Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 66. Vollsitzung des Bayerischen Landtags in dieser Legislaturperiode. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung ist wie immer vorweg erteilt worden.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich zwei Geburtstagsglückwünsche aussprechen. Ich darf dem Herrn Fraktionsvorsitzenden Hubert Aiwanger gratulieren. Er hatte seinen runden Geburtstag am 26. Januar. Herzlichen Glückwunsch, Herr Vorsitzender, alles Gute, Gesundheit und gutes Schaffen.
Ich darf weiter sehr herzlich Herrn Kollegen Gerhard Wägemann gratulieren, der heute Geburtstag hat. Herzlichen Glückwunsch, alles Gute, Gesundheit und weiter so.
Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbänden (Finanzausgleichsänderungsgesetz 2011) (Drs. 16/6879) - Erste Lesung
Gesetzentwurf der Staatsregierung über die Feststellung des Haushaltsplans des Freistaates Bayern für die Haushaltsjahre 2011 und 2012 (Haushaltsgesetz - HG - 2011/2012) (Drs. 16/6880) - Erste Lesung
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache und erteile zunächst Herrn Staatsminister Georg Fahrenschon das Wort. Bitte schön, Herr Staatsminister.
und Wochen über die Krise unserer Gemeinschaftswährung. Begonnen hat alles schon vor Monaten mit der Notwendigkeit eines Rettungsschirms für das EUMitgliedsland Griechenland - für ein Land, das der Eurogruppe angehört.
Fast täglich sind Spekulationen über die Zukunft unserer Währung zu lesen, und am Ende treffen sie nicht den Kern des Problems; denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht die gemeinsame europäische Währung ist das Problem. Das Problem ist die Situation einzelner Mitgliedstaaten, vor allem deren hohe Verschuldung. Diese Verschuldung einzelner Mitgliedstaaten ist der Nährboden für Spekulationen an den Finanzmärkten. Die Frage, ob die einzelnen Mitgliedstaaten Zins und Tilgung auf Dauer leisten können, ist die Grundlage der Debatten um unsere Währung. Die Folgen sind steigende Zinsen und ein Zittern, ob die Märkte die Staatsanleihen, die jeweils auslaufen und neu aufgenommen werden müssen, überhaupt noch aufnehmen, sprich: die Frage, ob einzelne Mitgliedstaaten in Europa heutzutage überhaupt noch zahlungsfähig sind und bleiben.
Werte Damen und Herren des Bayerischen Landtags, ich glaube, das zeigt glasklar: Kein Staat kann sich leisten, immer mehr Schulden zu machen. Immer kommt die Stunde der Wahrheit, in der die Frage, ob die staatliche Gemeinschaft mehr ausgegeben hat, als sie sich leisten kann, gestellt wird, zu der es eine Antwort zu geben gilt.
Für den Freistaat Bayern, für ein Land mitten in Europa mit über zwölfeinhalb Millionen Einwohnern, ist heute so ein wichtiger Tag. Heute legt Ihnen die Bayerische Staatsregierung wiederum einen Haushaltsentwurf vor, der, meine sehr verehrten Damen und Herren, im krassen Gegensatz zu den Verhältnissen in Griechenland zum sechsten und siebten Mal ohne neue Schulden auskommt.
Das hat eine lange und eine richtige Tradition und Politik zur Grundlage. Schon vor zehn Jahren hat die Staatsregierung gemeinsam mit dem Bayerischen Landtag festgelegt: In Bayern gibt es in der Regel keine neuen Schulden mehr. Wir haben damit in Bayern gezeigt, dass solide Haushaltspolitik und solide Finanzen gerade die Grundlage für eine Politik der Zukunftsgestaltung sind, für eine Politik die auf der Basis solider Finanzen klare Schwerpunkte im Bereich Familienförderung, im Bereich Bildung, im Bereich Innovation und Ausbau unserer Infrastruktur legt.
Der ausgeglichene Haushalt, ein Haushalt ohne neue Schulden, ist von Beginn an ein wesentlicher Baustein und Basis unserer Strategie, den Standort Bayern im internationalen Wettbewerb dauerhaft gut voranzubringen. Wir betreiben eine Politik, die die Konsolidierung einerseits und das Setzen gezielter Wachstumsimpulse andererseits mit Absicht miteinander verbindet. Konsolidierung und aktive Wirtschaftspolitik sind kein Gegensatz, sondern die beiden Seiten ein und derselben Medaille. Es sind die zwei zentralen Fragen, die es zu lösen gilt, um unser Land in eine gute Zukunft zu bringen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Die Finanzmarktkrise und die weltweite Wirtschaftskrise, die ihr gefolgt ist, haben gezeigt - der Ministerpräsident hat es in seiner Regierungserklärung in der letzten Woche zu Recht auf den Punkt gebracht -: Am Ende ziehen nur Staaten mit guten Finanzen Investoren an. Nur Staaten mit nachhaltiger Finanzpolitik haben die Gestaltungskraft, Änderungen herbeizuführen. Nur die Soliden sind attraktiv, nur die Soliden sind dynamisch, nur die Soliden sind stark. Umso wichtiger ist es, dass Bayern solide Finanzen vorweisen kann.
Unsere solide Haushaltspolitik hat dazu geführt - das ist der zentrale Punkt -, dass wir die Krise erfolgreich meistern konnten. Da wir in den guten Zeiten vorgesorgt hatten, konnten wir in den vergangenen beiden Jahren konsequent, rasch und präzise handeln. Wir in Bayern konnten aktive Wirtschaftspolitik betreiben. Wir hatten Spielräume, um erfolgreich gegenzusteuern. Wir haben für Stabilität gesorgt, während andere Unsicherheit ins Land gebracht haben. Wir haben Vertrauen geschaffen, wo viel Unsicherheit zu finden war. Wir haben den Bürgerinnen und Bürgern in Bayern Mut machen können, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Von zentraler Bedeutung ist, dass es uns gelungen ist, im Zusammenspiel mit den Arbeitnehmern, den Unternehmerinnen und Unternehmern sowie der öffentlichen Hand diese Krise nicht nur zu bekämpfen und ihr entgegenzutreten, sondern sie auch als Chance zu verstehen. Wir haben etwas geschafft, was sonst kein anderes Land in Europa geschafft hat. Wir haben Bayern in der Krise besser positioniert und uns eine Ausgangslage erarbeitet, auf die heute viele andere neidisch schauen.
Das hat kurz nach Aufnahme der Arbeit der neuen Staatsregierung begonnen. Ich erinnere an die erste Klausurtagung im Dezember 2008 und das Vorziehen von staatlichen Investitionen in Höhe von 1,7 Milliarden Euro. Dieser Weg wurde fortgesetzt mit der Entwicklung des bayerischen Mittelstandsschirms, der Blaupause für das KfW-Programm des Bundes. Der Mittelstandsschirm hat sich in den vergangenen zwei Jahren als das Instrument bayerischer Haushalts-, Wirtschafts-, Finanz- und Strukturpolitik herausgeschält. Wir haben in den letzten zwei Jahren über 4.000 mittelständischen Unternehmen in Bayern den Rücken gestärkt und konnten über den bayerischen Mittelstandsschirm Kredite von mehr als 1,1 Milliarden Euro mobilisieren. Wir haben dafür Sorge getragen, dass der bayerische Mittelstand nicht zum Opfer der internationalen Finanzmarkt- und Weltwirtschaftskrise wurde.
Ich nenne ein drittes Beispiel. Während andere noch von den angeblichen Vorzügen einer "Gießkanne" plauderten, verständigten wir uns, was die Umsetzung des Konjunkturpakets angeht, auf ein Vorgehen, das zielgenau und effizient gewirkt hat. Wir in Bayern haben das Geld des Konjunkturpakets nicht mit der Gießkanne verteilt, sondern sind den schwierigeren Weg gegangen. Aber am Ende haben wir mit den Mitteln des Konjunkturpakets über 3.600 Projekte anstoßen können und damit ein fantastisches Ergebnis erzielt. Mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von über 2,3 Milliarden Euro haben wir die Erwartungen übertroffen. Wir haben erfolgreich Konjunkturpolitik betrieben. Die Kommunen wurden von uns in die Lage versetzt, in Bildungseinrichtungen zu investieren. Wir haben Maßnahmen zum Klimaschutz angestoßen und zur Senkung der Betriebskosten beigetragen. Das ist erfolgreiche Politik "Marke weiß-blau"!
Unsere Politik ist deshalb erfolgreich - erfolgreicher als die anderer Länder -, weil wir uns um die Betriebe und die Beschäftigten gekümmert haben. Wir haben auf eine gemeinsame Politik gesetzt und schon beim Handeln in der Krise die Zeit nach der Krise gemeinsam fest im Blick behalten. Das Ergebnis lautet klipp und klar: Heute ist Bayern in vielen Bereichen noch stärker, als wir es vorher schon waren.
Für das Jahr 2010 ist mit einem beachtlichen Wirtschaftswachstum von über 3,5 % zu rechnen. Bayern ist wieder Konjunkturlokomotive. Dennoch müssen wir uns bei der Vorlage des Doppelhaushalts 2011/2012 immer in Erinnerung rufen: Der Rückgang - der Ein
bruch! - um 5 % im Jahr 2009 ist noch immer nicht in voller Höhe kompensiert. Wir befinden uns noch in der Aufholphase.
Das Ergebnis unserer Politik kann sich sehen lassen: Wir haben die Krise überwunden. Unsere Ausgangslage ist gut. Aber wir müssen nach wie vor auf die unterschiedlichen Akteure achten. Unsere Stärken sind weiter zu stärken und unsere Schwächen weiter konsequent abzubauen. Das ist Politik "Marke weiß-blau". In der Vergangenheit haben wir gemeinsam die Krise abgewehrt, jetzt nutzen wir gemeinsam die Chance dieses Motto steht über dem Doppelhaushalt 2011/2012.
Dass unsere Ausgangslage gut ist, kann man an verschiedenen Stellen nachlesen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos sieht in seinem Zukunftsatlas fünf bayerische Regionen unter den sieben Regionen Deutschlands mit den besten Zukunftsaussichten. Fünf aus sieben dieser Regionen liegen in Bayern!
Spitze sind wir im ganzen Land: Unter den 50 besten kreisfreien Städten und Landkreisen finden sich 35 bayerische Regionen aus allen sieben Regierungsbezirken. Wir können sagen: Wir haben Bayern insgesamt vor substanziellen Schäden an seiner Struktur bewahrt. Wir werden konsequent daran arbeiten, dass Bayern insgesamt weiterhin einen guten Weg nimmt.
Nehmen Sie die Arbeitslosigkeit: Bayern liegt mit seiner niedrigen Arbeitslosenquote gemeinsam mit Baden-Württemberg bundesweit an der Spitze. Bei den Jugendlichen unter 20 Jahren - eine ganz wichtige Gruppe, weil wir jungen Leuten das Signal geben wollen, dass sie nach ihrer Ausbildung nicht überflüssig sind, sondern gebraucht werden - liegen wir mit einer Arbeitslosenquote von nur 2 % auf einem Spitzenplatz. Das ist soziale Politik, wie wir sie in Bayern verstehen. Das ist Ausdruck des gemeinsamen Entwickelns von Zukunftspotenzialen und des Förderns von Talenten, wie wir es uns vornehmen.
Dennoch haben wir Augenmaß bewahrt; denn auch der Doppelhaushalt in der Krise 2009/2010 kam ohne neue Schulden aus. Während im übrigen Europa in den vergangenen beiden Jahren die Defizite explodierten, konnten wir von den Ergebnissen unserer Politik zehren. Wir konnten darauf zurückgreifen, dass wir in den guten Zeiten nicht auf die Vorschläge der Opposition gehört, sondern Rücklagen für schwierige Zeiten gebildet haben. Das war unser Erfolgsrezept.
Das werden wir auch im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss 2010 konsequent fortsetzen. Ich habe dem Haushaltsausschuss in der letzten Woche bereits über die wesentlichen Ergebnisse des Haushaltsvollzugs 2010 berichtet. Mit den Haushaltsverbesserungen können wir, wie im Entwurf des Doppelhaushalts vorgesehen, 1,6 Milliarden Euro zum Abgleich des Doppelhaushalts 2011/2012 verwenden. Wir arbeiten nach einem guten alten deutschen Sprichwort: Wir sparen in der Zeit, um für die Not Vorsorge zu betreiben. - So macht man vernünftig und erfolgreich antizyklische Politik. So belassen wir uns die Freiräume, um gestalten zu können.
Wir werden mit dem guten Jahresabschluss darüber hinaus in angemessenem Umfang wieder für allgemeine Haushaltsrisiken vorsorgen und selbstverständlich Rücklagen zur Absicherung des Haushalts ohne Neuverschuldung aufbauen. Wir wollen Vorsorge betreiben, weil wir uns der besonderen Verantwortung dafür bewusst sind, dass auch in Zukunft gilt: Nur stabilen Staaten, nur soliden Staaten, nur Staaten, die aktiv Einfluss nehmen können, gehört die Zukunft. Das muss unser Auftrag sein, und so werden wir auch den Haushaltsabschluss 2010 betreiben.
Im Übrigen war auch der Fahrplan zum Entwurf des Doppelhaushalts richtig. Ich weiß sehr wohl, dass wir an dieser Stelle eine Ausnahme gewählt haben. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir konnten unsere Konsolidierungspolitik punktgenau im November im Lichte der Steuerschätzung mit der Zukunftsgestaltung verbinden. Das liegt auch an unserer Grundphilosophie: Wir wollen den Menschen mit unseren Rahmenbedingungen, mit einem Doppelhaushalt im Volumen von zweimal 43 Milliarden Euro auch Sicherheit geben. Wir wollen belastbare Signale ins Land senden. Wir wollen mit dem staatlichen Handeln einen wesentlichen Beitrag zur Stabilität in Umbruchzeiten liefern.
Zu Beginn der Krise sind wir durch rasches Handeln, durch eine schnelle Reaktion sofort handlungsfähig gewesen. Dann haben wir durch klare und verlässliche Signale weiter Vertrauen geschaffen. Ich bedanke mich ausdrücklich beim Haushaltsausschuss, bei seinem Vorsitzenden, bei seinen Mitgliedern und natürlich auch bei den die Regierung tragenden Fraktionen dafür, dass sie diesen Fahrplan, der nicht auf Schnellschüsse und Überschriften, sondern auf Sicherheit und Vertrauen gesetzt hat, mitgetragen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in den vergangenen Monaten große Anstrengungen unternommen. Wir haben wiederum etwas erreicht, was uns viele vor einem halben Jahr nicht zugetraut haben, was für viele noch als unerreichbar galt: Der bayerische Staatshaushalt kommt auch in den Jahren 2011 und 2012 ohne einen einzigen Cent neue Schulden aus. Wir brauchen in Bayern keinen Konsolidierungspfad.
Bei uns ist der Haushalt ohne Schulden kein Fernziel. In Bayern ist er Realität, meine sehr verehrten Damen und Herren.