Seit 1990 besteht in München das rot-grüne Bündnis. Zu Beginn der Neunzigerjahre ist in München alle 14 Tage eine Kindertagesstätte eröffnet worden. Ich halte es für geradezu dreist und unverschämt, die Tatsachen dermaßen auf den Kopf zu stellen. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Herr Kollege Unterländer, ich schätze Sie eigentlich sehr, aber mit dieser Zwischenbemerkung haben Sie sich in einem Ausmaß disqualifi ziert, das mich an den Rande der Empörung bringt. Ich empöre mich ansonsten nie. Das geht nun aber wirklich zu weit.
Es ist schlichtweg völlig daneben, zu versuchen, die Stadt München in Misskredit zu bringen. Das haben Sie selber in größerem Umfang gemacht.
Wir fahren in der Aussprache fort; liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz ruhig bleiben. Frau Ackermann hat das Wort.
Herr Staatssekretär Heike, bedauerlicherweise haben Sie meine beiden Fragen nicht beantwortet, weil Sie auf Frau Scharfenberg eingegangen sind. Vielleicht war die Antwort aber auch nicht so einfach. Ich stelle die Fragen noch einmal: Warum glauben Sie, alleinerziehende Mütter mit einer Zahlung von 150 Euro im Monat ein halbes Jahr lang bei der Erziehung eines Kindes unterstützen zu können, die 20 Jahre lang dauert? – Das ist die erste Frage.
Die zweite Frage lautet: Wo ist in Bayern angesichts der derzeitigen Mangels an Kinderkrippen, der derzeitigen Kostenhöhe bei Kinderkrippenplätzen und der derzeitigen Wartezeit für Kinderkrippenplätze die Wahlfreiheit gewährleistet?
Sie haben mich gefragt, welche Alternativen ich zu U-6-, U-7-Zwangsuntersuchungen habe. Das habe ich Ihnen
gesagt, vielleicht haben Sie es aber nicht mehr parat gehabt. Ich habe Ihnen gesagt: Die Familien brauchen eine Begleitung von der Geburt an. Dazu brauchen wir mehr Personal; dazu brauchen wir besser ausgestattete Jugendämter; dazu brauchen wir Sozialarbeiter. Das alles habe ich Ihnen gesagt. Ich glaube aber, das kann man Ihnen gar nicht oft genug sagen.
Dann haben Sie uns vorgeworfen, dass wir immer davon sprechen, dass wir dazu Geld brauchen. – Ja, natürlich brauchen wir dazu Geld. Umsonst ist das nicht. Wir wollen Geld in Kinder investieren. Wir wissen, dass das Geld gut investiert ist. Wenn Sie das nicht wollen, dann spricht das tatsächlich für einen Bewusstseinsmangel, und dann habe ich keinen freudschen Versprecher begangen, sondern die Wahrheit gesagt.
Warum nur noch unionsgeführte Länder Landeserziehungsgeld zahlen, kann ich Ihnen auch sagen: weil die anderen Länder schon gemerkt haben, dass das ein falsches Steuerungsinstrument ist.
Sie glauben, Familien mit Ihrem Landeserziehungsgeld zu unterstützen. Ich sage dazu nur: Was machen Sie mit den Familien, deren Kinder über zehn Jahre alt sind, die Büchergeld bezahlen müssen, und was machen Sie mit den Eltern, deren Kinder studieren und die Studiengebühren bezahlen müssen? Die Kinder leben nämlich noch länger und sind noch länger unterstützungswürdig. Da setzt Ihre Fürsorge dann aber aus.
Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Frau Kollegin Ackermann, das mit den 150 Euro habe ich Ihnen sehr wohl erklärt. Sie ziehen wieder einen Fall heran. Sie hätten auch über 75 Euro sprechen können.
Mein Gott, ja; wir können aber doch jetzt hier nicht die Einzelheiten aufzählen. Tatsache ist, dass Unterstützung für diese Familien vorhanden ist. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Auch die Wahlfreiheit ist sehr wohl vorhanden. Gehen Sie einmal hinaus, sprechen Sie mit den Bürgermeistern und fragen Sie sie, was sie zur Wahlfreiheit in puncto Pluralität alles zu erzählen haben, was sie dadurch alles abbekommen und was sie dafür alles machen müssen. Wenn Sie meinen, ein Jugendamt ohne unsere Kontrollen U 6 und U 7 einsetzen zu können, um zu verhindern, dass Kinder verhungern, muss ich Ihnen sagen: Wachen Sie bitte auf; da sind Sie auf einem völlig falschen Dampfer. Wir jedenfalls werden versuchen, auch
durch notwendige Kontrollen dafür zu sorgen, dass die Kinder geschützt sind. Ihre Vorsorge – in Anführungsstrichen –, die Prävention hat noch niemandem geholfen. Das sehen wir sehr wohl in anderen Bundesländern. Wir wollen dem durch wirksame Kontrollen entgegentreten.
Zu den Kosten sage ich Ihnen nochmals: Die 640 Millionen Euro, die in diesem Jahr in unserem Haushalt für die Kindererziehung wieder aufgebracht werden, sind weiß Gott kein Pappenstiel.
Es kann doch nicht sein, dass man von Wahlfreiheit, Ausbau der Krippen sowie einem Ausbau der Kinderbetreuung spricht und dann innerhalb der Landeshauptstadt München Wartezeiten von ein bis zwei Jahren auf einen Kindergartenplatz akzeptiert. Das ist nirgendwo anders im Freistaat Bayern so. Es wird davon gesprochen, es sei alles in Ordnung. Übernehmen Sie die Verantwortung dort, wo Sie sie haben. Machen Sie es dort gescheit und halten Sie hier keine gescheiten Reden.
Jetzt erteile ich zu einer Wortmeldung im normalen Rednerablauf der geschätzten Frau Kollegin Stamm das Wort.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss wirklich sagen, ich bin nicht nur bestürzt, sondern erschüttert über diese Debatte, die wir in diesem Hohen Hause führen.
Ich möchte deutlich sagen, liebe Frau Kollegin Ackermann – ich spreche auch viele Kolleginnen und Kollegen der Opposition an –: Wann schaffen wir es endlich, in diesem Haus aufzuhören zu spalten? Wann schaffen wir es endlich? – Ich sage mit Blick auf Frau Kollegin Radermacher: Wir haben gemeinsam im Stadtrat Familienpolitik geleistet. Wann schaffen wir es endlich, die Familien in den Mittelpunkt zu stellen, die Beruf und Familie miteinander vereinbaren wollen? Wann schaffen wir es endlich, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen? Wann schaffen wir es endlich, liebe Frau Kollegin Ackermann, die Familien, die Verantwortung für ihre Kinder übernehmen, nicht mehr als altmodisch oder rückwärts gewandt zu bezeichnen? – Es ist nicht richtig, meine Partei, die CSU, in eine Ecke zu stellen, in die wir nicht gehören.
Ich muss Ihnen deutlich sagen – ich gehe selten hier in die Debatte –: Ich fi nde es schlimm, Eltern von vornherein zu unterstellen, sie seien nicht bereit, Verantwortung zu übernehmen, und nicht fähig, ihre Kinder zu erziehen.
Ich halte es für unmöglich, Frau Kollegin Ackermann, dass Sie jegliche direkte Unterstützung – ob das Erziehungsgeld ausreicht oder nicht, ist eine andere Frage – für die Familien sozusagen als altmodischen Rückschritt, der ideologiebefrachtet ist und nicht in die Zeit passt, betrachten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Stamm, wenn hier jemand spaltet und hier Emotionen weckt, dann sind das ganz allein Sie.
Sie werden es uns gestatten, in bestimmten Sachfragen anderer Meinung als Sie zu sein. Wenn Sie nicht in der Lage sind, zwischen einer politisch anderen Meinung und einer Spaltung zu unterscheiden, dann tun Sie mir außerordentlich leid.
Wenn Familien ihre Kinder in Krippen geben, dann sind sie genauso verantwortungsbewusst wie Familien, die ihre Kinder zu Hause behalten. Die Kinder, die für einige Stunden am Tag in den Krippen erzogen werden, kommen – Sie werden es nicht glauben – in die Familien zurück; sie werden von der Familie erzogen. Aber diese Familien nehmen in unserer Gesellschaft Aufgaben über die in der Familie hinaus wahr, die auch noch erfüllt werden müssen. Nehmen Sie einfach zur Kenntnis, dass es in dieser Gesellschaft nicht nur Zahnärzte mit ihren Gattinnen, sondern auch noch Menschen gibt, die ihren Lebensunterhalt selbst verdienen müssen und die trotzdem die Unterstützung des Staates verdienen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, Frau Kollegin Stamm! Was Sie eben gesagt haben, verdient insofern Zustimmung, als sich das gesamte Haus bemühen sollte, diese wichtige Debatte sachlicher zu führen. Aber, Frau Kollegin Stamm, wenn Sie ernst nehmen, was heute gesagt worden ist – ich stimme Ihnen in Teilen zu –, dann war das nicht auf
Ich will Ihnen dazu zwei ganz kurze Beispiele nennen: Ihre Nachfolgerin im Amt, Frau Stewens, hat bereits mehrfach erklärt, dass sie das Familienbild der CSU, das überkommene Familienbild der CSU, nicht mehr für gerechtfertigt hält und dass die CSU jahrelang verhindert hat, dass sowohl Kinderkrippen als auch Kinderhorte in die staatliche Förderung aufgenommen wurden. Das ist ein großes Defi zit.