Protokoll der Sitzung vom 27.02.2007

Kinder und Ehe wollen wir nicht auseinanderdividieren.

(Franz Maget (SPD): Seit wann ist Herr Seehofer denn bei uns?)

Zudem gibt es einen verfassungsrechtlichen Schutz, das Splitting nicht zu kürzen. Das wissen Sie auch. Es gilt ein verfassungsrechtlicher Schutz.

(Unruhe bei der SPD)

Wir unterscheiden uns auch bei einem anderen Aspekt ganz gravierend: Wäre es nach Ihnen gegangen, hätten Sie das Landeserziehungsgeld gestrichen. Ich sage sogar, Sie hätten es geopfert, um das Geld ausschließlich in den Ausbau der Kinderbetreuung zu stecken. Damit aber konterkarieren Sie die echte Wahlfreiheit.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Ganz bestimmt nicht!)

Die Mütter und Väter, die sich ausschließlich der Kinderbetreuung in den ersten Jahren widmen, haben ein Anrecht, das Landeserziehungsgeld zu bekommen.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Einhundertfünfzig Euro, das reicht doch nicht aus! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich gebe Ihnen recht, Frau Kollegin Muggendorfer, das ist ein Punkt, den wir weiterentwickeln müssen, genauso wie andere fi nanzielle Aspekte. Ich komme nun im Gesamtkontext meiner Rede zu dem Schluss, dass Sie einen Eckpfeiler überbetonen. Dieser Eckpfeiler ist für uns wichtig und auch vordringlich, nämlich der Ausbau der Betreuung für die unter Dreijährigen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident, ich bin gleich fertig.

Stützen wir unsere Politik auf drei Eckpfeiler: auf den Ausbau der Kinderbetreuung, auf Transferleistungen und auf steuerliche Erleichterungen. Wichtig sind auch sozialversicherungspfl ichtige Erleichterungen, ich denke beispielsweise an die Frage, ob Kinder für die Rente weiter angerechnet werden. Diesem Ziel, auch weiterhin alle drei Eckpfeiler im Blick zu behalten, werden wir auch weiterhin gerecht werden. Im Übrigen gibt uns die Föderalismusreform das Recht und verpfl ichtet uns dazu, in unserem Land das Richtige zu tun, und uns vom Bund nicht alles vorschreiben zu lassen.

(Beifall bei der CSU – Karin Radermacher (SPD): Tun Sie es endlich! – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wunderbar, tun Sie doch endlich etwas!)

Herr Kollege Imhof, ich stelle fest, dass ich Frau Kollegin Strohmayr zu Unrecht abgemahnt habe. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Wahnschaffe. Bitte.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Imhof, wenn man Ihnen genau zugehört hat, dann war das schon starker Tobak, den Sie uns heute hier angeboten haben.

(Beifall bei der SPD)

Sie sagen, wir sollten den Familien nicht in die Lebensentwürfe hineinreden. Einverstanden. Sie aber tun das de facto. Wir wollen den Familien Angebote machen, damit die Familien echte Wahlfreiheit haben. Sie hingegen haben den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen jahrelang verhindert und damit auch die Wahlfreiheit.

(Beifall bei der SPD)

Sie drehen das doch immer so, wie es Ihnen gerade passt, und wenn es nach Bischof Mixa ginge, dann sollte dieser Zustand verewigt werden.

Meine Damen und Herren, das Bekenntnis der Staatsregierung und der CSU zum Ausbau von Kinderkrippen und zur Wahlfreiheit ist etwa so ernst zu nehmen wie das Bekenntnis von CSU und Staatsregierung zum Ladenschluss. Sie sind dafür, Sie sind dagegen. Die CSU weiß nicht, was sie bei der Kinderbetreuung will, oder sie weiß nicht, was sie wollen darf. Sonntags nämlich redet sie von Wahlfreiheit und vom Ausbau der Einrichtungen, am Montag aber ist die Realität eine ganz andere.

Ich weiß nicht, wer von Ihnen in der letzten Woche einen sehr anschaulichen Bericht im Bayerischen Fernsehen gesehen hat. Vielleicht haben auch Sie ihn gesehen, Frau Staatsministerin. Was mich am meisten überrascht hat war, dass dieser Bericht im Bayerischen Fernsehen kam. In dem Bericht nämlich wurde über die Verhältnisse im Landkreis Garmisch-Partenkirchen berichtet. Im Landkreis Garmisch-Partenkirchen gibt es, wie im übrigen Freistaat, Mütter, auch junge Mütter, die gern eine Kinderkrippe haben möchten, wie wir sie schon lange fordern. Es gibt aber weit und breit keine, doch es gibt einen Bedarf, der in dem Bericht auch sichtbar war. Die einzige

Kinderkrippe im Landkreis Garmisch-Partenkirchen gibt es in Murnau und die ist völlig überbelegt. Diese Kinderkrippe wird aber auch den Eltern in Garmisch-Partenkirchen angeboten. In dem Bericht wurde dazu auch der Bürgermeister von Garmisch-Partenkirchen angehört. Der sagte: Ja, der Bedarf im Landkreis Garmisch-Partenkirchen, insbesondere in Garmisch, ist gedeckt. Wir haben alles, was wir brauchen. – Genau hier zeigt sich die Crux Ihres Gesetzes: Sie haben nicht den individuellen Anspruch der Eltern auf einen Kinderkrippen- oder auf einen Kindergartenplatz in das Gesetz hineingeschrieben, sondern Sie haben nur hineingeschrieben: Die Kommunen planen solche Einrichtungen nach den Bedürfnissen der Eltern. Was aber die Bedürfnisse der Eltern sind, das entscheidet, wie in Garmisch-Partenkirchen, unter Umständen ein selbstherrlicher Bürgermeister, nicht jedoch die Eltern. Hier liegt Ihr Versäumnis, meine Damen und Herren von der CSU!

(Beifall bei der SPD)

Sie sprechen vom Ausbau der Einrichtungen. Sie sagen: Wir haben enorm zugelegt; 7 %. Wenn man die „Süddeutsche Zeitung“ verfolgt, dann sind die „Wasserstandsmeldungen“ ganz toll. Am Donnerstag lag der Pegel noch bei 6,2 %, am Freitag waren es schon 7 %. Es wurde hier bereits dargestellt: Wenn man die Plätze in München wegnimmt, immerhin entspricht die Bevölkerung in München einem Zehntel der bayerischen Bevölkerung, und dort befi ndet sich die Hälfte aller Kinderkrippen, dann würde das bedeuten, dass im Rest des Freistaats der Bedarf nur zu 3,8 % gedeckt wird. Das ist nicht das Schlusslicht, Frau Staatsministerin, das entspricht der roten Laterne!

(Beifall bei der SPD)

Trotzdem brüsten Sie sich und behaupten, Sie würden die Einrichtungen ausbauen. Wie sieht das denn in realen Zahlen aus? – Wir haben hier über den Haushalt und über die nicht vorhandene Erhöhung der Mittel gestritten. Im Jahr 2007 erhöhen Sie gerade einmal um 2,8 %. Das liegt nur knapp über dem Durchschnitt der Erhöhung des Haushalts von 2,4 %. Das tollste Stück aber ist, dass im Jahr 2008 – vielleicht kommt auch noch etwas über den Nachtragshaushalt – die Erhöhung ganze 0,8 % beträgt.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Respekt!)

Das nennen Sie einen massierten Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen in Bayern? – Das ist nichts als Scharlatanerie!

(Beifall bei der SPD)

Es erinnert mich ein bisschen an die potemkinschen Dörfer, die wir aus der früheren, Gott sei Dank vergangenen, Geschichte der SED kennen. Wenn Herr Honecker durch bestimmte Straßen fuhr, dann hat man vorher die Fassaden der Häuser angemalt.

Sie malen Fassaden für die Eltern an und sagen: Wir bauen aus. In Wirklichkeit sind dahinter nur Ruinen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es tut mir leid, ich könnte leicht noch eine Stunde reden, aber leider beträgt meine Redezeit nur fünf Minuten.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Pongratz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich mache es ein bisschen leiser.

(Ludwig Wörner (SPD): Die muss auch leise reden!)

Das Thema „Ausbau der Kinderbetreuung“ ist ein Thema, bei dem wir Politiker besonders gefordert sind und das mir auch persönlich sehr wichtig erscheint. Frau Ackermann hat gesagt, in den letzten zehn Jahren wäre nichts geschehen. Liebe Frau Kollegin, das ist ein Märchen; es ist allerhand geschaffen worden. Stellen Sie sich vor: Es gibt auch Landstriche und Gemeinden, in denen die Befragung von Eltern keinen Bedarf an Krippenplätzen ergeben hat, nicht einmal die Notwendigkeit von Tagesmüttern. Auch das gibt es in Bayern. Deshalb bin ich dafür, dass unser Landeserziehungsgeld weiterhin erhalten bleibt und das Kindergeld nicht gekürzt wird.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, als Bevollmächtigte bei Donum vitae weiß ich genau, dass es viele fi nanzielle Probleme bei alleinerziehenden Müttern gibt, aber auch bei Familien und dass es sich viele Leute aus rein wirtschaftlichen Gründen nicht leisten können, drei Jahre aus dem Berufsleben auszusteigen bzw. auf Elterngeld oder Landeserziehungsgeld zu verzichten. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts hatten daher sicher gute Gründe, als sie bei ihrer Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch forderten, dass junge Eltern Hilfestellung bekommen sollen und familien- und kinderfreundliche Strukturen geschaffen werden müssen. Dabei sind wir gerade. Um unter anderem auch das ungeborene Leben besser schützen zu können und junge Familien ganz allgemein zu unterstützen, ist es unbedingt notwendig, dass die bedarfsgerechte Kinderbetreuung zügig ausgebaut wird. Neben den Kinderkrippen müssen wir auch andere wichtige Betreuungsangebote, zum Beispiel die Tagespfl ege, die altersgeöffneten Kindergärten und Häuser für Kinder im Auge behalten. Eine Verkürzung der Diskussion nur auf Kinderkrippen wäre völlig verfehlt und ein Zeichen von großer Kurzsichtigkeit. Wir müssen und werden uns eben nicht auf nur eine Form der Betreuung einengen lassen, sondern eine möglichst breite Palette bieten. Orientieren wir uns dabei nicht nur an den reinen Zahlen, sondern vor allem am Bedarf der Eltern! Ein gutes Beispiel hierfür ist die fl exible Betreuungszeit, etwa auch Betreuung am Wochenende, die eben nicht durch Kinderkrippen, sondern durch Tagespfl ege abgedeckt werden kann. Notwendig ist, wie gesagt, ein fl exibles und breites Angebot.

Sehr geehrte Damen und Herren, uns ist wirklich ein großes Anliegen, dass wir den Eltern Entscheidungsfreiheit lassen. Wenn eine Mutter oder auch ein Vater zu Hause bleiben will, dann wollen wir sie durch Kindergeld, Elterngeld und unser Bayerisches Landeserziehungsgeld dazu in die Lage versetzen. Wollen oder müssen beide Eltern in die Arbeit gehen, dann müssen wir ein breites Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung stellen.

(Franz Maget (SPD): Tut ihr aber nicht!)

Dabei wäre es völlig verfehlt, wenn die Eltern mit unterschiedlichen Lebensentwürfen gegeneinander ausgespielt würden.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Das sind Sonntagsreden!)

Wir müssen die Wahl der Eltern akzeptieren, respektieren und auch unterstützen.

(Franz Maget (SPD): Tut ihr aber nicht!)

Ich möchte ausdrücklich hervorheben, dass wir mit dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz, dem BayKiBiG, bereits hervorragende Erfolge in der Kinderbetreuung erreicht haben.

(Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Anfang 2006 standen 23 022 Plätze für Kinder unter drei Jahren zur Verfügung.

(Alexander König (CSU): So viel schon! – Franz Maget (SPD): Wie viele davon in München?)

Das entspricht einer Versorgungsquote von rund 7 %. Andere Länder, Herr Maget, wären froh, wenn sie solche Zahlen vorweisen könnten.