Protocol of the Session on November 9, 2011

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Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 87. Vollsitzung des Bayerischen Landtags.

Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Sie ist wie immer vorab erteilt worden.

Ich darf Sie bitten, zunächst zwei ehemaliger Kollegen zu gedenken.

(Die Anwesenden erheben sich)

Am 27. Oktober verstarb im Alter von 85 Jahren unser ehemaliger Kollege Ewald Lechner. Er gehörte dem Hohen Haus von 1970 bis 1990 an und vertrat für die CSU-Fraktion den Stimmkreis Dingolfing.

Ewald Lechner war Mitglied in verschiedenen Ausschüssen, unter anderem im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr und im Ausschuss zur Information über Bundesangelegenheiten und Europafragen. Neben seinen parlamentarischen Aufgaben war er Präsident des Fischereiverbandes Niederbayern, Mitglied im Arbeitskreis Mittelstand Landwirtschaft sowie im Beamtenbund. Als anerkannter Wirtschaftsfachmann hat er sich besonders intensiv für die Infrastruktur in den Gemeinden und Landkreisen eingesetzt und sich damit gerade in seiner Heimat bleibende Verdienste erworben.

Am 30. Oktober verstarb im Alter von 88 Jahren Herr Staatsminister a. D. Dr. Karl Hillermeier. Er gehörte dem Bayerischen Landtag von 1962 bis 1990 an und vertrat für die CSU-Fraktion den Stimmkreis Neustadt an der Aisch - Bad Windsheim in Mittelfranken. 1966 wurde er Staatssekretär im Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge, 1974 Justizminister, später Innenminister und Minister für Arbeit und Sozialordnung. Von 1977 bis 1988 war er stellvertretender Ministerpräsident. In seiner Amtszeit gehörte er auch dem Krisenstab der Bundesregierung bei der Schleyer-Entführung und der Entführung der Lufthansamaschine "Landshut" nach Mogadischu an. Im Parlament war er Mitglied des Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Kommunalfragen. Im März 1989 war er Mitglied der Bundesversammlung.

Karl Hillermeier hat Bayern während seiner langen Laufbahn so entscheidend wie nur wenige andere mitgeprägt: als Landtagsabgeordneter, als Mitglied der Staatsregierung und als Kommunalpolitiker im Kreistag von Uffenheim.

Für sein Wirken wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Großen Bundesverdienst

kreuz mit Stern und Schulterband, mit der Bayerischen Verfassungsmedaille in Gold und der Kommunalen Verdienstmedaille in Gold. Bei allen Verdiensten und Ehrungen ist Karl Hillermeier bodenständig seiner fränkischen Heimat verbunden und dem Glauben nahe geblieben. Das Christsein in der Politik hat er stets glaubwürdig gelebt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, in dieser Stunde gilt unser Mitgefühl auch der Familie des Augsburger Polizisten Mathias Vieth, der im Dienst ermordet worden ist. Wir sind entsetzt und verurteilen aufs Schärfste diese brutale Gewalttat gegen jemanden, der in unser aller Auftrag unterwegs war, um für Schutz und Sicherheit zu sorgen. Unsere Gedanken sind bei seiner Frau, den beiden Söhnen und der gesamten Familie.

Der Bayerische Landtag wird den Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Schülerinnen und Schüler, der heutige Plenartag fällt auf den 9. November. Der 9. November ist in der deutschen Geschichte ein Datum mit hoher Symbolkraft.

Der Tag ist untrennbar mit dem Ausbruch von Gewalt gegenüber jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern verbunden. Am 9. November 1938, in der Reichspogromnacht, wurden mehr als 1.300 Menschen ermordet. Das war der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die sich im unfassbaren millionenfachen Sterben in den Vernichtungslagern fortsetzte und erst mit deren Befreiung durch die Alliierten ein Ende nahm.

Wenn wir der Verantwortung, die mit unserer Vergangenheit eng verbunden ist, gerecht werden wollen, dürfen wir niemals nachlassen, Demokratie und Rechtsstaat couragiert zu verteidigen, die Rechte von Minderheiten zu schützen und jeder Art von Menschenrechtsverletzung Einhalt zu gebieten. Der 9. November wird uns stets eine Mahnung an das Geschehene und unsere Verantwortung für Gegenwart und Zukunft sein.

Der 9. November ist aber auch ein Tag der Freude. Denn heute vor 22 Jahren gipfelte die friedliche Revolution in der DDR im Fall der Mauer, die unser Land jahrzehntelang geteilt hat. Unser Dank gilt deshalb den Bürgerinnen und Bürgern, die der Deutschen Einheit damals durch ihren Mut und ihre Umsicht den Weg bereitet und zu einem Epochenwandel in ganz Europa beigetragen haben.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich gehe nun zur Tagesordnung über und rufe den

Tagesordnungspunkt 1 auf:

Zustimmung gem. Art. 45 BV zur Berufung von Mitgliedern der Staatsregierung

Das Wort hat hierzu der Herr Ministerpräsident. Bitte sehr, Herr Ministerpräsident.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach vier Jahren im Kabinett ist Staatsminister Georg Fahrenschon auf seinen Wunsch aus dem Regierungsamt ausgeschieden. Georg Fahrenschon übergibt ein wohlbestelltes Haus: Die Finanzen des Freistaates Bayern sind geordnet, Bayern ist ein Vorreiter der Stabilitätskultur.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Georg Fahrenschon hat sich große Verdienste um Bayern erworben. Dafür gebührt ihm nicht nur der Dank dieses Hohen Hauses. Ich sage auch ganz persönlich herzlichen Dank für drei Jahre große Loyalität und vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Ich wünsche Georg Fahrenschon für die neue, bedeutende Aufgabe von Herzen Glück und viel Erfolg und verbinde damit den Wunsch, dass er auch in der neuen Position den Blick ständig und immer wohlmeinend auf Bayern richtet. Alles Gute!

(Anhaltender Beifall bei der CSU und der FDP - Beifall bei Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Ich habe den Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Finanzen auf Herrn Dr. Markus Söder übertragen, der in den nächsten Tagen große Aufgaben für Bayern zu bewältigen hat: den Nachtragshaushalt 2012, den kommunalen Finanzausgleich und das laufende Beihilfeverfahren für die Landesbank in Brüssel. Ich wünsche Dr. Markus Söder viel Erfolg bei diesen Aufgaben.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich habe den Geschäftsbereich für Umwelt und Gesundheit Herrn Staatsminister Dr. Marcel Huber übertragen. Es ist sein Heimatressort. Er hat damit für unser Land im Bereich der Umwelt, der Gesundheit und der Energie auch sehr, sehr wichtige Aufgaben, und er hat gemeinsam mit dem Kollegen Martin Zeil die Hauptlast der Energiewende in Bayern zu tragen. Auch dafür viel Erfolg.

(Beifall bei der CSU, der FDP und Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Ich schlage dem Hohen Hause folgende personelle Veränderungen der Staatsregierung vor, für die ich um Zustimmung des Bayerischen Landtags bitte:

Erstens. Die Berufung von Herrn Thomas Kreuzer, Mitglied des Bayerischen Landtags und Staatssekretär im Staatsministerium für Unterricht und Kultus, zum Staatsminister mit der Sonderaufgabe Leiter der Staatskanzlei gemäß Artikel 50 Satz 1 der Bayerischen Verfassung.

Zweitens. Die Berufung von Herrn Bernd Sibler, Mitglied des Bayerischen Landtags, zum Staatssekretär im Staatsministerium für Unterricht und Kultus.

Verehrte Frau Präsidentin, ich bitte Sie, dazu die erforderliche Entscheidung des Bayerischen Landtags gemäß Artikel 45 der Bayerischen Verfassung herbeizuführen.

Danke schön, Herr Ministerpräsident.

Sie haben, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Veränderungen vom Herrn Ministerpräsidenten hier im Hohen Hause jetzt auch offiziell erfahren. Ich eröffne die allgemeine Aussprache; es ist selbstverständlich auch eine Aussprache vorgesehen. Wir haben hierzu gemeinsam eine Redezeit pro Fraktion von zehn Minuten vereinbart. Ich darf als Erstem dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Herrn Markus Rinderspacher, das Wort erteilen. Bitte schön.

Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Fahrenschon hat bekannt gegeben, dass er sein Glück künftig in der weiten Distanz zu Ministerpräsident Seehofer suchen wird,

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

und es ist unübersehbar: Der Minister flüchtet sich in eine berufliche Sicherheit, die bei Schwarz-Gelb in München und in Berlin auf Dauer nicht mehr gewährleistet ist.

(Beifall bei der SPD - Zuruf des Abgeordneten Thomas Hacker (FDP))

Auch das zweite Motiv ist kein Geheimnis: Die politische Flexibilität seines Vorgesetzten auch in haushaltsrelevanten Sachfragen hat dem Finanzminister immer wieder den Schweiß auf die Stirn getrieben.

Herr Fahrenschon, als SPD-Fraktion haben wir Sie als menschlich angenehmen Ansprechpartner des Bayerischen Landtags empfunden und angesichts der

politischen Lage in Bayern haben wir Verständnis für Ihren Fluchtinstinkt.

(Beifall bei der SPD)

Aber: Bei aller Sympathie muss ich auch festhalten, dass Sie einige Ihrer Hausaufgaben nicht erledigt haben: Beim Tilgungsplan zur Rückzahlung des Landesbankkredits - 10 Milliarden Euro plus knapp 660 Millionen Euro Zinsen bis heute - Fehlanzeige; bei einer nachhaltigen Finanzausstattung der bayerischen Kommunen Fehlanzeige; mehrfach hatten Sie ein Verhandlungsergebnis mit anderen Bundesländern über eine Neugestaltung des Länderfinanzausgleichs angekündigt oder wenigstens erste Schritte; auch hier Fehlanzeige.

(Zuruf von der CSU)

Nach knapp 1.100 Tagen im Amt konnten Sie hier keine Ergebnisse vorlegen.

Wir gehen im guten Glauben davon aus, dass Sie, Herr Fahrenschon, in den letzten Wochen im EU-Beihilfeverfahren zur BayernLB ausschließlich die Interessen der Steuerzahler im Freistaat Bayern vertreten haben und nicht die der bayerischen Sparkassen, und die Ergebnisse des Verfahrens werden wir zu einem späteren Zeitpunkt im Lichte Ihres Wechsels auf die andere Seite bewerten.

Aber unabhängig davon halten wir als SPD-Fraktion Sie für geeignet für das Amt, das Sie anstreben. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg, und im Namen der SPDFraktion wünsche ich Ihnen für Ihren weiteren beruflichen Weg alles Gute.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ministerpräsident Horst Seehofer wollte mit einer schnellen Nachbesetzung Handlungsfähigkeit beweisen - und hat das Gegenteil dessen demonstriert. Reihenweise hat es Absagen gehagelt.