Protokoll der Sitzung vom 15.12.2009

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen, damit ich die Sitzung eröffnen kann. Zur Eröffnung der Sitzung wäre es hervorragend, wenn Ruhe im Hohen Haus einkehren würde.

Ich eröffne die 36. Vollsitzung des Bayerischen Landtags in dieser Legislaturperiode. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde wie immer erteilt. Außerdem darf ich bekannt geben, dass Hörfunk und Fernsehen des Bayerischen Rundfunks die Regierungserklärung und die anschließende Aussprache live übertragen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Wahl des Zweiten Vizepräsidenten des Bayerischen Landtags

Der bisherige Zweite Vizepräsident, Herr Kollege Prof. Dr. Peter Paul Gantzer, hat mit Schreiben vom 13. November 2009 Folgendes erklärt: "Hiermit lege ich mein Amt als Zweiter Vizepräsident des Bayerischen Landtags mit Ablauf des 15. Dezembers 2009 nieder." Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Rücktritt als Vizepräsident ist gegenüber dem Landtag zu erklären, bedarf jedoch nicht der Zustimmung des Landtags.

Bevor wir die Neuwahl beginnen, möchte ich Ihnen, Prof. Dr. Gantzer, im Namen des Hohen Hauses und persönlich für die geleistete Arbeit herzlich danken. Ebenfalls bedanke ich mich für das harmonische und faire Miteinander im Präsidium in den vergangenen sechs Jahren. Dabei schließe ich die letzte Legislaturperiode ein. Herzlichen Dank für Ihre Fairness und Ihre Menschlichkeit.

(Lang anhaltender lebhafter allgemeiner Beifall)

Herr Kollege Prof. Dr. Gantzer, ich darf hinzufügen, dass Sie nach 31 Jahren Landtagszugehörigkeit nicht nur ein erstklassiger Kenner der Geschäftsordnung sind, sondern es auch verstanden haben, die Sitzung mit der nötigen Mischung aus Strenge und Humor zu leiten. In Ihrem Buch "Parlaments-Leitungen" haben Sie - ich zitiere - "leitungserhebliche Vorgänge" und "leitungsauffällige Personen" für die parlamentarische Nachwelt festgehalten.

Da Ihr voraussichtlicher Nachfolger im Amt des Vizepräsidenten, Herr Kollege Maget, ein Freund von Buchempfehlungen ist, darf ich ihm, das heißt Ihnen, lieber

Herr Maget, das Buch sehr ans Herz legen. Man kann daraus sehr viel lernen. Herr Prof. Gantzer schreibt darin zum Beispiel: "Zur Einhaltung der Redezeit erschrecke ich den jeweiligen Redner gerne." Damit habe jetzt auch ich eine Empfehlung für ein Buch gegeben.

Nochmals herzlichen Dank, Herr Kollege Prof. Gantzer. Ich wünsche weiterhin gute Zusammenarbeit hier im Hohen Hause. Alles Gute auch für Ihre künftigen parlamentarischen Aufgaben.

Sie haben ganz bewusst gesagt, Sie kehren in die Fraktion zurück. Ihre Zwischenrufe sind auch aus den vergangenen Legislaturperioden bekannt. Ich weiß das auch persönlich einzuordnen. Nochmals danke!

(Allgemeiner Beifall)

Vorschlagsberechtigt für die Benennung eines Nachfolgers für das Amt des Zweiten Vizepräsidenten ist die SPD-Fraktion. Das Wort dazu hat deshalb der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Herr Kollege Rinderspacher.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion schlägt für dieses Amt den Kollegen Franz Maget vor.

(Beifall bei der SPD)

Der Fraktionsvorsitzende hat den Kollegen Franz Maget vorgeschlagen. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zur Wahl. Sie ist in geheimer Form durchzuführen. Hierfür verwenden Sie den an Ihrem Platz befindlichen roten Stimmzettel und die in Ihrer Stimmkartentasche enthaltene gelbe Namenskarte.

Nach § 42 Absatz 3 der Geschäftsordnung erfolgt die Wahl "durch Kennzeichnung … des Stimmzettels mit dem Namen … eines Kandidaten oder mit einem der Worte ‚Ja’, ‚Nein’, ‚Enthaltung’".

In § 43 Absatz 2 der Geschäftsordnung ist geregelt, dass Enthaltungen gültige Stimmen sind und unverändert abgegebene Stimmzettel als Enthaltungen gelten.

Urnen für die Namenskarten und Stimmzettel befinden sich auf beiden Seiten des Sitzungssaals. Ich bitte, jetzt mit der Stimmabgabe zu beginnen. Dafür stehen fünf Minuten zur Verfügung.

(Geheime Wahl von 14.14 bis 14.19 Uhr)

Ich schließe den Wahlgang. Das Wahlergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt und später bekannt gegeben.

Werte Kolleginnen und Kollegen, der Herr Ministerpräsident hat gebeten, zu Beginn der heutigen Plenarsitzung eine Regierungserklärung gemäß § 177 Absatz 1 der Geschäftsordnung abgeben zu können:

Regierungserklärung des Ministerpräsidenten "Stabilisierungskonzept für die Hypo Group Alpe Adria (HGAA)"

Herr Ministerpräsident, hierzu darf ich Ihnen das Wort erteilen.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich stehe heute zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres zum gleichen Thema vor diesem Hohen Hause. Es geht um die Zustände und Umstände bei der Bayerischen Landesbank.

(Zuruf von der SPD: Zustände!)

Es besteht zu keinerlei Schönrednerei Anlass. Diese Dinge sind ein Debakel; diese Dinge sind sehr schwierig. Aufgabe einer Regierung ist es, diese Schwierigkeiten nach bestem Wissen und Gewissen zu lösen. Eine amtierende Regierung steht immer in dem Verdacht, dass sie mit Dingen, die ihre Ursache in Vorgängerregierungen haben, besonders kritisch umgeht. Deshalb liegt mir sehr daran, noch einmal an einen Brief zu erinnern, den mir der frühere Finanzminister Kurt Faltlhauser im Dezember letzten Jahres geschrieben hat und in dem ausdrücklich davon die Rede ist, dass der neue Ministerpräsident bei dieser Bank vor einem Scherbenhaufen steht und dass der neue Ministerpräsident die desaströsen Zustände in diesem Institut aufzuarbeiten hat. Ich sage das vor dem Hintergrund, dass es um eine objektive Beschreibung der Lage geht, nicht um die Frage, wer Verantwortung hatte oder hat.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Warum nicht?)

Die Lage ist deshalb noch zusätzlich betrüblich, weil die Landesbank in München seit einigen Monaten eine sehr vernünftige Arbeit und eine sehr konzentrierte Restrukturierungsarbeit betreibt und auch in vielen Geschäftsfeldern wieder zunehmend Fuß gefasst hat, was sich darin ausdrückt, dass in den ersten drei Quartalen schwarze Zahlen von über 600 Millionen Euro geschrieben wurden, dieser Weg aber immer wieder durch Umstände konterkariert wird, die ihre Ursache in der Vergangenheit haben. Es ist auch nicht so, dass die Entwicklung, die wir seit einigen Monaten gemeinsam erleben, zwangsläufig wäre. Nicht alles ist der Finanzmarktkrise geschuldet. Wir kennen viele Regionalbanken und Genossenschaftsbanken, die den Spekulationskapitalismus nicht mitgemacht haben und keine Schwierigkeiten haben. Dies ist meine erste Bemerkung.

Meine zweite Bemerkung. Wir haben vor Jahresfrist zur Stabilisierung der Bayerischen Landesbank 10 Milliarden Euro in den bayerischen Haushalt eingestellt, 10 Milliarden Euro Steuergelder. Wir haben - das wird in der aktuellen Diskussion gern übersehen - als Freistaat Bayern für problematische Finanzanlagen Garantien, die auch finanzwirksam werden können, mit einer Gesamtsumme von 6 Milliarden Euro übernommen, die ersten 1,2 Milliarden Euro in Verantwortung der Landesbank, weitere 4,8 Milliarden Euro in Verantwortung des Freistaates Bayern.

Meine Damen und Herren, wir haben aufgrund des aktuellen Vorgangs jetzt etwa 3,7 Milliarden Euro an Kaufpreis, Eigenkapitalausstattung und Abschreibung einer Forderung verloren. Das sind gigantische Beträge. Ich habe durchaus Verständnis für manche Diskussion in der Bevölkerung, die mir tagtäglich begegnet. Da und dort geht es um weitaus kleinere Beträge für weitaus sinnvollere Dinge. Natürlich wird der Zusammenhang hergestellt: Dafür habt ihr die Milliarden, aber bei notwendigen Dingen des Alltags argumentiert ihr: zu wenig Geld.

Meine Damen und Herren, weil es für die Bevölkerung um unglaubliche Größenordnungen geht, gibt es die Pflicht des Parlaments und auch der Regierung, die Dinge aufzuklären, darauf zu schauen: Wie konnte das alles geschehen; welche Verantwortlichkeiten gibt es; wie können wir - auch das ist mir wichtig - dafür sorgen, dass sich solche Dinge nicht mehr wiederholen? Deshalb kann ich für die gesamte Bayerische Staatsregierung sagen: Wir sehen uns in einer Aufklärungs- und Informationspflicht. Gegenüber der Bevölkerung besteht eine Rechenschaftspflicht, weil es um Steuergelder der bayerischen Bevölkerung geht. Ich kann für die Bayerische Staatsregierung und für mich persönlich sagen, dass wir die Aufklärung, die ja vor allem auch im Landtag im noch zu bildenden Untersuchungsausschuss, aber auch in der parlamentarischen Kontrollkommission stattfindet, ohne Rücksicht auf Strukturen und Personen mit aller Kraft unterstützen werden. Das sind wir der bayerischen Bevölkerung schuldig.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich weiß, wie es Politikern ergeht, die mithelfen, aufzuklären. Gelegentlich ist man verwundert, dass man selbst Gegenstand der Aufklärung wird, weil man für die einen nicht weit genug aufklärt und für die anderen viel zu weit. Deshalb werden wir unseren Weg unbeirrt und gerade mit der klaren Zielsetzung gehen, die ich gerade beschrieben habe. Ich bitte, bei dieser Aufklärung und Information, die ja vor allem in der Hand des Parlaments liegt und die wir unterstützen, immer sauber zwischen einer politischen

Verantwortung und einer juristischen Verantwortung zu unterscheiden.

Juristische Verantwortlichkeit heißt, dass man korrekt, sauber, rechtsstaatlich vorgeht, dass es bei juristischen Verantwortlichkeiten auch um zivilrechtliche Verantwortlichkeiten geht und dass es keine Vorverurteilungen geben darf, dass man die Sachverhalte sauber aufzuklären hat und erst im Lichte der Aufklärung Schlussfolgerungen und Bewertungen vornehmen kann. Ich bin dankbar, dass die parlamentarische Kontrollkommission bereits im Juli dieses Jahres den Auftrag erteilt hat, die Verantwortlichkeiten und Haftungsfragen im Zusammenhang mit den hohen Verlusten der BayernLB klären zu lassen. Das ist nicht, wie fälschlich gemeldet, eine aktuelle Aktion des Bayerischen Ministerpräsidenten, sondern diesen Auftrag haben die parlamentarische Kontrollkommission und deren Vorsitzender bereits am 15. Juli dieses Jahres unterschrieben. Der bayerische Finanzminister hat in Rücksprache mit mir für die Bayerische Staatsregierung ebenfalls eine Kanzlei mit der gleichen Zielsetzung beauftragt. Ich bitte und rate allen, die juristische Verantwortlichkeit im Lichte der tatsächlichen Aufklärungsarbeit und auch im Lichte der beiden Gutachten, die erstellt werden, festzustellen und nicht leichtfertig zu Vorverurteilungen zu kommen.

Davon muss die politische Verantwortung sauber getrennt werden. Politische Verantwortung setzt nicht persönliches Verschulden voraus. Politische Verantwortung gibt es in der freien Wirtschaft, in Organisationen und in der Politik auch für wirtschaftlichen Misserfolg und für strategische Fehleinschätzungen. Deshalb bin ich der Auffassung, dass es auch eine demokratische Pflicht von in der Verantwortung stehenden Politikern gibt, auch politische Verantwortung wahrzunehmen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

Ich habe deshalb positiv zu registrieren, dass vor einem Jahr Minister Erwin Huber wegen der damaligen Diskussion auch politische Verantwortung übernommen hat und nicht in die neue bayerische Regierung eingetreten ist.

(Zurufe von der SPD: Ach Gott!)

Ich habe zu registrieren, dass der ehemalige bayerische Finanzminister -

(Zurufe von der SPD)

- Meine Damen und Herren von der linken Seite, Sie können nicht von Honorigkeit reden und sie begrüßen, sie aber dann, wenn sie stattfindet, mit Zwischenrufen und Gelächter quittieren.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Zurufe von der SPD)

Das geht nicht. Ich verweise auf die Entschuldigung von Professor Faltlhauser. Es gehört noch immer zu unserem kulturellen Standard, dass man eine Entschuldigung auch akzeptiert.

(Beifall bei der CSU)

Ich bin auch sehr froh, dass der Vorstandsvorsitzende der Bayerischen Landesbank, Dr. Kemmer, gestern von sich aus seinen Vorstandsvorsitz zur Verfügung gestellt hat.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Das Gleiche gilt für den Ministerialdirektor im bayerischen Finanzministerium, der eigentlich geborenes Mitglied im Verwaltungsrat ist: Er hat gestern im Laufe des Tages dem bayerischen Finanzminister einen Brief zugestellt, um seinen Sitz im Verwaltungsrat zur Verfügung zu stellen. Wir haben deshalb gestern Nachmittag mit der kommissarischen Leitung der Bank das Vorstandsmitglied Ermisch betraut, und für Herrn Dr. Weigert wird der zweite Ministerialdirektor des Bayerischen Finanzministeriums, Herr Dr. Bauer, Mitglied des Verwaltungsrats werden.