Protokoll der Sitzung vom 27.02.2007

Herr Unterländer, ich appelliere an Sie und habe die Hoffnung, dass Sie das nicht so schnell vergessen.

(Joachim Unterländer (CSU): Danke für die Unterstützung!)

Frau von der Leyen hat es auf den Punkt gebracht; sie möchte die Zahl der Kinderkrippenplätze bis 2013 verdreifachen. Bravo, schön, dass endlich auch die Konservativen das machen wollen, was wir seit Jahren fordern. Wir brauchen mehr Betreuungsplätze, um die echte Wahlfreiheit der Eltern zu gewährleisten. Es geht hier nicht um den Zwang; jeder soll die Wahl haben, seine Kinder entweder selbst zu erziehen oder betreuen zu lassen. Aber – meine Kollegin hat es schon angesprochen – wir brauchen einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz. Nur dieser stellt die echte Wahlfreiheit der Eltern sicher.

Wenn Eltern einen Platz für ihr Kind brauchen, muss ihnen ein solcher zur Verfügung stehen. Wir brauchen dazu keine komplizierte Bedarfserhebung, bei der eine Abhängigkeit von den Kommunen besteht. Es muss im Gesetz geregelt sein, dass derjenige, der einen Platz braucht, auch einen zur Verfügung gestellt bekommt.

(Beifall bei der SPD)

In Bayern – ich kann es nur immer wieder sagen – liegt der Versorgungsgrad der unter Dreijährigen momentan bei 7 %; in Schwaben liegt er bei 3,6 %. Dieser Wert umfasst alle Kinderbetreuungseinrichtungen; dazu zählen auch die Tagesmütter, wie es meine Kollegin schon ausgeführt hat.

Auch die Kinder, die in Kindergärten oft nicht qualitativ hochwertig untergebracht sind, zählen ebenso wie die in Kinderkrippen dazu. Der Anteil der Kinderkrippen beträgt weniger als die Hälfte, nämlich 3 %. Daran erkennt man, wie die Realität in Bayern aussieht.

(Beifall bei der SPD)

Aus Bedarfserhebungen – ich sage das immer wieder gern – bei mir in Schwaben weiß ich, dass sich über 30 % der Eltern für ihre Kinder unter drei Jahren Betreuungsplätze wünschen. Es klaffen Welten zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Ich wiederhole: 3 % bekommen ihre Kinder in Kinderkrippen unter und 30 % – das Zehnfache – wünschen sich Betreuung. So sieht die Wirklichkeit bei uns in Bayern aus.

(Beifall bei der SPD)

Das sind die Auswirkungen Ihrer antiquierten und längst überholten Familienpolitik, obwohl neue Studien belegen, dass Kindern Kinderkrippen gut tun, soweit die Qualität stimmt.

Im Rahmen der Pisa-Studien – auch das hat Herr Dr. Schleicher heute ausgeführt – wurde untersucht, wie der Wissensstand der Fünfzehnjährigen mit und und ohne Vorschulausbildung ist. Man hat festgestellt: Je länger die Kinder in einem Kindergarten oder in einer vorschulischen Einrichtung waren, desto besser haben sie bei diesen Pisa-Tests abgeschnitten. Hier können wir etwas tun, indem wir die frühkindliche Bildung verbessern. Wir müssen dringend Kinderkrippen einrichten. All diejenigen Länder, die bei Pisa erfolgreich waren, haben das längst getan.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bleibt in Bayern weiter für viele ein unerreichbarer Traum. Wir brauchen uns ja nur einmal in den eigenen Reihen umzuschauen: 131 Männer, 49 Frauen, davon die meisten von der SPD und von den GRÜNEN, 14 Minister und Staatssekretäre, 3 Frauen in vergleichbaren Positionen. 7 % der Professoren an den Universitätskliniken sind Frauen. Von Chancengleichheit merkt man in Bayern weit und breit nichts.

Ein Übriges leistet das BayKiBiG. Wir haben hierzu eine Umfrage in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse sind erschreckend. Leider haben sich unsere schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet. Anstatt Betreuungseinrichtungen aufzubauen, denken zum Beispiel in Schwaben 12,8 % der Verantwortlichen in den Einrichtungen über Schließungen nach. Sie müssen sich das einmal vorstellen; Sie reden hier vom Ausbau der Einrichtungen und 12,8 % der Verantwortlichen in den Einrichtungen denken über Schließungen nach.

(Beifall bei der SPD)

Die Qualität – auch das ist ein Ergebnis unserer in Auftrag gegebenen Untersuchung – hat mit dem BayKiBiG weiter gelitten.

(Glocke des Präsidenten)

Der Bildungs- und Erziehungsplan kann nicht umgesetzt werden, weil vielerorts die Gruppen zu groß sind, fi nanzielle Mittel fehlen oder zu wenig Personal vorhanden ist. Die Altersöffnung tut ein Übriges.

Frau Kollegin, da meine Glocke nichts zu nutzen scheint, hoffe ich, dass meine Stimme jetzt nützt.

Ist die Redezeit zu Ende?

Ja, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich bin sofort fertig. Sie haben mich völlig durcheinandergebracht.

Bitte kommen Sie zum Schluss.

Wir haben noch mehr Möglichkeiten, über dieses Thema zu reden. Deswegen schließe ich jetzt hier.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Ich weiß, dass fünf Minuten für eine Frau sehr wenig Zeit sind.

(Zurufe von allen Fraktionen)

Ich nehme alles zurück und zahle freiwillig in die Machokasse. – Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Imhof.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist notwendig, dass wir die Debatte, die in den letzten Tagen zusätzlich – ich sage es einmal sehr diplomatisch – auch durch Würdenträger in einer Art und Weise angeheizt worden ist, die nicht der differenzierten Sicht unserer Partei und unserer Fraktion entspricht, wieder nach unten ziehen und versachlichen. Ich glaube, es gibt mindestens eine Übereinstimmung aller Parteien: In die Lebensentwürfe von Frauen, von Männern und von Familien hat die Politik nicht hineinzureden.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Aber die Rahmenbedingungen darf sie setzen!)

Den Wunsch nach einer wirklichen Wahlfreiheit – ich sage das ganz konkret –, egal ob sich Frauen und Männer entscheiden, die Kindererziehung ganz zu übernehmen, also zu Hause zu bleiben, oder ihre Kinder teilweise oder ganztags institutionell betreuen zu lassen, hat die Politik nicht zu bewerten und schon gar nicht hierüber zu moralisieren, sondern zu respektieren.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Die Voraussetzungen dafür schaffen wir!)

Ich sage Ihnen aber eines – in diesem Punkt unterscheiden wir uns ganz gravierend –: Die elterliche Kompetenz wird von uns, unserer Fraktion, von den Unionsparteien, unzweifelhaft anerkannt.

Das kommt dagegen bei Ihnen oft nicht zum Ausdruck. Auch die Rahmenbedingungen der institutionellen Betreuung sind zu gewährleisten.

(Karin Radermacher (SPD): Wir unterstützen das, im Gegensatz zu Ihnen!)

Ich glaube, dass die Zahlen, die ich hier aus Zeitgründen nicht alle anführen will, Bände sprechen. Allein in den letzten zehn Jahren sind die Beträge, die wir in den Haushalt für die unter Dreijährigen eingestellt haben, verzehnfacht worden. Das spricht Bände.

(Karin Radermacher (SPD): Jahrelang haben Sie nichts gemacht! – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wenn man zuerst nichts macht, muss man anschließend sehr viel Geld in die Hand nehmen! – Gegenruf der Abgeordneten Renate Dodell (CSU))

Kolleginnen und Kolllegen, ich höre Ihnen nachher auch zu, geben Sie mir aber zuerst einmal die Chance, dass ich meine Ausführungen beenden kann. Auch wir nehmen wahr, genauso wie Sie, dass der Wunsch nach außerfamiliärer Betreuung zweifelsohne am Wachsen ist und weiter wächst. Diesem Wunsch muss Rechnung getragen werden. Das ist eine prioritäre Aufgabe der Politik, auch des Landtags. Wir sagen, wir nehmen diese Aufgabe wahr.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Aber wann?)

Wir nehmen diese Aufgabe seit den letzten Jahren wahr, wir setzen sie auch konsequent um, allerdings im Rahmen eines realistischen Haushalts, Kolleginnen und Kollegen. Auch Sie wissen, dass die Aufwendungen fi nanzierbar sein müssen.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Sieben Prozent Kinderkrippen gibt es in Bayern!)

Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von den GRÜNEN, in folgendem Punkt unterscheiden wir uns gravierend. Die Interpretation von Wahlfreiheit, von elterlicher Erziehung und institutioneller Betreuung, soll gleichermaßen gerecht bewertet werden. In diesem Punkt unterscheiden wir uns, denn wir sagen, beide Modelle sind ebenbürtig.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Habe ich etwas anderes gesagt?)

Wenn ich Ihr Finanzierungskonzept sehe, dann kann ich das nicht erkennen. Bei dem Konzept, welches Herr Beck mit der Unterstützung von fünf anderen Kollegen vorgelegt hat, sehe ich eine Einseitigkeit, eine absolute Schieflage, denn Sie wollen das Kindergeld kürzen, und damit

richten Sie bei Familien mit mehreren Kindern sozialen Schaden an.

(Beifall der Abgeordneten Berta Schmid (CSU))

Sie richten damit Schaden an, denn Sie nehmen Eltern mit Kindern Geld weg, um den von Ihnen gewünschten einseitigen Ausbau zu fi nanzieren.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist für die Familien, das vergessen Sie!)

In einem zweiten Punkt gehen wir überhaupt nicht konform: Sie wollen an das Ehegattensplitting heran. Vielleicht ist es bei uns ausgeprägter als bei Ihnen, aber für uns ist die Ehe ein Wert an sich.

(Franz Maget (SPD): Wo ist das ausgeprägter? Im Augenblick liest man da nämlich ganz anderes!)

Kinder und Ehe wollen wir nicht auseinanderdividieren.