Protokoll der Sitzung vom 11.12.2012

- da darf die FDP gerne wieder laut werden -, für schwerreiche Erben und für gewinnstarke Finanzinstitute. Mehr Netto vom Brutto − das war nach der Wahl so schnell vergessen, wie es vor der Wahl hastig und konzeptlos propagiert wurde. Der Netto-Purzelbaum: eine CSU-Wahllüge par excellence.

(Beifall bei der SPD − Zuruf von der CSU: Was soll das? − Weitere Zurufe von der CSU und der FDP)

- Es kommen noch elf Beispiele; ich kann es Ihnen nicht ersparen.

Beispiel zwei, die Atomkraft: Noch im Februar 2011 verlautbarte Horst Seehofer: Solange die Kernkraftwerke unsere hohen Sicherheitsstandards erfüllen und solange sie für unseren Energiemix unverzichtbar sind, werden wir sie am Netz lassen. Horst Seehofer hat als treibende Kraft dafür geworben, die Laufzeiten der Atomkraftwerke nicht, wie von Herrn Röttgen vorgeschlagen, um 8, 10 oder 12 Jahre zu verlängern, sondern sie unbegrenzt zu lassen. Er hatte damit die Maximalposition der Atomlobbyisten eingenommen, ohne irgendeine Kompromissbereitschaft zu zeigen. Die rot-grüne Energiewende sei ein Irrweg; das Licht werde ausgehen; mit Rot-Grün müssten die Menschen frieren; der Industriestandort Deutschland sei dem Untergang geweiht, intonierte der Ministerpräsident.

(Volkmar Halbleib (SPD): Hört, hört!)

Gänzlich ungeniert übernahm er dann über Nacht all jene Argumente von Rot-Grün, die er selbst jahrzehntelang bekämpft hatte. Meine Damen und Herren, kein Wunder, dass wir mit dieser CSU bei der Energiewende noch nicht viel weiter sind. Seehofers Atomkraftüberschlag fand bisher noch keine Landung auf dem Boden einer echten Energiewende.

(Beifall bei der SPD)

Beispiel drei, gleich im Kontext, das Bayernwerk: Im Mai dieses Jahres stellte Herr Seehofer medienwirksam die Rückkehr zu einem eigenen staatlichen Energieversorger in Aussicht. Wenn die Berliner Koalition

nicht zu schnellen Lösungen komme, dann gründen wir ein Bayernwerk, sagte der CSU-Chef. Er bestätigte auch einer großen Tageszeitung, es würde eine Rückkehr zur Stromwirtschaft bedeuten, wie sie vor der Privatisierungspolitik von Stoiber Bestand hatte. Zwei Tage später − es dauerte gerade einmal 48 Stunden − kam die Korrektur per CSU-Pressemitteilung: Seehofers Vorschlag − Herr Strepp war damals noch im Amt − habe mit dem Bayernwerk alter Art nichts zu tun, das sei ein Missverständnis gewesen; der Freistaat solle nicht als Unternehmer tätig werden; vielmehr gehe es darum, die ganzen Player in einem modernen Bayernwerk zusammenzufassen; bis zum Herbst solle über die Gründung entschieden werden. Entschieden ist, wie wir wissen, bis heute gar nichts, allenfalls das Gegenteil ist der Fall. Seehofers Bayernwerk war zwar nur einer der üblichen Knallfrösche, aber das reichte immerhin für eine halbe Seite in einer großen Tageszeitung. Das eigentliche Ziel war erreicht, nämlich politische Dominanz durch schiere Medienpräsenz vorzutäuschen.

Beispiel vier, die Wehrpflicht: Noch wenige Tage vor der spektakulären Ankündigung von Verteidigungsminister zu Guttenberg, einen Parteitagsbeschluss der SPD aus einigen Jahren vorher umzusetzen − Aussetzung der Wehrpflicht aus Gerechtigkeitsgründen -, machte Herr Seehofer Front gegen alle Kritiker. Am 7. Juni 2010 hieß es: Wir sagen Ja zur Wehrpflicht; wir können nicht alle paar Monate unsere politischen Entscheidungen ändern.

(Lachen bei der SPD)

Sie können das nicht alle paar Monate, aber alle paar Tage.

(Beifall bei der SPD − Zuruf von der SPD: Immer- hin!)

Die Wehrpflicht sei ein Markenkern der CSU. Es dauerte tatsächlich nicht lange, bis die CSU markenentkernt von der Wehrpflicht Abschied nahm. Wenn es einen Grundsatz gibt, den Horst Seehofer befolgt, dann den, dass es im Grundsatz keinen Grundsatz gibt, wonach Grundsätze nicht grundsätzlich auch schon ins grundsätzliche Gegenteil zu verkehren wären: die Bundeswehr-Riesenfelge mit eingebauter CSU-Markenentkernung.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Beispiel fünf:

(Zuruf von der CSU: Wie viele kommen denn noch?)

- Noch sieben, dann werde ich aufhören müssen, weil irgendwann meine Redezeit begrenzt wird.

(Thomas Hacker (FDP): Sind auch welche zum Landeshaushalt dabei?)

- Das Beispiel fünf, Länderfinanzausgleich.

(Thomas Hacker (FDP): Das ist okay, endlich!)

- Das gefällt Ihnen, Herr Hacker? − Dann darf ich das gerne ausführen.

(Georg Schmid (CSU): Das ist ein gutes Beispiel!)

Es war im Sommer 2001, als im Deutschen Bundestag der Bundestagsabgeordnete Horst Seehofer und seine Kollegen Gerda Hasselfeldt, Ramsauer, Aigner sowie die gesamte CSU-Landesgruppe den Länderfinanzausgleich mit ihrer Stimme in Gesetzesform gegossen haben. Der damalige CSU-Vorsitzende Stoiber hatte diesen Länderfinanzausgleich federführend ausgehandelt und ihn in einer eigens anberaumten Regierungserklärung im Landtag mit genauso großem Gestus wie Herr Seehofer heute als wegweisend für den Föderalismus und als gut für Bayern gefeiert.

(Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Was damals die CSU selbst auf den Weg gebracht hat, wird heute als nicht verfassungskonform und als bayernfeindlich beschrieben.

(Volkmar Halbleib (SPD): Hört, hört!)

Eines ist klar: Bayern zahlt mit 3,7 Milliarden Euro deutlich zu viel in den Länderfinanzausgleich. Die CSU hat zum Nachteil der bayerischen Steuerzahler schlecht verhandelt. Die CSU hat eben nicht den Patriotismustest bestanden, sondern sie ist krachend durchgefallen.

(Beifall bei der SPD)

Die heutige Kehrtwende, die Klage gegen sich selbst, zeigt besonders eindrucksvoll das Versagen beim Aushandeln des Länderfinanzausgleichs, und das wird auch noch mit eindrucksvollen Zahlen untermauert. Die CSU bestätigt mit ihrem Protest gegen ihre eigene Politik schwarz auf weiß: Sie hat damals entweder entgegen den Warnungen der Landtags-SPD die Interessen der bayerischen Steuerzahler auf dem Altar von Stoibers Kanzlerkandidatur geopfert, oder sie hat sich, wie bei der Landesbank und der Landesstiftung, schlicht als unfähig erwiesen, solide und weitsichtig mit bayerischem Volksvermögen umzugehen, meine Damen und Herren.

Herr Ministerpräsident, eines darf ich auch noch sagen. Sie sagen, all jene, die sich der Klage nicht anschließen wollen, seien nicht patriotisch. Lesen Sie doch bitte mal die Studie, die das Land Baden-Württemberg in Auftrag gegeben hat. Professor Häde, übrigens jemand, der der Bundesregierung als Gutachter gut bekannt ist, sagt, die Klage könnte für Bayern total nach hinten losgehen; denn wenn die kommunalen Haushalte einbezogen werden − gegenwärtig werden sie das zu 64 % -, dann könnte Bayern am Ende nicht weniger in den Finanzausgleich einbezahlen, sondern mehr. Das wollen wir in jedem Fall verhindern, und ich denke, zumindest darin sind wir uns einig.

Beispiel sechs, Bayerns Beamte und der öffentliche Dienst: Wohl in keinem anderen Bereich gibt es so regelmäßige Leibesübungen in so kurzer Zeit. Pünktlich zum Wahltermin wird aus der 42-Stunden-Woche, wie sie einmal von der CSU beschlossen wurde, die 40Stunden-Woche. In Bayern gab es im Jahr 2011 eine Nullrunde, in einem Jahr, in dem in 14 anderen Bundesländern die Bezüge angepasst worden waren. Ausgerechnet jetzt, im Wahljahr 2013, gibt es wie in allen anderen Wahljahren zuvor für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst so viele Beförderungen wie in all den Jahren zuvor niemals. Erst groß neue Stellen ankündigen, dann eine zwölfmonatige Wiederbesetzungssperre; erst das neue Dienstrecht mit großem Tamtam verabschieden, dann das zentrale Element dieser Dienstrechtsreform, die Vergabe von Leistungsbezügen, aussetzen; erst Wegstreckenentschädigung anpassen, kurz danach wieder kassieren. Dieser CSU-Dauerkreisel ist für die bayerischen Beamten eine Zumutung. Verlässlichkeit und Kontinuität sehen anders aus, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Beispiel sieben, der Donauausbau: 30 Jahre lang hatte die CSU die Donauausbaugegner als naturromantische Wirklichkeitsverweigerer beschimpft. Herr Seehofer hatte sich wiederholt mit großer Entschlossenheit für die Staustufenvariante C 280 ausgesprochen. In der "Mittelbayerischen Zeitung" vom 3. November 2009 steht − ich zitiere wörtlich:

Ich bin dezidiert für den Donauausbau in der Variante C 280, der Lösung mit der Staustufe.

Herr Seehofer sagte damals mit großer Geste, er stehe ohne Wenn und Aber hinter der CSU-Linie, einen schleichenden Abschied von den Ausbauplänen werde es mit ihm nicht geben. Das hatte er damals die bayerische Öffentlichkeit wissen lassen. Herr Ministerpräsident, davon, dass die vielen Schutz- und Auwaldgebiete an der frei fließenden Donau vielen

Zugvogelarten als Ruheplätze für die jährlichen Wanderungen im Frühjahr und im Herbst dienen, konnten Sie sich gestern persönlich überzeugen. Wir fordern Sie deshalb heute auf, den Bundestagsbeschluss zum sanften und staustufenfreien Donausausbau mit flussbaulichen und naturverträglichen Maßnahmen aus dem Jahr 2002 zum Wohle Bayerns nicht weiter zu blockieren.

(Beifall bei der SPD)

Es wird an dieser Stelle Zeit für einen weiteren Seehofer-Salto. Nehmen Sie Anlauf, holen Sie Schwung; SPD, GRÜNE und FREIE WÄHLER sind Ihnen gerne beim Überschlag behilflich.

Beispiel acht, die Studiengebühren:

(Volkmar Halbleib (SPD): Das sind drei Beispiele in einem!)

Im Grundsatzprogramm der CSU ist auf Seite 94 ein klares strategisches Bekenntnis zu dauerhaften Studienbeiträgen, unabhängig von der Entwicklung des Staatshaushalts, festgeschrieben. Eine solche Leibesübung, das Grundsatzprogramm zu ändern, bedarf normalerweise − wir wissen es alle − ganz besonderer Anstrengungen. Nicht so ist es bei Herrn Seehofer und der CSU. Die CSU-Fraktion wirft das eigene Grundsatzprogramm aus dem Jahr 2007, das eigentlich ein Vierteljahrhundert halten sollte, mir nichts, dir nichts über den Haufen, aber nicht etwa unter Beteiligung der Mitglieder − die Mitmachpartei! − und auch nicht aufgrund eines Parteitagbeschlusses, sondern nur deswegen, weil der Vorsitzende gerade einmal ein Machtwort gesprochen hat. Auch da zitiere ich gerne wieder Bernd Weiß, langjähriges CSU-Mitglied und Staatssekretär a. D. -

(Georg Schmid (CSU): Sonst fällt euch keiner ein! - Thomas Hacker (FDP): Zitieren Sie doch einmal Landrat Adam!)

Es ist einfach so schön, und ich freue mich über die Zwischenrufe, weil ich merke, dass ich bei Ihnen Emotionen auslöse, das muss in einer Debatte auch so sein. Ich zitiere:

Bei Seehofer gibt es gar keine Linie. Heute so, morgen so. Das ist wie ein schwerfälliger Sattelzug, wo einer vorne am Führerbock das Lenkrad hin- und herreißt und der Anhänger hinten ausbricht, herumschlingert, sich aufschaukelt.

(Dr. Otto Bertermann (FDP): Aber fahren kann er trotzdem! - Thomas Hacker (FDP): Hauptsache, es geht nach vorne!)

Der Ministerpräsident beteuert in den Medien mit Blick auf die Studiengebühren, es gehe ihm um das soziale Bayern, was nichts anderes heißt, als dass die CSU in den letzten Jahren eine unsoziale Politik zulasten vieler junger Talente in Bayern gemacht hat. Die CSU hat viele Studierwillige und Studierfähige auf der Strecke gelassen. Die CSU hat viele junge Menschen im Stich gelassen, die gerne studiert hätten, denen aber die Kostenbarriere, die die CSU aufgebaut hatte, schlichtweg zu hoch war. Noch weiß in Bayern an den Hochschulen niemand, ob man dem Ganzen trauen kann.

(Thomas Hacker (FDP): Ein Drittel ist befreit!)

Egal, ob Hochschulstudent oder Hochschulprofessor, es gibt niemand an den Hochschulen, der über das schwarz-gelbe Chaos derzeit nicht den Kopf schüttelt. Wir wissen nicht, wohin der Zug rollt. Eines ist klar: Wie auch immer das Volksbegehren ausgeht, eine SPD-geführte Bayerische Staatsregierung mit Christian Ude wird innerhalb der ersten hundert Tage die schwarz-gelbe Uni-Maut abschaffen und die Kosten aus dem Staatshaushalt vollständig kompensieren.

(Beifall bei der SPD - Thomas Hacker (FDP): Das wird frühestens 2092 der Fall sein! Warten wir einmal!)

Beispiel neun. Herr Hacker, hören Sie zu, es betrifft indirekt auch die FDP.