Die Diskussion über die Notwendigkeit des Ausbaus von Kinderbetreuungsmöglichkeiten darf nicht dazu führen, dass familiäre Lebensbilder gegeneinander ausgespielt werden. Es ist fatal, wenn zusätzliche Plätze für Betreuungseinrichtungen und das dahinter stehende Konzept dahingehend interpretiert werden, als ob Frauen als „Gebärmaschinen“ dienen sollen. Dies diskriminiert familiäre Lebenswelten, die die Realität darstellen, genauso wie die Qualität von Kinderbetreuungseinrichtungen. Auf der anderen Seite ist es aber auch in dieser Diskussion notwendig darauf hinzuweisen, dass eine gute Bindung von Kindern zu Eltern und umgekehrt die entscheidende Voraussetzung für die optimale Förderung von Kindern und für eine gelingende menschliche Entwicklung sind. Deshalb kann vor einem Schwarz-Weiß-Denken in diesem Zusammenhang nur nachdrücklich gewarnt werden.
Wir werden uns bei der Umsetzung der Ausbau- und Qualitätssicherungspläne nicht beeinträchtigen lassen.
Frau Kollegin Dr. Strohmayr, wir haben heute Vormittag bei einer Veranstaltung bei den bayerischen Kindertagesstätten in Fürth von Spitzenwissenschaftlern gehört, wie wichtig die frühe Förderung sei, die sowohl im familiären als auch im institutionellen Bereich stattfi nden müsse. Deshalb ist in diesem Zusammenhang dringend die Forderung zu erheben, dass in Sachen Förderung von Kindern und Jugendlichen die Politik wieder vom Kopf auf die Füße gestellt wird. Unsere Politik wird kennzeichnen, dass die frühe Förderung einen entscheidenden prioritären Ansatz hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Qualität der Betreuung ist in der frühkindlichen Entwicklung entscheidend. Die CSU-Landtagsfraktion hat deshalb entsprechende Initiativen gemeinsam mit der Staatsregierung gestartet. Dabei geht es um die Bildungs- und Erziehungsziele, die auch auf die Krippen anwendbar sind. Es geht um einen vertretbaren Anstellungsschlüssel für frühe Bildungseinrichtungen. Außerdem geht es um eine Weiterentwicklung der Erzieherinnen-Ausbildung auf die frühkindliche Entwicklung. Der Freistaat Bayern hat bereits in
den vergangenen Jahren klare Signale gesetzt. Wir haben in den letzten fünf Jahren mehr als eine Verdoppelung der Haushaltsmittel erreicht.
(Beifall bei der CSU – Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD): Wenn Sie qualitativ gerechtfertigt sind!)
Nicht allein Krippen, sondern das ganze Spektrum von Angeboten ist das Ziel bayerischer Kinderbildungs- und -betreuungspolitik. Die Mittel dafür wurden im Jahr 2007 auf rund 43 Millionen Euro erhöht. Im Jahr 2008 werden es 46 Millionen Euro sein. Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie die Entwicklung betrachten und sehen, dass die Kommunen einen Anspruch darauf haben, diese Einrichtungen durch den Staat mitfi nanzieren zu lassen, wird klar, dass der Freistaat Bayern seine Prioritäten richtig setzt. Sie können sicher sein, dass wir als Freistaat Bayern den entscheidenden Schwerpunkt unserer Familien-, Gesellschafts- und Bildungspolitik auf die frühe Förderung, auf den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen legen werden.
Der Weg dazu ist bereits vorgezeichnet. Meine sehr geehrten Damen und Herren, der bedarfsgerechte Ausbau wird die politische Priorität für die Zukunft der Landespolitik im Freistaat Bayern sein.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Interesse, das Sie in Ihrer Partei der neuen Kinderfreundlichkeit entgegenbringen, sieht man an Ihrer Beteiligung hier. Es ist äußerst dünn.
Herr Unterländer hat sich sehr bemüht, uns klarzumachen, dass Sie mittlerweile auf dem richtigen Weg seien. Ich muss sagen, es scheint noch ein sehr langer Weg zu sein und hinter Ihnen liegt der Abgrund; denn bisher hat sich noch gar nichts getan.
Ich freue mich trotzdem, dass die Union, und zwar beide „Unionen“, mittlerweile das Thema „Kinder“ entdeckt haben. Herzlich willkommen im Klub. Besser wäre es aber gewesen, Sie hätten das Thema „Kinder“ entdeckt, bevor Sie das BayKiBiG verabschiedet haben; denn dann hätte sich dieses entsetzliche Gesetz wahrscheinlich noch etwas zum Wohle der Kinder, zum Wohle der Eltern und zum Wohle der Einrichtungen verbessern lassen. Damals war das Thema bei Ihnen jedoch noch nicht so wichtig. Deshalb ist dieses Gesetz herausgekommen.
Bis vor einiger Zeit haben Sie noch tapfer das Rabenmütter-Image für die Mütter gepfl egt, die ihre Kinder in die Kinderkrippe gegeben haben. Es hat einer siebenfachen Mutter bedurft, die Familienministerin wurde – vielleicht ist sie auch eine Rabenmutter –, um die konservativen Fundamentalisten in ihrer eigenen Partei in die Wirklichkeit zu katapultieren. Sie hat eine Verdreifachung der Kinderkrippen von 250 000 auf 750 000 Plätze bundesweit gefordert. Bezeichnend für das antiquierte Gesellschaftsbild, das Sie haben, ist, dass es bei Ihnen bereits eine Grundsatzdebatte auslöst, wenn eine Selbstverständlichkeit gefordert wird.
Der Augsburger Bischof Walter Mixa hat Ihre überkommene Familiendebatte noch getoppt, indem er sich mit seiner Beschimpfung berufstätiger Frauen als „Gebärmaschinen“ absolut ins Abseits katapultiert hat.
Hier tauchen schon Fragen auf. Wie kann ein Christenmensch in seiner umfassenden Nächstenliebe den Großteil der Frauen so diffamieren? Warum verdreht er die Realität? Warum bezeichnet er ausgerechnet diejenigen Frauen, die versuchen, ihr Leben selbst zu meistern, als Gebärmaschinen? Sie verdienen dieses abscheuliche, eines Bischofs unwürdige Etikett überhaupt nicht. Aber warum soll man sich lang mit einem Bischof aufhalten, der keine Familie hat und von der Mutterrolle so weit entfernt ist wie ein Eisbär von der Sahara?
Ein Gutes haben die unsäglichen Entgleisungen des Bischofs doch: Sie katapultieren die christlich-sozialen und die christlich-demokratischen Politiker nach vorn. In ihrem Bemühen, ihre Bundesfamilienministerin zu stützen, erheben namhafte Politiker, wie zum Beispiel Herr Herrmann, der gerade nicht da ist, die Familienpolitik zur Priorität. Ich freue mich darüber. Herr Herrmann hat schon bei der letzten Debatte versucht, sich als Vorreiter seiner Partei zu profi lieren. Es darf jedoch nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben.
In Bayern gibt es einen enormen Nachholbedarf bei den Kinderkrippen. Durch diesen eklatanten Mangel wird die viel gepriesene Wahlfreiheit ad absurdum geführt; denn zwischen welchen Alternativen sollen sich die Frauen und die Familien entscheiden, wenn es in ihrem Wohnumfeld keine Kinderkrippen gibt? Diese Krippenplätze sind auch noch durch personell mangelhaft ausgestattete, altersgeöffnete Kindergartenplätze zu ersetzen oder durch mangelhaft vorbereitete Tagesmütter. Frau Ministerin Ste
wens, Sie versuchen, uns immer wieder klarzumachen, dass Tagesmütter und altersgeöffnete Kindergärten ein adäquater Ersatz wären. Sie sind es nicht. Sie sind es deshalb nicht, weil Sie für die Kindergärten nicht genug Personal zur Verfügung stellen.
Der Gewichtungsfaktor für die Kindergärten ist dadurch viel zu gering. Ein kleines Kind braucht eine andere Pädagogik als ein fünf- bis sechsjähriges Kind. Diese andere Pädagogik kann in einer altersgemischten Gruppe mit so wenig Personal nicht gewährleistet werden. Das kleine Kind wird nebenher laufen. Es wird vielleicht beaufsichtigt, aber niemals gefördert werden können.
Herr Unterländer, Sie haben gesagt, dass die Zahl der Kinderkrippen in München ein Skandal sei. Ich muss Ihnen sagen: Die Münchner Kinderkrippen machen die Hälfte aller bayerischen Kinderkrippen aus.
Kinderkrippen haben auch noch einen anderen Anspruch. Kinderkrippen sollen frühkindliche Bildung vermitteln. Gerade in diesem frühen Alter sind die Kinder besonders aufnahmefähig und brauchen pädagogisch geschultes Personal. Hier wäre eine Qualitätsoffensive angesagt. Herr Kollege Unterländer, ich hoffe, sie kommt.
Um die Wahlfreiheit zu gewährleisten, brauchen wir ein fl ächendeckendes Netz von Kinderkrippen in Bayern. Um die Wahlfreiheit zu unterstützen, muss – wie wir das seit Jahren fordern – im BayKiBiG ein Recht auf einen Kinderkrippenplatz verankert werden. Erst dann stehen die Kommunen vor der Notwendigkeit, Kinderkrippen zu bauen, erst dann werden Kinderkrippen entstehen und erst dann werden die Eltern ihre Wahlfreiheit verwirklichen können. Eltern sollten nicht vom Goodwill der Kommunen abhängig sein.
Frau Stewens, ich zitiere Sie: Viele Frauen entscheiden sich für einen Schwangerschaftsabbruch, weil sie sich drei Jahre Erziehungszeit nicht leisten können. Wer drei Jahre aus einem Job aussteigt, ist schnell Hartz-IV-Empfänger. Wenn ich den Schutz des ungeborenen Lebens meine, dann muss ich Ja zur Kinderbetreuung sagen. – Sagen Sie bitte Ja zur Kinderbetreuung, wenn Sie damit den Schutz des ungeborenen Lebens meinen. Wenn sich junge Familien für Kinder entscheiden sollen, brauchen sie qualitativ hochstehende Betreuungs- und Bildungseinrichtungen. Wenn ihr Wunsch nach einem Ja zu einem Kind nicht nur ein Wunschtraum bleiben soll, dann
müssen Sie sich endlich der Realität stellen und endlich von Ihrem verstaubten Familienbild à la Bräuteschule Abschied nehmen, Frau Dodell. Stellen Sie sich der Realität, unterstützen Sie junge Familien, schaffen Sie Wahlfreiheit und bauen Sie endlich Kinderkrippen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir waren heute gemeinsam – Herr Kollege Unterländer hat es angesprochen – bei dem Landeskongress der Evangelischen Tageseinrichtungen. Herr Dr. Schleicher von der OECD hat den richtigen Satz gesagt: Wer an der Zukunft der Kinder spart, wird in Zukunft selbst verarmen.
Ich denke, diese Aussage bringt die Tatsachen auf den Punkt. Herr Kollege Unterländer hat auf dem Podium vor den Erzieherinnen mutige Politiker gefordert, damit endlich die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt werden könnten.
Herr Unterländer, ich appelliere an Sie und habe die Hoffnung, dass Sie das nicht so schnell vergessen.