Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 47. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Sie wurde wie immer vorab erteilt.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich noch einen Geburtstagsglückwunsch aussprechen. Am 24. April feierte Herr Kollege Heinrich Rudrof einen halbrunden Geburtstag.
Herzlichen Glückwunsch vonseiten des Hohen Hauses, gute Gesundheit und weiterhin ein fröhliches Schaffen und viel Erfolg.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor wenigen Tagen jährte sich zum 65. Mal die Befreiung der Konzentrationslager in Flossenbürg und in Dachau. Am 23. April 1945 befreiten amerikanische Truppen die 1.500 verbliebenen schwerkranken Häftlinge in Flossenbürg. Sechs Tage später erlebten dann auch die 32.000 Überlebenden in Dachau das Ende von Hunger, Erniedrigung, Folter und Todesangst.
Einer von ihnen war der in München geborene französische Historiker Joseph Rovan. Er beschrieb später in seinem Buch "Geschichten aus Dachau" die überwältigende Freude, als plötzlich am Nachmittag ein Jeep in dem nun weit geöffneten Eingangstor des Konzentrationslagers stand. Mit bewegenden Worten gibt Rovan seine Empfindungen wieder, als ihm und seinen Kameraden endlich die Freiheit geschenkt wurde. Ich zitiere:
Jetzt, da es keinen Grund mehr gab, Angst zu haben, spürte ich eine große Leere in mir, eine abgrundtiefe Erschöpfung, aus der ich, wie mir schien, nie mehr würde auftauchen können. Ich ließ den Lärm, die Freudenschreie, den Trubel, das Stöhnen der Kranken und das Röcheln der Sterbenden hinter mir, begab mich in die Kapelle und ließ mich in der Dunkelheit nieder, die mir im Licht einiger weniger Kerzen noch undurchdringlicher schien. Ich setzte mich und atmete langsam durch, um meinen Herzschlag zu beruhigen. Ich glaube nicht, dass ich wirklich gebetet habe, ich habe auch an nichts Bestimmtes gedacht. Ich lauschte einfach in die Stille hinein, die nach und nach die Leere durchdrang. Es war wie ein kurzer Augenblick der Gnade.
Beim Lesen dieser Worte können wir vielleicht etwas von dem erahnen, was die Befreiung damals für die
Häftlinge bedeutet haben muss. Je länger jedoch die Gräueltaten zurückliegen, die sich in den Jahren zuvor hinter den Mauern und Zäunen der Konzentrationslager ereignet haben, umso mehr drohen sie aus dem Blick zu verschwinden. Gerade deshalb müssen wir jedem einzelnen Opfer sein Gesicht und seinen Namen zurückgeben, damit die Erinnerung an ihr Schicksal nicht in Vergessenheit gerät. Auch wir im Bayerischen Landtag leisten dazu auf verschiedene Weise unseren Beitrag.
Ich darf Ihnen einige Beispiele nennen: Seit drei Jahren erinnern eine Gedenktafel und eine umfassende Dokumentation im Kreuzgang an die Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die 1933 im Bayerischen Landtag mutig gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt haben und durch das NS-Regime verfolgt und in Konzentrationslagern gequält wurden.
Neben dem Gedenkplatz - ich gehe davon aus, dass Sie es schon gesehen haben - steht heute und an den kommenden drei Tagen das Kunstwerk "Die goldene Stahlblume". Es ist ein Symbol der Bitte um Vergebung, eine Ehrenbezeugung für die ermordeten unschuldigen Menschen, aber auch ein Zeichen der Versöhnung und des Neubeginns. Die Schöpferin dieses eindrucksvollen Exponats ist die Künstlerin Barbara Alfen, die ich auf der Besuchertribüne ganz, ganz herzlich begrüßen darf. Verehrte Frau Alfen, ich danke Ihnen sehr, sehr herzlich, dass Sie dem Bayerischen Landtag Ihr Kunstwerk vorübergehend zur Verfügung stellen. Herzlichen Dank.
Des Weiteren werde ich übermorgen eine Gruppe ehemaliger Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau im Landtag zu einem Empfang begrüßen. Diese Geste ist mir besonders wichtig; denn ich meine, es gehört sich, dass das oberste Verfassungsorgan den letzten Augenzeugen von damals seine Achtung und seinen Respekt erweist.
Ich habe unlängst in einem Gespräch mit dem Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Herrn Kollegen Karl Freller, sowie Vertretern der bayerischen KZ-Gedenkstätten erörtert, wie wir künftig die Veranstaltungen zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar gestalten wollen. Wir waren uns in dem Gespräch einig, dass wir die Gedenkfeiern in Zukunft gemeinsam mit der Stiftung durchführen wollen, und wir werden uns überlegen, wie wir dabei auch die Gedenkstätten besser mit einbeziehen können.
Die Stiftung hat - wie Sie wissen - die KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg übernommen und pflegt sie als Mahnmale gegen das Vergessen, als Orte des Er
innerns und Gedenkens, aber auch als Lernorte, besonders für unsere junge Generation. Es ist uns ganz besonders wichtig, dass vor allem die jungen Menschen erfahren, wie es damals tatsächlich war, damit sie nicht heute auf die verführerischen Parolen von extremistischen Gruppen hereinfallen. Wir wollen und müssen die Erinnerung an das Geschehen bewahren, aber nicht nur bewahren, sondern auch weitergeben. Das schulden wir unseren Kindern und Enkeln, damit sie das Grauen der Vergangenheit nicht noch einmal erleben müssen.
Wir schulden es aber auch den Überlebenden von damals. Einer von ihnen ist Herr Jack Terry, der Sprecher des Internationalen Flossenbürg Komitees, den wir 2009 mit der Verfassungsmedaille in Silber ausgezeichnet haben. Wie sehr für ihn das Vergangene immer noch präsent ist, hat er einmal so ausgedrückt:
Als ich zum 50. Jahrestag der Befreiung nach Flossenbürg zurückkehrte, träumte ich in der ersten Nacht hier von meinem Vater. Das heißt, das alles begleitet einen immer. Wenn ich deshalb davon spreche, dass das Konzentrationslager Flossenbürg befreit wurde, achte ich sehr darauf, nicht zu sagen, dass ich befreit wurde. Weil ich niemals von den Erfahrungen und den Verlusten befreit werden kann. Sie sind immer gegenwärtig.
In diesem Sinne darf ich Sie nun bitten, sich zum ehrenden Gedenken an die Menschen, die der Willkür und der Gewalt des Nationalsozialismus zum Opfer gefallen sind, und zu Ehren der Überlebenden zu einer Schweigeminute von Ihren Plätzen zu erheben. - Ich danke Ihnen.
Ministerbefragung gem. § 73 GeschO auf Vorschlag der SPD-Fraktion "Bayern auf der Standspur - jetzt endlich Elektromobilität in Fahrt bringen!"
Die vorschlagsberechtigte SPD-Fraktion hat als Thema für die heutige Ministerbefragung das Thema "Bayern auf der Standspur - jetzt endlich Elektromobilität in Fahrt bringen" benannt. Zuständig für die Beantwortung ist der Staatsminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie. Herr Staatsminister, vielen Dank, Sie sind schon an das Rednerpult getreten. Ich darf für die erste Frage dem Vorsitzenden der SPDFraktion, Herrn Kollegen Rinderspacher, das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, Herr Staatsminister! Im Jahr 2008 wurden in Bayern von 6,8 Millionen Fahrzeugen gerade einmal 24 Pkw mit
Elektroantrieb angemeldet. Vergangenes Jahr waren es gerade einmal 27. Ich denke, diese Zahlen machen deutlich: Bayern steht in Sachen Elektromobilität absolut auf der Standspur. Herr Staatsminister, würden Sie mir recht geben, dass die Staatsregierung die rasante Entwicklung in den vergangenen Jahren, insbesondere in den Jahren 2007 und 2008, geradezu verschlafen hat und Sie als neuer Wirtschaftsminister auf diesem Feld geradezu bei null anfangen mussten?
Diese Zahlen machen auch deutlich, dass es vor diesem Hintergrund fast schon vermessen ist, wenn im Jahr 2020 200.000 E-Mobile auf Bayerns Straßen unterwegs sein sollen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Politik zu wenig tut und die notwendigen Rahmenbedingungen nicht schafft. Ich denke - darüber gibt es wohl auch hier im Plenum Einigkeit -, dass das E-Mobil Zukunft hat. Sein volles Potenzial für den Klimaschutz entfaltet das Elektrofahrzeug bei der Verwendung von Strom aus regenerativen Energiequellen. Unser Ziel muss annähernd das Null-Emissions-Fahrzeug sein, das mit Strom aus regenerativen Energiequellen angetrieben wird.
Herr Kollege Erwin Huber hat Ihnen in den letzten Tagen sinngemäß vorgeworfen, Sie seien derjenige gewesen, der die aktuelle Entwicklung gewissermaßen verschlafen habe. Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich dem nicht zwangsläufig widersprechen möchte. Ich erkenne aber auch, dass Herr Huber es in der Hand gehabt hätte, in den vergangenen Jahren all das in Gang zu setzen, was er jetzt fordert, nämlich einen Masterplan mit konkreten Etappenschritten, mit entsprechenden Maßnahmenpaketen sowie einem Beauftragten für Elektromobilität.
Die politische Antriebslosigkeit in Sachen Elektromobilität scheint mir auch bei Ihnen als Mitglied der gegenwärtigen Staatsregierung augenscheinlich. Gerade einmal 5 Millionen Euro hat die Staatsregierung im Haushalt des vergangenen Jahres etatisiert. Das ist überaus mager. Denken wir an China: 1 Milliarde an Förderungen.
Denken Sie an die USA: 2,4 Milliarden an Förderungen. Aber auch im bundesdeutschen Vergleich sind die Maßnahmen bescheiden. Im Nachbarland BadenWürttemberg wird die Elektromobilität mit 15 Millionen Euro gefördert, und Herzstück ist hier die Landesagentur Elektromobilität. Dabei werden Aktivitäten und För
dermaßnahmen besser verzahnt. Sind Sie bereit, eine Landesagentur nach dem Modell von Baden-Württemberg auch in Bayern zu installieren?
Herr Minister, gestern gab es gewissermaßen symbolhaft ein Zeichen, wie es um die Elektromobilität in Bayern steht. Es gab den Spatenstich, verbunden mit einer Pressemitteilung Ihrer Seite, in Erlangen. Dort wurde ein Erweiterungsbau des Fraunhofer-Instituts von Ihnen eröffnet. Sie haben das als Beitrag zum Ausbau des Forschungsschwerpunkts Elektromobilität gefeiert.
Der Herr Minister mit dem Spaten in der Hand - so sieht das in Bayern aus -, und anderswo Elektroautos, die bereits serienmäßig von den Bändern laufen. Das ist die Realität.
In der Diskussion stehen aktuell Markteinführungsprämien; in China 6.500 Euro, in Frankreich wird ein Bonus von 5.000 Euro bezahlt. Wird es in Bayern solche Prämien geben?
Wird sich die Staatsregierung dafür einsetzen, dass auf E-Mobile keine Kfz-Steuer erhoben wird? Welche Anreize im Verkehrsrecht schweben Ihnen vor, auch wenn diese in der Gesamtschau vielleicht von geringer Relevanz sind? Ich denke an die bevorzugte Nutzung von Busspuren und kostenloses Parken in Innenstädten. In Frankreich wurde die Anschaffung von 100.000 Elektrofahrzeugen bis 2015 durch staatliche und private Unternehmen beschlossen. Wird der Freistaat einen Anteil seines Fuhrparks auf E-Mobile umstellen? Ab wann und in welcher Größenordnung?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Rinderspacher, Ihre Frage gibt mir Gelegenheit, Sie sozusagen ganz frisch und aktuell über die Beschlüsse des Kabinetts zu unterrichten. Ich bin der Opposition natürlich sehr dankbar, dass das damit ermöglicht wird.
Ich will auch sagen, dass vieles durchaus auch schon vor meiner Amtszeit auf den Weg gebracht worden ist. Aber da ist vielleicht der eine oder andere auch noch mehr in der Wahrnehmung seiner eigenen Tätigkeit befangen. Ich will betonen, diese Staatsregierung hat, seit sie im Amt ist, diesem Thema allerhöchste Priorität beigemessen. Ich kann heute feststellen, Bayern ist nicht auf der Standspur, sondern seit Langem und verstärkt in den letzten eineinhalb Jahren auf der Überholspur in Sachen Elektromobilität.
Ich darf übrigens daran erinnern, dass es die FDP-Bundestagsfraktion war, die im November 2008 bei der damaligen schwarz-roten Bundesregierung bessere Rahmenbedingungen für die Förderung von Elektrofahrzeugen gefordert hat. Die Frage ist immer, wer hier was vorangetrieben und wer blockiert hat.
Die Aktivitäten der bayerischen Fahrzeughersteller sprechen für sich. Die Automobilindustrie ist eine der wichtigsten Exportbranchen der deutschen und bayerischen Wirtschaft. Deutschland hat - das ist auch der Wille der Bundesregierung - das Zeug dazu, um auf dem Markt für Elektromobilität zu bestehen. Dieses Ziel wird von der Staatsregierung nachhaltig unterstützt und durch eigene Initiativen ergänzt.
Audi, BMW und MAN arbeiten gemeinsam mit ihren Zulieferern mit Hochdruck an der Entwicklung von Fahrzeugen mit Elektro- und Hybridantrieb. Audi entwickelt in einem eigens gegründeten Projekthaus ein integriertes Konzept für elektrische Antriebe im Fahrzeug. Das Förderprojekt wird unter der Bezeichnung "ePerformance" vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 22 Millionen Euro unterstützt und bindet Institute aus Forschung und Industrie ein, unter anderem natürlich die TU München und die FraunhoferGesellschaft mit ihren hohen Kompetenzen.
BMW setzt im Rahmen des "project i" ebenfalls auf eine ganzheitliche Betrachtung des Fahrzeugs. Das "project i" ist ein F&E-Projekt, mit dem neue Beförderungsstrategien und Fahrzeugarchitekturen für den weltweiten Einsatz in den weiter wachsenden MegaCitys entwickelt werden sollen. Der auch in München im Praxistest eingesetzte Mini-E ist ein erstes Produkt dieses Projekts. Ein weiterer Schwerpunkt liegt für BMW auf dem Einsatz von Leichtbauwerkstoffen, insbesondere der Carbonfaser. Die MAN Nutzfahrzeuge AG startet noch im Sommer 2010 einen europaweiten Kundeneinsatz mit emissionsarmen HybridStadtbussen im ÖPNV in Ergänzung zu den heutigen Bustypen.
Diese enormen Anstrengungen - deswegen wollte ich das ganz konkret machen - der bayerischen Hersteller sind natürlich auch auf die positiven Rahmenbedingungen zurückzuführen, die die Unternehmen im Freistaat vorfinden. Im Interesse der bayerischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesen Unternehmen möchte ich die mit dem Titel der heutigen Ministerbefragung verbindbare Unterstellung, die bayerischen Unternehmen würden die Elektromobilität verschlafen, in aller Deutlichkeit zurückweisen.
Die Staatsregierung hat die Zukunftsinitiative "Elektromobilität" mit einem Expertengespräch bereits im Mai 2009 in Nürnberg gestartet. Seit 1. August 2009 können über das bayerische Förderprogramm "Elektromobilität" die Forschung, Entwicklung und Erprobung von Elektrofahrzeugen bzw. hierzu notwendige Teilsysteme und Komponenten unterstützt werden. Für die Jahre 2009 und 2010 stehen insgesamt 5 Millionen Euro zur Verfügung. Herr Kollege Rinderspacher, natürlich hätte sich der bayerische Wirtschaftsminister hier mehr gewünscht. Aber Sie alle wissen, dass wir uns im Rahmen der Haushaltslage bewegen müssen. Im Übrigen hat der gestrige Tag in Berlin ergeben, dass es jetzt nicht so sehr an F&E-Mitteln innerhalb der Industrie mangelt, sondern dass wir die verschiedenen Aktivitäten besser aufeinander abstimmen und vernetzen müssen und dass es auch viel zu früh wäre, jetzt schon wieder von Prämien zu sprechen, zumal ich auch davor warne, meine Damen und Herren: Nicht die Politik weiß, was die beste Zukunftstechnologie ist. Das ist immer schon schiefgegangen. Wir brauchen einen breiten Förderansatz und Rahmenbedingungen, damit sich diese Zukunftstechnologie entwickeln kann.