Protokoll der Sitzung vom 26.04.2012

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein wenig erinnert mich diese Diskussion an die Debatte über die S-Bahn. Das Problem ist bekannt. Die Mittel zur Behebung des Problems sind auch bekannt, auch wenn sie teilweise umstritten sind. Seit vielen Jahren passiert aber zu wenig. Wir haben in München einen enorm hohen Zuzug. Teilweise kommen zehntausend Menschen pro Jahr zu uns. Im Umland ist es ähnlich. Gleichzeitig haben wir aber eine zu geringe Bautätigkeit. Das Ziel des Münchner Stadtrats sind

seit vielen Jahren 7.000 Wohnungen pro Jahr. In keinem Jahr des letzten Jahrzehnts ist dieses Ziel aber erreicht worden. Es wird zu wenig gebaut. Im Schnitt werden zwischen 4.000 und 5.000 Wohnungen pro Jahr gebaut.

Wir haben sowohl bei den jüngeren als auch bei den älteren Menschen immer mehr Singlehaushalte. Das verursacht auch entsprechenden Wohnungsdruck. Inzwischen haben wir in einigen Stadtteilen schon Mondpreise. Man könnte beinahe schon von einer Immobilienblase reden. Und wir haben Luxussanierungen und dadurch das Phänomen der Gentrifizierung. Das führt dazu, dass die angestammte Bevölkerung im wahrsten Sinne des Wortes vertrieben wird. Menschen, die vierzig Jahre lang in München gewohnt haben, können die Mieten nicht bezahlen und gehen dann ins Umland, wo die Mieten nur etwas niedriger sind.

Die Mittel zur Behebung dieser Probleme sind in der Petition genannt. Sie enthält eine wirklich eindrucksvolle Studie und in Grundzügen Vorschläge für bezahlbares Wohnen. Darüber hinaus gibt es aber noch mehr Mittel. Auch die sind bekannt. Das erste Mittel ist natürlich bauen, bauen und nochmals bauen. Wenn die Preise zu hoch und die Nachfrage zu groß sind, muss man Wohnraum zur Verfügung stellen. Wohnraumförderung und steuerliche Anreize sind ein weiteres Mittel. Das Umwandlungsverbot und das Gesetz zum Verbot der Zweckentfremdung sind genannt worden. Das Baulückenkataster wird in der Petition auch genannt.

Darüber hinaus können wir über mehr Genossenschaftsmodelle und darüber reden, wie man sie verbessern kann. Natürlich kann man auch - da ist die Stadt München gefordert - über eine Neustrukturierung des Mietspiegels reden, damit die Mieten nicht in dem Maße steigen, wie sie es in der letzten Zeit getan haben. Man kann in den Mietspiegel soziale Komponenten einbauen. So gibt es in anderen Ländern, insbesondere in den skandinavischen Ländern, viele Modelle, mit denen man es jungen Leuten möglich macht, Wohneigentum leichter zu erwerben.

Das heißt, das Problem ist bekannt. Die Mittel zur Behebung sind auch bekannt. Wir erleben aber immer wieder - auch heute haben wir es erlebt -, dass man sich gegenseitig die Schuld zuweist. Die Staatsregierung sagt, die Stadt München tue nichts. Die Vertreter der Stadt München sagen, die Staatsregierung tue nichts. Ganz richtig sind diese Vorwürfe nicht, denn beide bemühen sich ein wenig, allerdings zu wenig. Das Allerschlimmste ist, dass sie nichts zusammen tun, wie mein Eindruck ist. Wir leben in einem Land, dessen Politiker zum Teil auch in den Gremien der

Stadt vertreten sind, aber es wird zu wenig geredet. Ich fordere Sie auf, tätig zu werden und möglichst schnell Gespräche zu führen.

Herr Staatsminister, denken Sie in dieser Sache doch auch über einen Runden Tisch nach. Sie haben zu diesem Thema gerade erst eine Pressekonferenz gegeben, bei der Sie Ihre eigenen Überlegungen vorgestellt haben. Sie werden sie hier, denke ich, auch noch einmal vorstellen. Warum setzt sich der Innenminister nicht mit den zuständigen Vertretern der Stadt, mit den zuständigen Referatsleitern zusammen? Binden Sie auch das Umland ein. Das Umland hat doch die gleichen Probleme. Die CSU stellt viele Landräte, die gerne mit Ihnen an einem Tisch sitzen würden. Es gibt einen Planungsverband, mit dem man zusammen Pläne dafür entwickeln kann, wie man in der Stadt, aber auch im Umland, in der Region günstigere Mietpreise schafft, indem man dafür sorgt, dass mehr gebaut wird.

Ideen gibt es genügend. Genügend Politiker haben das Problem erkannt. Ich appelliere an Sie, dass Sie dieses Thema nicht im Wahlkampf untergehen lassen, sondern dass Sie das nächste Jahr für Gespräche und Aktionen nutzen, um Anreize zu schaffen, die sehr wichtig sind, damit in München die Preise nicht noch mehr steigen, damit die Menschen, die hier leben wollen, nicht vertrieben werden, sondern sich die Stadt leisten können. Das ist uns ein Anliegen. Wir sind von den Menschen gewählt worden, damit wir uns für sie einsetzen, dass sie in dieser lebens- und liebenswerten Stadt München ein lebenswertes Leben führen können.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Als Nächste hat Frau Christine Kamm das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich an erster Stelle bei den Petentinnen und Petenten bedanken. Sie setzen sich in ihrer Petition mit der Frage auseinander, wie der zunehmenden Wohnraumnot in unseren Ballungsregionen entgegengewirkt werden kann. Die Petenten greifen mit ihrer Petition eine Aufgabe der Politik auf. Sie fordern von der Politik Lösungen auf einem Gebiet, auf dem die Politik in den letzten Jahren nicht hinreichend gehandelt hat. Mein Vorredner Piazolo hat bereits dargelegt, welche Folgen die zunehmende Wohnraumnot in den Ballungsregionen hat. Die einheimische Bevölkerung kann sich die immer teurer werdenden Wohnungen nicht mehr leisten. Die Menschen verlieren letztendlich ihre Heimat und die Möglichkeit, in den Stadtteilen zu leben, in denen sie bisher ihr Leben verbracht

haben. Es geht nicht an, dass Menschen mit sechzig oder siebzig Jahren in einer Wohnung, in der sie bisher gelebt haben, aufgrund abrupter Mietsteigerungen nicht mehr wohnen können, dass sie sich das Wohnen in München nicht mehr leisten können und weiß der Kuckuck wohin ziehen müssen.

Für die Wohnungssituation müssen bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden. Herr Blume, Sie haben gesagt, der Freistaat könne nicht die Aufgaben der Kommunen übernehmen. Das ist richtig. Der Freistaat muss den Kommunen aber Handlungsmöglichkeiten geben, damit sie handeln können. Leider passiert dies nicht. Ich nehme es den Petenten nicht übel, wenn sie nicht in jedem ihrer Spiegelstriche die exakte, aktuell zutreffende Zahl des derzeitigen Fördervolumens beispielsweise bei der Städtebauförderung nennen. Sie greifen aber als erstes das Umwandlungsverbot auf.

Bereits in der letzten Legislaturperiode gab es eine Petition der Münchner Mieterinnen und Mieter für einen gesetzlichen Rahmen, um ein Umwandlungsverbot in den Satzungsgebieten erlassen zu können. Diese Petition wurde vom Ausschuss mit dem Votum "Würdigung" versehen. Was ist seither passiert? - Gar nichts. Jetzt haben wir wieder eine Petition, die das fordert. Zwischendurch gab es einige Anträge im Landtag, die Sie abgelehnt haben. Ich fordere Sie wieder auf: Schaffen Sie endlich die Möglichkeit für Kommunen, in Satzungsgebieten ein Umwandlungsverbot gemäß § 172 des Baugesetzbuches zu erlassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Petition wurde im November letzten Jahres eingereicht. Zu diesem Zeitpunkt galt noch der alte Haushalt, in dem tatsächlich ein gekürzter Ansatz für die Wohnraumförderung des Landes festzustellen war. Es ist eine Schande, auf welch niedriges Niveau die Städtebauförderung zurückgefahren worden ist. Herr Innenminister, ich fordere Sie auf: Sorgen Sie auf Bundesebene dafür, dass die Städtebauförderung wieder ihre alte Bedeutung und ihr altes Gewicht bekommt.

(Zuruf von der CSU: Was ist mit Baden-Württem- berg?)

- Hier geht es jetzt um Bayern.

(Lachen bei der CSU)

Der CSU-Minister Ramsauer ist dafür verantwortlich, dass die Städtebauförderung auf ein erbärmlich niedriges Niveau heruntergeführt wurde. Die Kofinanzierung des Landes ist ebenfalls abgesenkt worden. Das

ist grundfalsch. Ich bitte Sie wirklich: Sorgen Sie dafür, dass sich das ändert. Es muss Ihnen doch möglich sein, in einem gewissen Umfang auf Ihren Bundesbauminister einzuwirken. Ich hoffe doch, dass Ihnen das möglich ist.

Wir halten die Forderung der Petenten ebenfalls für außerordentlich sinnvoll, ein Gesetz zur Verstetigung der Möglichkeit zu schaffen, die Zweckentfremdung von Wohnraum zu unterbinden.

Wahrscheinlich ist es nicht damit getan, dass nur die Stadt München ein Baulückenkataster einführt. Es wäre wohl sinnvoll, das in der gesamten Metropolregion zu tun.

Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen, wie sie die Mieterinnen und Mieter schon häufig in Petitionen gefordert haben. Zwar wurde bislang immer wieder das Votum "Würdigung" beschlossen, aber das nützte den Mietern nichts. Deswegen will unsere Fraktion dieses Mal eine Berücksichtigung. Wir wollen, dass endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden. Wir wollen, dass die wichtigen Schritte getan werden. Wir sind nicht der Meinung, dass die Schritte, die von den Mieterinnen und Mietern aufgeführt werden, ausreichen, um das Mietproblem in der Region endgültig und abschließend zu lösen, aber das sind wichtige Bausteine für ein Mietkonzept, das die Politik anpacken muss. Tun Sie heute den ersten Schritt!

Danke schön, Frau Kollegin Kamm. Als Nächster hat Kollege Dr. Otto Bertermann das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns gewiss fraktionsübergreifend in der Analyse einig. Alle Fraktionen wollen, dass Polizisten, Krankenschwestern, Altenpfleger und Alleinerziehende in Metropolregionen bezahlbaren Wohnraum haben. Das muss unser gemeinsames Anliegen sein. Die Fraktionen unterscheiden sich in dem Weg, wie sie dorthin kommen wollen.

Ich möchte den Blick wieder auf die Petition richten und als Stimmung im Ausschuss wiedergeben, dass sehr viele positive Argumente für das Anliegen der Petenten vorgebracht worden sind. Es lohnt sich überhaupt nicht, parteitaktisch oder parteipolitisch Kapital aus einem so ernsten Anliegen zu schlagen.

Lassen Sie mich auf die fünf konkreten Forderungen der Petition eingehen. Es geht dabei nicht nur um ein Umwandlungsverbot; Herr Blume hat zu verschiedenen Punkten schon Stellung genommen. Zur Wohnraumförderung wurden falsche Zahlen genannt. Mün

chen bekommt dadurch 52 Millionen Euro. Insgesamt sind im Haushalt dafür 205 Millionen Euro enthalten.

Herr Wörner, ich betrachte die Diskussion über die Zweckentfremdung, die im Ministerrat und hier in den Fraktionen geführt wird, als außerordentlich positiv. 2013 läuft die Zweckentfremdungsverordnung aus, und wir müssen jetzt im Landtag darüber diskutieren, ob wir eine solche Verordnung befristen wollen oder nicht. Es liegt an uns, darüber zu entscheiden. Da ist Bewegung auf unserer Seite.

Die Ausweisung von Bauflächen ist die originäre Aufgabe der Kommunen. Die konkrete Umsetzung liegt allein bei den Ballungsräumen und den Kommunen; dafür sind wir nicht zuständig.

Ein anderes Thema ist das zentrale Baulückenkataster. Auch da liegt die Planungshoheit bei den Kommunen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Ballungsräume wie Nürnberg, Erlangen oder München ein Kataster brauchen, um preiswerten Wohnraum an einen Erwerber zu bringen. Das regelt der Markt selbst, und zwar in sozial verantwortlicher Weise und nicht in der Weise eines Raubtierkapitalismus, wie es die linke Seite immer darstellt.

(Beifall bei der FDP)

Lieber Herr Wörner, Sie hatten das Umwandlungsverbot in den Mittelpunkt Ihres Diskussionsbeitrags gestellt: Die Länder sollten eine Rechtsverordnung erlassen, damit Umwandlungen unter Genehmigungsvorbehalt gestellt werden. Wer hat denn in Deutschland von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht?

(Ludwig Wörner (SPD): Hamburg!)

Nur Hamburg! Die Erfahrungen, welche die Hamburger damit gemacht haben, waren nicht positiv.

(Zuruf des Abgeordneten Ludwig Wörner (SPD))

- Lieber Herr Wörner, die anderen Bundesländer haben von der Möglichkeit des Genehmigungsvorbehalts nicht Gebrauch gemacht, weil sie von der Sache einfach nicht überzeugt waren.

Wir sind der Meinung, dass wir mehr Wohnraum brauchen. Wir können aber Wohnraum nicht einfach dadurch vermehren, dass wir einfach das Tafelsilber des Freistaates verscherbeln, wie es früher der Fall war, und letztlich Grundstücke unter Wert verkaufen, die für den Freistaat wertvoller sein müssen. Um mehr Wohnungen in München bauen zu können, brauchen wir nicht eine objektbezogene, sondern eine subjektbezogene Wohnraumförderung, die den einzelnen

Mietern sozial und marktwirtschaftlich gerecht wird. Noch dringender brauchen wir steuerliche Erleichterungen beim Bau neuer Wohnungen. Es kann nicht sein, dass die Miete nicht ausreicht, um eine Rendite zu erzeugen, die letztlich wieder in neue Wohnungen investiert werden kann. Diesen Weg müssen wir in Zukunft gehen, um nicht nur 7.000 Wohnungen in München zu bauen. Wir brauchen 9.500 bis 14.000 neue Wohnungen. Ich glaube, dass der Weg über einen steuerlichen Anreiz ein besserer Weg ist als staatliche Regulationen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Herr Dr. Bertermann, uns liegen zwei Anmeldungen für Zwischenbemerkungen vor. Zunächst ist Frau Kollegin Kamm dran, dann Kollege Wörner. Bitte schön, Frau Kollegin Kamm.

Herr Dr. Bertermann, wenn Sie gegen das Umwandlungsverbot von Wohnraum in Eigentum sprechen wollen, ziehen Sie immer das Beispiel Hamburg heran. Kennen Sie die Unterschiede zwischen dem Wohnungsmarkt in München und in Hamburg? Ist Ihnen klar, wie viel niedriger die Mieten in Hamburg sind als hier in München? Ist Ihnen außerdem klar, wie viel mehr ausländische und auch einheimische Kapitalanleger in den Wohnraum München strömen?

Herr Kollege, Sie haben das Wort. Bitte schön, Herr Dr. Bertermann.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Liebe Frau Kamm, ist Ihnen auch klar, dass wir aufgrund der bestehenden Gesetze und des Mieterschutzes genügend Möglichkeiten haben, solche Entwicklungen zu verhindern? In Hamburg ist gerade das nicht erreicht worden, was wir erreichen wollen. Die Mieten sind in Hamburg trotz des Umwandlungsverbotes angestiegen. Das ist doch der falsche Weg.

(Zuruf der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜ- NE))

Frau Kollegin Kamm, wir führen hier keine Zwiegespräche. Jetzt hat Kollege Wörner das Wort, bitte schön.

Herr Kollege Dr. Bertermann, es ist ein Widerspruch in sich, wenn Sie sagen, der Mieterschutz reicht aus, denn wenn er ausreichen würde, gäbe es keine Umwandlung. Dann müssten wir auch nicht darüber debattieren. Sie sollten deshalb Ihre Position überdenken.

Sie zitieren hier immer die angeblich falschen Zahlen, die in der Petition stehen. Ich mache Sie hier erneut darauf aufmerksam, dass es sich um Zahlen aus dem letzten Haushalt handelt, weil die Petition so lange nicht behandelt worden ist. Die Zahlen sind richtig, sie stimmen aber mit den Zahlen des neuen Haushalts nicht überein. Dieses Zahlenspiel und die Kritik daran sind fast schon ein Taschenspielertrick. Bitte unterlassen Sie das.

Wenn Sie sich die Gegebenheiten in Hamburg ansehen, dann bitte ich Sie, den aktuellen Bericht anzusehen, denn der beweist genau das Gegenteil von dem, was Sie behaupten.