Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 97. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Sie ist erteilt.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Herrn Kollegen Thomas Mütze gratulieren; er hat heute Geburtstag. Ich wünsche Ihnen alles Gute.
Die vorschlagsberechtigte Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN hat hierfür das Thema „Besserer öffentlicher Nahverkehr für alle statt Prestigeprojekt Transrapid!“ benannt.
Die Fragen wird Herr Staatsminister Huber beantworten. Fragesteller ist Herr Kollege Dr. Runge. Er hat das Wort.
Herr Minister, wir beglücken Sie jetzt jede Woche mit dem Thema „Transrapid“, weil wir zum einen Sie vor einem schweren Fehler bewahren wollen und weil wir vor allem uns und die Bürgerinnen und Bürger Bayerns vor den gravierenden Folgen dieses Fehlers bewahren wollen.
Die Kosten für Ihren Schwebetraum drohen zu steigen, und Sie wollen immer mehr öffentliche Gelder darin investieren. Gleichzeitig leidet der öffentliche Personennahverkehr in ganz Bayern Not. Es gibt Defi zite bei der Infrastruktur, Eingleisbetriebe, Mischverkehre, Fahrstraßenkreuzungen, es gibt Defi zite bei der Bestellung und bei der Bedienung. Die schwarz-rote Bundesregierung hat die Regionalisierungsmittel um 67 Millionen Euro gekürzt; nächstes Jahr sind es dann 82 Millionen Euro an Kürzungen. Sie kündigen als Folge dieser Kürzungen an, dass die Busförderung ausgesetzt wird. Bayern hat vor wenigen Jahren auch die ÖPNV-Zuweisung spürbar gekürzt.
Frage 1: Wann legen Sie uns endlich eine belastbare Kostenaufstellung für das Transrapidprojekt vor?
Frage 2: Nachdem Sie uns letztes Mal nicht sagen wollten, wie viele Ausgaben Sie aus bayerischen Töpfen zu bestreiten bereit sind, weil das laut Ihrer Aussage Ihren Verhandlungspoker behindern würde, modifi zieren wir die Frage. Wie viele Gelder aus öffentlichen Kassen insgesamt sind Ihrer Meinung nach vertretbar, bis zu welcher Kostenhöhe wollen Sie gehen? Wann sagen Sie, jetzt ist Schluss, jetzt geht es nicht mehr weiter?
Frage 3: Wann werden Sie die Kürzungen bei den Regionalisierungsmitteln für den öffentlichen Personennahverkehr aus Steuermehreinnahmen für Bayern komplett ausgleichen, wie Sie das schon seit Langem versprochen haben?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Einfallslosigkeit der Opposition von Rot-Grün ist in der Tat nicht zu überbieten: jede Woche die gleiche Leier.
(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei den GRÜNEN – Dr. Martin Runge (GRÜNE): Wenn Sie nur einmal antworten würden!)
Sie sollten sich gelegentlich etwas Neues einfallen lassen. Der Respekt vor dem Hohen Hause gebietet es selbstverständlich, dass ich die Fragen beantworte,
dass in Bayern der öffentliche Personennahverkehr eingeschränkt wird, zurückweisen. Das ist nachweislich falsch. Ich möchte den Beleg dafür liefern. In den letzten zwölf Jahren
hören Sie erst einmal zu! – ist das Angebot beim Schienennahverkehr um 26 % gestiegen, einschließlich des „Bayern-Takts“, den wir dazu als attraktives Angebot haben. Die Nachfrage der Fahrgäste hat um 50 % zugenommen. Wir haben heute im Verhältnis zur Situation von vor zwölf Jahren 50 % mehr Fahrgäste im Regionalverkehr. Das ist eine beachtliche Leistung. Zu einem Großteil ist es das Verdienst meines Vorgängers Otto Wiesheu, der hier Exzellentes geleistet hat.
Das Zweite: Für den ÖPNV, der in der Verantwortung der kommunalen Gebietskörperschaften steht, gibt der Freistaat Bayern pro Jahr circa 250 Millionen Euro. Das ist die unmittelbare Zuweisung, das ist die Schülerbeförderung, das ist der Ausgleich für verbilligte Schülerkarten. 250 Millionen Euro sind eine beachtliche Zahl.
Das Dritte: Wir bringen gerade große Projekte beim SBahnnetz in Nürnberg auf den Weg. Wir haben den Rahmenvertrag mit der DB AG geschlossen. Bis zum Jahr 2010 sollen in Nürnberg 300 Millionen Euro in den Ausbau der vier S-Bahnäste investiert werden. Wir werden im Bereich Augsburg rund 270 Millionen Euro investieren, um mit der Mobilitätsdrehscheibe und mit dem Regio-Takt voranzukommen. Wir bauen systematisch an der S-Bahn in München weiter.
Wir haben ebenso aus Mitteln des Freistaates Bayern den Erdinger Ringschluss und die Walpertskirchner Spange in die Planung genommen. Das sind sehr große, landesweit bedeutsame Nahverkehrsprojekte.
Jetzt kommen wir zum Transrapid. Ich stelle dazu fest: Der Transrapid ist ein gemeinsames Projekt von Bund und Land. Wir stehen in Verhandlungen mit dem Bund. Ich rechne damit, dass es auf der Bundesebene nur in einem Spitzengespräch mit der Bundeskanzlerin möglich sein wird, eine Klärung herbeizuführen. In der Koalitionsvereinbarung, die, meine Damen und Herren von der SPD, im November 2005 auch Ihr Parteivorsitzender unterschrieben hat, ist der Transrapid als Leuchtturmprojekt verankert. Wir haben derzeit nach den Gesprächen mit dem Bundesverkehrsministerium für rund 80 % der Kosten die Finanzierung gesichert. Es fehlen nicht einmal 20 %. Das ist aus meiner Sicht für Bund und Land in den Jahren 2008 bis 2012 kein fi nanzielles Problem; es ist allenfalls ein politisches Problem. Die Frage ist, ob man den Transrapid will oder nicht. Der Freistaat Bayern kann dieses Projekt nicht alleine schultern. Wir sind aber bereit, unseren Anteil zu erbringen.
Es ist logisch, dass man während Verhandlungen nicht jeden Tag neue Wasserstandsmeldungen herausgeben kann. Ich bitte das Hohe Haus dafür um Verständnis. Wir werden das Ergebnis der Verhandlungen vorlegen. Wir werden dann um die Zustimmung des Hohen Hauses bitten. Es widerspricht aber allen verhandlungsstrategischen und taktischen Gesichtspunkten, das jeden Tag zu machen.
Sie werden das Ergebnis bekommen. Dann werden Sie – wie ich die GRÜNEN einschätze – Nein sagen. Ich setze dann auf die Vernunft im Hohen Haus, jedenfalls bei der Mehrheit. Dann wäre der Freistaat Bayern in der Lage, dieses Projekt voranzubringen.
Lassen Sie mich dazu aber noch weitere Informationen geben. Kollege Sinner hat das vor einer Woche ausführlich gemacht, ich nenne Ihnen nur einige Fakten:
Erstens. Der Transrapid wird nach Einschätzung unabhängiger Experten im Jahr 2020 rund acht Millionen Fahrgäste befördern.
Acht Millionen! Diese Zahl wird über 2020 hinaus weiter steigen. Dies als Prestigeprojekt abzuqualifi zieren, geht völlig an den Fakten vorbei.
Zweitens. Die Kosten-Nutzen-Rechnung, die für jedes Verkehrsprojekt gemacht wird, liegt heute nach den übereinstimmenden Einschätzungen – das ist eine wissenschaftliche Grundlage von Bund und Land – im Verkehrsbereich bei 1,5. Für den industriepolitischen Nutzen gehen die Schätzungen von 1,0 bis 2,6. Wenn ich das zusammenfasse, ergibt sich heute gesichert für den Transrapid ein Kosten-Nutzen-Faktor zwischen 2,5 und 4,1. Diese abstrakten Zahlen haben aber nur dann eine Bedeutung, wenn man sie im Kontext mit anderen sieht.
Die zweite Stammstrecke, die Sie, meine Damen und Herren von der SPD, hier in München mit Inbrunst wollen, hat derzeit einen Kosten-Nutzen-Faktor von 1,0; ein bisschen darunter, ein bisschen darüber. Beim Transrapid liegt der Faktor zwischen 2,5 und 4,1.
Frau Kollegin Dr. Kronawitter, der Erdinger Ringschluss hat einen Kosten-Nutzen-Faktor von etwas über 1. Wir wollen ihn ja, aber ich will herausstellen, dass der Transrapid im Vergleich zu anderen Nahverkehrsprojekten, zum Beispiel zur S-Bahn Nürnberg, die in der Regel im Schnitt einen Kosten-Nutzen-Faktor von 1,35 haben, einen Faktor zwischen 2,5 und 4,1 hat.
Das heißt, der eingesetzte Euro erbringt hier einen Nutzen zwischen 1 und 2 Euro. Beim Transrapid wird der eingesetzte Euro einen Nutzen zwischen 2,5 und 4 Euro erbringen. Das heißt, wir haben hier ein Projekt, das in der volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Rechnung außerordentlich hoch liegt, und das widerlegt Ihre Abqualifi zierung als Prestigeprojekt.
Ich möchte als drittes und letztes Argument noch Folgendes sagen, und da wäre ich dankbar, wenn dies die Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den GRÜNEN nach zahllosen Diskussionen vielleicht doch einmal in ihre Argumentationsreihe aufnehmen würden: Die Einstellung: Transrapid weg, dann haben wir 1,3 Milliarden eingespart, ist natürlich nur die eine Seite der Medaille. Das lässt nämlich im Münchner Raum ein riesiges Verkehrsproblem offen, und das kann nicht ungelöst bleiben. Das heißt, die Alternative lautet: entweder Transrapid oder Express-S-Bahn. Wer das eine ausblendet, stürzt den Raum München in ein Verkehrschaos; es ist nicht lösbar. Der Flughafen München wird in wenigen Jahren 50 Millionen Passagiere haben; heute sind es 30 Millionen. Die Autobahnen rund um den Flughafen München sind heute in der Regel voll, der Stau ist extrem.
Sind Sie denn Abgeordneter der Landeshauptstadt München? Sagen Sie denen eigentlich: Das alles geht mich nichts an, München soll im Verkehr ertrinken? – Ich halte das für eine kurzsichtige, blinde Einstellung. Das
heißt, wir müssen ein Verkehrsproblem lösen. Deshalb ist letztlich die Frage: Bauen wir den Transrapid oder die sogenannte Express-S-Bahn? Wenn ich das vergleiche, stelle ich fest: Mit dem Bau des Transrapid könnte im Jahr 2008 begonnen werden, er wäre dann 2012/2013 fertig. Bei der Express-S-Bahn gibt es heute nichts außer ein paar Blatt Papier. Diese Maßnahme ist mit Blick auf den Kosten-Zeit-Faktor innerhalb von 15, 20 Jahren auch deshalb nicht machbar, weil die Landeshauptstadt München die zweite Stammstrecke will, die auch 1,8 Milliarden Euro kostet; sie hat übrigens einen Kosten-NutzenFaktor von 1,0. Sie werden doch nicht glauben, dass Bund und Land – beide zusammen – zur gleichen Zeit in München zwei S-Bahn-Projekte mit einem Kostenfaktor von 3 Milliarden fi nanzieren können. Das ist abwegig, das ist unrealistisch.
Deshalb ist gerade der Transrapid die Chance, eine Flughafenanbindung von München schneller zu verwirklichen, und das ist für den Freistaat Bayern auch günstiger.