Antrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nachbesserungen zum BayKiBiG 1 – Finanzierung auf drei Säulen stellen (Drs. 15/5650)
Antrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nachbesserungen zum BayKiBiG 2 – Anstellungsschlüssel fi nanziell absichern (Drs. 15/5651)
Antrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nachbesserungen zum BayKiBiG 3 – Basiswert (Drs. 15/5652)
Antrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nachbesserungen zum BayKiBiG 4 – Örtliche Bedarfsplanung, Gastkinderregelung (Drs. 15/5653)
Antrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nachbesserungen zum BayKiBiG 5 – Erhöhte Sätze für Kinder in besonderen Situationen (Drs. 15/5654)
Antrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nachbesserungen zum BayKiBiG 6 – Externe Qualitätssicherung (Drs. 15/5655)
Bevor wir in die Aussprache eintreten, weise ich darauf hin, dass die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zu den Tagesordnungspunkten 13 und 14 namentliche Abstimmung beantragt hat. Das möchte ich hiermit bekannt geben. Ich eröffne nun die gemeinsame Aussprache. Die Redezeit beträgt 10 Minuten pro Fraktion. Erste Wortmeldung: Frau Kollegin Dr. Strohmayr. Sie haben diesmal 10 Minuten, Frau Kollegin.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schön, dass wir noch ein bisschen Zeit haben, die Debatte über das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz – BayKiBiG – fortzuführen. Wir haben im Ausschuss eine Vielzahl von Anträgen gestellt, die helfen sollen, die bei der derzeitigen Situation an den Kindertagesstätten dringend notwendigen Nachbesserungen vorzunehmen.
Da Sie sich bisher leider mehrheitlich unserer Forderung verweigert haben, haben wir selbst eine repräsentative Studie in Auftrag gegeben. Wir haben jede dritte Betreuungseinrichtung in Bayern angeschrieben und ihr einen Fragebogen mit über 27 Fragen geschickt. Wir haben sie gefragt, wie sie mit dem Gesetz zurechtkommen und ob sie Verbesserungsvorschläge hätten. Leider sind die Ergebnisse dieser Studie erschreckend. Alle unsere Befürchtungen haben sich bestätigt. Mit dem Gesetz, das von Frau Pongratz vorher noch so gelobt wurde, ist nur jede sechste Kindergartenleiterin zufrieden. Die Studie belegt also, dass es dringenden Nachbesserungsbedarf gibt.
Ich hoffe wirklich, dass sich die Diskussion, die sich aufseiten der CSU sehr verstockt hat, lockert, damit wir letztendlich zu guten Ergebnissen kommen.
Ich möchte einige Ergebnisse der Studie zitieren. Ich habe vorhin schon angesprochen, dass sich jede achte Einrichtung in Bayern seit der Einführung des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes von der Schließung bedroht sieht. 12,8 % sind es in Schwaben. Frau von der Leyen spricht vom Ausbau der Betreuungseinrichtungen, aber gleichzeitig ist jede achte Einrichtung in Bayern von der Schließung bedroht. Allein das zeigt, wie kontraproduktiv das Gesetz ist.
Es wird auch deutlich, dass das BayKiBiG ein Spargesetz ist. Mit viel zu wenig Mitteln wird versucht, die Betreuungseinrichtungen sowohl qualitativ als auch quantitativ auszubauen. Dass das nicht geht, ist jedem klar.
Eines der wesentlichen Ergebnisse für mich ist, dass der bayerische Bildungs- und Erziehungsplan, der von den Erzieherinnen grundsätzlich positiv bewertet wurde – viele haben gesagt, das ist eine Bereicherung ihrer pädagogischen Arbeit – in der Praxis nicht umgesetzt werden kann. Das fi nde ich besonders erschreckend vor dem Hintergrund, dass wir immer über frühkindliche Bildung und das, was dafür getan werden muss, reden. Erst heute hat Prof. Hüther, Professor für Hirnforschung, auf dem Kongress des Bayerischen Landesverbandes Evangelischer Tageseinrichtungen und Tagespfl ege für Kinder erklärt, wie wichtig es bei kleinen Kindern, deren Synapsen im Alter von fünf bis sechs Jahren noch offen sind und die so viel aufnehmen können, ist, mit der Förderung zu beginnen. Umso tragischer ist es, dass der Bildungs- und Erziehungsplan, der grundsätzlich positiv bewertet wird, bei den Kindern nicht ankommt.
Eine Vielzahl von Erzieherinnen hat gesagt, eine Umsetzung ist deshalb nicht möglich, weil die Gruppen zu groß sind, weil zu wenig Personal vorhanden ist und weil die Verfügungszeiten nicht dafür ausreichen, Bildungskonzepte auszuarbeiten, um bei den Kindern qualitativ hochwertige Bildungsarbeit zu leisten.
Konkret heißt das, ein Drittel der Leiterinnen und 40 % der Fach- und Ergänzungskräfte haben seit Einführung des BayKiBiG weniger Verfügungszeiten als vorher. Das allein zeigt, dass sich hier nichts zum Positiven gewendet hat, sondern vieles zum Negativen.
Deutlich wurde auch, dass die Förderfaktoren verfehlt sind und nicht ausreichen. Gerade Kinder mit einem Aufmerksamkeitsdefi zitsyndrom oder ähnlichen Problemen erhalten keinen speziellen Förderfaktor. Sie werden wie alle anderen behandelt, müssen in großen Gruppen zurechtkommen und werden nicht individuell gefördert. Auch hier besteht dringender Nachholbedarf. Auch hier müssen dringend Änderungen erfolgen.
Besonders dramatisch fi nde ich, dass der bürokratische Aufwand immens gestiegen ist. Das BayKiBiG ist ein bürokratisches Monster. Der Verwaltungsaufwand hat sich drastisch erhöht. 87 % aller Einrichtungen – in Schwaben über 90 % – sagen, der Verwaltungsaufwand habe sich erheblich erhöht, und zwar zwischen 25 % und 50 %. Das bedeutet, dass die Erzieherinnen in der Praxis mehr mit der Verwaltung beschäftigt sind als mit den Kindern, was eigentlich ihre Aufgabe wäre.
Dramatisch ist auch, dass die Gebührenbelastung der Eltern gestiegen ist. Besonders schlimm fi nde ich in diesem Zusammenhang, dass gerade die Ganztagsbetreuung erheblich teurer geworden ist. Die Studie zeigt deutlich: Während die Gebühren für die Vormittagsbetreuung von drei bis vier Stunden bei 29 % der Einrichtungen gestiegen sind, sind die Gebühren für die Ganztagsbetreuung von acht bis neun Stunden bei 52 % der Einrichtungen gestiegen. Bei über der Hälfte der Einrichtungen sind also die Elternbeiträge für die Ganztagsbe
treuung angestiegen, und das, nachdem Herr Stoiber angekündigt hat, er möchte Familien stärker fördern als bisher.
Das zeigt deutlich die Unehrlichkeit Ihrer Politik. Das zeigt deutlich, dass Familien mit Ihrem Gesetz nicht gefördert, sondern geschröpft werden.
Besonders dramatisch ist die Situation bei den integrativen Einrichtungen. Nach wie vor ist nicht geklärt, wie eine Vielzahl dieser Einrichtungen weiter bestehen kann. Das ist besonders schade, da von allen eingesehen wird, was für eine gute Arbeit in diesen Einrichtungen geleistet wird. Der Fortbestand wäre dringend erforderlich.
Gerade diesen Einrichtungen legt man jetzt Steine in den Weg. Viele sind von der Schließung bedroht und wissen nicht, wie es weitergeht. Zwar fi nden regelmäßig runde Tische statt, aber leider gibt es bisher keine Ergebnisse, die die Fortführung dieser Einrichtungen gesichert hätten.
Wir haben abgefragt, wie sich die Pfl ichtzuschüsse des Freistaates Bayern und der Kommunen im laufenden Kindergartenjahr gegenüber dem Kindergartenjahr 2004/2005 verändert haben. 50 % der integrativen Einrichtungen haben erklärt, dass die Zuschüsse des Freistaates Bayern abgenommen haben. Auch das zeigt deutlich, wie wichtig der Freistaat Bayern die Integration nimmt.
Auch die Situation der Horte ist problematisch. Hier gibt es große Probleme. Viele Horte wissen nicht, wie sie weiter bestehen sollen. Es ist zum Beispiel ein Problem, wenn die Kinder schon vormittags aus der Schule kommen und die Eltern diese Vormittagszeiten nicht gebucht haben. Viele Horte wissen nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollen.
Über die Kinderkrippen haben wir vorhin ausgiebig diskutiert. Auch hier gibt es eine Vielzahl von Problemen. Ich war in vielen Einrichtungen, deren Qualität sicherlich fraglich ist. Wir haben heute über Wahlfreiheit gesprochen. Natürlich hat man die Möglichkeit, dann, wenn man etwas nicht will, die Qualität so schlecht zu machen, dass die Eltern die Einrichtungen nicht annehmen können und die Mütter letztlich zu Hause bleiben müssen. Es gibt keine Wahlfreiheit, wenn die Qualität so schlecht ist, dass man den Kindern den Besuch der Einrichtung nicht zumuten kann.
Ich hoffe jedenfalls, dass sich die Diskussion, die sich in den letzten Monaten ziemlich verhärtet hat – –
Ich hoffe, dass die Diskussion wieder auf eine sachlichere Ebene gezogen wird und dass die Änderungen, die so dringend notwendig sind, erfolgen werden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man hat heute Nachmittag fast den Eindruck, dass das hier eine Kinderstunde ist.
Ich freue mich, dass der kinderpolitische Sprecher der CSU-Fraktion, Herr Herrmann, anwesend ist. Schließlich geht es um sein Lieblingsthema.
Nachdem das so ist, Herr Herrmann, und nachdem Kinder plötzlich in aller Munde sind, denke ich, es ist höchste Zeit, das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz nachzubessern.
Die Schwächen dieses Gesetzes haben sich in den letzten zwei Jahren deutlich gezeigt. Herr Unterländer hat vorhin gesagt. Sie sind jetzt auf dem Weg, also sollten Sie sich auch auf den Weg machen, dieses Gesetz nachzubessern, und zwar nicht nur deshalb, weil Sie die Kinder als neues Thema entdeckt haben, sondern vor allen Dingen deshalb, weil das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz sich an allen Ecken und Enden als Rohrkrepierer erwiesen hat.
Schauen wir uns die einzelnen Kritikpunkte an. Wie sieht es denn mit dem Basiswert aus? – Der Basiswert ist so gering gewählt, dass keine Krankheitsvertretungen, keine Urlaubsvertretungen, keine Verfügungszeiten für Vor- und Nachbereitung und keine Zeiten für Elterngespräche eingerechnet sind. Die Kindergärtnerinnen und Erzieherinnen kommen in große Bedrängnis, wenn jemand krank wird oder Eltern erhöhten Gesprächsbedarf haben. Nun gilt es, den großen Reden, die Frau Scharf-Gerlspeck, Frau Dodell und Frau Pongratz vorhin geschwungen haben, und die kein Problem sahen, Geld dafür einzusetzen, nachzukommen, Geld in die Hand zu nehmen und den Basiswert aufzubessern.
Wir können uns auch die Gastkinderregelung ansehen. Sie ist eine einzige Katastrophe. Einzelne Bürgermeister, die Sie, Herr Herrmann, auf Trab bringen wollen, lehnen
es ab, Kinder in Kindergärten anderer Kommunen gehen zu lassen. Damit sind wir, Frau Ministerin, beim Thema „Wahlfreiheit“. Die Wahlfreiheit ist nicht gewährleistet beim BayKiBiG, bei der Gastkinderregelung, und sie ist nicht gewährleistet bei den Kinderkrippen.
Dazu möchte ich noch ein paar Worte sagen. Sie haben vorhin viel von Wahlfreiheit gesprochen. Schauen Sie sich das doch einmal an: Wenn eine Mutter zu Hause bleibt und ihr Kind zu Hause erzieht, hat sie keinen Betreuungsbedarf. Dafür kann sie sich entscheiden. Wenn sie das aus irgendeinem Grund nicht kann, wenn sie auf Betreuungsmöglichkeiten angewiesen ist, hat sie plötzlich die Wahlfreiheit nicht mehr, weil es die Betreuungsmöglichkeiten nicht gibt. Insofern ist die Wahlfreiheit in Bayern nicht gegeben. So viel zur Wahlfreiheit in Bayern.