Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die 82. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Bevor ich in die Tagesordnung eintrete, möchte ich Sie davon in Kenntnis setzen, dass wir die Sitzung auch heute im Handbetrieb abwickeln müssen, da die Mikrofonanlage nach wie vor nur eingeschränkt funktionsfähig ist. Wir geben aber unser Bestes, damit die Sitzung nach den Regeln, die wir uns selbst gesetzt haben, ablaufen kann.
Ich gebe jetzt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote und anderer und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend "Plan B für den Fall des Scheiterns des Projekts 2. Münchner S-Bahn-Röhre", Drucksache 16/8525, bekannt. Mit Ja haben 32 und mit Nein 106 Abgeordnete gestimmt. Es gab keine Stimmenthaltungen. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Markus Rinderspacher, Hans-Ulrich Pfaffmann, Christa Steiger u. a. und Fraktion (SPD), Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. (Univ Lima) Dr. Peter Bauer u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Finanzierung der Altenpflegeschulen nachhaltig sichern! (Drs. 16/9255)
Bevor ich die Aussprache eröffne, weise ich darauf hin, dass zu diesem interfraktionellen Dringlichkeitsantrag der Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FREIEN WÄHLER namentliche Abstimmung beantragt wurde. Ich eröffne die Aussprache. Die erste Rednerin ist Frau Kollegin Ackermann. Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In diesem noch nicht besonders voll besetzten Saal gibt es sicherlich keinen Abgeordneten und keine Abgeordnete, der oder die sagen
würde, dass es nicht wichtig sei, viele gut ausgebildete Altenpflegerinnen und Altenpfleger zu haben. Wenn dies die einhellige Meinung ist, müssen wir aber auch etwas dafür tun, um dieses Ziel zu erreichen. Seit einem Jahr sieht es allerdings nicht so aus, als ob etwas getan würde. Vor über einem Jahr erreichte uns ein Brief des Kultusministeriums, in dem angekündigt wurde, dass der Schulgeldersatz für Altenpflegeschulen von 200 Euro auf 100 Euro im Monat gekürzt wird.
Ich kürze diese Geschichte ab, die noch viele Ecken und Wendungen hat. Man hat sich schließlich gnädigerweise bereit erklärt, diesen Betrag wieder auf 150 Euro zu erhöhen und wollte dafür auch noch Dank. Schließlich wurde eine Kürzung um 50 Euro erreicht. Dann hieß es, dass eine Lösung gesucht werde, man aber dazu die Schülerzahlen brauche. Diese Schülerzahlen würden jedoch erst im Oktober 2010 vorliegen. Im Oktober 2010 wurde dann gesagt, dass die Schülerzahlen leider nicht aussagekräftig seien und deshalb bis April 2011 gewartet werden müsse. Im April 2011 wurde gesagt, dass die Schülerzahlen jetzt erhoben würden. Bis jetzt haben wir keine aussagekräftigen Schülerzahlen der Altenpflegeschulen in Bayern. Zum Vergleich: Bei einer Bundestagswahl steht das Ergebnis am Abend fest. Die Ermittlung von Schülerzahlen in Bayern dauert hingegen über ein Jahr, und danach stehen die Schülerzahlen immer noch nicht fest.
Wie das üblich ist, wurde dann ein Arbeitskreis gegründet. Dieser Arbeitskreis musste das unlösbare Problem lösen, bei einem gedeckelten Haushaltsansatz mit einem feststehenden Schulgeldersatz herauszufinden, wie die Schulen kostendeckend arbeiten können, wenn kein Schulgeld erhoben werden kann. Dieses Problem ist unlösbar. Das ist ungefähr so, wie wenn zehn Kinder sieben Äpfel bekommen und ihnen gesagt wird, dass sie zusehen müssten, dass jedes Kind einen Apfel erhält. Ich weiß nicht, ob dies gelingen kann. Der Schulgeldausgleich ist jedenfalls nicht gelungen. Das war zu erwarten.
Gestern haben wir das vorläufige Ergebnis des Arbeitskreises bekommen. Daraus geht hervor, dass der Schulgeldausgleich in Höhe von 150 Euro bestehen bleibt. Der gedeckelte Haushalt in Höhe von 10,8 Millionen Euro - 12 Millionen Euro minus Haushaltsvorbehalt - bleibt bestehen. Das ist eine ganz große Errungenschaft. Es erfolgte eine Umstellung von einer schüler- auf eine klassenbezogene Förderung. Dazu muss ich sagen: Das wird den Schulen wegen des gedeckelten Haushaltsansatzes nicht weiterhelfen.
Gefordert ist hier nicht der Arbeitskreis, der aus Vertretern der Wohlfahrtspflege und des Kultusministe
riums zusammengesetzt wurde. Gefordert sind hier die Haushälter. Diese haben dem Anliegen einen Tag nach einem einstimmigen Beschluss des Sozialausschusses, wonach an Altenpflegeschulen kein Schulgeld erhoben werden und der Haushaltsansatz entsprechend angepasst werden sollte, eine Absage erteilt. Bei dieser Absage ist es bis heute geblieben. Wir können das Problem drehen und wenden, wie wir wollen, und wir können noch viele Arbeitskreise einrichten. Es wird sich nichts verändern, solange man nicht bereit ist, die von den Schulen erbrachte Leistung zu honorieren und den Haushaltsansatz zu erhöhen.
Ein pikantes Detail am Rande: Heute Morgen hat uns die Mitteilung erreicht, dass die Wohlfahrtsverbände eine Änderung der Niederschrift des gestrigen Ergebnisses verlangt haben. Ich zitiere:
Die Träger streben auch weiterhin eine Erhöhung der Bemessungsgrenze des gesetzlichen Betriebskostenzuschusses wie bei den Fachschulen auf 100 % an. Außerdem wird von den Verbandsvertretern ausgedrückt, dass es lediglich mit einer Änderung des Verteilungsmodus
Voilà. Das ist genau das, was wir gestern bei der Sondersitzung des Ausschusses bereits gesagt haben. Man kann die Mittel verteilen, wie man will, es wird dabei bleiben: Die Altenpflegeschulen müssen Schulgeld erheben - jedenfalls in den meisten Fällen. Ich möchte noch einen Satz aus dem gestrigen Protokoll zitieren, weil ich es rührend finde, was man hier als Erfolg verkaufen will: "Die staatlichen Vertreter nehmen zur Kenntnis, dass die Träger auch weiterhin eine Erhöhung des gesetzlichen Betriebskostenzuschusses auf 100 % anstreben." Das ist doch ein toller Erfolg, wenn staatliche Vertreter etwas zur Kenntnis nehmen. Was dann passiert, steht nicht in diesem Protokoll. Ich garantiere Ihnen: Solange sich die Haushälter, die sich hier in der ersten Reihe hervorragend unterhalten, nicht bewegen und bereit sind, den Haushaltsansatz zu erhöhen, wird sich nichts tun.
Dies alles steht vor dem Hintergrund einer Vereinbarung mit dem Namen "Bündnis für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in der Altenpflege", die vom Staatsministerium mit den Wohlfahrtsverbänden getroffen wurde.. Darin wird festgelegt, dass die Altenpflegeschülerzahl jährlich um 10 % gesteigert werden
soll. Ich frage Sie, wie man dieses Ziel erreichen will, wenn man gleichzeitig den Haushaltsansatz deckelt und sich finanziell nicht bewegt? Welche Schule wird mehr Schüler aufnehmen wollen, wenn von vornherein klar ist, dass sie dafür nicht mehr Geld bekommt?
So geht das nicht. So werden wir der Altenpflege in Zukunft nicht gerecht werden. Ich freue mich, dass es gelungen ist, gemeinsam einen Antrag der Opposition zu stellen. Ich glaube, das Thema geht uns alle an, auch diejenigen, die heute dagegen reden werden, denn auch sie werden alt und brauchen irgendwann Pflege. Ich wünsche Ihnen gute und gut ausgebildete Altenpfleger und Altenpflegerinnen.
Von der Fraktion der GRÜNEN sind siebeneinhalb Minuten verbraucht, so viel zu Ihrer Information. Nun hat Herr Kollege Pfaffmann das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ackermann hat bereits dargestellt, worum es geht. Ich will es wiederholen: Altenpflege ist eine hochqualifizierte Arbeit. Altenpflege hat steigenden Bedarf; dieser ist allein in den nächsten Jahren durch die demografische Entwicklung bedingt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Altenpflege ist ein hochqualifizierter Beruf.
Wir sind es den älteren Menschen schuldig, alles zu tun und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Altenpfleger und Altenpflegerinnen ihre Arbeit für die älteren Menschen machen können, und zwar hochqualifiziert. Das ist auch ein politischer Auftrag. Das ist nicht nur ein Auftrag der Verbände, nicht nur ein Auftrag der Verwaltung, das ist auch ein politischer Auftrag hier im Parlament. Wenn es uns nicht gelingt, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dann haben wir gerade im Sinne der älteren Bevölkerung, die Pflege braucht, schlichtweg versagt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Fraktionen der CSU und der FDP, Sie sind gerade auf dem besten Wege, zu versagen,
wenn es darum geht, die pflegerische Versorgung sicherzustellen. Wenn gerade in diesem Bereich ein Defizit besteht, dann muss es doch unser Ziel sein, nachhaltig für qualifizierte Pflegekräfte zu sorgen, und zwar für die nächsten Jahre.
Dieser Beruf ist für diejenigen, die ihn ausüben, sowohl psychisch als auch physisch schwierig. Das heißt, wir müssen den Beruf attraktiver machen. Wie macht man einen Beruf attraktiver? - Indem man finanzielle und qualitative Anreize setzt. Finanzielle Anreize kann man ganz einfach dadurch setzen, dass man auf Schulgeld verzichtet. Damit beginnt es.
Wie attraktiv ist nach Ihrer Auffassung eigentlich ein Beruf, bei dem die jungen Menschen wissen, dass sie später nicht viel verdienen, Schichtdienst arbeiten müssen und eine hoch anspruchsvolle Tätigkeit ausüben? Außerdem müssen die jungen Menschen auch für die Ausbildung Schulgeld bezahlen. Mein lieber Mann, da werden die einen oder anderen jungen Menschen sagen: Nein, dass mache ich lieber nicht. Das gilt, zumal sich viele die Ausbildung gar nicht leisten können, wenn sie bis zu 270 Euro Schulgeld bezahlen müssen. Vor diesem Hintergrund ist es doch unsere Aufgabe, alles zu tun, um auf Schulgeld für die Ausbildung verzichten zu können. Das ist ganz einfach. Es gibt einen Haushaltsansatz mit 12 Millionen Euro, der den Bedarf schon lange nicht mehr deckt. Nun gibt es auch noch eine gestiegene Nachfrage, das heißt, die einzige Chance, die Attraktivität zu erhöhen und mehr junge Menschen in diese Ausbildung zu bringen besteht darin, auf Schulgeld zu verzichten. Die Konsequenz müsste sein, den Haushaltsansatz zu erhöhen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie machen aber genau das Gegenteil. Sie deckeln die 12 Millionen Euro auf 10,8 Millionen Euro. Das ist eine Streichung der Ausgaben für die altenpflegerische Versorgung. Außerdem decken Sie den gestiegenen Bedarf damit überhaupt nicht. Somit sind Sie die Partei, die dafür sorgt, dass die Altenpflege in Bayern nachhaltig verschlechtert wird! Das will ich hier doch einmal feststellen.
Ihre schönen Reden, wie wichtig die Altenpflege doch ist, laufen ins Leere vor dem Hintergrund, dass Sie sich nach wie vor weigern, die Altenpflegeschulen so auszustatten, dass diese auf Schulgeld verzichten können. Genau das wollen Sie nicht. Da nützt eine Vereinbarung zwischen der Verwaltung und den Trägern gar nichts. Es nützt nichts, dass Sie irgendwelche Systeme umstellen. Die entscheidende Frage ist doch: Sind Sie heute bereit - und diese Möglichkeit haben Sie jetzt -, den 12-Millionen-Euro-Ansatz für die Altenpflegeschulen zu erhöhen, um die Versorgung sicherzustellen, um die Attraktivität zu erhöhen, um
unseren älteren Menschen in Bayern zu helfen, um die Qualität zu verbessern? - Wenn Sie dazu bereit sind, dann müssen Sie dem hier vorliegenden Dringlichkeitsantrag zustimmen.
Wenn sie dazu nicht bereit sind, dann sind Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktion, dafür verantwortlich, dass sich immer weniger junge Menschen um die ältere Generation in diesem Lande kümmern. Es ist bezeichnend, dass Herr Kollege Barfuß aus dem Haushaltsausschuss in der Sondersitzung erklärt hat, es würde nicht am Geld scheitern, wenn man operationalisierte Zahlen hätte. Das ist eine Bankrotterklärung für diese Staatsregierung, Kolleginnen und Kollegen!
Es ist ein Trauerspiel, wenn die Verbesserung unserer altenpflegerischen Versorgung daran scheitert, dass die Verwaltung nicht in der Lage ist, Zahlen auf den Tisch zu legen. Frau Ackermann hat das bereits angedeutet.
- Auch die Verbände nehme ich nicht aus. Eine Verbesserung der pflegerischen Versorgung scheitert offensichtlich daran, dass wir nicht in der Lage sind, Zahlen auf den Tisch zu legen, und dass wir nicht bereit sind, im Gesamtansatz mehr Haushaltsmittel zu Verfügung zu stellen.
Herr Kollege Pfaffmann, Herr Kollege Imhof hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege.
(Vom Redner nicht autori- siert) Verehrter Herr Kollege Pfaffmann, wir waren gemeinsam in dieser Sitzung. Ich möchte Sie und Frau Kollegin Ackermann einfach einmal fragen, ob mich und auch alle anderen Kollegen der Eindruck getäuscht hat, dass der Vertreter der Landesarbeitsgemeinschaft der freien und öffentlichen Wohlfahrtspflege, Herr Mück, von einer außerordentlich konstruktiven, bereiten und offenen Atmosphäre sprach, die er im Kultusministerium vorfand.
Kolleginnen und Kollegen, ich habe Ihnen zugehört, jetzt hören Sie mir bitte auch zu. - Die potenten Gesprächspartner haben in jeder Weise bekundet, dass sie diesen konstruktiven Weg weitergehen wollen. Die Trägerlandschaft, vertreten durch Herrn Mück, hat mit allergrößter Wahrscheinlichkeit hier ein Einvernehmen mit dem Ministerium hergestellt. Sie können uns also durchaus unterstellen, dass wir den politischen Willen haben, die Pflege so auszustatten, dass es den Einrichtungen nicht an adäquaten Pflegekräften mangelt, sondern dass im Gegenteil die notwendigen Haushaltsmittel vorhanden sind, wenn sich potenzielle Pflegekräfte melden. Das Ministerium wird diesem politischen Willen der CSU-Fraktion, der Mehrheitsfraktion, folgen. Kollege Barfuß, der das für den Haushaltsausschuss vertreten hat, hat das ganz klar und deutlich erwähnt.