Protocol of the Session on April 26, 2012

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Vielen Dank. Für die CSU-Fraktion erteile ich dem Kollegen Rotter das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Verkehrspolitik braucht nicht den Wechsel, sie braucht mehr Geld.

(Alexander König (CSU): Sehr richtig!)

Im Übrigen dauern nicht nur in Bayern die Projekte so lange, sondern wir finden bundesweit Schienenverkehrsprojekte, deren Verwirklichung endlos dauert. Grund dafür ist, dass das Schienennetz teilweise noch aus dem 19. Jahrhundert stammt. Gleichwohl fruchten unsere gemeinsamen Appelle, den Schienenverkehr auszubauen, dahin, dass immer mehr Leute den Schienenverkehr nutzen und stetig mehr Güter auf der Schiene transportiert werden. Aber ohne das nötige Geld können wir die notwendigen Trassen natürlich nicht schaffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Totenmesse für die zweite Stammstrecke ist noch nicht gelesen, auch wenn in der vergangenen Woche einige meinten, sie müssten schon die Grabrede vorbereiten.

(Zurufe und Heiterkeit bei der SPD)

Gleichwohl ist die Realisierung der zweiten Stammstrecke finanziell noch nicht gesichert. Das Finanzierungsproblem ist dadurch entstanden, dass der Bund seinen in Aussicht gestellten Finanzierungsanteil von 900 Millionen Euro bis 2019, dem Auslaufen des GVFG-Bundesprogramms, nicht erbringen kann.

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Dank Ramsauer!)

- Das war nicht nur Bundesminister Ramsauer. Elf Jahre lang waren auch SPD-Verkehrsminister nicht in der Lage, das Geld zur Verfügung zu stellen.

(Beifall bei der CSU)

Auch SPD-Finanzminister haben das Ganze nicht finanziell unterfüttert.

(Zurufe von der SPD)

Es geht hier übrigens nicht um Wahlkampf und es ist auch kein Schwarzer-Peter-Spiel, sondern es geht um ein funktionierendes S-Bahn- und Nahverkehrssystem im Großraum München für die nächsten 40 bis 50 Jahre. Dass man dafür ordentlich Geld in die Hand nehmen muss, versteht sich von selbst. Die S-Bahn erstickt nahezu am eigenen Erfolg. Es ist eine Riesenerfolgsgeschichte, von prognostizierten 240.000 Fahr

gästen auf nunmehr 800.000 Fahrgäste gekommen zu sein.

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Es geht um die Röhre!)

- Natürlich geht es um die Röhre, Herr Kollege. Aber weil hier nun deutlich mehr Züge fahren, ist die Röhre, die ursprünglich ausgereicht hat, mittlerweile zu eng geworden. Deshalb ist die zweite Stammstrecke geboten, für die sich der Bayerische Landtag im April 2010 ausdrücklich ausgesprochen hat.

Trotz verschiedener Ausbaumaßnahmen wie eigener Gleise nach Mammendorf, Grafrath, Petershausen oder Dachau sowie der Modernisierung der Stammstrecke und damit einer Kapazitätserhöhung auf 30 Züge pro Stunde und Richtung ist das System mittlerweile an der Kapazitätsgrenze angelangt. Wenn nicht gehandelt wird, werden wir in Zukunft nicht noch mehr Fahrgäste mit der S-Bahn befördern können.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Das ist selbstverständlich geboten. Wir stehen zum Beschluss vom 14. April 2010 und wollen den Schienenpersonennahverkehr, der im Großraum München auf der Basis des Gesamtkonzepts für den Bahnknoten München beruht, verbessern.

Wir haben allerdings bekanntermaßen dieses gravierende Finanzierungsproblem. Die Lücke von 700 Millionen Euro Bundesanteil muss geschlossen werden. Hier hat der Freistaat Bayern der Landeshauptstadt München ein, wie ich meine, großzügiges Angebot gemacht: 350 Millionen würden von ihm selbst vorfinanziert werden und 350 Millionen sollte die Stadt als Vorfinanzierung einbringen.

Wir begrüßen sehr, dass der Oberbürgermeister nun endlich das Gesprächsangebot des Ministerpräsidenten angenommen hat. Wir begrüßen, dass weitere Verhandlungen mit Bahn und Bund geführt werden mit dem Ziel, dass der Finanzierungsanteil an der Strecke ohne Gefährdung anderer Schienenprojekte in Bayern deutlich erhöht werden kann.

Die S-Bahn München wirft bekanntlich satte Gewinne ab. Die Bahn will das Projekt unbedingt. Daher könnte sie ruhig noch eine Schaufel Kohle drauflegen, damit der Bau der zweiten Stammstrecke endlich in Fahrt kommt. Der Bund sollte seinen Verkehrshaushalt dringend aufstocken. In Deutschland haben wir einen beschämend niedrigen Pro-Kopf-Anteil: Nur 53 € pro Kopf werden für den Schienenausbau ausgegeben. In der Schweiz ist es das Sechsfache, und selbst in Italien ist es das Doppelte. Hier müssen wir ansetzen. Es handelt sich um Zukunftsinvestitionen, die wir drin

gend brauchen, wenn unsere Wirtschaft weiterhin florieren soll.

Wir begrüßen es, dass der Staatsminister des Innern die rechtlichen Möglichkeiten einer Beteiligung der Landkreise zur Vorfinanzierung prüfen wird.

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Das geht gar nicht!)

Dieses Eichenau-Urteil wird von den Gegnern als Totschlagargument verwendet. Das ist es nicht. Es ist jedem Landkreis unbenommen, gemeinsam mit seinen Kommunen zu entscheiden, auch Umlagegelder dafür zu verwenden. Ich nenne zum Beispiel nur das Oberallgäu.

(Beifall des Abgeordneten Martin Zeil (FDP))

Dort werden Hochwasserschutzmaßnahmen seit den großen Überschwemmungsereignissen in den Jahren 1999, 2002 und 2005 vom Landkreis mitfinanziert. Alle Gemeinden haben sich solidarisch verpflichtet, zusätzlich 1,5 Punkte Kreisumlage dafür zu zahlen. Was dem finanziell wirklich nicht so gut gepolsterten Oberallgäu möglich ist, sollte doch auch den Umlandkreisen Münchens möglich sein.

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren, noch etwas, was uns natürlich auch wichtig ist: Wir können nicht mit weiteren Maßnahmen, die dringend geboten sind - Ausbau Westkopf Pasing, Sendlinger Spange, Umbau Bahnhof Laim, Regionalzughalt Poccistraße nur als Beispiele -, so lange warten, bis wir wissen, wie es mit der Röhre weitergeht. Wir sollten das jetzt in Angriff nehmen, jetzt den Griffel in die Hand nehmen und hier auch beginnen. Wenn wir dann die zweite Röhre haben, wird sich der Nutzen dieser Projekte noch weiter verbessern.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Rinderspacher das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist der richtige Moment und der richtige Ort, sich zu bedanken: Ich bedanke mich bei den oberbayerischen und Münchner CSU-Abgeordneten, dass sie am Dienstag dem unverhohlen parteitaktischen Wahlkampfagieren ihres Parteichefs Horst Seehofer vorerst einen Riegel vorgeschoben haben. Vielen Dank dafür.

(Beifall bei der SPD)

Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen aus der CSU-Fraktion, dass Sie das vollkommen ab

surde Staatsschauspiel ihres Noch-Ministerpräsidenten offengelegt und durchkreuzt haben.

Der Ministerpräsident hatte die zweite Tunnelröhre in seiner unnachahmlich selbstherrlichen Art im Alleingang zulasten von Hunderttausenden Pendlern bereits für beerdigt erklärt. Die CSU-Abgeordneten haben ihrem Ministerpräsidenten das Heft des Handelns aus der Hand genommen. Es war höchste Zeit. Seehofers Spielereien waren unverantwortlich, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)

Ich freue mich darüber, dass der frühere Wirtschaftsminister Wiesheu die Verantwortlichkeiten in der "Süddeutschen Zeitung" unmissverständlich klar gemacht und bei Bund und Freistaat richtig verortet hat. Bund und Freistaat sind bei der Finanzierungsfrage in der gesetzlichen Verantwortung.

Wir haben eine 15-jährige Planungsgeschichte hinter uns. 15 Jahre lang war klar, dass Bund und Freistaat finanzieren müssen. Und dann, meine Damen und Herren, kam der historische Moment im Sommer letzten Jahres. Im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Spitzenkandidatur des Münchner Oberbürgermeisters Christian Ude, exakt acht Wochen danach, kam die Staatskanzlei auf die Idee, die Münchner Bürgerschaft solle entgegen allen gesetzlichen Regelungen für die klammen Finanzen von Schwarz-Gelb in Bund und Land bezahlen. Und die Begründung lautete: Die Menschen in der Kommune München profitieren doch! Aber mit dieser Logik können natürlich zukünftig alle Kosten auf die Kommunen abgewälzt werden.

(Thomas Hacker (FDP): Vorfinanzieren, nicht bezahlen!)

Nach dieser Logik müssten auch Gemeinden mit Bundeswehrstandorten Panzer und Granaten selbst beschaffen, denn die Gemeinden profitieren schließlich von der Wirtschaftskraft der Bundeswehr.

Was aber noch hinzukommt, meine Damen und Herren: Die Herangehensweise der Staatskanzlei war unverhohlen und durchsichtig parteipolitisch motiviert; denn es sollten sich noch nicht einmal jene an den Kosten beteiligen, die die Hauptnutznießer der SBahn sind, nämlich die Pendler von außerhalb Münchens. Die große Mehrzahl der S-Bahn-Nutzer kommt gar nicht aus München selbst, sondern aus dem Umland.

Aber der schwarz-gelbe Bettelstab wurde nicht etwa dem profitierenden Umland hingehalten, also den CSU-geführten Landkreisen Fürstenfeldbruck und

Ebersberg oder den CSU-geführten Gemeinden Gräfelfing, Zorneding, Baierbrunn mit S-Bahn-Anschluss nein, Seehofers Klingelbeutel ging an den Parteifreunden vorüber. Ausschließlich die Münchner Bürgerschaft sollte dafür bestraft werden, dass ihr Oberbürgermeister, der in allen Landesteilen beliebteste Politiker Bayerns, zur Landtagswahl kandidiert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CSU)

Und nun zur Verantwortung des Freistaates. Es ist ein Armutszeugnis sondergleichen für die Regierungskunst des Ministerpräsidenten, dass er mit öffentlichem Getöse das derzeit wichtigste Infrastrukturprojekt für beerdigt erklärt und das Kabinett keine drei Tage später, nach Intervention der Bevölkerung und einzelner CSU-Abgeordneter, beschließt, der Bund und die Bahn mögen doch bitte ihren Finanzierungsanteil erhöhen. - Es geht doch! Warum denn nicht eigentlich früher?

Es ist ein Zeichen von Nachlässigkeit und Schlamperei, dass das Kabinett am Dienstag nach 15 Jahren Planungsphase prüft, ob eine Finanzierungsbeteiligung der kommunalen Ebene juristisch überhaupt möglich ist. Seit letztem Oktober jagen Sie diese Sau durchs Dorf, München müsse sich beteiligen, und vorgestern beschließen Sie im Kabinett,

(Widerspruch bei der CSU)

dass man jetzt juristisch prüfen wolle, ob es denn überhaupt möglich ist.

(Beifall bei der SPD)