Markus Rinderspacher
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Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir möchten uns ausdrücklich dem Dank anschließen, den Sie eben an das Landtagsamt, an Sie, Herr Landtagsdirektor Worm, und an alle Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgesprochen haben. Sie machen unsere Arbeit im Plenarsaal des Bayerischen Landtags erst möglich. Ein herzliches Dankeschön für Ihr Engagement und Ihren Einsatz! Wir wissen Ihre Arbeit sehr zu würdigen und zu schätzen.
Wir bedanken uns gleichermaßen bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landtagsverwaltung und
der Fraktionsgeschäftsstellen, bei der bayerischen Polizei, die über die Jahre unsere Sicherheit gewährleistet hat, bei den Offizianten, beim Stenografischen Dienst, bei all jenen guten Geistern hier im Bayerischen Landtag, die unsere Arbeit ermöglichen.
Wir bedanken uns auch bei den Medien für ihre faire, transparente und stets wahrheitsgemäße Berichterstattung in den vergangenen fünf Jahren. Mögen sie uns auch in den nächsten acht Wochen konstruktiv und kritisch begleiten, vor allem aber konstruktiv.
Meine Damen und Herren, ein jeder von uns hat einen ganz eigenen Blick auf den letzten Plenartag. Frau Landtagspräsidentin hat es bereits gesagt: Für knapp vier Dutzend Abgeordnete aus allen Fraktionen ist dieser Tag der definitiv letzte Arbeitstag hier im Plenarsaal. Wir wünschen allen ausscheidenden Abgeordneten voller Respekt vor ihrer geleisteten Arbeit innere Ruhe im Ruhestand und/oder viel Glück bei neuen Herausforderungen. Vielen Dank für das, was Sie für den Freistaat Bayern geleistet haben! Vielen Dank für die Zusammenarbeit und alles Gute.
Unsere ganz besonderen Wünsche – da möchte ich mich der Landtagspräsidentin anschließen – gelten Herrn Staatssekretär Markus Sackmann. Herr Sackmann, ich habe Ihnen heute Vormittag schon persönlich für Ihre Leistungen für den Freistaat Bayern gedankt. Wir wünschen Ihnen von Herzen alles Gute.
Für die Gruppe der im Jahr 2008 neu gewählten Abgeordneten – dazu gehöre ich selbst auch – geht die erste Legislaturperiode zu Ende. Für die Neueinsteiger des Jahres 2008 bedanke ich mich bei jenen erfahrenen Kolleginnen und Kollegen, die uns insbesondere zu Beginn der Legislaturperiode an die Hand genommen und uns an die parlamentarische Arbeit herangeführt haben. Gestatten Sie mir ein persönliches Dankeschön an meinen Mentor Franz Maget. Er ist schuld daran, dass ich vor elf Jahren in die SPD eingetreten bin. Franz, das hat mein Leben verändert – ich behaupte: überwiegend zum Guten! Vielen Dank dafür, dass du mich an die Hand genommen hast. Ich wünsche dir alles, alles Gute. Toi, toi, toi, mach’s gut, Franz!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in den vergangenen fünf Jahren im Hohen Haus leidenschaftlich Argumente ausgetauscht. Es gab mitunter einen heftigen Schlagabtausch. Ich soll das eine oder andere Mal auch daran beteiligt gewesen sein. Es gab auch
nachdenkliche und heitere Situationen. Manchmal kämpft man hier im Plenarsaal auch nicht miteinander oder gegeneinander, sondern hier am Mikrofon mit sich selbst. Es gab Augenblicke der Emotionalität, an die wir uns erinnern. Ich denke an den empathischen Applaus für unseren verstorbenen Kollegen Sepp Daxenberger. Als Vizepräsident Franz Maget seine Leistungen als großer Parlamentarier würdigte, haben alle Mitglieder des Hohen Hauses unserem Kollegen Applaus gespendet. Das war ein besonderer Moment in dieser Legislaturperiode. Unseren Kollegen Sepp Daxenberger vermissen wir ebenso wie unseren Kollegen Adi Sprinkart, den wir in diesen Minuten in unsere Erinnerungen mit einschließen.
Das Parlament war außerordentlich fleißig. Das dürfen wir bei allen Schwierigkeiten der letzten Wochen und Monate nach außen gemeinsam und selbstbewusst vertreten. Noch nie zuvor hat es im Landtag eine solche Flut parlamentarischer Ideen und Initiativen gegeben wie in den vergangenen fünf Jahren. Manches konnten wir gemeinsam auf den Weg geben. Es gab eine interfraktionelle Zusammenarbeit, zum Beispiel in der Kinderkommission oder in der interfraktionellen Arbeitsgruppe zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention. Dabei wurden zumindest wertvolle Kompromisse erarbeitet, auch wenn sie manchem nicht weit genug gingen.
Manches wurde in dieser Legislaturperiode politische Wirklichkeit, was unmittelbar nach der Wahl 2008 noch völlig undenkbar gewesen ist. Nach 30 Jahren hoch kontroverser Debatte erfolgte die Abkehr von der Atomkraft. In dieser Legislaturperiode erfolgte auch die Abkehr von den Studienbeiträgen. Auch vom betonierten Donauausbau rückte man ab. Das hatten wir zu Beginn der Legislaturperiode tatsächlich so nicht erwartet.
Auch wenn es aus Sicht der Opposition erfreulich ist, dass wir unsere Positionen über die Jahre mehrheitsfähig gemacht haben, ist es dennoch ein wenig bedauerlich, dass die Kluft zwischen der einen Seite im Parlament und der anderen Seite, der Opposition, im Laufe der Jahre nicht wirklich kleiner geworden ist. Die große Mehrheit der Ideen, die eingebracht wurden, wurde doch überwiegend abgelehnt. Teilweise wurden diese Ideen nach einer gewissen Zeit noch einmal eingebracht. Das gehört vielleicht zum politischen Geplänkel. Wir hätten uns aber an der einen oder anderen Stelle mehr Gesprächsbereitschaft und mehr sachbezogenen Pragmatismus gewünscht. Möge sich die politische Kultur des neu zu wählenden Landtags in diese Richtung entwickeln.
Wir hatten auch mehrere schwere Krisen gemeinsam zu bewältigen. Ich denke an die existenzielle Krise der
Bayerischen Landesbank. Ich denke an die von rechtsextremistischen Terroristen verübten Morde. Ich denke an das Jahrhunderthochwasser, das viele Menschen in verzweifelte Notlagen gebracht hat. Frau Landtagspräsidentin hat die letzten Wochen und Monate angesprochen. Die sogenannte Verwandtschaftsaffäre hat den Landtag als Vertrauensinstitution erschüttert. Die öffentlichen Stellungnahmen aller Fraktionen haben in den letzten Wochen deutlich gemacht, dass es vieler Arbeit, Zeit und Energie bedarf, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen.
Wir verabschieden uns heute nicht wie in den vergangenen Jahren in die Sommerferien, sondern in den Wahlkampf. Während die ausscheidenden Abgeordneten die schönste Zeit des Jahres nun voll genießen können, stehen den Kandidatinnen und Kandidaten stressige Wochen bevor. Ich wünsche uns, dass wir diese Zeit überwiegend als positiven Stress empfinden. Im Oktober wird dann der neu gewählte Landtag zusammentreten. Die wenigsten Beobachter wagen derzeit eine valide Prognose.
Zumindest aber steht eines heute bereits fest: Im neuen Landtag wird nichts mehr so sein wie heute. Der neue Landtag wird eine andere Zusammensetzung haben. Die Demoskopen – so hieß es gestern in einer Sondersendung – erwarten ein knappes Rennen. Es wird so spannend werden wie seit vielen Jahren nicht mehr. Der Bayerische Rundfunk sprach gestern von einem Krimi, den wir erwarten. Es ist aber ganz gut, dass es spannend wird. Das tut der Demokratie in Bayern gut, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich wünsche uns allen, dass wir in den bisweilen anstrengenden und hektischen Zeiten des Wahlkampfs gesund und auch gelassen bleiben, dass es uns gelingt, möglichst viele Menschen vom Sinn des demokratischen Wettstreits zu überzeugen, und dass möglichst viele Menschen von ihrem demokratischen Wahlrecht Gebrauch machen, einem Wahlrecht, das Generationen vor uns unter Einsatz ihrer Gesundheit oder gar mit ihrem Leben erkämpft haben. Ich wünsche uns, dass es uns gelingt, die Unterschiede in den politischen Positionen ebenso darzustellen wie unseren gemeinsamen Patriotismus für unsere Heimat Bayern, für die wir politisch arbeiten. Vielen Dank, und Ihnen alles Gute und viel Erfolg!
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine ganze Reihe aktueller Affären in der Bayerischen Staatsregierung geben Anlass zu dieser Aktuellen Stunde. Selten zuvor hat es eine Regierung gegeben, die ihrem Ende dermaßen angeschlagen, beschädigt und zerfleddert entgegentaumelt wie die Regierung Seehofer.
Wir erleben die Schlussphase der Gescheiterten. Das bayerische Kabinett bewegt sich zwischen Patronage, Schmutzeleien und Überforderung. Diese Regierungsbank ist zwei Monate vor dem Ende der Legislaturperiode eine ramponierte Resterampe.
Kaum ein Kabinettsmitglied, das nicht gebeutelt wäre – von öffentlichen Erörterungen über Fehltritte, Verfehlungen, Inkorrektheiten, Mängel und Missgriffe, Skandale, Affären und sonstige Unzulänglichkeiten. Peinlichkeiten und Verlegenheiten sind in dieser Regierung nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Der Ministerpräsident lässt die Affären laufen. Er bringt nicht die Kraft zur notwendigen Regierungsumbildung auf - ein Zeichen von Führungsschwäche.
Die Regierung Seehofer hatte sich die vergangenen fünf Jahre keine besondere Mühe gegeben, ihre Schwierigkeiten und Probleme mit sich selbst zu verbergen. Doch das, was wir in den letzten Wochen und Monaten erleben mussten, wirft die Frage auf: Repräsentiert diese Regierung noch den Stolz und die Würde des Freistaats Bayern?
Es begab sich zum Jahreswechsel, dass der Ministerpräsident in einer bemerkenswerten Pressekonferenz seinen wichtigsten Minister als charakterlos bezeichnete. Er sagte, Finanzminister Söder neige zu Schmutzeleien. Man muss sich das einmal vorstellen. Der Regierungschef informiert die Öffentlichkeit: Mein Kabinett ist durchsetzt mit nicht vertrauenswürdigen Personen; mein Finanzminister ist ein charakterschwacher Mann, auf den kein Verlass ist; der Hüter über die Steuergelder ist unzuverlässig, nachlässig, pflichtvergessen, nicht gewissenhaft und nicht gründlich. Das hat es noch nicht gegeben: Ein Ministerpräsident spricht seinem wichtigsten Kabinettsmitglied die Eignung für höhere Ämter ab. Statt ihn aber zu entlassen, belässt er ihn im Amt.
Vor wenigen Wochen wurde nun bekannt, dass einzelne Minister ihre Familienkasse zulasten der Staatskasse aufgebessert haben oder zumindest mit fragwürdigen Methoden vorgegangen sind. Ausgerechnet die Arbeitsministerin, Frau Haderthauer, hat einen dreifachen Mörder hinter Schloss und Riegel arbeiten lassen. Der Erlös floss nicht etwa einer Stiftung für Verbrechensopfer zu, wie man dies hätte erwarten dürfen oder müssen, sondern im Ergebnis dem Familieneinkommen der früheren CSU-Generalsekretärin. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" schreibt von einem taktischen Verhältnis Haderthauers zur Wahrheit an der Grenze zur Lüge. Ich zitiere:
Christine Haderthauer täuscht, führt die Öffentlichkeit in die Irre und sagt, so wie ihre Aussagen allgemein verstanden werden, die Unwahrheit. Alles, um ihr Amt zu retten. Eigentlich genug, um es zu verlieren.
Wir werden übermorgen im Ausschuss auf der Grundlage eines Dringlichkeitsantrags der SPD die Affäre Haderthauer eingehend aufarbeiten.
Ein taktisches Verhältnis zur Wahrheit und gleichermaßen zum Geld – das muss man auch jenen Kabinettsmitgliedern attestieren, die in die Verwandtschaftsaffäre verstrickt sind: Staatsminister Spaenle, Staatsminister Brunner, Staatssekretär Pschierer, Staatssekretär Eck und Staatssekretär Sibler. Der Ministerpräsident hatte Transparenz und Aufklärung im Kabinett versprochen. Die Staatsregierung verweigert jedoch dem Parlament und damit der bayerischen Öffentlichkeit Auskunft über die Prüfung im Kabinett, die der Ministerpräsident selbst angeordnet hat. Die SPD hat deshalb am Freitag Verfassungsklage eingereicht, um das Fragerecht der Abgeordneten durchzusetzen – ebenso, wie uns das bereits im Jahr 2011 in Bezug auf die Resonanzstudien gelungen war.
Herr Seehofer markiert den entschlossenen Saubermann und Aufräumer. Dabei geht es ihm darum, den Affärenstaub lediglich in die Kabinettsecken zu wischen. Das gelingt ihm immer weniger. Am allerwenigsten gelingt ihm das bei der Justizministerin. Immer wieder sieht sich der Ministerpräsident im Kontext des Falles Mollath gezwungen, seine Minister zu warnen, ihnen ins Gewissen zu reden, sie zurechtzuweisen und zum Handeln zu drängen. Tatsächlich taumelt die Ministerin von Ausschusssitzung zu Ausschusssitzung, in Fernsehinterviews oder bei der Offenbarung von Forderungen. Anfangs hatte die Ministerin noch keinerlei Fehler erkennen wollen. Mittlerweile musste sie reihenweise Ungereimtheiten und Schlampigkeiten einräumen. Gestern nun sagte
sie: Die Unterbringung von Gustl Mollath sei mit zunehmender Dauer unverhältnismäßig, die bayerische Justiz habe einen Vertrauensverlust hinzunehmen, das müsse Konsequenzen haben. Richtig ist: Die Justizministerin hat den Vertrauensverlust mit ihrem unwürdigen Hin und Her beschleunigt statt begrenzt. Deshalb sollte sie diejenige sein, die politische Konsequenzen zieht, um weiteren Schaden von der bayerischen Justiz abzuwenden.
Von einem dramatisch galoppierenden Vertrauensverlust ist auch die FDP im Kabinett betroffen. Mit der Affäre des stellvertretenden Ministerpräsidenten und Wirtschaftsministers Martin Zeil wird sich der Wirtschaftsausschuss am morgigen Mittwoch befassen. Von hier aus nur so viel: Sollte Herr Zeil als früherer Bankengeschäftsführer mit seiner Unterschrift hoch riskante Spekulationsgeschäfte zulasten des Steuerzahlers verantwortet und dabei einzelne Kommunen in Bayern fast in den Ruin getrieben haben, wirft das ein denkbar schlechtes Licht auf ihn. Damit stünde die Unterschrift von Herrn Zeil für Verantwortungslosigkeit und für einen kommunalen Millionenschaden. Damit wäre ein weiteres Mal untermauert: Diese Regierung hat nicht nur die höchste Staatsverschuldung des Freistaats Bayern zu verantworten, sondern auch der stellvertretende Ministerpräsident selbst kann nicht mit öffentlichen Geldern umgehen. Auch das wäre dann untermauert.
Ich weiß, Sie hören das nicht gerne, und ich verstehe Ihre Aufregung. Ich wäre genauso aufgeregt wie Sie. Sie haben allen Grund dazu. Die gegenwärtigen Affären laufen immer nach dem gleichen Muster: Zuerst wollen die Damen und Herren Kabinettsmitglieder nicht dabei gewesen sein und erklären, man habe damit nichts zu tun. In der zweiten Stufe räumen die betroffenen Kabinettsmitglieder die Beteiligung ein und dokumentieren demonstratives Selbstbewusstsein. Man habe schließlich nichts Verwerfliches getan. In der dritten Stufe wird eingestanden, man habe die öffentliche Wirkung unterschätzt. In der vierten Stufe tauchen die affärengeschüttelten Kabinettsmitglieder ab, halten dicht und beantworten Anfragen ausweichend, unzureichend oder gar nicht. Es ist immer das gleiche Muster, welches die Mehrheit dieser Kabinettsmitglieder betrifft. So weit die aktuellsten Fälle.
Wer auf der Regierungsbank jetzt hofft, er sei durch eine Nichterwähnung gut weggekommen, sollte sich nicht zu früh freuen. Herr Dr. Heubisch bleibt im Amt, auch wenn ihm die bayerische Bevölkerung das er
klärte Herzstück seiner Amtszeit, die Studiengebühren, gegen seinen Willen weggenommen hat. Innenminister Herrmann will mit dem Verfassungsschutz fast nichts mehr zu tun haben. Der Umweltminister nimmt es mit Langmut hin, wenn ihm sein Chef im Handstreichverfahren die Energiewende zertrümmert. Frau Europaministerin Müller wird sogar in den eigenen Reihen für so verzichtbar gehalten, dass sie von ihren Parteifreunden in der Oberpfalz nicht mehr als Stimmkreiskandidatin für den Bayerischen Landtag nominiert wurde. Es sind nicht herzlose Journalisten, und es ist nicht eine auf Krawall gebürstete Opposition, die den Ruf dieser Regierung massiv beschädigt haben.
Es waren die Regierungsmitglieder selbst, die sich reihenweise selbst in Verruf gebracht haben – jeder und jede auf seine bzw. ihre Weise. Das ist keine übliche Verschleißerscheinung am Ende einer Legislaturperiode, sondern es wird sichtbar, dass diese schwarz-gelbe Regierung nicht zur Selbsterneuerung in der Lage ist. Diese Regierung ist allenfalls eine kurzatmige Zweckgemeinschaft politischer Beliebigkeit. Diese Regierung befindet sich in Auflösung, und mit dieser Regierung ist kein Staat mehr zu machen.
Deshalb hat der Freistaat Bayern eine bessere Regierung verdient. Deswegen hat Bayern einen Ministerpräsidenten verdient, der sagt, was er tut, und tut, was er sagt, und nicht alle 24 Stunden die eigenen Grundsatzpositionen wechselt. Die Menschen in Bayern wollen nicht von prinzipienlosen Luftikussen regiert werden. Sie wollen eine Regierung, die Reden und Handeln in Einklang bringt, eine Regierung, die die Würde und den Stolz des Freistaats Bayern repräsentiert und nicht konterkariert.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag korrigiert heute in Zweiter Lesung mit Blick auf die Mitarbeiterentschädigung eine Regelung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes vom Dezember 2000. Der Gesetzgeber wollte damals im Dezember 2000 ausdrücklich nicht, dass Abgeordnete noch im Jahr 2013 ihre Ehefrauen beschäftigen.
Der Gesetzgeber wollte damals ausdrücklich keine Abgeordnetenfamilienförderung über einen Zeitraum von 13 Jahren, 150 Monaten oder drei Legislaturperioden. Der Landtag hat im Dezember 2000 ausdrücklich und unmissverständlich die Beschäftigung von Verwandten ersten Grades missbilligt und deshalb fortan für verboten erklärt. Der CSU-Kollege Dr. Otmar Bernhard sprach in seiner Berichterstattung in Zweiter Lesung am 29. November 2000 ausdrücklich und unmissverständlich von einer Übergangsregelung. Das heißt: Spätestens 2003, allerspätestens
zum Ende der darauffolgenden Legislaturperiode sollte mit diesen Beschäftigungsverhältnissen Schluss sein. Das Parlament klaubt heute einen Scherbenhaufen zusammen, den wahrlich nicht alle Parlamentsmitglieder, aber auch nicht nur ein paar wenige angerichtet haben. Zunächst folgen ein paar selbstkritische Bemerkungen. Denn nur wer eigene Fehler der Vergangenheit, in unserem Fall des letzten Jahrzehnts, anspricht, kann die politische Aktualität in der laufenden Legislaturperiode und die politische Brisanz der Gegenwart glaubwürdig kritisch bewerten.
Der erste Fehler der SPD liegt 13 Jahre zurück. Als SPD müssen wir selbstkritisch festhalten, dass die mangelhafte gesetzgeberische Vorgabe im Dezember 2000 ein Fehler war, an dem wir uns beteiligt haben. Die damaligen Oppositionsparteien hätten dieses Gesetz als Ausgangspunkt für die heutige Affäre damals so nicht mitbeschließen dürfen. Das war ein Fehler.
Ich nenne einen zweiten Punkt. Ein weiterer Fehler bestand darin – da bin ich ganz bei Ihnen, Frau Stewens -, dass die Vertreter in den Selbstverwaltungsgremien des Landtags insbesondere im Sommer 2009 mit Blick auf die Beschäftigungsverhältnisse der Abgeordneten nicht auf einem umfassenden Bericht der Präsidentin bestanden haben. Das war ein Fehler, den wir heute als SPD hier einräumen müssen. Ja, Vertreter der SPD, der FDP, der GRÜNEN und der FREIEN WÄHLER im Ältestenrat und im Präsidium haben es im Sommer 2009 schlicht und ergreifend nicht für möglich gehalten, dass noch 17 CSUAbgeordnete diese Sonderfallregelung in dieser Legislaturperiode für sich in Anspruch nehmen würden.
Nun werden in einem argumentativen Kunstgriff die anderen vier Parteien in die politische Gegenwart mit einbezogen. Aber wir dürfen schon festhalten: Hier steht es 17, bei der FDP null, bei den FREIEN WÄHLERN null, bei der SPD null und bei den GRÜNEN null. Das ist der Spielstand in dieser Legislaturperiode.
Bei allem Respekt und bei aller Sympathie, das Folgende gehört auch zur historischen Wahrheit: Die Landtagspräsidentin hat in den damaligen Sitzungen bewusst oder unbewusst darauf verzichtet, auf die besondere Problematik des Themas hinzuweisen. Sie hat ihre politische Führungsverantwortung nicht wahrgenommen, sondern die Dinge laufen lassen. So weit ein kurzer Rückblick auf die legislative Historie.
Meine Damen und Herren, der Bayerische Landtag beschließt heute, dass die Erstattung von Beschäftigungsverhältnissen von Abgeordneten mit Ehepartnern, Lebenspartnern sowie Verwandten und Verschwägerten bis zum vierten Grad ausgeschlossen wird. Künftig wird es direkt beim Landtag ein Abrechnungssystem geben, um die Kontrolle zu stärken. Wir als SPD begrüßen das und auch die angekündigte Kontrolle durch den Obersten Rechnungshof. Wir halten künftige regelmäßige Kontrollen durch einen Transparenzbeauftragten oder ein Compliance-Gremium für sinnvoll und notwendig. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Das gilt auch für uns Abgeordnete.
Das Parlament macht mit der Neufassung des Abgeordnetengesetzes heute seine Hausaufgaben. Es hat sich als richtig herausgestellt, das geplante CSU-Hauruck-Verfahren am 24. April im Gesetzesverfahren zu stoppen; denn in den letzten Tagen und Wochen hat sich ein erheblicher Gesprächsbedarf herausgestellt. Ich bedanke mich bei den anderen Fraktionen, namentlich bei den Kollegen Frau Stewens, bei Frau Bause, bei Herrn Hacker und bei Herrn Aiwanger, für die gute und intensive Zusammenarbeit. Das gemeinsam erarbeitete Ergebnis ist ein ordentliches, und es trägt den Notwendigkeiten Rechnung. Vielen Dank für die Zusammenarbeit.
Meine Damen und Herren, nun muss nach der Legislative auch die Exekutive ihre Hausaufgaben machen. Der Ministerpräsident gibt vor, der große Aufräumer zu sein. Doch Zweifel daran sind mehr als berechtigt. Herr Seehofer steht keineswegs als strahlender Saubermann über den Dingen; nein, er ist mittendrin statt nur dabei. Herr Seehofer hatte versprochen, für umfassende Transparenz in seinem Kabinett zu sorgen, doch bei seinen angeblichen Bemühungen bleibt er weit hinter denen seiner neuen Fraktionschefin zurück.
Noch immer sind zentrale Fragen nicht geklärt und Informationen nicht sauber aufgeschlüsselt. Wie lange beschäftigten die Herren Spaenle, Brunner, Eck, Pschierer und Sibler ihre Ehefrauen? Von wann datieren die Verträge? Welche Abreden und Nebenabreden gab es? Gab es Leistungszulagen? Die entscheidende Frage ist: Wie hoch ist die Bruttogehaltssumme der Ehefrauen bis zum heutigen Tag? Herr Seehofer, Sie hatten angekündigt, das zu klären. Nun, bitte, müssen Sie auch liefern. Bislang ist nämlich nur bruchstückhaft bekannt, um welche Bruttosummen es bei der Ehefrauenbeschäftigung im Kabinett geht. Wenn das stimmt, was von den Medien berichtet
wurde, dann hat der Freistaat Bayern für die Beschäftigung von Frau Spaenle durch Herrn Spaenle über die Jahre ein Arbeitgeberbrutto von etwa 760.000 Euro verausgabt, für die Beschäftigung von Frau Eck durch Herrn Eck 250.000 Euro, also eine Viertelmillion, im Fall Brunner 220.000 Euro, im Fall Pschierer 170.000 Euro, in der Causa Sibler 82.000 Euro. Nach dem, was bislang bekannt geworden ist, wurden bei den Kabinettsmitgliedern etwa 1,4 Millionen Euro an Bruttogehaltssummen diesbezüglich verausgabt.
Sie, Herr Seehofer, interessieren sich ja insbesondere für die laufende Legislaturperiode. In dieser Periode waren es brutto insgesamt 230.000 Euro. Herr Ministerpräsident, da Sie sich selbst zum Transparenzbeauftragten deklariert haben, bitte ich Sie hier und heute: Machen Sie reinen Tisch! Wir fordern Sie auf: Legen Sie bitte die Bruttogehaltssummen der Beschäftigungsverhältnisse im Kabinett offen und machen Sie eine schlüssige Rechnung auf, wann von welchem Kabinettsmitglied was zurückzuzahlen ist! Mit einem "Schwamm drüber, das passt jetzt schon so" ist es nicht getan.
Die Glaubwürdigkeit der Kabinettsmitglieder ist im Zusammenhang mit dieser Affäre schwer beschädigt. Ich habe erhebliche Zweifel, ob unser stolzes Land von diesem Kabinett mit Würde repräsentiert wird.
Der CSU-Fraktionsvorsitzende musste gehen, der CSU-Haushaltsausschussvorsitzende musste gehen, der CSU-Kultusminister ist weiter mittendrin, ebenso wie der CSU-Landwirtschaftsminister sowie weitere CSU-Staatssekretäre. Ein knappes Viertel des Kabinetts, das heißt ein wesentlicher Teil des CSU-Führungspersonals, ist involviert.
Doch leider ist die gegenwärtige Affäre mit deutlichem Schwerpunkt auf der CSU kein Betriebsunfall oder gar ein Einzelfall. Immer wieder hat es in den letzten Jahren auch unter der Führung von Horst Seehofer Affären gegeben, die unter dem Stichwort "CSU-Filz" über die Internet-Suchmaschinen sehr schnell gefunden werden können. Im Kurzdurchlauf blicke ich auf die vergangenen Jahre zurück.
2008, CSU-Landesbankaffäre: Acht CSU-Verwaltungsräte fahren unsere Landesbank an die Wand. In Kärnten werden in CSU-Verantwortung mit der Hypo Group Alpe Adria 3,7 Milliarden Euro versenkt. 10 Milliarden Euro neue Schulden entstehen aufgrund der Landesbankrettung für den Freistaat. Mit Horst See
hofer macht Bayern die höchste Staatsverschuldung seit 1946.
2009 wird bei der Korruptionsaffäre bei der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien bekannt: Der Medienratsvorsitzende und CSU-Parlamentarier nimmt Kredite von Medien an, über die er selbst die Kontrollaufsicht hatte. Wochenlang berichten die bayerischen Medien von Amigo-Machenschaften, von CSU-Sumpf und von einem Selbstbedienungsladen.
2010 haben wir Horst Seehofer höchstpersönlich in dieser Legislaturperiode beim ungehemmten Griff in die Staatskasse zugunsten der CSU-Parteikasse erwischt. Ich erinnere an das Stichwort Resonanzstudienaffäre. Seehofer selbst hatte Umfragen im Parteiinteresse der CSU auf Steuerzahlerkosten in Auftrag gegeben: Rüge vom ORH, Rüge vom Bundestagspräsidenten, ein Verfassungsgerichtsurteil als schallende Ohrfeige für den Ministerpräsidenten. Der Schaden für Bayern beträgt 558.000 Euro, ein Schaden im Staatshaushalt, den die CSU bis heute nicht beglichen hat.
2011, Affäre um die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit: Misswirtschaft, schwarze Kassen, Amigo-Seilschaften bei der Auftragsvergabe. Herr Staatsminister Dr. Spaenle, Sie werden sich noch daran erinnern. Die SPD machte einen bislang geheim gehaltenen Bericht des Obersten Rechnungshofs öffentlich.
2012, auch Misswirtschaft bei der Bayerischen Landesstiftung: Wegen einer falschen Anlagestrategie kommt es zu 60 Millionen Euro Verlust, obwohl es Warnungen gegeben hatte. 2013 gibt es nun die Verwandtschaftsaffäre.
Meine Damen und Herren, in dieser Legislaturperiode verging mit diesem Ministerpräsidenten und mit diesem CSU-Vorsitzenden kein einziger Sommer ohne eine eigene, große CSU-Affäre. Das darf hier noch einmal in Erinnerung gerufen werden. Diese Verwandtschaftsaffäre ist kein Einzelfall. Sie ist ein Beweis dafür, dass es ein System gibt, das offensichtlich nicht passt.
Meine Damen und Herren, das ist ein Verfall der politischen Kultur, das Fazit von verkrusteten, verfilzten Strukturen eines halben Jahrhunderts selbstherrlicher CSU-Alleinherrschaft. Es wird Zeit, dass die Wähler der CSU ab Oktober eine Möglichkeit zur Selbstfindung in der Opposition einräumen. Bayerns Demokratie braucht einen politischen Wechsel. Bayerns Demo
kratie braucht einen neuen Stil. Die letzten Tage und Wochen haben gezeigt: Jetzt erst recht.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion stellt hiermit nach § 64 der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag den Antrag, den Änderungsantrag der CSUFraktion zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zum
Haushaltsänderungsgesetz 2013/2014 – Bildungsfinanzierungsgesetz – betreffend die Änderung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes vom 23. April auf Drs. 16/16537 heute nicht zur Beratung und nicht zur Abstimmung zuzulassen.
Ich begründe diesen Antrag wie folgt: Nach § 54 Absatz 4 Satz 2 der Geschäftsordnung dürfen Änderungsanträge bei Gesetzesvorlagen, die eine Änderung bestehender Gesetze zum Inhalt haben, nur zu solchen Einzelvorschriften gestellt werden, die bereits in den Ausschüssen behandelt worden sind. Diese Vorschrift ist einschlägig und hier anzuwenden; das ist nachgerade der klassische Fall.
§ 54 Absatz 4 Satz 2 verfolgt den Zweck, den Gesetzgeber vor Überraschungseffekten und Überrumpelungen zu schützen. Das parlamentarische Verfahren der Behandlung von Gesetzesvorlagen nach der Ersten Lesung in den vorberatenden Ausschüssen und im endberatenden Ausschuss soll, wie in der Verfassung und in der Geschäftsordnung vorgesehen, eingehalten werden. Nur in den Ausschüssen ist eine vertiefte und sorgfältige Behandlung von Gesetzesvorlagen und eine Abwägung der Argumente, die für oder gegen die Gesetzesvorlage sprechen, möglich. Deshalb ist diese Vorschrift auf den vorliegenden Fall anzuwenden.
Dies war in den letzten Jahrzehnten im Bayerischen Landtag immer der Fall. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Plenarrede des stellvertretenden Vorsitzenden des Geschäftsordnungsausschusses Dr. Richard Hundhammer von der CSU vom 25. September 1974: Abänderungsanträge zu Gesetzesvorlagen, die eine Änderung bestehender Gesetze zum Inhalt haben, dürfen künftig nur zu solchen Vorschriften gestellt werden, die bereits in den Ausschüssen behandelt worden sind.
Ich stelle fest: Die in dem CSU-Änderungsantrag beantragten Änderungen des Bayerischen Abgeordnetengesetzes und des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes aus dem Jahr 2000 wurden weder im federführenden Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen in der Sitzung am 11. April noch bei der Endberatung im Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz in der Sitzung am 18. April 2013 behandelt.
Meine Damen und Herren, § 54 Absatz 4 Satz 2 der Geschäftsordnung steht der heutigen Beratung der Änderungen des Bayerischen Abgeordnetengesetzes und dem Änderungsantrag zum Entwurf des Bildungs
finanzierungsgesetzes der Staatsregierung entgegen. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die CSU ein für sie, und zwar ausschließlich für sie problematisches Thema, nämlich die Beschäftigung von Familienangehörigen, nachgerade im Hauruck-Verfahren beenden will, und dies in parlamentarisch unangemessener und inadäquater Form. Meine Damen und Herren, das schlechte Gewissen muss innerhalb der CSU sehr groß sein.
Wir beantragen, diesen Änderungsantrag heute nicht aufzurufen bzw. nicht zuzulassen. In diesem Sinne plädieren wir dafür, über diesen Änderungsantrag in einem geordneten Verfahren, wie dies im Bayerischen Landtag üblich ist, zu beraten, nämlich hier in Erster Lesung, in den Ausschüssen und am Ende wieder hier in Zweiter Lesung.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns wurde gerade gesagt, wie im Dezember 2000 das neue Abgeordnetenrecht, das heute noch Gültigkeit hat, zustande kam. Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen, dass aus dem Kontext der damaligen Beratungen unmissverständlich hervorgeht, dass der Bayerische Landtag bereits damals die Beschäftigung von Verwandten ersten Grades missbilligt und für unziemlich, ja für parlamentarisch unhygienisch gehalten hat. Deshalb wurden jene Regelungen damals fortan für verboten erklärt. Lediglich eine Übergangsregelung war vorgesehen. Der Kollege Dr. Otmar Bernhard, CSU, hatte damals die Berichterstattung und sprach am 29. November 2000 in
Zweiter Lesung ausdrücklich von einer Übergangsregelung.
Vor wenigen Tagen ist nun bekannt geworden, dass eine Reihe von CSU-Abgeordneten diese Übergangsregelung mittlerweile 13 Jahre lang, drei Legislaturperioden lang, offensichtlich in unziemlicher Art und Weise in Form von Familienförderung in eigener Sache überstrapaziert haben. Die bayerische Öffentlichkeit hat es überrascht, dass neben der CSU-Fraktionsspitze auch die Kabinettsmitglieder Dr. Spaenle, Gerhard Eck und Franz Josef Pschierer Ehepartner angestellt hatten. Nun mag man zur Verteidigung vielleicht anführen, manche hätten den Begriff der Übergangsregelung nicht verstanden oder in großer Sorglosigkeit überdehnt. Aber ganz gleich, ob hemmungslos oder sorglos – wer so agiert, disqualifiziert sich für höhere Staatsämter.
Wie passt es zusammen, auf der einen Seite in Talkshows und bei Podiumsdiskussionen im Brustton der Empörung die Mitnahmementalität von Hartz-IV-Empfängern zu beklagen und auf der anderen Seite systematisch und über einen sehr langen Zeitraum Mitnahmeeffekte für sich selbst in Anspruch zu nehmen, um das eigene Familieneinkommen auf Staatskosten aufzubessern? – Da ist er wieder, meine Damen und Herren, der unappetitliche CSU-Filz aus 56 Jahren Regierungszeit.
Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bayerischen Landtages hatte die Übergangsregelung sehr wohl verstanden. Medienberichten zufolge hat er im November 2000, vier Wochen vor Inkrafttreten des Gesetzes, noch schnell zwei Verträge abgeschlossen, wissend, dass sich kurze Zeit später das Gesetzesfenster schließen würde. An der Börse würde man es Insiderhandel nennen. So hat der CSU-Abgeordnete zwei Verträge mit wissenschaftlichen Fachkräften der besonderen Art abgeschlossen: mit seinem dreizehnjährigen Sohn und mit seinem vierzehnjährigen Sohn. Die Juristen des Landtags haben bereits erklärt, dass keine verbotene Kinderarbeit vorlag; aber es ist schon eine Sache, auf die selbst fantasiebegabte Menschen nicht kommen würden: Ein Abgeordneter leistete auf einem Vertrag gleich zwei Unterschriften, links "G.W." für den Arbeitgeber, rechts "G.W." für den Arbeitnehmer; denn die minderjährigen Kinder durften als beschränkt Geschäftsfähige gar nicht selbst unterzeichnen.
Gestern hat die CSU-Fraktionsspitze nun die notwendige Transparenz bei den eigenen Abgeordneten eingefordert. Ich sage auch: Hier und heute ist der richtige Zeitpunkt, dieser Aufforderung von Herrn Schmid nachzukommen und hier und heute reinen Tisch zu machen.
Deshalb frage ich: Was verstehen wir denn unter Transparenz? Wie lange beschäftigten Herr Staatsminister Dr. Spaenle, die Staatssekretäre Eck und Pschierer und die betroffenen Abgeordneten ihre Ehefrauen auf Staatskosten? Von wann datieren die Verträge mit ihren Ehefrauen? Welche Abreden und Nebenabreden beinhalten die Verträge mit ihren Ehefrauen? Wurden die Verträge mit ihren Ehefrauen derweil verändert und erweitert? Welche Gehaltssteigerungen oder Gehaltsminderungen gab es für ihre Ehefrauen in den vergangenen Jahren? Gab es Leistungszulagen für ihre Ehefrauen, jedweder Art, in welcher Form, zu welchen Konditionen? Eine entscheidende Frage: Auf wie viel beläuft sich die Bruttogehaltssumme ihrer Ehefrauen bis zum heutigen Tag?
Meine Damen und Herren, mit dem Fokus auf einer notwendigen Neuregelung des Abgeordnetengesetzes sind die Maßgaben der SPD-Fraktion für die Beratungen in den Ausschüssen: Arbeitsverträge mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mit einem Mitglied des Landtags verwandt, verheiratet oder verschwägert sind oder waren, sind unzulässig. Entsprechendes gilt auch für Verträge mit Lebenspartnern oder früheren Lebenspartnern. Verwandtschaftsverhältnisse – auch das werden wir in den Beratungen zu klären haben; das wäre heute nicht möglich gewesen – müssen gesetzlich spezifiziert werden oder auch nicht. Im Deutschen Bundestag hat man sich für eine andere Regelung entschieden. Als SPD-Fraktion halten wir es auch für notwendig, dass gleichermaßen die Nebeneinkünfte der Abgeordneten in den Blick genommen und noch in dieser Legislaturperiode geregelt werden.
Die CSU hat sich nämlich erst vor drei Wochen dem Verlangen der SPD widersetzt, umgehend im Landtag eine Regelung zu beschließen, dass diese Angaben auf Euro und Cent erfolgen müssen. – Vielen Dank.
Herr Söder, man könnte fast meinen, dies sei aus aktuellem Anlass eine Bewerbungsrede gewesen. Aber ich möchte auf das zurückkommen, was Graf von Lerchenfeld angesprochen hat, nämlich auf die Indiskretion innerhalb der bayerischen Finanzverwaltung, durch die der Steuerfall Hoeneß publik wurde.
Der Herr Ministerpräsident hat deutlich gemacht, dass er bereits seit geraumer Zeit von diesem Fall wusste. Er hat es gegenüber den Medien so dargestellt, dass mehrere Minister in Kenntnis gesetzt waren, und es ist der Eindruck entstanden, dass über den Steuerfall Hoeneß im Kabinett regelrecht getuschelt wurde. Da waren offensichtlich Klatsch und Tratsch an der Tagesordnung.
Immer wieder gingen Informationen hin und her. Wie ernst nehmen Sie eigentlich das Steuergeheimnis in Bayern? Nehmen Sie zur Kenntnis, dass es in den letzten Tagen, Wochen und Monaten offensichtlich zu Schmutzeleien und Indiskretionen gekommen ist? Wie erklären Sie sich diese Schmutzeleien in Ihrem Verantwortungsbereich, und wie stellen Sie sicher, dass das Steuergeheimnis in Bayern künftig gewährleistet ist?
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim letzten Politischen Aschermittwoch hat Regierungschef Horst Seehofer gepoltert, wer eine andere Meinung beim Länderfinanzausgleich vertrete als die CSU, der handle unpatriotisch. Wer andere Positionen vertrete als die CSU, sei gegen Bayern und vertrete allenfalls die Interessen dunkler Mächte oder von Parteizentralen in Berlin oder anderswo.
Unabhängig von diesem schlechten Stil des Regierungschefs, meine Damen und Herren, Abgeordneten anderer Parteien im Bayerischen Landtag mangelnden Patriotismus zu unterstellen und sie gewissermaßen mit Vaterlandsverrätern gleichzustellen, ist das eine politische Kategorie unterster Schublade.
Das gibt mir aber heute die Gelegenheit, den Sachverhalt korrekt darzustellen. Die SPD in Bayern kritisiert seit vielen Jahren den von der CSU zum Nachteil Bayerns ausgehandelten Länderfinanzausgleich.
Der Länderfinanzausgleich ist ungerecht. Bayern zahlt zu viel in diesen Topf ein. Aus Sicht des bayerischen Steuerzahlers ist der von der CSU ausgehandelte Länderfinanzausgleich großer Mist.
Deshalb sage ich, die CSU handelt nach dem Prinzip "Haltet den Dieb" − ein alter Gaunertrick, um das eigene Ganovenstück unbemerkt zu machen, meine Damen und Herren.
Der CSU-Vorsitzende erinnert uns an den Feuerwehrmann, der das Haus selbst in Brand steckt, um dann zu rufen: Die anderen waren es, die anderen waren es!
Ich darf noch einmal daran erinnern: Horst Seehofer höchstpersönlich hat uns den Länderfinanzausgleich in seiner heutigen Form eingebrockt.
Er selbst hat den Schaden für Bayern angerichtet, zum Nachteil des Freistaats, zum Nachteil der bayerischen Steuerzahler, zum Nachteil der in Bayern lebenden Menschen, zum Nachteil unserer Heimat, meine Damen und Herren.
Es war im Sommer 2001, als im Deutschen Bundestag der Bundestagsabgeordnete Horst Seehofer und seine Bundestagskollegen Gerda Hasselfeldt, Peter Ramsauer, Ilse Aigner, Hartmut Koschyk und all die anderen von der CSU-Landesgruppe diesen Länderfinanzausgleich mit ihrer Stimme in Gesetzesform gegossen haben. Der damalige CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber hat den heutigen Länderfinanzausgleich ausgehandelt und ihn in einer eigens von ihm anberaumten Regierungserklärung hier im Bayerischen Landtag als wegweisend für den Föderalismus gefeiert.
Heute muss man fragen: Mangelt es Stoiber und Seehofer an einem Bayern-Gen, wenn sie solche bayernfeindlichen Gesetze beschließen?
Wenn ich es in der Sprache des CSU-Vorsitzenden vom Politischen Aschermittwoch formulieren müsste, müsste ich sagen: Die CSU hat unsere Heimat Bayern beim Länderfinanzausgleich verraten und verkauft, meine Damen und Herren.
Die CSU hat die Interessen der bayerischen Steuerzahler auf dem Altar von Stoibers Kanzlerkandidatur geopfert oder sich wie bei der Landesbank, wie bei der Landesstiftung, wie beim Digitalfunk schlicht als unfähig erwiesen, solide und weitsichtig mit bayerischem Volksvermögen umzugehen, meine Damen und Herren.
Das ist nicht die Politik bayerischer Patrioten. Das ist politisches Versagen auf dem Rücken der fleißigen
Menschen unserer Heimat zulasten der bayerischen Steuerzahler.
Was noch vor wenigen Jahren von der CSU als gut für Bayern triumphierend und selbstherrlich gefeiert wurde, wird heute von der CSU als nicht verfassungskonform und bayernfeindlich beschrieben - eine Kehrtwende, mit der die CSU besonders eindrucksvoll ihr Versagen beim Aushandeln des Länderfinanzausgleichs öffentlich einräumt und dies auch heute wieder mit eindrucksvollen Zahlen untermauert.
Ich möchte, weil es so schön ist, an die Regierungserklärung von Dr. Stoiber im Jahr 2001 erinnern: Bedeutsam sei dieser Länderfinanzausgleich für den Föderalismus, ein gutes Datum für Bayern und für ganz Deutschland.
Ich zitiere wörtlich:
Ich bin froh darüber, dass wichtige bayerische Positionen bei diesen Verhandlungen überzeugt und Eingang in die Ergebnisse gefunden haben … Die Arbeit und die Politik der Staatsregierung der letzten Jahre haben sich als erfolgreich erwiesen … Wir haben etwas bewegt... Wir sind dort gelandet, wo wir hinwollten... Kein Land erleidet finanzielle Verluste.
So Herr Stoiber im Sommer des Jahres 2001.
Und Sie wollen uns heute erzählen, dass der Länderfinanzausgleich im Jahr 2002, ein halbes Jahr nach Stoibers Regierungserklärung, in eine Schieflage geraten ist?
Wem haben wir das zu verdanken? Sie von der CSU haben uns das eingebrockt.
Knapp zwei Monate später, am 13. September 2001, leitete der bayerische Finanzminister Professor Faltlhauser den neuen Finanzausgleich an die Abgeordneten des Bayerischen Landtags weiter. Ich zitiere:
Sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrter Herr Abgeordneter! Bayern hat dem Finanzausgleich zugestimmt, da das Ausgleichsvolumen im Länderfinanzausgleich sinkt und Bayern als Zahler finanziell entlastet wird.
Mit freundlichen Grüßen
Kurt Faltlhauser
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind diejenigen, die heute von Patriotismus sprechen, um ihre eigenen Fehler zu kaschieren.
Es war die SPD, die in den letzten Jahren auch hier im Landtag immer wieder angemahnt hat, dass der Länderfinanzausgleich dringend reformiert werden muss.
Ich erinnere an die Debatte vom 28. November.
- Ich habe noch ein schönes Zitat. Hören Sie doch einfach zu. Es ist schön, dass Sie sich so aufregen. Die Wahrheit kann wirklich wehtun. Am 28. November 2006 hat der SPD-Haushaltsexperte Jürgen Dupper hier im Hohen Hause eine Reform des Länderfinanzausgleichs angemahnt. Ich zitiere wörtlich: "Wir wollen eine Obergrenze für bayerische Leistungen." − Die SPD: "Wir wollen eine Obergrenze für bayerische Leistungen." − Jetzt zitiere ich gerne den damaligen Finanzminister von der CSU in seiner wörtlichen Antwort, Faltlhauser, CSU, ebenfalls am 28. November 2006:
Ich bin anderer Auffassung als Sie, Herr Dupper. Ich sage im Gegensatz zu dem, was Sie sagen: Wir stehen zu diesem Finanzausgleich, so wie er … nach schwierigen Verhandlungen gilt. … Wir sind einverstanden damit, dass wir bis zum Jahr 2019 den neuen Bundesländern die vereinbarten Beiträge bezahlen. Ich stehe nicht an der Seite derjenigen, … die das infrage stellen. Wir stehen dazu, obwohl wir sehr viel bezahlen.
War das mangelnder Patriotismus, meine sehr verehrten Damen und Herren?
Die bayerische SPD hat in der Folge immer wieder den ungerechten Länderfinanzausgleich zum Thema gemacht.
Mein Kollege Volkmar Halbleib hat am 10. Juni 2010 hier den Dringlichkeitsantrag "Reform im bundesstaatlichen Finanzausgleich" eingebracht.
Der Finanzminister wurde aufgefordert, ein Reformmodell mit konkreten Zielen, Ausgleichsmechanismen und Modellrechnungen vorzulegen. Nichts war davon zu spüren. Sie haben unseren Antrag vom Tisch gewischt und ihm nicht zugestimmt.
Heute lässt sich festhalten: Bei dem politischen Prozess, einen fairen Lasten- und Interessenausgleich zwischen den Ländern zu organisieren, hat sich die CSU bis heute als völlig unfähig erwiesen. Die thüringische Ministerpräsidentin Frau Lieberknecht, CDU, überzieht den bayerischen Regierungschef Horst Seehofer und seine Partei sogar mit Hohn und Spott. Der jetzige Finanzausgleich sei schließlich das Ergebnis der Verhandlungen der CSU und einer Verfassungsklage der CSU. Das Urteil sei damals von der CSU sehr gelobt worden. − So gehen mittlerweile Ihre eigenen Parteifreunde in anderen Bundesländern mit Ihnen um.
Meine Damen und Herren, noch ein Wort dazu, dass auch diese Klage wie bereits die von 2005 für uns in Bayern mit Risiken verbunden ist; denn das Bundesverfassungsgericht kann auch zu der Überzeugung kommen, dass die kommunalen Finanzeinnahmen stärker in den Länderfinanzausgleich inkludiert werden müssen. Das sind aktuell 64 %. Dann hätte die Klage der CSU zur Folge, dass Bayern nicht weniger, sondern mehr in den Finanztopf einbezahlt. Das ist das Risiko Ihres Wahlkampfmanövers, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Horst Seehofer will sich mit diesen Manövern offensichtlich das Image des soliden Treuhänders bayerischer Steuergelder verpassen, obwohl er diesen Länderfinanzausgleich verbockt hat. Heute scheint es ihm wichtig zu sein, sein Image zu polieren; denn sein Finanzminister ist nach seinen Angaben charakterschwach und neigt immer wieder zu "Schmutzeleien". Es liegt doch erst wenige Wochen zurück, da hat der Bayerische Ministerpräsident die Öffentlichkeit informiert: Mein Finanzminister ist eine nicht vertrauenswürdige Person, mein Finanzminister ist ein charakterschwacher Mann, auf den kein Verlass ist, der Hüter über die Steuergelder ist gewissermaßen unzuverlässig, nachlässig, pflichtvergessen, nicht gewissenhaft, nicht gründlich. − Wenn die CSU über Patriotismus spricht, aber personell so ausgedünnt ist, dass sie solches Personal ins Kabinett schicken muss,
dann sollte sie nicht über Patriotismus fabulieren, meine Damen und Herren.
Noch einmal darf heute auch daran erinnert werden, dass keine andere Staatsregierung in der Geschichte des Freistaats Bayern seit 1946 in so kurzer Zeit so hohe Schulden aufgetürmt hat wie die Regierung Horst Seehofer,
10 Milliarden Euro allein mit der Bayerischen Landesbank.
Den größten Länderfinanzausgleich haben Sie organisiert, nicht nach Berlin, nicht nach Niedersachsen, sondern nach Kärnten. Dort wurden mit bayerischen Steuergeldern neue Staatsstraßen und ein neuer Flughafen gebaut. Das haben Sie verbockt, meine Damen und Herren. Das war der zweite Länderfinanzausgleich zum Nachteil von bayerischen Steuerzahlern.
Deshalb lässt sich zusammenfassend festhalten: Der Länderfinanzausgleich ist kein politisches Thema, das zum Applaus für die kraftmeiernde CSU anregt. Der Länderfinanzausgleich ist ein Grund, diese CSU, die auf breitester Front zum Nachteil Bayerns bitter versagt hat, endlich in die Opposition zu schicken.
Eigentlich wollte ich mich zurückhalten, aber Sie haben von einer Einigung in der Bayerischen Staatsregierung und in der Koalition gesprochen. Dazu darf ich einmal den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Alexander König zitieren: Ein Landeshaushalt mit Konzertsaal in München ist nicht zustimmungsfähig. Das Zitat ist noch gar nicht so alt. Er wird darin auch noch von Karl Freller bestärkt, der gesagt hat, er habe große Probleme, weitere Millionen auch fränkischer Steuerzahler für die Kulturlandschaft Münchens abzunicken. Also ist es ein wenig an den Haaren herbeigezogen, wenn Sie hier behaupten, es bestünde große Einigkeit, es gäbe im Hohen Hause parteiübergreifend kongruente Vorstellungen. Das ist mitnichten der Fall.
Ich stelle auch fest, dass es eine gewisse Doppelzüngigkeit gibt. In München gibt es kein Standortkonzept, kein Finanzierungskonzept und keinen Betreiber. Es gibt nichts. Es gibt ein Versprechen des Ministerpräsidenten von 2009, es möge irgendwann etwas kommen − vielleicht 2030, wenn Bayern angeblich schuldenfrei ist. Getan hat sich in den letzten vier Jahren sehr wenig.
Wenn eine Fraktion − eigentlich sind es alle, wenn auch mit unterschiedlicher Betonung − Druck macht, dass endlich auch Nürnberg in den Fokus kommt, können Sie nicht so tun, als sei das Populismus. Mit diesem Thema setzen wir uns dankenswerterweise ernsthaft auseinander.
Wenn Sie so argumentieren, sollten Sie vielleicht einmal überprüfen, was insbesondere aus Franken in der CSU und in Ihrer Fraktion dazu in den letzten Monaten formuliert wurde.
Herr Kollege Graf Lerchenfeld, Sie haben eben den Finanzminister gelobt. Im weiteren Verlauf der Plenardebatte wird noch deutlich werden, dass die Opposition diesem Lob vielleicht nicht in jeder Weise folgen wird. Das wird nicht verwundern. Aber es ist schon überraschend, dass der Ministerpräsident ausgerechnet auf dem Höhepunkt der Haushaltsdebatte seinem Finanzminister gewiss nicht den Rücken stärkt. Wir haben heute
seine Aussage gelesen, der Finanzminister leide unter pathologischem Ehrgeiz, er sei von Ehrgeiz zerfressen, er leiste sich zu viele Schmutzeleien, er habe charakterliche Schwächen. Und dann heißt es, Markus Söder war mal oben, jetzt sei er unten. Wie erklären Sie sich, dass der Ministerpräsident ausgerechnet auf dem Höhepunkt der Haushaltsverhandlungen seinen Finanzminister in diesem Ausmaß schwächt?
Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst vor wenigen Tagen hat der frühere CSU-Staatssekretär Dr. Bernd Weiß öffentlich eine legitime Frage gestellt − fast schon pünktlich zur Regierungserklärung -, die sich auch heute wieder stellt: "Ich frage mich", so Bernd Weiß in der "tz", "was hat die CSU inhaltlich die letzten vier Jahre auf den Weg gebracht?" Der ehemalige Staatssekretär − 25 Jahre Mitglied in der CSU, Ortsvorsitzender, Kreisverbandsvorsitzen
der − hat diese Frage weitgehend beantwortet: "Viel ist das nicht."
Meine Damen und Herren, der Ministerpräsident konnte dieses Urteil aus den eigenen Reihen gewiss nicht widerlegen. Im Gegenteil, er hat es bestätigt. Stattdessen sonnt sich der Ministerpräsident heute wie ein von sich selbst beseelter Monarch darin, dass die Menschen in Bayern ihre Heimat lieben, die Berge und Seen, die Schlösser und Denkmäler, unsere Kunst und Kultur. Sie schätzen unsere Produktköniginnen und sie lieben die bayerischen Dialekte, das Brauchtum, die Festungen und die Musik. Sie lieben den FC Bayern, den FCA, die Kleeblätter aus Fürth und die Clubberer.
- Meinetwegen auch den FC Ingolstadt, Herr Ministerpräsident.
Herr Ministerpräsident, bei allem Respekt: Sie mögen ein stattlicher und auch attraktiver Mann sein, aber Sie haben nicht die bayerischen Alpen aufgeschüttet. Sie haben nicht die bayerischen Seen eigenständig ausgehoben. Sie haben nicht den FC Bayern zum Rekordmeister gemacht. Sie haben nicht den FCA und die Fürther zum Aufstieg in die Bundesliga geführt. Das Wittelsbacher Kulturerbe haben Sie wie wir alle geschenkt bekommen.
Nach dieser Regierungserklärung muss man fast den Eindruck gewinnen: Je banaler die Botschaften der Staatsregierung, desto pathetischer werden die Gebärden und desto einfallsreicher wird die Selbstreklame. Je kurzatmiger das politische Hinterherhecheln nach Stimmungen und Strömungen, desto größer die Gesten. Je kleinteiliger das politische Lavieren, desto großspuriger der Auftritt. Auch das haben wir heute wieder erlebt.
Der Ministerpräsident hat den bayerischen Staatshaushalt heute als Grabbeltisch beschrieben und sich selbst als Kaufhausdirektor. Das war der Schlussverkauf von Horst Seehofer. Die schwarz-gelbe Saison geht zu Ende. Jetzt gibt es noch ein bisschen was für
alle und einen Schluck Freibier obendrauf. Das ist es, was der Ministerpräsident heute mit diesem Staatshaushalt zum Ausdruck gebracht hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das war ein durcheinandergewürfeltes Themensortiment aus einem Gemischtwarenkatalog, vermarktet mit selbstherrlichem Werbegesäusel. Eigentlich hätten wir heute vom Ministerpräsidenten klare politische Zielsetzungen mit klaren politischen Prioritäten erwartet. Eine solche Erklärung ist uns der Ministerpräsident jedoch schuldig geblieben.
Einmal mehr ist deutlich geworden: Diese Regierung steht für alles, und sie steht zugleich für nichts. Ihre Beschlüsse haben keine lange Halbwertszeit. Was heute noch stürmisch begrüßt wird, wird morgen schon verneint. Kann man bei diesem Ministerpräsidenten und bei dieser Regierung wirklich sicher sein, dass ein klares Ja zu einer politischen Position nicht morgen schon ein ebenso kraftvolles Nein wird?
Wohl selten zuvor in der Geschichte Bayerns hat es eine Regierung gegeben, die so wenig einen Anspruch an sich selbst erhoben hat, Leitlinien für das eigene Handeln zu zeichnen und Orientierung zu geben. Die Regierungszeit von Horst Seehofer ist von solchen Ansprüchen weit entfernt. Sie wird als Zeit der permanenten Wendemanöver in Erinnerung bleiben mit einer Politik, die sich von Umfragen leiten lässt und sich an den Schlagzeilen der Tageszeitungen orientiert.
Ich zitiere nochmals Bernd Weiß, Staatssekretär im Seehofer-Kabinett.
Er ist seit einem Vierteljahrhundert CSU-Mitglied und stellvertretender Bezirksvorsitzender:
Statt zu regieren, drehen wir uns seither nach dem Wind, rufen ins Volk: "Sagt ihr uns halt, was wir denken sollen, damit ihr uns wieder wählt" und garnieren das Ganze mit Begriffen wie "Mitmach-Partei". Sobald wir Stimmungen im Volk gegen uns spüren, schwenken wir um.
Dr. Weiß führt weiter aus:
Das Lavieren wird regelrecht zur Kunstform erhoben. Man meint inzwischen, es geht gar nicht
mehr darum, Mehrheiten für irgendetwas Inhaltliches zu gewinnen. Die Mehrheit für die CSU ist für sich genommen Grund genug für Politik.
Meine Damen und Herren, der Ministerpräsident hat heute mit großem Gestus von einem Wertekompass gesprochen, von Verlässlichkeit und Beständigkeit. Das glaubt ihm noch nicht einmal mehr der Abgeordnete in den eigenen Reihen.
Das ist doch ein Fakt!
Tatsächlich fällt es mittlerweile schwer, Themen zu identifizieren, bei denen der Ministerpräsident Kurs und Wort gehalten hätte. Er ist mit seinen politischen Verrenkungen mittlerweile bundesweit berühmt. Die beliebteste politische Turnübung des Ministerpräsidenten ist der Seehofer-Salto. Unter Experten gilt er mittlerweile als besonders schwindelerregende akrobatische Meisterleistung und Drehbewegung; denn sie entspricht nicht den physikalischen Gesetzmäßigkeiten. Das ist ein Salto, dessen Bewegungsablauf sowohl nach vorne als auch nach hinten, seitwärts, nach links und rechts und auch diagonal geht. Das ist eine halsbrecherische Übung, und die CSU hat mittlerweile dabei eine bestimmte Routine.
Hier nenne ich einige Beispiele, Pflicht und Kür, bunt gemischt, ohne Chronologie und Vollständigkeit, das heißt, auch ohne Bewertung von technischen Haltungsfehlern. Ich nenne die Top Zwölf der spektakulärsten Salti mortali des CSU-Chefs und Ministerpräsidenten Horst Seehofer, also desjenigen, der heute hier ernsthaft behaupten wollte, er habe alles umgesetzt und habe immer Wort gehalten.
Salto eins, mehr Netto vom Brutto: Versprochen haben Horst Seehofer und Schwarz-Gelb den Menschen im Land mehr Netto vom Brutto für alle.
Heraus kamen Zusatzbelastungen für die Mehrheit, unter anderem durch die Kopfpauschale.
Im Jahr 2011 - liebe FDP, da dürfen Sie auch gerne zuhören − musste die arbeitende Bevölkerung so viele Abgaben an Staat und Sozialkassen zahlen wie nie zuvor. Insgesamt zahlte ein Durchschnittsverdiener im vergangenen Jahr an Staat und Sozialkassen
9.943 Euro, damit knapp 600 Euro mehr als im Vorjahr. Das war der stärkste Anstieg seit 1995.
Dafür gab es einige sündhaft teure Steuergeschenke für die Hotellerie
- da darf die FDP gerne wieder laut werden -, für schwerreiche Erben und für gewinnstarke Finanzinstitute. Mehr Netto vom Brutto − das war nach der Wahl so schnell vergessen, wie es vor der Wahl hastig und konzeptlos propagiert wurde. Der Netto-Purzelbaum: eine CSU-Wahllüge par excellence.
- Es kommen noch elf Beispiele; ich kann es Ihnen nicht ersparen.
Beispiel zwei, die Atomkraft: Noch im Februar 2011 verlautbarte Horst Seehofer: Solange die Kernkraftwerke unsere hohen Sicherheitsstandards erfüllen und solange sie für unseren Energiemix unverzichtbar sind, werden wir sie am Netz lassen. Horst Seehofer hat als treibende Kraft dafür geworben, die Laufzeiten der Atomkraftwerke nicht, wie von Herrn Röttgen vorgeschlagen, um 8, 10 oder 12 Jahre zu verlängern, sondern sie unbegrenzt zu lassen. Er hatte damit die Maximalposition der Atomlobbyisten eingenommen, ohne irgendeine Kompromissbereitschaft zu zeigen. Die rot-grüne Energiewende sei ein Irrweg; das Licht werde ausgehen; mit Rot-Grün müssten die Menschen frieren; der Industriestandort Deutschland sei dem Untergang geweiht, intonierte der Ministerpräsident.
Gänzlich ungeniert übernahm er dann über Nacht all jene Argumente von Rot-Grün, die er selbst jahrzehntelang bekämpft hatte. Meine Damen und Herren, kein Wunder, dass wir mit dieser CSU bei der Energiewende noch nicht viel weiter sind. Seehofers Atomkraftüberschlag fand bisher noch keine Landung auf dem Boden einer echten Energiewende.
Beispiel drei, gleich im Kontext, das Bayernwerk: Im Mai dieses Jahres stellte Herr Seehofer medienwirksam die Rückkehr zu einem eigenen staatlichen Energieversorger in Aussicht. Wenn die Berliner Koalition
nicht zu schnellen Lösungen komme, dann gründen wir ein Bayernwerk, sagte der CSU-Chef. Er bestätigte auch einer großen Tageszeitung, es würde eine Rückkehr zur Stromwirtschaft bedeuten, wie sie vor der Privatisierungspolitik von Stoiber Bestand hatte. Zwei Tage später − es dauerte gerade einmal 48 Stunden − kam die Korrektur per CSU-Pressemitteilung: Seehofers Vorschlag − Herr Strepp war damals noch im Amt − habe mit dem Bayernwerk alter Art nichts zu tun, das sei ein Missverständnis gewesen; der Freistaat solle nicht als Unternehmer tätig werden; vielmehr gehe es darum, die ganzen Player in einem modernen Bayernwerk zusammenzufassen; bis zum Herbst solle über die Gründung entschieden werden. Entschieden ist, wie wir wissen, bis heute gar nichts, allenfalls das Gegenteil ist der Fall. Seehofers Bayernwerk war zwar nur einer der üblichen Knallfrösche, aber das reichte immerhin für eine halbe Seite in einer großen Tageszeitung. Das eigentliche Ziel war erreicht, nämlich politische Dominanz durch schiere Medienpräsenz vorzutäuschen.
Beispiel vier, die Wehrpflicht: Noch wenige Tage vor der spektakulären Ankündigung von Verteidigungsminister zu Guttenberg, einen Parteitagsbeschluss der SPD aus einigen Jahren vorher umzusetzen − Aussetzung der Wehrpflicht aus Gerechtigkeitsgründen -, machte Herr Seehofer Front gegen alle Kritiker. Am 7. Juni 2010 hieß es: Wir sagen Ja zur Wehrpflicht; wir können nicht alle paar Monate unsere politischen Entscheidungen ändern.
Sie können das nicht alle paar Monate, aber alle paar Tage.
Die Wehrpflicht sei ein Markenkern der CSU. Es dauerte tatsächlich nicht lange, bis die CSU markenentkernt von der Wehrpflicht Abschied nahm. Wenn es einen Grundsatz gibt, den Horst Seehofer befolgt, dann den, dass es im Grundsatz keinen Grundsatz gibt, wonach Grundsätze nicht grundsätzlich auch schon ins grundsätzliche Gegenteil zu verkehren wären: die Bundeswehr-Riesenfelge mit eingebauter CSU-Markenentkernung.
Beispiel fünf:
- Noch sieben, dann werde ich aufhören müssen, weil irgendwann meine Redezeit begrenzt wird.
- Das Beispiel fünf, Länderfinanzausgleich.
- Das gefällt Ihnen, Herr Hacker? − Dann darf ich das gerne ausführen.
Es war im Sommer 2001, als im Deutschen Bundestag der Bundestagsabgeordnete Horst Seehofer und seine Kollegen Gerda Hasselfeldt, Ramsauer, Aigner sowie die gesamte CSU-Landesgruppe den Länderfinanzausgleich mit ihrer Stimme in Gesetzesform gegossen haben. Der damalige CSU-Vorsitzende Stoiber hatte diesen Länderfinanzausgleich federführend ausgehandelt und ihn in einer eigens anberaumten Regierungserklärung im Landtag mit genauso großem Gestus wie Herr Seehofer heute als wegweisend für den Föderalismus und als gut für Bayern gefeiert.
Was damals die CSU selbst auf den Weg gebracht hat, wird heute als nicht verfassungskonform und als bayernfeindlich beschrieben.
Eines ist klar: Bayern zahlt mit 3,7 Milliarden Euro deutlich zu viel in den Länderfinanzausgleich. Die CSU hat zum Nachteil der bayerischen Steuerzahler schlecht verhandelt. Die CSU hat eben nicht den Patriotismustest bestanden, sondern sie ist krachend durchgefallen.
Die heutige Kehrtwende, die Klage gegen sich selbst, zeigt besonders eindrucksvoll das Versagen beim Aushandeln des Länderfinanzausgleichs, und das wird auch noch mit eindrucksvollen Zahlen untermauert. Die CSU bestätigt mit ihrem Protest gegen ihre eigene Politik schwarz auf weiß: Sie hat damals entweder entgegen den Warnungen der Landtags-SPD die Interessen der bayerischen Steuerzahler auf dem Altar von Stoibers Kanzlerkandidatur geopfert, oder sie hat sich, wie bei der Landesbank und der Landesstiftung, schlicht als unfähig erwiesen, solide und weitsichtig mit bayerischem Volksvermögen umzugehen, meine Damen und Herren.
Herr Ministerpräsident, eines darf ich auch noch sagen. Sie sagen, all jene, die sich der Klage nicht anschließen wollen, seien nicht patriotisch. Lesen Sie doch bitte mal die Studie, die das Land Baden-Württemberg in Auftrag gegeben hat. Professor Häde, übrigens jemand, der der Bundesregierung als Gutachter gut bekannt ist, sagt, die Klage könnte für Bayern total nach hinten losgehen; denn wenn die kommunalen Haushalte einbezogen werden − gegenwärtig werden sie das zu 64 % -, dann könnte Bayern am Ende nicht weniger in den Finanzausgleich einbezahlen, sondern mehr. Das wollen wir in jedem Fall verhindern, und ich denke, zumindest darin sind wir uns einig.
Beispiel sechs, Bayerns Beamte und der öffentliche Dienst: Wohl in keinem anderen Bereich gibt es so regelmäßige Leibesübungen in so kurzer Zeit. Pünktlich zum Wahltermin wird aus der 42-Stunden-Woche, wie sie einmal von der CSU beschlossen wurde, die 40Stunden-Woche. In Bayern gab es im Jahr 2011 eine Nullrunde, in einem Jahr, in dem in 14 anderen Bundesländern die Bezüge angepasst worden waren. Ausgerechnet jetzt, im Wahljahr 2013, gibt es wie in allen anderen Wahljahren zuvor für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst so viele Beförderungen wie in all den Jahren zuvor niemals. Erst groß neue Stellen ankündigen, dann eine zwölfmonatige Wiederbesetzungssperre; erst das neue Dienstrecht mit großem Tamtam verabschieden, dann das zentrale Element dieser Dienstrechtsreform, die Vergabe von Leistungsbezügen, aussetzen; erst Wegstreckenentschädigung anpassen, kurz danach wieder kassieren. Dieser CSU-Dauerkreisel ist für die bayerischen Beamten eine Zumutung. Verlässlichkeit und Kontinuität sehen anders aus, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beispiel sieben, der Donauausbau: 30 Jahre lang hatte die CSU die Donauausbaugegner als naturromantische Wirklichkeitsverweigerer beschimpft. Herr Seehofer hatte sich wiederholt mit großer Entschlossenheit für die Staustufenvariante C 280 ausgesprochen. In der "Mittelbayerischen Zeitung" vom 3. November 2009 steht − ich zitiere wörtlich:
Ich bin dezidiert für den Donauausbau in der Variante C 280, der Lösung mit der Staustufe.
Herr Seehofer sagte damals mit großer Geste, er stehe ohne Wenn und Aber hinter der CSU-Linie, einen schleichenden Abschied von den Ausbauplänen werde es mit ihm nicht geben. Das hatte er damals die bayerische Öffentlichkeit wissen lassen. Herr Ministerpräsident, davon, dass die vielen Schutz- und Auwaldgebiete an der frei fließenden Donau vielen
Zugvogelarten als Ruheplätze für die jährlichen Wanderungen im Frühjahr und im Herbst dienen, konnten Sie sich gestern persönlich überzeugen. Wir fordern Sie deshalb heute auf, den Bundestagsbeschluss zum sanften und staustufenfreien Donausausbau mit flussbaulichen und naturverträglichen Maßnahmen aus dem Jahr 2002 zum Wohle Bayerns nicht weiter zu blockieren.
Es wird an dieser Stelle Zeit für einen weiteren Seehofer-Salto. Nehmen Sie Anlauf, holen Sie Schwung; SPD, GRÜNE und FREIE WÄHLER sind Ihnen gerne beim Überschlag behilflich.
Beispiel acht, die Studiengebühren:
Im Grundsatzprogramm der CSU ist auf Seite 94 ein klares strategisches Bekenntnis zu dauerhaften Studienbeiträgen, unabhängig von der Entwicklung des Staatshaushalts, festgeschrieben. Eine solche Leibesübung, das Grundsatzprogramm zu ändern, bedarf normalerweise − wir wissen es alle − ganz besonderer Anstrengungen. Nicht so ist es bei Herrn Seehofer und der CSU. Die CSU-Fraktion wirft das eigene Grundsatzprogramm aus dem Jahr 2007, das eigentlich ein Vierteljahrhundert halten sollte, mir nichts, dir nichts über den Haufen, aber nicht etwa unter Beteiligung der Mitglieder − die Mitmachpartei! − und auch nicht aufgrund eines Parteitagbeschlusses, sondern nur deswegen, weil der Vorsitzende gerade einmal ein Machtwort gesprochen hat. Auch da zitiere ich gerne wieder Bernd Weiß, langjähriges CSU-Mitglied und Staatssekretär a. D. -
Es ist einfach so schön, und ich freue mich über die Zwischenrufe, weil ich merke, dass ich bei Ihnen Emotionen auslöse, das muss in einer Debatte auch so sein. Ich zitiere:
Bei Seehofer gibt es gar keine Linie. Heute so, morgen so. Das ist wie ein schwerfälliger Sattelzug, wo einer vorne am Führerbock das Lenkrad hin- und herreißt und der Anhänger hinten ausbricht, herumschlingert, sich aufschaukelt.
Der Ministerpräsident beteuert in den Medien mit Blick auf die Studiengebühren, es gehe ihm um das soziale Bayern, was nichts anderes heißt, als dass die CSU in den letzten Jahren eine unsoziale Politik zulasten vieler junger Talente in Bayern gemacht hat. Die CSU hat viele Studierwillige und Studierfähige auf der Strecke gelassen. Die CSU hat viele junge Menschen im Stich gelassen, die gerne studiert hätten, denen aber die Kostenbarriere, die die CSU aufgebaut hatte, schlichtweg zu hoch war. Noch weiß in Bayern an den Hochschulen niemand, ob man dem Ganzen trauen kann.
Egal, ob Hochschulstudent oder Hochschulprofessor, es gibt niemand an den Hochschulen, der über das schwarz-gelbe Chaos derzeit nicht den Kopf schüttelt. Wir wissen nicht, wohin der Zug rollt. Eines ist klar: Wie auch immer das Volksbegehren ausgeht, eine SPD-geführte Bayerische Staatsregierung mit Christian Ude wird innerhalb der ersten hundert Tage die schwarz-gelbe Uni-Maut abschaffen und die Kosten aus dem Staatshaushalt vollständig kompensieren.
Beispiel neun. Herr Hacker, hören Sie zu, es betrifft indirekt auch die FDP.
Das betrifft in erheblichem Maße auch das Land Bayern. Ich meine den Euro und die Europapolitik. Hier macht die CSU mit Dobrindt und Söder auf der einen Seite, die Griechenland aus der Eurozone heraushaben wollen, und Hasselfeldt und Ferber auf der anderen Seite, die Griechenland retten wollen, einen schmerzhaften Dauerspagat. Politisch formuliert heißt das: Die CSU ist richtungslos und nicht handlungsfähig. Peter Gauweiler bezeichnete die roten Linien von Herrn Seehofer als Wanderdüne, aber Herr Seehofer weigert sich, im Bayerischen Landtag Rechenschaft abzulegen. Trotz wiederholter Aufforderung ist er nicht bereit, eine Regierungserklärung zur bayerischen Europapolitik abzugeben. Er bleibt die Erklärung schuldig, ob er sich die Einlassungen seines Finanzministers zu eigen macht, an den Griechen sei ein Exempel zu statuieren. Herr Ministerpräsident, es würde uns interessieren, ob Sie sich dafür gestern bei Herrn Samaras entschuldigt haben und ob dies auch ein Thema war.
Die Folgen für das exportorientierte Bayern sollte der Ministerpräsident mit Blick auf die konjunkturelle Entwicklung und die Arbeitslosigkeit ebenso darstellen
wie den Ansteckungseffekt für andere Euroländer. Der Ministerpräsident ist eigentlich in der Pflicht, die unmittelbaren Kosten für deutsche und bayerische Steuerzahler vollumfänglich zu beziffern, die mit einem Austritt Griechenlands aus der Eurozone verbunden wären, wie es aus seinen eigenen Reihen immer wieder gefordert wird. Noch nicht einmal seine eigene Europaministerin kann ihn bei dieser Debatte noch vertreten, denn Emilia Müller wurde von den eigenen Leuten in der Oberpfalz dermaßen abgestraft, dass sie allenfalls noch eine Ministerin auf Abruf ist.
Beispiel zehn, die zweite Stammstrecke: Fünfzehn Jahre lang war klar, dass Bund und Freistaat in der Finanzierungsverantwortung stehen. Im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Spitzenkandidatur von Christian Ude kam acht Wochen nach deren Ankündigung in der Staatskanzlei ganz plötzlich die Idee auf, die Münchner Bürgerschaft solle entgegen allen gesetzlichen Regelungen für die klammen Finanzen von Schwarz-Gelb im Bund und im Land bezahlen müssen. Der Ministerpräsident hatte zulasten der Pendler die zweite Tunnelröhre bereits im Frühjahr dieses Jahres im Alleingang per öffentliche Verlautbarung gegenüber den Medien beerdigt und für tot erklärt.
Wir haben es auch den CSU-Abgeordneten hier im Hohen Haus zu verdanken − Herr Bocklet, vielen Dank dafür -, dass dem Ministerpräsidenten das Heft des Handelns aus der Hand genommen wurde. Dafür war es höchste Zeit, denn Seehofers Spielereien mit diesem großen Projekt waren absolut unverantwortlich. Deshalb haben wir heute nicht wegen, sondern trotz dieses Ministerpräsidenten eine Perspektive, das Projekt der zweiten Stammstrecke in München endlich zu verwirklichen.
Beispiel elf, das Amerika-Haus: Zwei Jahre lang hatte die Staatsregierung die Kulturinstitution in München aus allen Rohren beschossen. Jetzt schlägt der Ministerpräsident überraschend seinen Purzelbaum. Das Ergebnis: Gleich drei Institutionen sind beschädigt, das Amerika-Haus, die Acatech und die Staatliche Lotterieverwaltung. Kein Problem ist gelöst, sondern ein Chaos sondergleichen ist ausgelöst.
Beispiel zwölf − und damit komme ich zum eigentlichen Thema, nämlich zum Haushalt und zu Bayerns Staatsverschuldung. Auch hier waren die Positionen von Horst Seehofer vielfältigst, Herr Schmid. Zunächst lieferte er sich mit dem Bayerischen Obersten Rechnungshof ein Rededuell über die Medien und sagte, es sei nicht hinnehmbar, dass der ORH eine
höhere Entschuldung einfordere. Er als Ministerpräsident lasse sich nicht dreinreden, so der Tenor, wann, ob und wie seine Regierung Schulden auf- oder abbaue. Kurze Zeit später kam auch zur Überraschung seiner eigenen Fraktion der erste rhetorische Salto vorwärts. Bayern solle, möge oder dürfe sich bis 2030 entschulden. Herr Seehofer ist dann 81 Jahre alt. Ein Entschuldungsgesetz mit festgelegten Tilgungsraten müsse erlassen werden. Ein solches Gesetz werde Finanzminister Söder noch im Herbst 2012 im Bayerischen Landtag vorlegen. Sogleich folgt der kalkulierte Salto rückwärts. Die Überschrift ist gesetzt, das Mediengetöse ist gelungen, und damit ist die Regierungsarbeit schon getan. Das Entschuldungsgesetz kommt natürlich nicht.
Der angebliche Plan ist im Kern genauso schnell wieder verworfen, wie er entworfen wurde. Er ist also hinfällig.
Schauen wir uns den aktuellen Haushalt an. Die tatsächlichen Tilgungen, die nun im Doppelhaushalt vorgenommen werden, sind bei Weitem nicht mehr so üppig, wie es bei der Klausurtagung der CSU großspurig angekündigt wurde. Wie es vonstatten geht, ist auch bemerkenswert: Die Versorgungsrücklage und der Versorgungsfonds werden abgeschafft. Der bayerische Pensionsfonds wird eingeführt. In den werden jährlich aber nur noch 100 Millionen eingezahlt. Das ist etwa so, wie wenn man zwei große Festgeldkonten mit Zuwachssparen abschafft und sie durch ein klitzekleines Sparschwein ersetzt, das man auch noch zu jeder Zeit mit dem Hammer zertrümmern kann. Bis Ende 2014 beträgt die Minderzuführung gegenüber der alten Rechtslage mindestens eine Milliarde Euro.
Das ist die Milliarde. Hemmungslos bedienen Sie sich an Opa Edmunds Sparschwein. Künftige Generationen werden diese Politik zu bezahlen haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wenn der Ministerpräsident heute von Zukunftsvorsorge und Generationengerechtigkeit spricht, ist das vor dem Hintergrund der nackten Fakten geradezu zynisch. Diese Regierung plündert die Rücklagen in einem Ausmaß, dass es einem geradezu die Sprache verschlägt. Wir Sozialdemokraten hatten im Übrigen auch einen kommunalen Entschuldungsfonds gefordert. Die Kommunen werden bei der Schuldentilgung aber nicht mitgenommen, obwohl sie innerhalb der staatlichen Organisation Teil der Länder sind. Wenn
der kommunale Schuldenanteil 28,9 % beträgt, wäre es nur recht und billig, kommunale Schulden in eben dieser Höhe zu tilgen. Dem haben Sie sich jedoch verweigert.
Ungeachtet der Seehoferschen Überschriftenproduktionen bleiben die harten Fakten. Richtig ist: Dieser Ministerpräsident steht für Schuldenaufbau, nicht für Schuldenabbau.
Keine andere Staatsregierung in der Geschichte des Freistaats Bayern seit 1945, Herr Kollege Schmid, hat in so kurzer Zeit so hohe Schulden aufnehmen müssen wie die Regierung von Horst Seehofer. Durch das Versagen der CSU bei der Landesbankaufsicht ist die Verschuldung des Freistaats um sage und schreibe 44 % gestiegen.