleitung nachfragen, ob die Eintragung im Mitgliederverzeichnis, die bisher übliche Praxis in der CSU war, für die Teilnahme an Abstimmungen im Ortsverband rechtlich notwendige Voraussetzung sei. Die Frage von Herrn Baretti lautete damals: „Sind Leute, die seit zwei Monaten Mitglied sind und nicht auf der Liste stehen, stimmberechtigt?“ – Es ist völlig unglaubhaft, dass einer stellvertretenden CSU-Parteivorsitzenden die Aufnahmemodalitäten nicht bekannt gewesen sind. Die Einlassung der CSU, Frau Hohlmeier habe abstrakt nachgefragt und nicht konkret wegen der notariellen Beurkundung, dient nur dem Schutz der Betroffenen.
Außerdem erfolgte die Anfrage zeitnah und hatte einen konkreten Bezug zu den Aufnahmen im November/ Dezember 2003 gehabt. Wir sagen deutlich: Frau Hohlmeier hätte damals bereits handeln müssen, anstatt unterstützend nachzufragen.
Ein weiterer Punkt, der uns bestärkt und der Beweis dafür ist, dass sie Bescheid wusste, ist die Aufforderung an Herrn Welnhofer, die Sitzung in Perlach zu leiten. Ich denke, dies wäre nicht erfolgt, wenn nicht bekannt gewesen wäre, dass es dort Schwierigkeiten gibt. Übrigens, Herr Welnhofer, Sie haben sich mit Ihrem Verhalten am Wahlabend und danach nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Bezüglich Ihrer Aussage kann ich nur sagen: Ihre Gedächtnislücken möchte ich nicht haben! Sie können aber in Regensburg aufpassen, denn dort steht genau das gleiche Geschehen zur Debatte – gleiches Strickmuster: Kurzfristig werden Menschen in den Ortsverein übernommen. Sie sollten also auf der Hut sein, Herr Welnhofer, dass nicht plötzlich zu viele neue Parteifreunde bei Ihrer Kandidatur anwesend sind.
Jetzt möchte ich noch auf das von Herrn Junker geschilderte Telefongespräch zwischen Frau Hohlmeier und Herrn Haedke eingehen, welches sich mit den Mitgliederkäufen beschäftigt hat. Selbst wenn uns allen der Zeuge Junker nicht gerade als leuchtendes Vorbild für Parteinachwuchs in Erinnerung ist, bleibt schon die Frage, warum die CSU allen anderen Aussagen – allen! – bedingungslos geglaubt hat, nur der von Herrn Junker nicht. Dabei muss man zum einen berücksichtigen, dass Herr Junker vom Gericht durchaus als glaubwürdig bezeichnet wurde, und zum anderen, dass Herr Junker im Gegensatz zu Frau Hohlmeier und Herrn Haedke – auch das wollen wir nicht vergessen – nichts zu verlieren hatte; er war verurteilt und bereits aus der CSU ausgeschlossen. Um seine Glaubwürdigkeit zu erschüttern – man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen –, hat ein Kollege Herrn Junker bei der Einvernahme das Umwerfen eines Zeitungsständers in der Freinacht im Alter von siebzehn Jahren verbunden mit der Frage vorgehalten, ob er schon einmal vorher mit dem Gesetz in Konfl ikt gekommen ist. Ich denke, das spricht für sich.
Ich will deutlich sagen: Herr Haedke hätte es in der Hand gehabt, die aufgeworfenen Fragen aufzulösen, wenn er ausgesagt hätte – derselbe Herr Haedke, der jetzt wieder in den Startlöchern steht, um weiter in diesem Haus sitzen zu können. Da sollte die CSU vielleicht ein bisschen darauf achten, dass das nicht passiert.
Fazit aus der Geschichte der Wahlfälscheraffäre: Frau Hohlmeier hatte spätestens am 11. Dezember 2002 mindestens von einer Urkundenfälschung und spätestens ab Mitte Januar 2003 von unterdrückten Mitgliederaufnahmeanträgen und von gekauften Mitgliedern Kenntnis.
Ich komme zu Ministerpräsident Stoiber: Es ist nicht vorstellbar, dass der Parteivorsitzende Stoiber von den Vorgängen in der Münchner CSU keine Kenntnis hatte – er, der Detailversessene und Bestinformierteste.
Bereits im Mai 2002 wurde ein Brandbrief des CSU-Ortsvereins Perlach an Generalsekretär Goppel verfasst, der offi ziell oder inoffi ziell den Weg in die oberen Etagen der CSU fand, wie der Zeuge Quaas glaubhaft bestätigte.
Es ist nicht vorstellbar, dass alle massiven Hinweise auf satzungswidrige Unternehmungen am CSU-Vorsitzenden vorbeigegangen sein können. Bereits im Oktober 2002 gab es Presseartikel über den bevorstehenden Deal zwischen Blume und Traublinger um das Landtagsmandat; übrigens hätte sich Herr Blume das alles sparen können, er hat ja wohl mittlerweile sein Etappenziel erreicht. Am 5. November 2002 war im „Münchner Merkur“ zu lesen: Parteifreunde als Stimmvieh, mit dem Hinweis auf Vorwürfe des Einschleusens von Mitgliedern in den Stimmkreis 107. Hier kommt ein alter, neuer Bekannter, Herr Höhenberger, ins Spiel – derjenige, von dem wir wissen, dass er die groben Arbeiten erledigen muss. Offensichtlich hat dieser Herr Höhenberger diese Pressemitteilung,
die für uns alle zu lesen war, dem armen Parteivorsitzenden vorenthalten, so dass er nicht handeln konnte.
Herr Höhenberger hat auch im Ausschuss ausgesagt – er war zum Zeitpunkt, als das alles passierte, Landesgeschäftsführer der CSU. Zunächst war ihm nicht erinnerlich, ob er vor den Wahlen in Perlach mit dem Vorsitzenden über diese Vorgänge gesprochen habe. Er wollte dann aber „nicht ausschließen, dass über das eine oder andere Detail mit dem Vorsitzenden vor 2003 gesprochen wurde.“ Auf die Frage nach Gesprächen zwischen Frau Hohlmeier und Herrn Stoiber trifft er folgende Aussage: „Ich gehe davon aus, dass Herr Stoiber mit Frau Hohlmeier zu einem unklaren Zeitpunkt dann und wann vielleicht darüber geredet hat.“ Ich denke, das ist für uns Hinweis genug, dass Herr Stoiber Bescheid gewusst hatte.
Es geht immer um den Zeitpunkt Ende 2002, Anfang 2003. Gehandelt hat Herr Stoiber – weil immer betont wird, er habe alles getan und alles in die Wege geleitet – erst im September 2003, als er den Auftrag zur Satzungsänderung gegeben hat. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass im Bericht der Mehrheit diese Aussage von Herrn Höhenberger total unter den Tisch fällt; sie wird überhaupt nicht erwähnt. Ein weiteres Indiz für die Kenntnis Stoibers von der Stimmkaufaffäre ist für uns der Hinweis, was im März 2003 in der Handwerkskammer in München abgelaufen ist. Sie kennen alle den Ausspruch – in der Zeitung hat es gestanden –: „Hund san’s scho“, so habe Herr Stoiber gesagt. Interessant ist: Herr Traublinger erinnert sich in seiner Aussage ganz genau daran, dass er anstatt des Aufzugs die Treppe genommen hat. Er erinnert sich auch ganz genau daran, dass er den Herrn Ministerpräsidenten von dem Treffen mit Leuten, die er brauche, um die Kandidatenaufstellung vorzubereiten, unterrichtet hat. Er erinnert sich plötzlich überhaupt nicht mehr daran, was der Herr Ministerpräsident gesagt hat; das ist eine strategisch wertvolle Erinnerungslücke – das möchte ich nur anmerken.
Fazit, was den Herrn Ministerpräsidenten betrifft: Herr Stoiber wusste frühzeitig Bescheid. Er hat aber erst im September 2003 die CSU-Satzungskommission eingeschaltet und um Vorschläge für eine Satzungsänderung gebeten. Herrn Stoiber war bekannt, dass in München dubiose Mitgliederaufnahmen zum Zweck der Beeinfl ussung von CSU-Wahlen stattfanden.
Damit ihm das nicht noch einmal passiert, noch ist Herr Stoiber Parteivorsitzender, sollte er sich schleunigst um die Vorgänge in Regensburg kümmern, weil sich hier Parallelen zeigen.
Er kann sich nicht wieder hier hinstellen und sagen, er habe nichts gewusst, man habe ihm die Presseartikel vorenthalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will jetzt zu dem kommen, was in der Öffentlichkeit als „Dossier-Affäre“ abgehandelt worden ist. Dabei geht es um das Verhalten
von Frau Hohlmeier gegenüber Bezirksvorstandsmitgliedern, die ihren Rücktritt als Bezirksvorsitzende verlangen wollten und verlangt haben. Auch hier versucht die CSU, die Ereignisse herunterzuspielen und die massiven Drohungen den Betroffenen gegenüber als subjektives Empfi nden darzustellen. Leugnen können Sie die Vorgänge im Bürklein-Zimmer nicht, damit wären die Betroffenen ganz und gar nicht einverstanden. Sie sind auch mit Ihrer Interpretation nicht einverstanden, ich habe bereits vorhin einiges dazu zitiert. Lassen Sie mich an etwas erinnern, was Herr Podiuk gesagt hat: „Über die Wahrheit kann man nicht abstimmen, die ist vorhanden.“ – Ich denke, da hat er Recht.