Protokoll der Sitzung vom 17.04.2007

Meine Damen und Herren, liebe Frau Kollegin Peters, Sie haben gesagt, dass selbst in Niederbayern die Schneekanonen nicht arbeiten konnten, weil der Winter sehr warm war. Alle neun Jahre haben wir keinen Winter und alle neun Jahre einen gigantischen Winter.

(Gudrun Peters (SPD): Welcher Wahrsager hat Ihnen das erzählt?)

Das, Frau Kollegin Peters, trifft auch für Straubing und Niederbayern zu.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Sind Sie neuerdings beim Wetterdienst? Respekt!)

Die Staatsregierung hat gute Entscheidungen getroffen, nämlich, dass mit Wegfall der zeitlichen Beschränkung nunmehr von November bis März der Einsatz von Be

schneiungsanlagen möglich ist und endlich staatliche Förderung nicht mehr verboten ist.

Wer schon einmal am Spitzingsee war und genau hinterfragt hat, was dort passiert, hat bemerkt: Ein Gast, der 10 Euro für die Bergbahn ausgibt, gibt weitere 50 Euro in der Region aus. Bei 100 000 Besuchern sind das 1 Million Euro für die Bergbahn, und 5 Millionen Euro für die Region. Bei 500 000 Gästen bleiben 25 Millionen Euro in der Region. Deshalb ist es bedeutsam, dass wir bei der Infrastruktur für den Wintertourismus einiges voranbringen.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Berechtigterweise müssen wir uns mit unserem Nachbarland Österreich vergleichen, zum Beispiel bei der Genehmigungspraxis. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist in Österreich wesentlich einfacher als bei uns.

Ein weiterer wichtiger Punkt: Schneesicherheit durch den Einsatz von Schneekanonen macht unsere Hotels voll. Wenn man die Hoteliers fragt, warum die Gäste in diesem milden Winter frühzeitig abgereist sind, dann geben sie die fehlende Schneesicherheit als Grund an. Deswegen brauchen wir für unsere Gäste, für die Familien, die in der Region Ski fahren, Schneesicherheit.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wenn es nicht kalt genug ist! – Gudrun Peters (SPD): Ist Ihnen bekannt, dass man die Zentralalpen nicht ins bayerische Hoheitsgebiet versetzen kann?)

Frau Kollegin Peters, schauen Sie sich einmal die Wetteraufzeichnungen seit 1950 an. Wir hatten schon immer sehr kalte und sehr milde Winter. Das hat es schon immer gegeben. Dieser milde Winter begünstigt Ihre Argumentation in der aktuellen Klimadiskussion.

Meine Damen und Herren, wir wollen in Bayern etwas bewegen. Wir haben das Problem, dass unsere Bergbahnen nicht mehr dem aktuellen technischen Stand entsprechen, und wir haben Probleme, weil unsere Bergbahnen benachteiligt sind. Alle ausländischen Bergbahnbetreiber unterliegen einem verminderten Mehrwertsteuersatz. Die deutschen Bergbahnbetreiber hingegen unterliegen dem vollen Mehrwertsteuersatz. Das heißt, die Bergbahnbetreiber in Deutschland sind benachteiligt. Das Umsatzsteuergesetz enthält den Passus, dass die Personenbeförderung im öffentlichen Personennahverkehr dem niedrigeren Mehrwertsteuersatz unterliegt. Die Bergbahnen sind von dieser Regelung explizit ausgenommen. Dass die Verantwortlichen in Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern nicht interessiert, was mit den bayerischen Bergbahnen passiert, ist verständlich. Hier müssen wir aber den Finger in die Wunde legen, damit unsere Bergbahnbetriebe ebenso dem verminderten Mehrwertsteuersatz zugeordnet werden. Die Steuereinsparungen können dann in die Betriebe investiert werden. Das ist wichtig, damit sich unsere Betriebe modernisieren können.

(Hermann Memmel (SPD): Warum nicht bei den Hotels?)

Alles geht nicht sofort.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Wenn das so leicht wäre, Herr Kollege, dann würde ich das genauso unterstützen.

Frau Peters, Sie haben richtig gesagt, dass wir mehr Servicequalität brauchen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Dann muss man mehr in die Ausbildung investieren!)

Wir sind uns darin einig, dass wir bei der Qualität Verbesserungen erreichen müssen. Es ist wichtig, dass wir die Qualitätsverbesserung in den Vordergrund rücken. Wir müssen uns aber auch von dem Kirchturmdenken entfernen und von den kleinen Strukturen wegkommen. Nicht jeder kleine Verband oder jede kleine Gemeinde muss einen eigenen Prospekt bei der internationalen Tourismusmesse ITB in Berlin auslegen. Wir brauchen deshalb ein Netzwerk, und wir brauchen größere Vermarktungsgebiete und ein klareres Profil. In dieser guten politischen Stimmung müssen wir ein positives Signal für den Tourismus setzen.

Ich sage: Wir brauchen eine schnellere und unkompliziertere Begleitung vernünftigerer Tourismusprojekte. Die Überschrift muss lauten: Tourismus als Querschnittsaufgabe braucht Vorfahrt.

(Beifall der CSU – Gudrun Peters (SPD): Toll! Wunderbar!)

Vielen Dank, Herr Kollege. Als nächstem Redner darf ich Herrn Kollegen Sprinkart das Wort erteilen. –

(Peter Hufe (SPD): Das war besser als der Applaus vorher!)

Ich bitte, wieder zur Ernsthaftigkeit zurückzukehren. – Bitte schön, Herr Kollege.

Ich weiß nicht, ob mir das gelingt. – Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Der Tourismus ist unstrittig ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Bayern. Trotz der sehr blumigen Worte des Kollegen Pschierer müssen wir nüchtern feststellen: Der Anteil des Tourismus am Bruttoinlandsprodukt beläuft sich auf 9 % und hat bei weitem nicht den Stellenwert wie in unserer Nachbarregion Tirol. Ganz im Gegenteil; ich erlebe, dass der Tourismus vor Ort deutlich überbewertet wird. In meinem Heimatlandkreis Oberallgäu – übrigens vermisse ich den Vorsitzenden des Tourismusverbandes Allgäu/ Bayerisch-Schwaben bei dieser wichtigen Diskussion – werden 80 % der Mittel zur Wirtschaftsförderung für den Tourismus ausgegeben. Der Tourismus hat aber nur einen Anteil an der Wertschöpfung von rund 20 %. Ein Unternehmen, das 20 % seiner Produktpalette mit 80 % seiner Werbemittel bewirbt, ohne dass eine Besserung zu verzeichnen wäre, würde das nicht lange überleben. Beim Tourismus scheint dies zu funktionieren. Der Tourismus

hat ohne Zweifel einen gewissen Wohlstand in die ländlichen Räume gebracht. Ich meine, das ist unbestritten. Derzeit – das müssen wir allerdings nüchtern feststellen – liegt der Städtetourismus im Trend, nicht so sehr der Landtourismus.

Meine Damen und Herren, es fehlt – ich möchte es so nennen – die Balance. Von den 20 Gemeinden in Bayern mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung sind 17 Tourismusgemeinden. Die durchschnittliche Pro-Kopf-Verschuldung in Bayern beträgt 720 Euro. In Oberstdorf beläuft sie sich auf 6182 Euro. Oberstdorf ist dabei noch nicht der Spitzenreiter. Ich habe in der Zeitung gelesen, dass Oberstdorf angeblich auf dem Wege der Besserung ist. Das heißt, die Kommunen, die Gemeinden, stecken deutlich mehr Steuergelder in die Tourismusinfrastruktur, als sie in Form von Steuern und Abgaben von der Tourismusbranche zurückbekommen. Dieser Zustand ist auf Dauer nicht haltbar; ich hoffe, Sie werden mir darin zustimmen.

(Alexander König (CSU): Jetzt kommt die reine Marktwirtschaft!)

Sie können von mir auch Marktwirtschaft lernen; da brauchen Sie keine Sorge zu haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Anhörung zur bayerischen Tourismuswirtschaft hat ergeben, dass unsere Tourismusstrukturen nicht effizient genug sind. Insbesondere die Marketingmaßnahmen müssen auf Landesebene gebündelt werden. Ich bin gespannt, wie das umgesetzt werden wird. Allseits wird beklagt, dass wir im Vergleich zu unseren Mitbewerbern ausgesprochen bescheidene Marketingbudgets hätten. Die werden dort allerdings auch deutlich stärker von den Nutznießern des Tourismus gespeist. Aber eine Zwangsabgabe – wie das so schön heißt – kommt bei uns nicht in Frage. Allein die Wortwahl spricht Bände. Jede Steuer ist eine Zwangsabgabe; denn kaum jemand zahlt freiwillig Steuern.

„Kein Einfluss der Politik auf das operative Geschäft“ wurde mehr oder weniger deutlich bei der Anhörung gefordert. Wie sieht die Realität bei uns in Bayern aus? – Vor Ort mischt sich die Politik teils mächtig ein – darauf werde ich später noch eingehen –, und sogar die Vorsitzenden der Regionalverbände sind teilweise Politikerkollegen.

(Franz Josef Pschierer (CSU): Beispiele!)

Hier gibt es erheblichen Optimierungsbedarf, um es vorsichtig auszudrücken. Das Schöne daran: Die Optimierung würde nicht einmal Geld kosten, sondern es bedürfte nur der Einsicht der Politiker. Die ist allerdings manchmal nicht bezahlbar.

Lassen Sie mich zu zwei Entwicklungen kommen, die den Tourismus entscheidend beeinflussen werden: zum einen die älter werdende Gesellschaft, und zum anderen der Klimawandel.

Zur demografischen Entwicklung: Schauen wir uns die Zahlen aus dem Allgäu an, die im Wesentlichen auf Bayern übertragbar sind. Wir können feststellen, dass bereits jetzt die Sechzig- bis Siebzigjährigen mit 26 % die stärkste Gästegruppe darstellen. Die über Vierzigjährigen machen nahezu drei Viertel unserer Gäste aus. Quelle dieser Informationen aus dem Jahr 2001 ist das Mittelstands-Institut an der Fachhochschule Kempten von Prof. Bauer. Das heißt, dass Bayern eigentlich, von seiner bestehenden Gästestruktur betrachtet, auf die älter werdende Gesellschaft bestens vorbereitet ist. Warum, so frage ich mich, gehen wir bei diesen Voraussetzungen dieses Thema so zögerlich und nicht offensiv an? Liegt es etwa am Jugendwahn der politisch Verantwortlichen? – Die älter werdenden Gäste bieten viele Vorteile: Sie haben erstens Zeit, zweitens Geld und drittens eine hohe Standorttreue.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eigentlich wäre es vernünftig, wenn wir uns auf dieses Segment konzentrierten und versuchten, dafür optimale Angebote zu gestalten.

Bei der Klimaveränderung ist es wie mit vielen Umweltkatastrophen: Zuerst wird sie geleugnet, und wenn das nicht mehr geht, dann tut man so, als sei sie gottgegeben.

Unter touristischen Gesichtspunkten ist relevant, dass die Temperaturen im Winter steigen und dass bei einer Erwärmung um lediglich 2 Grad, was der niedrige Stand wäre, wenn wir sofort handeln, nur noch 11 % der Skigebiete in Schwaben und 15 % in Oberbayern als schneesicher gelten. Herr Kollege Stöttner, da hilft dann auch keine Beschneiungsanlage mehr. Wenn Sie in diesem Winter durch das Allgäu gefahren sind, haben Sie genügend Beschneiungsanlagen gesehen, die nicht in Gang gesetzt waren. Der Skifahrer, der Schneesicherheit will, kommt in Zukunft sicherlich nicht mehr ins Allgäu und nach Oberbayern; jetzt schon nicht mehr und in den nächsten Jahren noch viel weniger, da können wir so viel in die Beschneiungsanlagen investieren wie wir wollen.

Aber was machen wir? Wir investieren auf Teufel komm raus in Beschneiungsanlagen. Wenn es dabei nur um privates Kapital ginge, wäre das schon schlimm genug, aber wir geben auch noch Steuergelder dazu.

Werfen wir nun einen Blick auf die Befragung der Gäste. Auch hier beziehe ich mich insbesondere auf die Befragung von Herrn Prof. Bauer. An der Spitze der Aktivitäten stehen Ausflüge mit 80 %, gefolgt vom Wandern und Schwimmen. Radfahren und Wintersport liegen mit 21 % bzw. 20 % etwa gleichauf, wobei unter Wintersport nicht nur Alpinskifahren, sondern auch Langlauf, Rodeln usw. gezählt wird.

Das heißt, die Urlaubsaktivitäten passen durchaus zur demografischen Struktur unserer Gäste. Vergleichen wir diese Erkenntnisse mit den Maßnahmen, die im Tourismus ergriffen werden – sowohl im investiven als auch im Marketingbereich –, dann finden wir erhebliche Abweichungen. Wir finden die Investitionen – ich will nicht sagen ausschließlich, aber doch in starkem Maße – auf

dem Sektor des alpinen Wintertourismus. Ein vernünftiges, zusammenhängendes Radwegenetz gibt es bei uns im Allgäu bisher nicht, und meine Fraktionskolleginnen und -kollegen haben mir ausdrücklich gesagt, mit Ausnahme von Unter- und Mittelfranken sei die Situation im Rest Bayerns nicht besser als im Allgäu. Hier hinken wir darüber hinaus auch weit hinter den Mitbewerbern Österreich und Schweiz hinterher.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Damit aber nicht genug. Sie glauben immer noch, dass sportliche Großveranstaltungen eine zumindest mittelfristig positive Auswirkung auf den Tourismus – sprich Gäste- und Übernachtungszahlen – haben. Haben schon Untersuchungen in den USA ergeben, dass die Auswirkungen weit geringer sind als vermutet, wird dies durch die aktuellen Zahlen aus Oberstdorf als Folge der Nordischen Ski-WM in den Bereich der Märchen und Sagen gedrängt. Oberstdorf hatte im Jahre 2006 die schlechtesten Übernachtungszahlen seit 20 Jahren. Mit einem Minus von 5,6 % liegt es weit hinter dem bayerischen Durchschnitt, der bei plus 0,1 % lag, und ganz deutlich hinter dem Allgäu, wo die Übernachtungszahlen um 2,1 % zurückgingen. Wahrlich eine stolze Bilanz dafür, dass wir über 23 Millionen Euro – das meiste davon Steuergelder – in die sportliche Hardware gesteckt haben. Von den anderen Kosten ganz zu schweigen.

Ich hatte einen Lehrer in der Realschule, der hat immer gesagt: Alle Menschen machen Fehler, nur die Dummen immer wieder den gleichen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In Garmisch wird ganz offensichtlich der gleiche Fehler noch einmal gemacht, nur dass dort der Fehler das Drei- bis Vierfache kostet wie in Oberstdorf. Solche Wahrheiten passen natürlich nicht ins Bild der politisch Verantwortlichen. Deshalb musste der Kurdirektor in Oberstdorf – noch kein halbes Jahr im Amt – gehen. Hatte er doch in einem internen Papier auf die allenfalls kurzfristige Wirkung solcher Großveranstaltungen auf den Tourismus hingewiesen. Das war nicht irgendeiner. Der Herr war vorher Kurdirektor in Lech und für das Entstehen von Heidi-Land in der Schweiz zuständig.

Vor lauter Verbohrtheit in den alpinen Skitourismus übersehen wir, dass die Klimaerwärmung durchaus auch positive Auswirkungen auf den Sommertourismus haben kann. Unsere Badeseen werden wirklich warm, und es kann durchaus damit gerechnet werden, dass die klassischen Badegäste nicht mehr nach Italien, Griechenland oder Spanien fahren, weil es dort zu heiß ist, sondern in Bayern bleiben. Und vielleicht kommen darüber hinaus von dort sogar Menschen zur Sommerfrische nach Bayern.