Protokoll der Sitzung vom 27.01.2009

Herr Finanzminister, wie wollen Sie diese Steuersenkungen finanzieren? Ihre Rücklage ist weg. An Privatisierungserlösen steht vielleicht noch eine Milliarde Euro aus den Eon-Aktien zur Verfügung. Die Steuereinnahmen gehen rapide zurück, auch ohne Ihre Vorschläge. Ist das Ihr klares wirtschaftspolitisches Profil? Ich nenne das eine finanzpolitische Geisterbahnfahrerei. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Haushalt finanziert ist und hören Sie auf, Bundestagswahlkampf zu betreiben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hören Sie auf unseren Nachbarn, Herrn Ministerpräsidenten Oettinger. Dieser sagt, dass weitere Steuersenkungen nicht drin seien. Wenn Sie nicht auf ihn hören

wollen, dann hören Sie auf mich: Steuersenkungen sind nicht finanzierbar.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen den Beifahrer in dieser Geisterbahn nicht vergessen. Das ist die FDP. Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, Sie müssen mir einmal verraten, wie das gehen soll. Sie wollen Steuersenkungen, Mehrausgaben für Bildung, einen ausgeglichenen Haushalt und die Schuldenbremse, und das alles auf einmal.

(Thomas Hacker (FDP): Da sehen Sie einmal, was alles geht!)

Das ist wunderbar miteinander vereinbar, solange man nicht an der Regierung ist und dies finanzieren muss. Hier schließt sich der Kreis. Jetzt sind die richtigen beiden Geisterfahrer beieinander.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, wenigstens ein Teil der Presse hat diese Politik durchschaut. In den "Nürnberger Nachrichten" wurde dazu geschrieben: "Das ist eine schizophrene unsoziale Politik." Das ist der richtige Kommentar dazu. Ich vermute mal, Herr Minister Fahrenschon - nein, ich wette; das habe ich heute auch schon gemacht - , dass Sie wenige Tage nach der Bundestagswahl hier vor das Haus treten und sagen werden, dass Sie Schulden aufnehmen müssen und dass Sie die Kürzung bei den Haushaltssperren, die wir als mehr Klarheit und Wahrheit im Haushalt eigentlich sehr begrüßen, wieder zurücknehmen müssen, um im aktuellen Haushalt Mittel zu requirieren, weil Sie die dringend brauchen. Bis zur Wahl - das kann ich nachvollziehen - muss man den Schein wahren. Die schwarze Null steht, und ich kann das nachvollziehen.

(Sepp Daxenberger (GRÜNE): Die schwarze Null ist nicht der jetzige Entwurf, das ist der Finanzminister!)

Dieser Doppelhaushalt hätte zudem die Chance geboten, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf die vor uns liegenden großen Aufgaben zu reagieren. Ich nenne Bildung, Finanzkrise und die damit einhergehende Wirtschaftskrise sowie den Klimawandel. Diese Chance haben Sie mit diesem Doppelhaushaltsentwurf nicht vollständig genutzt. Ich räume ein, dass Sie mit den mehr als 2.000 Stellen, die Sie im Bildungshaushalt vorgesehen haben, endlich auf unsere jahrelangen Anwürfe reagierten und jetzt endlich anfangen, auf Stundenausfälle zu reagieren und kleinere Klassen einzuführen. Das hat nichts mit "vorgeschoben" zu tun, wie Sie mir das vorhin vorgeworfen haben, sondern Sie reagieren jetzt auf Missstände, die in Bayern trotz der

1.000 Lehrer, die Sie jedes Jahr in den letzten acht Jahren eingestellt haben wollen, in Bayern Realität waren. Die Kritik ist also auf fruchtbaren Boden gefallen, und darüber freuen wir uns. Wir werden trotzdem Anträge zum Bildungshaushalt stellen; da müssen Sie sich keine Sorgen machen.

In den beiden anderen Bereichen versagen Sie allerdings. Sie haben zwar heute pünktlich zur Haushaltsdebatte noch schnell ein Investitionsbeschleunigungsprogramm aus der Tasche gezogen, aber bei genauem Hinsehen stellt sich das als leere Hülle dar. Ich nenne ein paar Beispiele. Sie führen aus, dass Sie für einzelne Baumaßnahmen mehr ausgeben wollen, als im Haushalt veranschlagt ist. Damit wäre dieser Haushaltsentwurf schon vor der eigentlichen Einbringung nicht mehr aktuell. Herr Finanzminister, Sie müssen sich schon fragen lassen, auf welcher falschen Grundlage der Landtag eigentlich den Haushalt beraten soll. Dieser Entwurf muss dringend aktualisiert werden, und zwar so rechtzeitig, dass uns in der Oposition auch noch die Möglichkeit bleibt, Änderungsanträge auszuarbeiten.

Ihr Programm produziert bei der Breitbandversorgung heiße Luft. Woher der Schub bei der Förderung der Breitbandversorgung, den Sie propagieren, kommen soll, wird nicht klar. Im Doppelhaushalt 2009/10 gibt es keine zusätzlichen Mittel für die Breitbandversorgung. Im letzten Jahr wurden die Mittel für die regionale Wirtschaftsförderung um 10 Millionen Euro erhöht. Diese Mittel sollten für die Breitbandversorgung verwendet werden. Jetzt sagen Sie selbst, 750.000 Euro davon sind bewilligt. Dann gibt es entweder zu wenige Anträge - dann nützt eine beschleunigte Abarbeitung der Anträge gar nichts -, oder die Anträge wurden langsamer bearbeitet als notwendig Dann muss sich der Wirtschaftsminister die Frage gefallen lassen, was er falsch gemacht hat. Die Mittel sind in jedem Fall noch da, und eine Beschleunigung ist nicht notwendig.

Wir hatten übrigens schon für 2007 einen Nachtragshaushalt gefordert, damit notwendige Investitionen nicht ins Jahr 2008 geschoben werden müssen. Die CSU - Sie standen damals noch nicht in Verantwortung - blockierte seinerzeit. Sie wollte die Staatsausgaben aus heutiger Sicht erfolglos - auf das Wahljahr konzentrieren. Jetzt will man auf einmal beschleunigen. Wenn Sie 2007 und gar erst 2004 nicht so stark gebremst hätten, wäre das heute nicht notwendig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was heißt denn überhaupt "schneller"? Lieber Herr Finanzminister, da wir jetzt schon wissen, dass die Endberatung dieses Entwurfs erst Anfang April stattfindet, können Sie erst im Mai anfangen, die Haushaltsmittel

freizugeben. Das nennen Sie dann "sehr schnell reagiert."

Ich könnte Ihnen ein anderes Beispiel nennen, wie ich hier versuche, im Betrieb Gelder schneller und etwas zeitnäher locker zu machen. Da wartet ein Bürgermeister darauf, dass eine Investitionsmaßnahme, die er ergriffen hat, vom Umweltministerium schnell abfinanziert wird. Da heißt es: Ja hallo, so schnell kann es nicht gehen, da warten wir erst mal, bis der Haushalt verabschiedet wird. Da können wir lange warten. An der Schnelligkeit liegt es also nicht. Wenn Sie schneller werden wollen, dann müssten Sie dafür sorgen, dass im Haushaltsvollzug schneller reagiert werden kann. Dann wird das auch bei den Leuten ankommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zurück zu den verpassten Chancen: Mit diesem Haushaltsentwurf hätten Sie den Beweis antreten können, dass sich Ökologie und Ökonomie nicht gegenseitig ausschließen. Sie hätten den Beweis dafür antreten können, dass man der Wirtschaftskrise sehr wohl mit Investitionen in den Klimaschutz begegnen könnte, dass dies Wirkung zeigt und uns auf mehreren Ebenen nur Vorteile bringen könnte. "Klimaschutz ist bezahlbar", titelt die "Süddeutsche Zeitung" am heutigen Tag. Alle Länder der Welt müssten mitmachen, investieren und ihre technologischen Reserven ausschöpfen, um den Klimawandel zu bekämpfen. Das meint die Unternehmensberatung McKinsey in ihrer Studie und sagt weiter, Konjunkturpakete seien der Schlüssel zum Klimaschutz. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Konjunkturpakete seien der Schlüssel zum Klimaschutz.

Was finden wir denn in diesem Haushalt, der ein eigenes Konjunkturpaket sein könnte, zum Klimaschutz? Nichts, nichts Neues jedenfalls, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das schon beschlossene und von Ihnen erwähnte Programm "Zukunft Bayern 2020" bildet nur das ab, was Sie im letzten Jahr schon gesagt haben, 350 Millionen, aufgeteilt auf vier Jahre. Dazu kann ich nur sagen: Wenn das Ihre Reaktion auf den Klimawandel ist, dann gute Nacht!

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, Sie negieren, dass mit Investitionen in den Klimaschutz, beispielsweise in die energetische Sanierung staatlicher Gebäude, die regionale Wirtschaft gefördert, Arbeitsplätze gesichert und kommunale Haushalte damit über die Einkommensteuer gestärkt würden, dass gleichzeitig Energie und Kosten gespart würden. Wie oft muss man Ihnen das noch vorbeten? Wir hatten gestern Haushaltsberatungen in meiner Heimatstadt Aschaffenburg. Die CSU-Kollegen dort haben das begriffen. Sie haben inzwischen verstanden, wie es geht, und investieren auch in die Schulen. Da werden die Schulen energe

tisch saniert. Bei Ihnen habe ich noch Probleme, das zu finden.

Ein kleines Beispiel; der Ministerpräsident kann das Gebäude jeden Tag begutachten. Die Oberste Baubehörde - das steht sogar im Haushalt - muss dringend energetisch saniert werden. Gut, sagt die Staatsregierung, dann lasst uns 2010 mit der Planung beginnen. Das nenne ich konsequenten Klimaschutz, liebe Kolleginnen und Kollegen. Hier wäre ein Beschleunigungsprogramm eher am Platz, anstatt das zu tun, was Sie uns heute hier vorgestellt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Ein Beweis, welchen Stellenwert der Klimaschutz bei der CSU-Fraktion hat, zeigt Folgendes - das ist nur ein kleines Bonmot am Rande -: Der erste Antrag, den die CSU-Fraktion bei ihrer Klausurtagung gestellt hat, als ihr der Finanzminister diesen Haushaltsentwurf vorgestellt hatte, war ein Antrag zur Erhöhung der Mittel für den Straßenneubau.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wem heute noch Straßenneubau als Investitionsmaßnahme oder Klimaschutzmaßnahme einfällt, an dem ist die Zeit vorbeigegangen. Es tut mir leid, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wenn ich Ihnen das so sagen muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hoffen wir wenigstens - da ist dankenswerterweise die SPD noch mit in der Verantwortung -, dass das Konjunkturpaket II die Regeln so festlegt, dass die Kommunen bei ihren Anstrengungen, den Klimawandel zu stoppen, besser unterstützt werden und mit ihrem Eigenanteil nicht im Regen stehen gelassen werden. Wenn Sie mit einem solchen Antrag kommen und sagen, wir unterstützen die Kommunen im Konjunkturpaket II bei der energetischen Sanierung ihrer Liegenschaften, tragen wir das gerne mit.

In den kommenden Wochen werden von uns Vorschläge kommen, wie man stärker in den Klimaschutz investieren kann, auch als Freistaat Bayern, im Übrigen gegenfinanziert. Von uns werden dafür keine Mehrausgaben in Anspruch genommen. Wenn ich mir nämlich die neuen Programme anschaue, die Sie vorhin so gefeiert haben - Bayern 2020 plus, Nord-und Ost-BayernProgramm, und Sie haben Bayern FIT GmbH vergessen -, dann meine ich, dass man diese mehr als 500 Millionen Euro auch anders verwenden könnte. Bayern braucht nicht mehr Leuchttürme. Bayern braucht Hilfe und Unterstützung in der Fläche, und die wollen wir Bayern geben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mit dem Programm "Bayern 2020 plus" und dem Nordund Ost-Bayern-Programm werden übrigens die Mittel verbraten, Kolleginnen und Kollegen, die für den Transrapid vorgesehen waren. Den hat man schon ganz vergessen. Stellen Sie sich einmal vor, der Transrapid, dieser wirtschaftliche, energetische und verkehrspolitische Dinosaurier, müsste in der derzeitigen Situation finanziert werden. Dank sei Gott, Dank sei dem Widerstand dafür, dass diese Dinosauriertechnik, dieser Kelch an uns vorübergegangen ist!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber so etwas, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, vergisst man gern. Das sind kleinere Fehler, die lässt man unter den Tisch fallen und hofft, dass es keiner merkt. Ich erwarte eigentlich ein klares Wort des Dankes aus den Reihen der CSU, dass wir dieses Projekt nicht finanzieren müssen. Vielleicht kommen Sie bei der Autobahn durch das Fichtelgebirge, der A 94, der dritten Startbahn und dem Donauausbau auch noch auf den Trichter. Der Haushalt würde es Ihnen danken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Finanzminister, Sie haben vorhin als Schwerpunkt die Hochschulen genannt. Frau Kollegin Rupp hat schon auf das Problem hingewiesen. Sie sagen, Sie schaffen 38.000 zusätzliche Studienplätze. Das reicht nicht, sagt Frau Kollegin Rupp, was ich bestätigen möchte. Sie haben dafür auch ein Bauprogramm, das fast 900 Millionen Euro umfasst. Nur, lieber Herr Finanzminister, wer ist denn dafür verantwortlich, dass wir bei den Hochschulen einen Investitionsstau in Höhe von 5 Milliarden Euro haben? Wer ist denn dafür verantwortlich, dass über Jahrzehnte fast nichts in die Hochschulen investiert wurde? - Das sind doch Sie von der CSU, und jetzt lassen Sie sich für dieses Investitionsprogramm feiern. Ich finde das schon arg hochgezogen und kann es nicht nachvollziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein Wort zum Personal. Innenminister Herrmann lässt sich landauf, landab dafür feiern, dass 1000 neue Bereitschaftspolizisten eingestellt werden sollen. Wenn man davon ausgeht, dass diese Polizisten erst zum 01.09.2009 und zum 01.10.2010 eingestellt werden und - das muss ich ergänzen - erst 2012/2013 mit ihrer Ausbildung fertig werden, dann darf man schon fragen, wie viele wirklich vor Ort ankommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich nenne das einmal das Tausendfüßler-Phänomen. Der Tausendfüßler gibt auch vor, dass er 1000 Füße hat - das passt so schön wegen der 1000 Stellen - und hat in Wirklichkeit viel weniger. Wie viele Polizisten sind es denn wirklich, die in Bayern ankommen? Im Haushaltsgesetz lesen wir dazu Artikel 6 e, der uns sagt, wie viele Stellen aufgrund der Verlänge

rung der Arbeitszeit der Beamten eingezogen werden. Dort lesen wir, dass in den nächsten beiden Jahren bei der Polizei 226 Stellen gestrichen werden und schon im Jahr 2007 280 Stellen gestrichen wurden. Das bedeutet, dass netto gerade einmal 471 Stellen für die Polizei übrig bleiben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das nenne ich das Tausendfüßler-Phänomen.

(Georg Schmid (CSU): Selektive Wahrnehmung!)

- Selektive Wahrnehmung? - Das tut mir leid, Herr Schmid, aber so steht es in dem von Ihnen verabschiedeten Haushaltsgesetz.

(Georg Schmid (CSU): Das stimmt nicht; Sie müssen das ganze Paket sehen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Politik des MehrScheinen-als-Sein zieht sich durch den ganzen Haushalt. Herr Finanzminister, ich habe versucht, an einem Schwerpunkt aufzuzeigen, wie wir darauf reagieren werden. Hoffentlich lassen Sie in den kommenden Beratungen noch Änderungen unsererseits zu. Die Kolleginnen und Kollegen werden Ihnen in den kommenden Wochen unsere Vorschläge unterbreiten. Wir werden im Haushaltsausschuss darüber beraten. Ich bin gespannt, wie die Kollegen der CSU und der FDP reagieren. Der vorliegende Entwurf reagiert jedenfalls nach unserer Meinung nicht ausreichend auf die Anforderungen dieser Zeit. Wir werden unsere Vorschläge dazu unterbreiten. Sie werden zustimmen, und dann ist Bayern gut beraten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die FDPFraktion erteile ich nun das Wort dem Abgeordneten Karsten Klein.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die äußeren Bedingungen, unter denen der Haushalt von der Staatsregierung aufgestellt wurde, sind historisch widrig. Wir werden unsere Beratungen im Haushaltsausschuss in einer der schwierigsten - manche sagen: der schwierigsten - wirtschaftlichen Situationen der Nachkriegszeit durchführen. Die Staatsregierung hat den Haushalt aufgestellt. Jetzt liegt es am Parlament, am Ausschuss, ihn zu beraten und zu verabschieden. Lieber Kollege Mütze, ich bin mir sicher, dass eine Flut von Anträgen von Ihrer Seite auf uns einströmen wird. Ob wir damit allerdings bei aller Zustimmung noch einen verfassungsgemäßen Haushalt hinbekommen würden, möchte ich an dieser Stelle in Frage stellen.

(Beifall bei der FDP)

Mit den Neuwahlen im letzten Jahr sind neue politische Realitäten, verbunden mit neuen politischen Konzepten und Inhalten in den Landtag eingezogen.

(Zurufe von den GRÜNEN)