Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 120. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Meine Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich zwei Geburtstagsglückwünsche aussprechen. Am 9. Februar feierte Herr Kollege Dr. Karl Vetter einen runden Geburtstag, und am 15. Februar feierte der Vorsitzende der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, Herr Kollege Dr. Martin Runge, einen halbrunden Geburtstag.
Ich wünschen Ihnen im Namen des gesamten Hauses und persönlich alles Gute und weiterhin viel Erfolg für Ihre parlamentarische Arbeit.
Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der FDP-Fraktion "Verantwortungsvolles Haushalten für nachfolgende Generationen - Solidarischer und gerechter Länderfinanzausgleich!"
Für die heutige Sitzung ist die FDP-Fraktion vorschlagsberechtigt. Sie hat diese Aktuelle Stunde beantragt.
In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion erhält einer ihrer Redner bis zu zehn Minuten Redezeit; dies wird auf die Anzahl der Redner der jeweiligen Fraktion angerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung für mehr als zehn Minuten das Wort, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zahl der Redner dieser Fraktion zu sprechen.
So viel als Eingangsinformation. Wir kommen nun zur Aussprache. Als Erster hat Herr Kollege Karsten Klein von den Freien Demokraten das Wort. Bitte schön, Herr Kollege. Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aktuelle Stunde zum Thema "Verantwortungsvolles Haushalten für nachfolgende Generationen − Solidarischer und gerechter Länderfinanzausgleich!" hat einen äußerst aktuellen Hintergrund. Anfang Februar haben die Bayerische Staatsregierung und die Hessische Landesregierung gemeinsam beschlossen, eine
Klage vor dem Bundesverfassungsgericht einzureichen. Wir erwarten die Klageeinreichung bis Ende Februar. Deshalb ist es mehr als geboten, dass sich auch der Bayerische Landtag heute mit diesem Thema befasst.
Aktuell bestreitet Bayern fast die Hälfte des Länderfinanzausgleichsvolumens aus seinen Steuermitteln. Bayern hat in den 60 Jahren des Bestehens der Bundesrepublik große Unterstützung aus dem Länderfinanzausgleich bekommen und hat sich mithilfe dieser Unterstützungsleistungen vom Nehmerland zum Geberland entwickelt. Wir sind für diese Unterstützung und diese Solidarität sehr dankbar. Aber wir haben diese Solidarität schon mit dem Zehnfachen zurückgezahlt. Die Größe des bayerischen Anteils am Länderfinanzausgleich nimmt stetig zu. Das wird vor allem deutlich, wenn man den prozentualen Anteil am Gesamtvolumen berechnet. 2008 betrug unser Anteil noch knapp 40 %. Mittlerweile liegen wir mit fast 4 Milliarden Euro bei 50 %; die Tendenz für 2013 und 2014 ist nach wie vor steigend.
Die Gesamtumstände in der Bundesrepublik sind recht ähnlich. Bayern hat es wie kein anderes Bundesland geschafft, von einem Nehmer zu einem Geber zu werden. Allerdings haben zwei Länder den umgekehrten Weg geschafft. Nordrhein-Westfalen und mittlerweile auch Hamburg sind von Gebern zu Nehmern geworden.
- Das sind die aktuellen Zahlen. Man kann nur feststellen, dass der Hintergrund für diese Veränderungen politische Entscheidungen in den jeweiligen Ländern sind, und das macht politisches Handeln nötig.
Unsere Grundsätze für eine Neuausrichtung des Länderfinanzausgleichs bestehen darin, dass die Anstrengungen für eine Steigerung der Wirtschaftskraft stärker zu honorieren sind, dass Schuldenabbau belohnt werden soll und dass mehr Anreize zu schaffen sind, wirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen zu treffen.
Zu dieser Gesamtsituation kommt ein historisches Ereignis hinzu. Wir haben uns gemeinsam mit einer großen Mehrheit auf Bundesebene für die Einführung der Schuldenbremse ausgesprochen. Allerdings ergibt mittlerweile schon eine Vielzahl sachlicher Erhebungen, dass ein Bundesland offensichtlich ganz bewusst diese Schuldenbremse nicht einhalten will: NordrheinWestfalen.
Nach unserer Auffassung muss sich dies in der Neuaufstellung des Länderfinanzausgleiches niederschlagen.
Ich darf an dieser Stelle festhalten: In der Situationsanalyse finden wir eine Schieflage vor. Aufgrund unserer Beobachtungen sind wir der Meinung, dass das politische Gründe hat. Deshalb haben wir schon 2010 einen Prozess gestartet, um den Länderfinanzausgleich zwar solidarisch, aber gerechter auszugestalten. Dazu haben die FDP-Fraktionen in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg gemeinsam ein Gutachten in Auftrag gegeben, das sich in allererster Linie mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des bestehenden Länderfinanzausgleichs auseinandersetzen sollte. Dieses Gutachten, das am 24. September 2010 vorgestellt worden ist, kommt zu dem Urteil, dass der aktuelle Länderfinanzausgleich verfassungswidrig ist. Ich will nicht alle Gründe aufzählen, sondern nur zwei oder drei nennen. Wir haben dazu gleich am 19. Oktober 2010 eine Aktuelle Stunde durchgeführt.
Die allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen missachten eklatant das Nivellierungsverbot. Wir haben zudem bei zwei von drei Sonderbedarfszuweisungen Verfassungswidrigkeit festgestellt, und die überdurchschnittlich hohen Kosten politischer Führung sind nach wie vor nicht mehr tragbar. 10 von 16 Ländern bekommen aus diesem Topf Geld. Dieses Gutachten, das wir am 19. Oktober 2010 auch parlamentarisch behandelt haben, öffnet die Tür für einen weiteren Schritt hin auf dem Weg zu einer Neuausrichtung des Länderfinanzausgleiches.
Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir permanent bemüht waren, hier in diesem Hause nicht nur mit den Kolleginnen und Kollegen der CSU gemeinsam einen Weg zu finden − wir haben ihn auch gefunden -, sondern dass wir auch versucht haben, mit der Opposition einen Weg zu finden. Es ist jedoch unmöglich gewesen, hierbei gemeinsam einen Weg zu beschreiten.
Seit dieser ersten Aktuellen Stunde am 19. Oktober 2010 kamen bei jeder Behandlung des Themas in der Folge von Ihrer Seite nur Häme, Vorwürfe und Populismus.
Sachdienliche Lösungsansätze: Fehlanzeige. Sie haben sich der Diskussion verweigert, was ich nur sehr bedauern kann.
Zudem haben wir am 23. März 2012 ein zweites Gutachten in Auftrag gegeben. Es wurde am 23. November 2012 vorgestellt. Dieses Gutachten hat sich mit einer Neuausrichtung und mit Ergebnissen bzw. Neuausrichtungsmerkmalen befasst.
- Dieses Gutachten wurde in einer Pressekonferenz in diesem Hause öffentlich vorgestellt. Das geschah durch den Fraktionsvorsitzenden der FDP, Thomas Hacker, und durch die Fraktionsvorsitzenden der FDP in Hessen und Baden-Württemberg. Es war eine öffentliche Veranstaltung, zu der Sie recht herzlich eingeladen waren. Wir sind bereit, jederzeit mit Ihnen Diskussionen darüber zu führen. Ich kann nur feststellen, dass die SPD überhaupt kein Konzept vorgelegt hat und das Konzept, das von den GRÜNEN bekannt ist, mehr als mangelhaft ist. Zudem fordert es einen Systemwechsel, dem wir nicht nähertreten können.
Wir wollen keinen Richtungswechsel von einem horizontalen zu einem vertikalen Finanzausgleich. Wir unterscheiden uns schon in der Grundintention.
Ich umreiße ganz kurz die Merkmale eines neuen, verfassungsrechtlich gebotenen Finanzausgleiches. Das Gutachten fordert eine stärkere Anreizorientierung. Wir wollen die Möglichkeit eines Konsolidierungsbonus. Wir möchten auch, dass die Verteilungsmechanismen nicht mehr nur allein mit dem Wohnortprinzip verbunden werden, sondern auch mit dem Betriebsstättensystem. Wir wollen eine größere Steuerautonomie der einzelnen Länder. Deshalb fordern wir hinsichtlich der Lohn- bzw. Einkommensteuer den Übergang zu einer hälftigen Aufteilung nach dem Wohnort- und nach dem Betriebsstättenprinzip. Der Umsatzsteuervorausgleich ist abzuschaffen. Wir befürworten im horizontalen Länderfinanzausgleich den Wechsel von einem Finanzkraftausgleich hin zu einem Ressourcenausgleich. Zudem plädieren wir für die Einführung von Zuschlagsrechten bei der Einkommen- und der Körperschaftsteuer.
Mit diesem Konzept gehen wir jetzt den nächsten Schritt in Richtung Neuordnung des Finanzausgleichs. Ich möchte auch an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es in diesem Prozess, der 2010 einge
leitet worden ist, permanent Verhandlungsangebote an die Nehmerseite gab. Auch der Opposition in diesem Haus haben wir Diskussionsangebote unterbreitet. Es gibt keine einzige ernsthafte Reaktion der Nehmerseite, die darauf gezielt hätte, mit uns gemeinsam zu einer Neuaufstellung beim Länderfinanzausgleich kommen zu wollen.
Deshalb ist es nur konsequent, dass die Länder Hessen und Bayern − wir waren einmal zu dritt; seit der politischen Änderung in Baden-Württemberg ist dort aber die Verantwortung etwas beeinträchtigt − jetzt den Klageweg nach Karlsruhe gehen. Wir möchten, dass Bundesländer wie Bayern, die ihren Haushalt konsolidieren, nicht unverhältnismäßig die Neuverschuldung von anderen Bundesländern − wie Nordrhein-Westfalen − bezahlen müssen.
Wir möchten, dass Anreize geschaffen werden, um langfristig Prosperität und Verbesserungen der eigenen Finanzkraft erreichen zu können. Notwendig ist eine Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, wie ich sie vorhin skizziert habe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Forderungen sind nicht Ausdruck von Populismus, sondern wir betreiben ernsthafte Politik im Interesse der Bürgerinnen und Bürger des Freistaates Bayern.
Wir haben die Aufgaben, die Interessen Bayerns zu vertreten. Die Steuereinnahmen bei uns steigen. Wir sind solidarisch. Aber ich habe vorhin skizziert, aus welchen Gründen dieser Finanzausgleich aus dem Ruder gelaufen, das heißt, aus dem Gleichgewicht geraten ist.
Deshalb ist es richtig, dass wir gemeinsam die Neuordnung auf den Weg bringen. Ich kann Sie alle nur dazu auffordern, heute dem einschlägigen Dringlichkeitsantrag der Fraktionen von CSU und FDP zuzustimmen. Es wird sich zeigen, ob Sie Ihrer Verantwortung, wie Sie hier behaupten, tatsächlich gerecht werden.
Lassen Sie mich zum Schluss den Spannungsbogen weiterführen. Nachher werden sicherlich die üblichen Vorwürfe erhoben. Aber ich kann hier nicht vorweg auf alle Fragen eingehen. Das machen wir in der
Wir haben zunächst eine Situationsanalyse angefertigt und dann festgestellt, dass der Finanzausgleich in seiner aktuellen Ausgestaltung verfassungswidrig ist. Ferner ist deutlich geworden, dass die Schieflage des Finanzausgleichs aus politischem Handeln erzeugt worden ist. Wir haben anschließend ein Konzept zur Reform des Finanzausgleichs entwickelt und auf den Weg gebracht. Während dieser ganzen Zeit gab es Verhandlungsangebote an die Nehmerseite, die aber nicht angenommen wurden. Deshalb ist es konsequent, dass wir jetzt die Klage einreichen. Das wird Ende Februar passieren. − Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön, Herr Kollege Klein. − Als Nächster hat Kollege Georg Schmid von der Christlich-Sozialen Union das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Um es vorweg zu sagen: Bayern ist solidarisch. Wir sind uns unserer föderalen Verantwortung bewusst. Bayern hat bis 1992 dreieinhalb Milliarden Euro aus dem Länderfinanzausgleich erhalten. Jetzt zahlen wir allerdings diese Summe jährlich in den Länderfinanzausgleich ein. Bald werden es 40 Milliarden Euro sein, die wir eingezahlt haben. Angesichts dessen brauchen wir uns niemals dem Vorwurf auszusetzen, wir wären nicht solidarisch. Wir sind solidarisch!